Rundschreiben Nr. 258/2015

Rundschreiben Nr. 258/2015
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Öffentlich
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Ingo Schliephorst
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Datum: 26.06.2015
Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auf Landesebene als Prozessvoraussetzung – Urteil des BSG vom 23.06.2015
Ab dem 01.09.2015 muss vor Erhebung einer Klage bei Streitigkeiten bis zu einem
Wert von 2.000,00 € infolge einer MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V gemäß
§ 17c Abs. 4b Satz 3 KHG zwingend ein Schlichtungsverfahren auf Landesebene
durchgeführt worden sein. Auf die fehlende Errichtung bzw. Arbeitsfähigkeit eines Landesschlichtungsausschusses kann sich dann nicht mehr berufen werden; ein entsprechender Vertrauensschutz besteht nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat ausweislich der bisher lediglich vorliegenden Medieninformation Nr. 15/15, die als Anlage beigefügt ist, mit Urteil vom
23.06.2015 (AZ: B 1 KR 26/14 R) entschieden, dass der durch die frühere Rechtsprechung des 3. Senats des BSG vom 08.10.2014 (AZ.: B 3 KR 7/14 R) begründete Vertrauensschutz, wonach Klagen in Folge einer MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V,
deren Wert 2.000,00 € nicht übersteigen, trotz der Regelung des § 17c Abs. 4b Satz 3
KHG auch ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auf Landesebne
nach § 17c Abs. 4 Satz 1 KHG zulässig seien, wenn im entsprechenden Bundesland
kein Schlichtungsausschuss gebildet der arbeitsfähig sei, mit Ablauf des Monats August
2015 ende. Ab dem 01.09.2015 setze die Erhebung einer Leistungsklage in Folge einer
MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V bis zu einem Wert von 2.000,00 € zwingend
ein erfolglos durchgeführtes vorheriges Schlichtungsverfahren auf Landesebene voraus.
Daneben hat der 1. Senat festgestellt, dass eine Entscheidung des Landesschlichtungsausschusses nicht als Verwaltungsakt, sondern als öffentlich-rechtlicher Vertrag
anzusehen sei.
Anmerkungen:
Da bisher lediglich eine knappe Medieninformation bezüglich dieses Urteils vorliegt, ist
eine Bewertung dieser Entscheidung nur eingeschränkt möglich. Erkennbar ist jedoch
die Kernaussage des 1. Senats: Nicht mehr in Betracht kommt ab dem 01.09.2015 der
Vertrauensschutztatbestand, den der 3. Senat in seiner Entscheidung vom 08.10.2014
herangezogen hat, um zu begründen, dass auf Grund fehlender Errichtung bzw. feh-
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lender Anzeige der Arbeitsfähigkeit von Landesschlichtungsausschüssen die vorherige
Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auf Landesebene trotz der entsprechenden
Regelungen in § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG keine Prozessvoraussetzung sein kann, da
ansonsten der betroffenen Partei eine Durchsetzung ihrer Rechte auf unabsehbare Zeit
unmöglich gemacht und damit gegen das aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip verstoßen werde. Ab dem 01.09.2015 ohne Durchführung eines vorherigen Schlichtungsverfahrens auf Landesebene erhobene Klagen bis zu einer Höhe von
2.000,00 € in Folge einer MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V sind danach unzulässig, unabhängig von der Frage, ob im betroffenen Bundesland ein entsprechendes
Schlichtungsverfahren überhaupt durchgeführt werden kann. Warum der aus dem im
Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Vertrauensschutzgrundsatz
nicht mehr gelten und mit Ablauf gerade des Monats August 2015 entfallen soll, bleibt
bis zur Veröffentlichung der Urteilsgründe unklar. Als einzig positiven Aspekt der Entscheidung könnte allenfalls die Feststellung angesehen werden, dass der Landesschlichtungsausschuss nicht in Form eines Verwaltungsaktes, sondern in Form eines
öffentlich-rechtlichen Vertrages entscheidet.
Zusätzliches Unverständnis ruft dieses Urteil hervor, da ausweislich des am 10.06.2015
vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurfs des KHSG die Regelungen zu
den Schlichtungsausschüssen auf Landesebene sowie der verpflichtenden Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gestrichen werden sollen. Treten diese Regelungen
wie geplant zum 01.01.2016 in Kraft, ergibt sich die kuriose Situation, dass bis Ende
August 2015 Klagen in Folge einer MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V ohne vorherige Durchführung eines Verfahrens vor einem Landesschlichtungsausschuss auf
Grund des Vertrauensschutzgrundsatzes unabhängig von ihrem Streitwert zulässig sind,
vom 01.09.2015 bis 31.12.2015 jedoch nur solche Klagen mit einem Streitwert von über
2.000,00 € und ab dem 01.01.2016 dann wieder sämtliche Klagen.
Zur Vermeidung von Nachteilen sollten Krankenhäuser daher bis zum 31.08.2015 zumindest in den Fällen, die zum 31.12.2015 verjähren, vor den Sozialgerichten Klage
erheben, sofern keine entsprechenden Verjährungsverzichtsvereinbarungen mit den
Krankenkassen bestehen, da diese Klagen ab dem 01.09.2015, sofern kein arbeitsfähiger Landesschlichtungsausschuss besteht, bis zum Eintritt der Verjährung nicht mehr
zulässig erhoben werden können. Hinsichtlich derjenigen Streitigkeiten, die nicht bis
zum 31.12.2015 verjähren, kann – sofern dadurch keine ernsthaften Liquiditätsprobleme entstehen – eine Klageerhebung ab dem 01.01.2016 erfolgen. Durch dieses Vorgehen kann der Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.12.2015, in der eine Klageerhebung wegen der mangelnden Anrufungsmöglichkeit eines Schlichtungsausschusses auf Landesebene ausscheidet, überbrückt werden.
Über die weitere Entwicklung in dieser Angelegenheit werden wir Sie informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Der Hauptgeschäftsführer
Im Auftrag
Ingo Schliephorst
Referent