Wild - Jagdpraxis SCHROTMUNITION IM TEST Foto: Martin Otto Tödlich oder nicht? Bleifreie Schrote genießen nicht den besten Ruf. Aber wie gut wirken sie im Vergleich zu Bleischroten wirklich? WILD UND HUND wollte das endlich genauer wissen und gab beim DEVA-Institut einen bisher einmaligen Versuch in Auftrag. Ingo Rottenberger Gibt es aus physikalischer Sicht Unterschiede bei den gängigen alternativen Schrotmaterialien, die die Tötungswirkung beeinflussen könnten? Ein vergleichender Versuch sollte das klären. Dabei ging es um folgende Fragen: 1. Wie gut ist die Deckung der Schrote? 2. Wie hoch sind die jeweiligen Energien/ Energiedichten auf drei unterschiedliche Zielentfernungen? 3. Wie tief dringen die Schrote in ballistische Seife ein? Könnten dadurch beim Wild Gefäße erreicht werden? 4. Führt das gleichzeitige Auftreffen einer bestimmten Anzahl von Schroten zum Tod eines Hasen/Fasans (Schocktod), ohne dass stark durchblutete Gefäße geschädigt werden? 16 WILD UND HUND | 18/2015 www.wi ldu n dhu nd .de ww w.w ild un d hund .de WILD UND HUND | 18/2015 17 Wild - Jagdpraxis Für alle Versuche wurde eine Bockflinte Blaser „F3“ verwendet und immer der untere Lauf mit ¼-Choke benutzt, um gleiche waffentechnische Bedingungen zu gewährleisten. Folgende Munition wurde getestet: Munitionsdaten Pb We Zn Bi W Produkt RWS Waidmansheil RWS Steel Game Hubertus Spezial Eley VIP RWS Ultimate Hersteller RUAG Ammotec RUAG Ammotec Lapua ELEY RUAG Ammotec Vorlage 36 g 28 g 30 g 28 g 36 g Schrotgröße 3 mm 3 mm 3 mm 3,1 mm 3 mm Abk.: Pb = Blei; We = Weicheisen; Zn = Zink; Bi = Wismut; W = Wolfram Wie gut ist die Deckung der Schrote? Um das zu beurteilen, wurde die Wannseer Norm der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen (DEVA) herangezogen: Demnach gilt eine Flinte zum Beispiel für die Jagd auf Fasan oder Ente als tauglich, wenn beim Beschuss der 16-Felder-Scheibe auf 35 Meter (m) jedes Feld gedeckt ist. Das bedeutet, dass bei der vorgeschriebenen Verwendung von 3-Millimeter-Bleischrot auf jedem Feld mindestens sechs Schrote (besser sieben) sein müssen. DECKUNG DER 16-FELDER-SCHEIBE MIT UNTERSCHIEDLICHEN SCHROTMATERALIEN Blei-Schrot 3 mm 16 13 16 5 6 15 14 Weicheisen-Schrot 3 mm 4 1 3 2 12 14 8 13 WismutSchrot 3,1 mm 10 16 4 1 3 2 13 3 2 12 9 11 WILD UND HUND | 18/2015 10 14 8 13 10 14 8 13 1 3 2 3 11 1 10 8 9 10 gedeckt (sechs und mehr Schrote) 7 2 12 11 8 9 6 4 7 5 15 7 4 12 16 1 6 WolframSchrot 3 mm 6 4 14 7 9 11 5 15 5 15 18 16 6 12 9 11 5 15 7 Zink-Schrot 3 mm mäßig gedeckt (vier bis fünf Schrote) nicht gedeckt (ein bis drei Schrote) www.Schloss-Liebenberg.de Testschießen im Jagdtrainingszentrum branchentreff Jagdhundewesen Wildspezialitäten Getroffen wurde dieser Erpel, tot ist er noch nicht. Gerade den bleifreien Schroten wird eine mangelnde Wirkung nachgesagt – eine zu pauschale Aussage. Foto: Willi Rolfes Landeshegeschau berger 6. Lieben Vor Beginn der Versuche haben wir zudem die Anzahl 2“ = 1 it n n„ ei n m rso ch so e t ts er itp rit Gu 1 P gle Eint Be 1 5€ der Schrote pro Patrone gezählt. Damit kann nach dem Beschuss der Prüfscheibe der prozentuale Anteil der Treffer im ganzen Prüfkreis (Durchmesser: 75 Zentimeter) errechnet werden. .2015 26. + 27.9 r 10 - 18 Uh Anzahl der Schrote pro Patrone Pb We Zn Bi W 200 242 310 204 223 Pro Munitionsart wurden fünf Schuss auf eine 16-FelderScheibe abgegeben. Die Anzahl der Schrote auf der Scheibe wurden für jedes der 16 Prüffelder ausgezählt und durch die Anzahl der abgegebenen Schüsse geteilt. Somit ergab sich, wie gut das einzelne Feld gedeckt wurde. Obwohl wir die Bedingungen bei allen Schüssen konstant hielten, können aus diesen Ergebnissen keine Verallgemeinerungen abgeleitet werden, da sie lediglich eine Momentaufnahme einer Lauf-Choke-Kombination sind. Untereinander können die gemessenen Ergebnisse aber dennoch verglichen werden. 727 | Kunst & Antiquitäten 7. Oktober 2015 Besichtigung: 2. – 5. Oktober 2015 Anzahl der Schrote auf der Prüfscheibe Pb We Zn Bi W Gesamt 87,4 111,2 48,4 72,8 141,0 in % 43,7 45,9 15,6 35,7 63,2 Dabei wurde deutlich, dass Wolfram-Schrot eine nahezu optimale Deckung erreichte, Blei-, Weicheisen- und Wismut-Schrote noch einsetzbar wären, aber Zink-Schrot unge- Auflösung einer Bayerischen Privatsammlung von über 150 Jagd- und Tierbronzen, u.a. Pierre-Jules Mêne, Antoine-Louis Barye, Bartelier, Théodore Gechter,Christophe Fratin, Jules Moigniez etc. Gerne nehmen wir auch Ihre Einlieferung entgegen Nagel Auktionen GmbH & Co. KG | Neckarstraße 189 – 191 | 70190 Stuttgart Tel: + 49 (0) 711 - 64 969 - 0 | Fax: + 49 (0) 711 - 64 969 - 696 | [email protected] ww w.w ild un d hund .de Foto: Ingo Rottenberger/ DEVA Wild - Jagdpraxis Versuchsaufbau, um die Eindringtiefe der Schrote zu ermitteln: druckreguliertes Luftgewehr (l.) – GeschwindigkeitsMessgerät (M.) – Zielmedium: ballistischer Seifenblock (r.) nügend deckte. Vergleicht man diese Ergebnisse mit An gaben von Waffenherstellern, die für einen ¼-Choke-Lauf Trefferprozente im Bereich von 52 Prozent (%) bis 62 % für Blei-Schrote vorschreiben, dann traf das im Test nur bei den Wolfram-Schroten zu. Für Blei- und Weicheisen-Schrote entsprachen die Ergebnisse lediglich einer verbesserten Zylinderbohrung, Wismut-Schrote lagen schon im Übergangsbereich zur Zylinderbohrung, und für die Zink-Schrote wurden nur Werte für eine Zylinderbohrung erreicht. Dadurch reduziert sich bei einigen Schrotmaterialien schon waffenseitig die maximale jagdliche Schussdistanz für die ¼-Chokebohrung (siehe Tabelle S. 23). Alternativ müsste auf einen anderen Choke ausgewichen werden (Vorsicht: Zuvor unbedingt dessen Bleifrei-Beschuss prüfen! Gerade enge Chokes haben diesen oftmals nicht). Wie hoch sind die jeweiligen Energien/ Energiedichten auf drei unterschiedliche Zielentfernungen? Um zu dieser Frage Aussagen treffen zu können, mussten zunächst folgende Werte ermittelt werden: Energie des Einzelschrots in Joule (J) 20 Entfernung Pb We Zn Bi W 15 m 6,1 4,9 3,5 5,1 7,1 25 m 4,0 2,9 2,0 3,3 5,1 35 m 2,7 1,9 1,2 2,2 3,7 WILD UND HUND | 18/2015 Im Vergleich der Materialdichte [in g/cm3] zeigten sich gravierende Unterschiede: Dichte der Schrotmaterialien Pb We Zn Bi W 11,34 7,85 7,13 9,80 11,67 Wolfram hat normalerweise eine Dichte von 19,27 g/cm3. Als Schrotmaterial werden Legierungen verwendet, deren Dichte deutlich darunter liegt. Theoretisch müssten dann beim „Bleiersatz“ die Schrote aus Alternativmaterialien folgende Durchmesser aufweisen: Schrotdurchmesser bei gleicher Querschnittsbelastung in mm Pb We Zn Bi W 3,00 4,32 4,75 3,46 2,90 Das heißt: Die immer wieder zitierten „zwei Schrotkorngrößen mehr bei Verwendung von Weicheisenschroten“ sind außenballistisch nicht haltbar. Sind die Schrotmaterialien härter, aber in der Dichte wesentlich geringer als Blei, führt ein größerer Schrotdurchmesser zwar zu einer besseren außenballistischen Leistung, aber nicht unbedingt zu einer besseren zielballistischen Wirkung. Entscheidend dafür ist die Energiedichte. Sie definiert sich als Zielenergie pro auftreffender Fläche und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Schrot in das Ziel (etwa Wild) eindringt. www.wi ldu n dhu nd .de Folgende Energiedichten wurden für die drei Entfernungen ermittelt: Entfernungsabhängige Energiedichte in J/mm² Entfernung Pb We Zn Bi W 15 m 0,87 0,69 0,49 0,68 1,00 25 m 0,57 0,41 0,28 0,44 0,72 35 m 0,39 0,27 0,17 0,30 0,52 ERHÄLTLICH FÜR DAMEN & HERREN Die Energiedichte auf 35 m lagen bei Wismut, Weich eisen und Zink teils deutlich unter denen von Blei – vorausgesetzt, dass beim Auftreffen auf das Ziel keine Verformung stattfindet. Sonst würden sich die Werte noch deutlich verringern. Lediglich Wolfram spielte in der „Blei-Liga“. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang der Energieverlust beim Auftreffen der Schrote zum Beispiel auf das Gefieder. Ist die Energiedichte geringer als bei Blei, prallen die Schrote unter Umständen sogar am Gefieder ab. Ist sie größer, durchschlagen die Schrote das Gefieder, die Schwarte oder den Balg und dringen in den Körper ein. Die Wirkung wird in jedem Fall davon abhängen, ob die Schrote in den Körper eindringen oder im Bereich der Hautoberfläche zum Stillstand kommen. LIMITED EDITION EXTRA WARM MIT WOHLFÜHLFAKTOR Ein Highlight unserer neuen Kollektion – die wärmende Premium-Daunenfüllung und der extravagante Fischgrat-Print am Body machen die Barnabas Daunenjacke zu einem einzigartigen Begleiter bei kalten Temperaturen. Jetzt kostenlos den neuen Katalog anfordern und ein Paar „Socken Allround“ gratis erhalten! Schreiben Sie uns an [email protected] (Nur solange der Vorrat reicht. Bitte wählen Sie Ihre Größe 39 – 41, 42 – 44 oder 45 – 47. Umtausch ausgeschlossen.) G R AT I S e SOCKEN trumedia.de 2015 Der Spruch „Nimm bei Weicheisen zwei Schrotkorngrößen mehr als bei Blei!“ stimmt nicht. Es müssten theoretisch mehr sein. Foto: Sven-Erik Arndt Barnabas Daunen Jacke Wild - Jagdpraxis Wie tief dringen die Schrote in ballistische Seife ein? Könnten Gefäße beim Wild erreicht werden? Um zu prüfen, wie sich die ermittelten Energie- und Energiedichtewerte in der Praxis auswirken, wurde ballistische Seife beschossen. Dazu wurden Einzelschrote mit einem druckregulierten Luftgewehr auf die jeweilige Zielgeschwindigkeit beschleunigt und anschließend die Eindringtiefe gemessen. Führt das gleichzeitige Auftreffen einer bestimmten Anzahl von Schroten zum Tod eines Hasen/Fasans (Schocktod), ohne dass stark durchblutete Gefäße geschädigt werden? Zwei Mediziner/Forensiker antworten auf diese Frage: Dr. Dr. Beat Kneubuehl Ballistiker, Dipl.-Mathematiker, Forensiker und Leiter der Rechtsmedizin an der Uni Bern bis 2014 Als Arbeitshypothese zogen wir in Betracht, dass unter gleichen Voraussetzungen und bei annähernd gleicher Eindringtiefe in die Seife die Wirkung auf den Organismus auch identisch sein müsste. Es bestätigte sich der Zusammenhang, dass eine größere Energiedichte auch eine größere Eindringtiefe erzeugt. Entfernungsabhängige Eindringtiefen in mm Entfernung Pb We Zn Bi W 15 m 95,8 76,6 53,2 87,0 112,6 25 m 74,8 57,4 38,2 67,0 98,6 35 m 57,6 47,2 31,6 49,0 82,0 Betrachtet man die Werte für Energiedichte und die dabei erreichten Eindringtiefen in ballistischer Seife, kann man davon ausgehen, dass die Haut bei allen Schrotmaterialen nicht nur durchschlagen wird, sondern auch tiefer liegende Gefäße erreicht werden. Foto: Ingo Rottenberger/DEVA 22 Prof. Dr. Markus Rothschild Direktor der Rechtsmedizin an der Uni Köln Seifenblock im Anschnitt: Die Eindringtiefe der einzelnen Schrote lässt sich so ermitteln. WILD UND HUND | 18/2015 „Vom sogenannten Schocktod spricht man, wenn ein Lebewesen bei Erhalt eines Schusses unmittelbar stirbt, jedoch keine biologisch todbringende Verletzung zu beobachten ist. Offenbar wird dies beim Schrotschuss auf den Hasen und das Reh (in der Schweiz erlaubt) beobachtet und ist mir von vielen Seiten bestätigt worden. Beim Menschen ist dies nicht bekannt, obwohl mein Kollege Sellier und ich jahrelang nach Fällen gesucht haben. Es ist müßig, darüber zu diskutieren, welcher Effekt diesem „Schocktod“ zugrunde liegt, man weiß es nicht. Ich denke nicht, dass das Geschossmaterial eine Rolle spielt. Es kommt ziemlich sicher nur auf die Energiedichte des einzelnen Schrotkorns beim Auftreffen an und sicher auch auf die Anzahl der Schrottreffer.“ „Die Rechtsmedizin ist sich nicht sicher, da es keine belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und Untersuchungen zum Schocktod gibt. Die Beobachtung ist richtig, dass eine Schrotgarbe beim Schuss auf einen Hasen eine Belastung auf das zentrale Nervensystem (ZNS) des Niederwildes ausübt, die zu einem schlagartigen Zusammenbrechen der vitalen Funktionen führen kann (etwa das Rollieren der getroffenen Hasen), obwohl keine inneren blutführenden Gefäße/Organe getroffen beziehungsweise das Wild durchschossen wurde. Bei größeren Tieren und beim Menschen ist nicht bekannt, dass durch ein gleichzeitiges Auftreffen mehrerer kleiner Projektile und ohne Verletzungen großer Gefäße, ein Schocktod aufgetreten ist, da es physiologisch keinen Grund dafür gibt. Eine mögliche Ursache für das schlagartige Zusammenbrechen der Vitalfunktionen könnte sein, dass sich bei kleinerem Wild sensible Nervenbereiche im Bereich des Rückenmarks sehr nahe der Haut oberfläche befinden.“ www.wi ldu n dhu nd .de Weitere Informationen zu bleifreier Munition finden Sie unter: www.wildundhund.de/bleifrei Grenzen der Wirkung Schrotmaterial maximale Schussdistanz* Blei ca. 35 m Weicheisen ca. 26 m Zink ca. 20 m Wismut ca. 28 m Wolfram ca. 40 m Als Fazit kann festgehalten werden: Um die oberen Hautregionen mit Reizen zu überfluten, wird die Energie der Schrote an der Oberfläche benötigt. Durch das Auftreffen der Schrotgarbe wird sich das Bleischrot, wenn auch nur geringfügig, deformieren und abgebremst werden. Im Ergebnis sinkt die Querschnittsbelastung, und die Bewegungsenergie wird wesentlich schneller abgegeben. Damit steht die Energie an der Stelle zur Verfügung, an der sie, laut Prof. Rothschild, die größtmögliche Wirkung erzielen kann. Führt der Aufprall bei genügend hoher Energiedichte nicht zu einer Deformation oder einem Abbremsen (zum Beispiel bei ww w.w ild un d hund .de Foto: Karl-Heinz Volkmar *Die Distanzen wurden auf Basis der Energiedichte-Werte der einzelnen Materialien in diesem Versuch ermittelt. Um tatsächliche Weiten festlegen zu können, wären zielballistische und weitere Untersuchungen nötig. Die Angaben können daher nur als Orientierungshilfe dienen. Stahlschrot), kann das einzelne Schrot tiefer eindringen und die Energie im Körper entlang des Schusskanals an das Wild abgeben. Die Reizung des ZNS fällt dabei vermutlich geringer aus, was eventuell nicht zum sofortigen Tod des Wildes führt. Durchschlagen die Schrote die oberen Schichten bis zu den blutführenden Gefäßen und beschädigen diese, so führt auch hier der eintretende Blutverlust nach einigen Sekunden bis wenigen Minuten zum Tod, je nach Treffer. Es ist also beides möglich, Schocktod und/ oder Totschuss durch verletzte, stark duchblutete Gefäße. Die Grenzen sind schlichtweg fließend. e
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