Betriebliche Gesundheitsförderung – Dipl.-Vw., Dipl. Fw. Marcus Spahn, Wolfgang Schneider, Harald Janas – TK Lexikon Sozialversicherung – 1. Januar 2016 Betriebliche Gesundheitsförderung HI2033785 Zusammenfassung LI1919124 Begriff Für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und zur betrieblichen Gesundheitsförderung, wird eine Steuerbefreiung in Höhe von bis zu 500 EUR jährlich gewährt. Zur sachlichen Eingrenzung der Steuerbefreiung wird Bezug auf die Vorschriften des Fünften Sozialgesetzbuchs genommen. Der Arbeitgeber soll seinen Beschäftigten Maßnahmen auf der Grundlage der gesundheitsfachlichen Bewertungen der Krankenkassen anbieten. Hierzu gehören z. B. Massagen, Rückenkonzepte, Förderung der psychosozialen Belastung und Stressbewältigung am Arbeitsplatz sowie Einschränkung des Suchtmittelkonsums (Raucherentwöhnung). Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung Lohnsteuer: § 3 Nr. 34 EStG regelt die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Sozialversicherung: Die Beitragsfreiheit als Konsequenz der Steuerfreiheit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 SvEV. Kurzübersicht Entgelt LSt SV Maßnahmen bis zu 500 EUR jährlich frei frei darüber hinausgehende Maßnahmen pflichtig pflichtig Lohnsteuer HI2136266 1 Gesundheitsförderung bis 500 EUR steuerfrei HI2767924 Betriebsinterne Maßnahmen, die der Arbeitgeber zum Zweck der Gesundheitsförderung und zur Erhaltung der Arbeitskraft seiner Mitarbeiter durchführt, gehören grundsätzlich zum Arbeitslohn. Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands des Arbeitnehmers oder der betrieblichen Gesundheitsförderung bleiben jedoch bis zu 500 EUR im Kalenderjahr je Arbeitnehmer steuerfrei, wenn sie hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit die Anforderungen des SGB V erfüllen und die Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Der Höchstbetrag ist jahresbezogen und gilt pro Dienstverhältnis. Übersteigende Beträge rechnen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. 2 Geförderte Maßnahmen HI2767925 Die Steuerfreiheit gilt ausschließlich für die früher in §§ 20 und 20a SGB V beschriebenen Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die durch die Spitzenverbände der Krankenkassen konkretisiert wurden. [ 1 ] Inzwischen ist die betriebliche Gesundheitsförderung im SGB V nach § 20b verschoben worden, eine Änderung des EStG steht aus. Die begünstigten Maßnahmen haben folgende Zielsetzungen: allgemeine Reduzierung von Bewegungsmangel sowie Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme, Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen des Bewegungsapparats, allgemeine Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung sowie Vermeidung und Reduktion von Übergewicht, gesundheitsgerechte betriebliche Gemeinschaftsverpflegung (z. B. Ausrichtung der Betriebsverpflegungsangebote an Ernährungsrichtlinien und Bedürfnissen der Beschäftigten, Schulung des Küchenpersonals, Informations- und Motivierungskampagnen), Stressbewältigung und Entspannung (Vermeidung stressbedingter Gesundheitsrisiken), Förderung der individuellen Kompetenzen der Stressbewältigung am Arbeitsplatz, gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung, Einschränkung des Suchtmittelkonsums (allgemeine Förderung des Nichtrauchens, "rauchfrei" im Betrieb, gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol, allgemeine Reduzierung des Alkoholkonsums, Nüchternheit am Arbeitsplatz). Steuerbefreiung auch für externe Maßnahmen Unter die Steuerbefreiung fallen auch Barzuschüsse des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter für extern durchgeführte Maßnahmen. Die Übernahme bzw. Bezuschussung von Mitgliedsbeiträgen an Sportvereine und Fitnessstudios ist jedoch nicht steuerbefreit. Unter die Steuerbefreiung fällt aber, wenn durch den Arbeitgeber ein Zuschuss für Maßnahmen gewährt wird, die Fitnessstudios oder Sportvereine anbieten und die den fachlichen Anforderungen des Leitfadens Prävention der Krankenkassen gerecht werden. Praxis-Tipp Bescheinigung der Krankenkasse anfordern Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt über die Frage der Steuerfreiheit einer gesundheitsfördernden Maßnahme lassen sich regelmäßig vermeiden, wenn die Krankenkasse bestätigt, dass eine förderfähige Leistung nach den §§ 20 oder 20a SGB V vorliegt. Die Bescheinigung sollte zu den Lohnunterlagen genommen werden. 3 Weitere Voraussetzungen HI2767926 3.1 Nur zusätzliche Leistungen begünstigt HI3686718 Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass es sich um zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers handelt. Leistungen, die unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) des vereinbarten Arbeitslohns erbracht werden, sind nicht steuerfrei. Möglich ist aber eine Anrechnung auf eine andere freiwillige Sonderzahlung (z. B. auf ein freiwillig geleistetes Weihnachtsgeld). Unschädlich ist auch, wenn der Arbeitgeber zweckgebundene Leistungen zur Auswahl anbietet oder die übrigen Arbeitnehmer die freiwilligen Sonderzahlungen erhalten. Achtung Freiwillige und arbeitsvertragliche Leistungen können "zusätzlich" erbracht werden Nach neuerer Rechtsprechung können nur freiwillige Arbeitgeberleistungen "zusätzlich" zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. [ 2 ] Diese Einschränkung lehnt die Verwaltung ab. Nach Ihrer Auffassung ist das Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" weiterhin auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage einen Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung hat. [ 3 ] 3.2 Leistung im überwiegenden betrieblichen Interesse HI2764706 Leistungen zur Gesundheitsförderung der Arbeitnehmer sind oftmals im überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Solche Leistungen sind kein Arbeitslohn und unterliegen nicht dem Lohnsteuerabzug. Betriebliche Gesundheitsförderung bis 500 EUR steuerfrei Die Abgrenzung von überwiegendem Arbeitgeberinteresse einerseits und Bereicherung des Arbeitnehmers andererseits ist jedoch schwierig. Wegen der Steuerbefreiung erübrigt sie sich bei Beträgen bis 500 EUR. Übersteigen die Zuwendungen dagegen den Freibetrag von 500 EUR, ist weiterhin eine Abgrenzung erforderlich. Als Maßnahmen im überwiegenden betrieblichen Interesse sind u. a. Massagen oder Rückentrainingsprogramme für Arbeitnehmer an Bildschirmarbeitsplätzen denkbar. [ 4 ] Sozialversicherung HI2136267 1 Leistungen der Krankenkasse HI8139893 Die Krankenkassen werden mit § 20b Abs. 1 SGB V verpflichtet, Leistungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben zu erbringen. Danach haben sie die folgenden im Gesetz genannten Anforderungen zu erfüllen: Erhebung der gesundheitlichen Situation einschließlich ihrer Risiken und Potenziale unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen für den Betrieb, Entwicklung von Vorschlägen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation und zur Stärkung gesundheitlicher Ressourcen und Fähigkeiten sowie Unterstützung bei deren Umsetzung. Hierbei handelt es sich im Gegensatz zu § 20 SGB V um eine Regelleistung, sodass eine Satzungsregelung nicht erforderlich ist. 1.1 Handlungsfelder und Präventionsprinzipien HI8804854 Auch hier ist der Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes zu beachten. Dort werden für den individuellen Ansatz der betrieblichen Gesundheitsförderung folgende Handlungsfelder und Präventionsprinzipien beschrieben: Arbeitsbedingte körperliche Belastungen Vorbeugung und Reduzierung arbeitsbedingter Belastungen des Bewegungsapparats Betriebsverpflegung gesundheitsgerechte Verpflegung am Arbeitsplatz Psychosoziale Belastungen (Stress) Förderung individueller Kompetenzen zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung Suchtmittelkonsum Rauchfrei im Betrieb "Punktnüchternheit" (Null Promille am Arbeitsplatz) bei der Arbeit 1.2 Gemeinsame Koordinierungsstellen HI8804855 Alle Krankenkassen beraten und unterstützen Unternehmen in neu zu organisierenden gemeinsamen regionalen Koordinierungsstellen für betriebliche Gesundheitsförderung. Hierzu sollen keine Mehrfachstrukturen geschaffen, sondern bestehende Strukturen – wie Geschäfts- und Servicestellen der Krankenkassen, die gemeinsame Servicestellen nach §§ 22 und 23 SGB IX und moderne Kommunikationsmittel und -medien – genutzt werden. Mit der Regelung wird die in der betrieblichen Gesundheitsförderung erforderliche Zusammenarbeit der Krankenkassen gefördert und ein niedrigschwelliger Zugang zu den Leistungen für Unternehmen geschaffen. Hilfe bei Leistungsinanspruchnahme Die Koordinierungsstellen sollen bei der Inanspruchnahme der Leistungen helfen, indem sie insbesondere über diese informieren. Die Koordinierungsstellen klären, welche der Krankenkassen im Einzelfall die Leistungen der Gesundheitsförderung im Betrieb initiiert. Kleinere Betriebe sollen dabei über vorhandene örtliche Netzwerke erreicht werden. Örtliche Unternehmensorganisationen – wie Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Innungen – sollen über Kooperationsvereinbarungen beteiligt werden. 2 Beitragsrechtliche Bewertung der Arbeitgeberleistungen HI2136305 Das Sozialversicherungsrecht beurteilt die Beitragspflicht grundsätzlich analog dem Steuerrecht. Die steuerfreien Arbeitgeberleistungen zur Gesundheitsförderung bis in Höhe von 500 EUR jährlich gehören nicht zum Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung. [ 5 ] Die beitragsfreien Leistungen des Arbeitgebers werden bei der Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts nicht berücksichtigt. [ 6 ] [ 1 ] S. hierzu Handlungsfelder und Kriterien des GKV Spitzenverbands zur Umsetzung von §§ 20 und 20a SGB V v. 21.6.2000 i. d. F. v. 10.12.2014, die im Internet unter www.gkv-spitzenverband.de veröffentlicht sind. [ 2 ] BFH, Urteil v. 19.9.2012, VI R 54/11, BFH/NV 2013 S. 124; BFH, Urteil v. 19.9.2012, VI R 55/11, BFH/NV 2013 S. 126. [ 3 ] BMF, Schreiben v. 22.5.2013, IV C 5 - S 2388/11/10001-02, BStBl 2013 II S. 728. [ 4 ] H 19.3 LStH. [ 5 ] § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV. [ 6 ] § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 6 oder Abs. 7 SGB V.
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