KULTUR DIENSTAG, 29. SEPTEMBER 2015 PFORZHEIMER ZEITUNG NUMMER 225 JO URNA L Die Suche nach Nofretete beginnt LUXOR. Im Tal der Könige in Ägypten hat eine Expedition die Suche nach dem bislang unentdeckten Grab von Königin Nofretete aufgenommen. Der Ägyptologe Nicholas Reeves machte sich gestern an die Arbeit, Hinweise für seine Theorie verborgener Räume in der Grabkammer von Tutanchamun zu finden. Das Grab Nofretetes soll sich dort befinden. Wenn Reeves es wirklich finden sollte, wäre dies eine der größten Sensationen der Archäologiegeschichte. dpa In der Klosterkirche verabschieden der Maulbronner Kammerchor, die Vokalsolisten und das Ensemble „il capriccio“ – alle unter der Leitung von Jürgen Budday – die Saison der Klosterkonzerte. Wer nicht wagt und doch gewinnt KÜNSTL E R D E S TAG E S Am Ort der Ruhe und Inspiration Der Geiger David Garrett (35) findet Ideen in den unterschiedlichsten Situationen – für sein neues Album kam ihm eine rettende Idee auf dem stillen Örtchen. „Ich saß in einem kleinen Hotelzimmer. Und ich habe gesagt: ,Ich muss unbedingt jetzt mal aufs Klo’“, erzählte er im Gespräch. „Und ich bin aufs Klo gegangen und währenddessen . . . Ich bin dann wieder reingekommen und sagte: ,So, ich hab’s!’ “ Das Ergebnis des kreativen Prozesses ist ab 9. Oktober auf Garretts neuem Album „Explosive“ zu hören. dpa FOTOS: FOTOMOMENT Die Maulbronner Klosterkonzerte sind zu Ende gegangen. ■ ■ Eine beeindruckende Johannespassion beschließt die Konzertreihe. SIMON PÜSCHEL | MAULBRONN E in Wagnis ist es nicht. Zum Saison-Abschluss setzen die Maulbronner Klosterkonzerte auf Bewährtes: Bachs Johannespassion. So ganz will das Werk nicht in die Zeit passen, im sonnigen September fern der Passionszeit, fast genau sechs Monate nach Karfreitag. Aber im christlichen Glauben ist sie immer aktuell, die Geschichte vom Leiden und Sterben Christi. Und in Bachs staunenswerter Vertonung stets ein Ereignis. Gerade, wenn sie so gelungen erklingt wie hier. Nur eine Entscheidung, die ist ärgerlich. Mit ihren rund zwei Stunden Spielzeit lädt die Passion dazu ein, ohne Pause durchgespielt zu werden. Zu groß und gewaltig ist der Bogen der Leidensgeschichte, als dass es ihm gut tut durch eine Pause durchbrochen zu werden – und wenn, dann nicht an der Stelle, die die Verantwortlichen in Maulbronn gewählt haben. Da ist – nach dem Choral „In meines Herzens Grunde“ – schon beinahe das gesamte Geschehen an den Besuchern in der ausverkauften Klosterkirche vorbeigezogen: der gewaltige Anfangs-Chor mit seinen unsteten Instrumental-Grummeln, die Verleugnung des Petrus und – als geniales Alleinstellungsmerkmal der johanneischen Passion – die von Bach unnachahmlich gestaltete philosophisierende Gerichtsszene zwischen Pilatus, Christus und der aufgebrachten Menge, die ihre Wut in geifernden Turba-Chören herausschreit. Was nach der Pause folgt, ist die eigentliche Kreuzigung, ein viel kürzerer Teil, mit weniger handlungsbestimmtem als viel- tation. Gerade die eigenständigen Chorsätze gestalten die Musiker in durchdachter Dramaturgie. Die Choräle gelingen in satt-sicherer Intonation – nur manch ausuferndes Ritardando am Choralschluss hätte es da nicht gebraucht. Aber hier wie auch in den Turba-Chören, deren Reiz ihre spröde Direktheit ist, zeigt sich, dass dem Maulbronner Ensemble meist Klangschönheit vor dramatischem Ausdruck gilt – ein zweischneidiges Schwert. Johannes unter dem Kreuz David Allsopp gibt einen starken AltSolisten. mehr reflexivem Gestus, Innerlichkeits-Arien statt brüllendem Massengesang. Nichtsdestotrotz erzeugt die Aufführung gewaltige Wirkung. Mehr Schönheit als Drama Der Maulbronner Kammerchor überzeugt unter Jürgen Budday mit einer eindringlichen Interpre- Die Solisten geben eine beeindruckende Vorstellung. Als Christus überzeugt Tobias Berndt, der die sakrale Unnahbarkeit der Figur wunderbar verkörpert. Daniel Johannsen gestaltet seine Partie des Evangelisten mit waghalsiger Ergriffenheit. Kein vom Alter gebeugter Johannes erzählt hier Geschichte aus einer fernen Zeit. Johannsen scheint als Erzähler wirklich unterm Kreuz zu stehen. Auch David Allsopp zeigt als Alt-Solist eine starke Vorstellung. Weniger hervor treten Sophie Klußmann (Sopran), Josef Wagner (Bass) und Benjamin Hulett (Tenor), die eine gediegene Interpretation zeigen. Schade, dass Hulett gerade am Anfang des Abends zu wenig Stimmkontrolle zeigt. Das Barock-Ensemble „il capriccio“ zeigt sich als versierter instrumentaler Partner, der gerade im Chorsatz „Ruhet wohl, ihr heiligen Gebeine“ auftrumpft. Schade, dass die Viole d’amore – gerade zur Tenor-Arie „Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken“ – ihre Stimmung nicht halten und sich teils heftige Intonationsprobleme ergeben. Die Generalbassgestaltung gelingt – auf Orgel und Cembalo – Evelyn Laib besonders gut. Insgesamt aber bildet ein hochzufriedenstellender Abend den Abschluss der diesjährigen Klosterkonzerte. Nachdem der ergreifende Schlusschoral in der kerzenbeschienenen Kirche verklungen ist, brandet – nach langem Innehalten – großer Applaus auf. Nicht für ein Wagnis; aber für eine liebevolle Interpretation des Bach’schen Meisterwerks. Zarte Gitarrenklänge über den Bäumen – Marcus Breiteneder spielt auf dem Baumwipfelpfad Mit ihrem Schattentheater beeindrucken Pascal Sani, Indra Sani, Kim Sani, Anja Wunderlich, Johannes Voges, Dirk Tillack, Alexandra Nasse, Didi Weyrowitz mit Gesellschafterin Michaela Köhler-Schaer (von links). FOTO: RECKLIES Magische Momente – „Die Mobilés“ im Osterfeld PFORZHEIM. Sie nennen sich „Die Mobilés“, sind Gewinner des französischen Supertalentwettbewerbs 2012 und haben sich auf den Weg gemacht, mit ihrem außergewöhnlichen Schattentheater die Welt zu erobern. Nicht aber, indem sie auf Effekthascherei mit modernsten Mitteln setzen, sondern indem sie einfach ihre Körper sprechen lassen und mit diesen in altbekannter Schattentheatermanier neue Bilder auf eine Leinwand zaubern. Mit ihrem Programm „Moving Shadows“ unter der Regie von Harald Fuß entführen die acht Darsteller, die unter vollem Körpereinsatz im Schattenspiel herrliche Kurzgeschichten erzählen, in eine Welt, die gleichermaßen vertraut und fremd wirkt. Dies auch mit einem schönen Farbenspiel und der Unterstützung sehr gut zu den Szenen ausgewählter Musik. Schade nur, dass es hier manchmal zu kleinen Aussetzern der Tonanlage kam. Es sind geradezu magische Momente, die die Zuschauer erleben, wenn die acht Darsteller Ausschnitte aus Märchen nachspielen, wenn sie zu bekannten Filmmelodien eindrückliche Szenen auf die Leinwand zaubern, wenn sie quasi aus dem Nichts heraus Tiere zum Leben erwecken. Oder die Zuschauer erleben sich wiegende Wellen, in denen eine Schwimmerin von einem Hai angegriffen wird, Spinnen und anderes Getier, das munter umherkrabbelt, oder aber die Fahrt in einem Cabriolet, bei dem sich auf Knopfdruck das Dach öffnet. Und würde man den Darstellern nicht vertrauen, dass sie – von wenigen eindeutig erkennbaren Requisiten abgesehen – nur auf den Schattenwurf ihrer meist graziös in Bewegung befindlichen Körper setzen, man würde kaum glauben, dass das Dach des Cabrios nur aus Armen oder Beinen gestaltet ist, dass der eindeutig erkennbare Elefant aus einem Pulk Menschen geformt oder selbst die Möbel eines Klassenzimmers samt Schülern und Lehrerin nur durch Schatten gezauberte Illusion sind. Es ist große Körper- und Theaterkunst, die da begeistert. Herrlich, wie es den vier Frauen und ebenso vielen Männern gelingt, die Zuschauer so tief zu berühren, dass diese am Ende nur einen Wunsch haben: mehr zu sehen, von diesem cineastisch anmutenden Schattentheater in Schwarzbunt. Ralf Recklies BAD WILDBAD. Wenn es bei einem Konzert von Vorteil ist, schwindelfrei zu sein, dann ist Marcus Breiteneder dafür verantwortlich. Auf dem Turm des Baumwipfelpfads in Bad Wildbad in einer Höhe von rund 800 Metern brachte der Gitarrist ein musikalisches Programm zum Vortrag, das in keine Schublade passt. Anlass war das Jubiläum des Baumwipfelpfads, der mittlerweile seit einem Jahr existiert. Herrlich war der Blick auf die Schwäbische Alb, in den Kraichgau, auf den Pfälzerwald und einiger Wolken zum Trotz sogar bis zum Stuttgarter Fernsehturm. Schwer zu sagen, ob in der Region jemals in größerer Höhe die Saiten einer elektronischen Gitarre so kunstvoll gezupft wurden wie an diesem Abend von Marcus Breiteneder. Eine blutrote Gitarre hielt er in der Hand, zwei Verstärker daneben und rundherum nichts als Bäume – kurzum: Weniger ist mehr. Seine Stücke, die vielsagende Namen tragen wie „Weightless“ – Schwerelos oder „Flying“ – Fliegen, hat Breiteneder selbst kom- poniert. Ein rhythmischer Beat brachte den Turm leicht zum Vibrieren, während spirituell-indianische Elemente in eine weit entfernte Gedankenwelt entführten. Nicht nur optisch kein Vergleich zu der Atmosphäre eines Konzertsaals. Und nach einer harten Arbeitswoche sicher nicht die schlechteste Art, um zu entspannen. Breiteneder zeigte eindrucksvoll, dass aus einer E-Gitarre nicht nur harte Riffs und satte Bässe herauszubekommen sind, sondern dass man ihr auch leise, zarte Töne entlocken kann. Nico Roller Breiteneder favorisiert eine ruhigere Gangart auf der E-Gitarre. FOTO: ROLLER „Ich war eine Ackergeburt“ Der Allgäuer Kabarettist Maxi Schafroth begeistert das Publikum im Kulturhaus Osterfeld PFORZHEIM. Der Freistaat Bay- ern ist zweigeteilt, und zwar trennt der Lech das vermeintlich homogen wohlhabende Bundesland in einen reichen und einen armen, strukturschwachen Landesteil. Das weiß längst nicht jeder, aber genau dafür hat der aus dem bayrischen Allgäu stammende Kabarettist Maxi Schafroth seinen „Informationsabend“ mit dem Titel „Faszination Bayern“ kreiert. Informieren, aufklären, Gemeinsamkeiten unterstreichen möchte der 1985 geborene Lausbub, der am Sonntagabend ganz traditionell bayrisch gekleidet in brauner Kordhose, rot kariertem Hemd und Lodenjacke die Bühne des Großen Saals im Kulturhaus Osterfeld betritt. Das tut er mit viel Geist, einer scharfen Zunge, wilder Gestikulation, abwechslungs- Reißen das Publikum im Kulturhaus Osterfeld von der ersten Minute an mit: Kabarettist Maxi Schafroth und Gitarrist Markus Schalk (von links). FOTO: LÄUTER reicher Mimik und immer wieder auch mit musikalischen Einlagen, bei denen eine ziemlich bluesige, tiefe Stimme aus dem ansonsten doch recht zierlich wirkenden Schafroth herauskommt. Gekonnt unterstützt wird er dabei nicht nur für die Gesangseinlagen von Gitarrist Markus Schalk. Kaum ist der gelernte Bankkaufmann auf der Bühne, biegen sich auch schon die ersten Zuschauer vor Lachen, und das ist kein Einzellacher zum Einstieg, sondern zieht sich konstant durch das rund zweistündige Programm. Gekonnt spielt er dabei immer wieder das reiche München gegen das bescheidene Allgäu aus. Im einen Teil werden Mieter abgezogen, im andern wird geschafft – und zwar ständig. „Ich war eine Ackergeburt. Meine Mutter hat mich die ersten zwei Stunden für eine Kartoffel gehalten“, schickt er beispielsweise der Feststellung voraus, dass in den 1990er-Jahren der Tod auf Feld oder Traktor im Allgäu noch als Ehrentod galt. Während die einen also ohne Unterlass am Schaffen sind, sind die anderen, also die Bewohner jenseits des Lech, im fernen, gelobten Land, damit beschäftigt, zu konsumieren. Denn „das ist schließlich ein zeitgemäßes Verhalten: Man konsumiert einfach alles weg, was einem in den Weg kommt.“ Inga Läuter PZ vom 29.09.2015 6
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