Die geistige Haltung führt

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BEATE UND MARTIN NIMSKY
Die geistige Haltung führt
Leader führen Menschen mit intrinsischer Kompetenz,
Präsenz und Bewusstsein
Eine hervorragende Führungskraft, ein intrinsisch kompetenter
Leader, führt mit Geist, Gefühl und Verstand. Er hat sich aus den
Klauen des Rationalitätsmythos befreit. Er weiß, dass wir nicht allein
nach rationalen Prinzipien handeln, keine reinen Kopfmenschen sind,
sondern ganzheitliche Wesen mit intuitiv-emotionalen Aspekten.
Und darum räumt er dem Geist, dem Spirit, auch bei der Unternehmens- und Mitarbeiterführung einen höheren Stellenwert ein.
Der Abschied vom Rationalitätsmythos und
der Siegeszug des Geistes
Der Geist hält Einzug! Einzug in die Managementetagen und in ganze
Unternehmen. Selbst staubtrockene Führungskräfte kommen ins Grübeln und verabschieden sich vom Rationalitätsmythos. Der Mensch
besteht nicht aus Verstand und Vernunft allein. Sondern eben auch:
aus Geist. Esprit. Spirit.
Menschliche Entscheidungen werden nicht allein – sogar am wenigsten, wie wir heute wissen – aus Rationalitätsgründen getroffen,
Emotionen spielen die wichtigere Rolle. Gefühle sind Tatsache, das
Bauchgefühl ist an der Entscheidungsfindung beteiligt. Das gilt auch
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für den Führungsalltag, aus dem folgendes Beispiel stammt: Eine Führungskraft »weiß« im Mitarbeitergespräch plötzlich intuitiv: »Bei diesem Mitarbeiter muss ich jetzt jenes Argument nennen, um ihn zu
erreichen, ihn zu motivieren.« Dies weiß die Führungskraft nicht nur
(rational) aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter, sondern
auch, weil sie über eine immense Führungserfahrung verfügt, die sich
in ihrem Unterbewusstsein derart verdichtet hat, dass sie in Führungs situationen intuitiv die richtige Entscheidung trifft.
Die wissenschaftliche Erklärung: Unser Gehirn – so der Hirnforscher
Antonio Damasio – besitzt augenscheinlich die Fähigkeit, eine Unmenge an Daten und Informationen zu sammeln, die in einem unbewussten Datenspeicher zur Verfügung stehen und im Bruchteil einer
Sekunde als starkes »Bauchgefühl« abgerufen werden können. Also
dem Bewusstsein nicht zugänglich sind, gleichwohl aber der Intuition.
Der Vorteil: Die Intuition filtert bei Entscheidungen aus jenem Datenspeicher diejenige Information heraus, die oft genug die entscheidende ist. Letztendlich sind in diesem Datenspeicher unbewusste Erfahrungen gesammelt und verdichtet, die dann in Entscheidungsprozesse
eingreifen, ohne dass der Mensch sich dessen bewusst ist.
Wie sieht das in der alltäglichen Erfahrung aus? Beispielsweise so: Eine
Ermittlungsfahnderin erspürt im überfüllten Flughafenterminal unter
Hunderten von Menschen, welche Person der gesuchte Drogenkurier
ist. Oder ein Feuerwehrmann stürmt Sekunden vor einer gewaltigen
Explosion aus dem brennenden Haus – seine Intuition hat ihm als
verdichtetes unbewusstes Wissen angezeigt: »Hier stimmt was nicht,
ist anders als bei anderen Bränden, keine Ahnung, was es ist, aber
sofort raus hier!«
Bleibe, wer du bist, und entwickle dich täglich weiter
Unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen brauchen den kompetenten, motivierten, verantwortungsbewussten und innovativen
Mitarbeiter. Dies ist durch traditionelle Führungstechniken und mit -
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telmäßige Führung kaum zu erreichen. Möglich ist es jedoch durch
Leadership, bei der ein ganzheitlicher Führungsansatz verfolgt wird.
Der Ansatz der »authentic leadership« verweist darauf, dass die Führungskraft so bleiben darf, wie sie ist. Wenn ihr dies gelingt, wenn sie
bei der Führungsarbeit ihrer inneren Natur folgt, also die ihr innewohnenden Potenziale nutzt – die bewussten und die unbewussten –,
mithin authentisch bleibt und sich dennoch kontinuierlich weiterentwickelt, findet sie mithilfe ihres inneren Kompasses einen direkten
Zugang zum Mitarbeiter.
Authentische Führungskräfte (nach Nora Zeisel und Christoph Lindinger in Spitzenleistung durch Leadership) sind sich ihrer Werte und
Überzeugungen bewusst. Sie agieren selbstbewusst, zuverlässig, vertrauenswürdig, aufrichtig und konzentrieren sich darauf, die Stärken
ihrer Mitarbeiter auf- und auszubauen und sie als Menschen wertzuschätzen. Der Mitarbeiter ist mehr als ein Angestellter, er ist jemand,
den man mitnehmen möchte auf den Weg zum gemeinsamen Ziel. Ein
Leader ist also »ganz nah dran« am Menschen. Daraus leiten sich drei
Leader-Qualitäten ab: Er ist
■ intrinsisch kompetent (Leader-Qualität 1),
■ präsent (Leader-Qualität 2) und
■ führt mit Bewusstsein (Leader-Qualität 3).
1. Leader-Qualität: Intrinsische Kompetenz –
folge deiner Natur
»Ich hatte das Gefühl, ganz bei mir zu sein - und gleichzeitig auch bei
meinem Gegenüber.« – »Ich habe aus meiner Mitte heraus gehandelt
und konnte so unser Problem lösen.« … Solche oder ähnliche Sätze
fallen häufig, wenn uns erfolgreiche Menschen und Führungspersönlichkeiten im Einzel-Coaching von zutiefst gelungenen Führungssituationen und Mitarbeiterbeziehungen berichten. Sie sind Hinweise für
ihr Erfolgsgeheimnis: In entscheidenden Momenten der Mitarbeiter führung handeln diese Leader als ganzheitliche Persönlichkeiten. Ihre
rationalen und ihre geistigen Fähigkeiten, ihre fachlichen und emotio-
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nalen Kompetenzen haben in der jeweiligen Situation im Verbund
eine eindeutige und widerspruchslose Entscheidung getroffen. Genau
dies ist auch der Grund, warum sie besonders gute Führungskräfte
sind. Ihre Entscheidungen kommen bei den Mitarbeitern in einem
Grad der Überzeugung, Glaubwürdigkeit und Legitimation an, dass
sie auf diese äußerst motivierend wirken. Die Mitarbeiter merken und
spüren, dass die Führungspersönlichkeit hinter ihren Entscheidungen
steht und von deren Richtigkeit überzeugt ist. So wird auch in ihnen
etwas geweckt: die Lust, mitzumachen, proaktiv zu werden – weil alles
stimmig ist und stimmt.
Auf einen Nenner gebracht, ist das Erfolgsgeheimnis solcher Leader
ihre intrinsische Kompetenz. Gemeint ist damit jener Zustand, in dem
ein Mensch zu seiner ursprünglichen Natur, zu seinem innersten We senskern gefunden hat, seine Fähigkeiten, Talente kennt, nutzt, entwickelt und sich damit bewährt. Er hat jenes innere Sein, das Menschen
befähigt, charismatisch zu wirken und andere allein durch das eigene
Auftreten mitzunehmen. Das ist eine wichtige Leader-Qualität, denn
jede Führungspersönlichkeit führt zu einem beachtlichen Teil mit der
Kraft ihrer Ausstrahlung, ihrer Authentizität, ihrer Klarheit. Knackpunkt dabei ist, dass sich diese innere Sicherheit auf die Mitarbeiter
überträgt, die so Vertrauen zur Chefin oder zum Chef aufbauen. Und
mehr: Etwas wird entzündet in den Mitarbeitern. So ist es auch nicht
verwunderlich, dass sich die Mitarbeiter mit jenen Führungspersönlichkeiten, die über intrinsische Kompetenz verfügen, identifizieren – und
damit mit dem Unternehmen, ihrem Aufgabenbereich und ihrer Tätigkeit. Letztlich wachsen in den Mitarbeitern das innere Bedürfnis und
die Lust, »mitzumachen« und selbst Verantwortung zu übernehmen.
Intrinsische Kompetenz kann erlernt werden
Intrinsische Kompetenz ist in jedem Menschen vorhanden. Aber:
Durch Lebensmuster, Umwelt oder negative Erfahrungen gelangt sie
häufig nicht so zum Ausdruck, wie es möglich wäre. So zeigen auch die
Unternehmenswirklichkeit und der Führungsalltag, dass es bei Weitem nicht jeder Führungskraft gelingt, ihre intrinsische Kompetenz
zum Zuge zu bringen. Was ist hier zu tun? Wie finden Führungskräfte
zu ihrer intrinsischen Kompetenz?
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Der wohl wichtigste Entwicklungsschritt besteht in der Überzeugung,
jeder habe einen Einfluss darauf, was er ist, was er tut und was er werden will. Wer von der prinzipiellen Unveränderlichkeit der eigenen
Persönlichkeit ausgeht, kann sich nicht von den Vorurteilen befreien,
die die intrinsische Kompetenz überdecken. Er kann nicht zu seinem
inneren Wesenskern vorstoßen, der durch schlechte Erfahrungen, blo ckierende Negativerlebnisse und emotionale Erschütterungen verhüllt
worden ist. Wer hingegen weiß, dass Persönlichkeitsentwicklung und
Persönlichkeitsentfaltung möglich sind – und damit der Ausdruck jenes Wesenskerns –, der findet den Mut zur Selbstreflexion und ist bereit für den hinterfragenden Blick in den Spiegel.
Durch Selbstreflexion zum eigenen Wesenskern vordringen
Ehrliche Selbstbefragung hilft Ihnen unter anderem dabei, Ihre intrin sische Kompetenz aufzufalten und zu Ihrem authentischen Wesenskern vorzudringen. Wie beim Häuten einer Zwiebel tragen Sie Schicht
für Schicht ab, um zum Kern zu gelangen. Fragen Sie sich also insbe sondere vor wichtigen Entscheidungen, ob das, was Sie tun, wirklich
das ist, was Sie tun wollen. Fragen Sie sich zudem in konkreten Führungssituationen – etwa im konfliktgeladenen Mitarbeitergespräch –,
ob Sie sich mit und bei Ihrer Vorgehensweise wohlfühlen oder nicht.
Wenn Sie sich nicht wohlfühlen, ist dies ein Indiz dafür, dass Sie wider
Ihre Natur, Ihre Werte und Überzeugungen agieren. Stellt sich dieses
Wohlgefühl indes bei Ihnen ein, liegt die Vermutung nahe, dass Sie
sich Ihrem Wesenskern annähern und die Übereinstimmung zwischen
Überzeugung und Handeln groß ist. Diesen Handlungsmustern in Zukunft sehr bewusst und wo immer möglich zu folgen – sowie zu reflektieren, wo Sie sich sozusagen selbst auf den Leim gegangen sind –,
bringt Sie Ihrer intrinsischen Kompetenz ein gutes Stück näher. Auch
ehrliches Feedback von anderen einzuholen ist hier sehr hilfreich.
Wichtig ist auch die Körpersprache: Stimmt Ihr verbales Verhalten mit
dem nonverbalen überein? Wenn Sie spüren, dass Ihr Wort »Ja«, aber
Ihr Körper »Nein« sagt, dann handeln Sie nicht intrinsisch kompetent.
Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Sie im Mitarbeitergespräch die
Arme verschränken oder andere Abwehrhaltungen einnehmen. Viele
Menschen versuchen, sich zu kontrollieren. Beispiel: Sie sind äußer -
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lich ruhig, innerlich aber am Kochen. Doch auch wenn man seinen
Körper in einem solchen Fall korrigiert und Gelassenheit zur Schau
stellt, gelingt es in der Regel nicht, dass dies auch wirklich so beim
anderen ankommt. Zudem geht die Authentizität verloren, und somit
kann auch kein wirklicher Kontakt zum Gegenüber entstehen.
Statt sich zu kontrollieren, ist es hilfreich, seine Körpersprache zu
verbalisieren. Beispielsweise so: »Ich merke gerade, dass ich sehr angespannt bin.« So wird es möglich, Kontakt zum Gesprächspartner
herzustellen. Durch die bewusste Wahrnehmung des Körpers und das
Aussprechen dieser Wahrnehmung wird etwas in Gang gesetzt – was
mitunter dazu führt, dass der Körper sich automatisch entspannt.
2. Leader-Qualität: Präsenz - ganz nah dran am Mitarbeiter
Kommen wir zur zweiten Leader-Qualität: Leader mit ausgeprägter
intrinsischer Kompetenz dringen zu ihrem eigenen Wesenskern vor
und sind zudem ganz nah dran an anderen Menschen. So wissen sie
nicht nur, wie die Menschen, für die sie Führungsverantwortung tra gen, denken, handeln, ticken, und kennen deren berufliche Karrierestationen, Tätigkeitsfelder und berufliche Ziele. Sie wissen außerdem,
welche Hobbys ihre Mitarbeiter haben, und kennen jeweils ihren familiären Hintergrund. Sie können die Motivatoren und Beweggründe
einschätzen, aus denen heraus die Mitarbeiter sich jeweils für das
Unternehmen, die Abteilung, das Team, das Projekt engagieren. Vor
allem wissen sie um die Lebenswirklichkeit der ihnen anvertrauten
Menschen. Sie scheuen sich nicht, deren Nöte, Ängste, Wünsche und
Erwartungen hautnah an sich heranzulassen – sie lassen sich ein.
Das bedeutet freilich nicht, dass der intrinsisch kompetente Leader
ohne Vision, strategischen Weitblick und Zukunftsorientierung führt.
Im Gegenteil – all dies spielt in die Begegnung mit dem Mitarbeiter
hinein, es grundiert die konkrete Mitarbeiterführung, es bildet de ren
Fundament. Aber: Im Moment der Begegnung zwischen Führungspersönlichkeit und Mitarbeiter dominiert das Sich-Einlassen auf den
anderen Menschen, der Versuch, ihn wahrhaft zu verstehen und zu
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unterstützen, zu fördern und zu fordern – und auch zu kritisieren, aber
stets im Sinne einer Weiterentwicklung des Mitarbeiters.
Volle Konzentration auf die Führungssituation
Oft spiegelt es sich in scheinbaren Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten, ob der Mitarbeiter im Mittelpunkt der Gedanken und Hand lungen einer Führungskraft steht oder nicht: Eine Führungskraft, die
im Mitarbeitergespräch mit der Anmerkung, es sei wirklich dringend,
ans Telefon geht, zeigt ein eher beklagenswertes Ausmaß an Empathie,
Mitgefühl und Unterstützungsbereitschaft. Ein intrinsisch kompetenter Leader konzentriert sich ganz auf die Führungssituation und auf
den Menschen, mit dem er jetzt gerade zu tun hat. Er hört genau und
einfühlsam zu, stellt wertschätzende Fragen, geht auf das, was der Mitarbeiter sagt, konkret ein.
Auch Selbstreflexion spielt wieder eine Rolle. – Präsente Leader stellen
sich Fragen wie: Was hindert mich daran, im Mitarbeitergespräch hellwach und offen zu sein? Wie gelingt die Konzentration auf den jetzt
wichtigsten Menschen auf der Welt? Es ist fast so wie im Privatleben,
wenn wir mit einem Menschen zu tun haben, der uns am Herzen liegt.
Die Suche nach einem ruhigen Ort, wo die Kommunikation auf einer
Wellenlänge überhaupt erst möglich ist – von Mensch zu Mensch und
auf Augenhöhe –, ist dann selbstverständlich.
Mit sich und dem Gegenüber verbunden
Viel zu oft sind Führungskräfte nur auf sich selbst fixiert und nehmen die Empfindungen ihres Gegenübers nicht wahr. Oder sie sind
umgekehrt zu sehr fixiert auf ihr Gegenüber, wollen es dem anderen
recht machen und verlieren dabei den Zugang zu sich selbst. Intrinsisch kompetente Leader indes haben die Fähigkeit, mit sich selbst verbunden und gleichzeitig voll bei ihrem Gegenüber zu sein. Das macht
sie aus. Dadurch entwickeln sie eine starke Kraft. Sie sind mühelos
erfolgreich – weil sie wirklich präsent sind.
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3. Leader-Qualität: Mit Bewusstsein führen
Bei der dritten Leader-Qualität geht es um die Frage: Wie gelingt es
dem Leader, den Führungsprozess jenseits des einschränkenden Alltagsbewusstseins mithilfe eines umfassenderen Bewusstseinszustandes voranzutreiben? Faszinierend sind in diesem Zusammenhang wissenschaftliche Forschungen, bei denen Messungen der Gehirnströme
durchgeführt werden, mit denen sich anhand verschiedener Wellenbereiche zeigen lässt, in welchem Bewusstseinszustand sich eine Person gerade befindet.
Uns interessiert vor allem das erweiterte Bewusstsein: In diesem Zu stand verfügen wir über ein erweitertes Denken, außergewöhnliche
Geschicklichkeit, hohe Sensibilität oder zusätzliche Kräfte, die uns im
Alltagsbewusstsein nicht zugänglich sind. Wir wachsen über uns selbst
hinaus, wir haben Zugang zu inneren Energien, von deren Vorhandensein wir nichts ahnten. Dieser Zustand ist vergleichbar mit den
Momenten während der Teamarbeit, in denen Ihr Team weitaus mehr
leistet, als die Summe der Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder
vermuten oder erhoffen lässt, also eine Gruppen- oder Schwarmintelligenz dazu führt, dass das Team mehr leistet, als »eigentlich« möglich
ist: 1 plus 1 sind plötzlich 3.
In diesem Zustand sind wir sensibler, der Atem ist ruhiger und kräftiger, der Körper entspannt sich. Wir nehmen von außen oder von
innen kommende Informationen ganzheitlich auf und verarbeiten sie
mit Herz und Verstand. Intuition und Organsysteme, Kreativität und
Produktivität wirken optimal zusammen.
Der Unterschied zum Alltagsbewusstsein: Ein erweitertes Bewusstsein
integriert andere Ideen, Meinungen und Wahrnehmungen, weil es da raus etwas völlig Neues gestaltet, das zum Wohle der Situation oder
des Gesamten ist. Der Ordnung schaffende Verstand hingegen würde
einen Großteil dieser Ideen, Meinungen und Wahrnehmungen aus sortieren und die Anzahl potenzieller Problemlösungen von vornher ein reduzieren.
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Den Zugang zum erweiterten Bewusstseinszustand schulen
Der erste Schritt zu einem erweiterten Bewusstsein besteht in der Akzeptanz eines Bewusstseinszustandes, der über den einzelnen Menschen hinausweist. Insbesondere bei komplexen Entscheidungen mit
hoher Informationsdichte und bei kreativen Problemlösungsprozessen
ist es richtig, den erweiterten Bewusstseinszustand zu erreichen und
ihn für Führungsprozesse zu nutzen.
Oft wird der Zugang zum erweiterten Bewusstsein durch Stress und
Belastungen verhindert. Ein erweitertes Bewusstsein wird durch Entspannung erreicht, in der Stille, aber auch durch Aktivität, in Bewe gungen und Tätigkeiten, die nicht mechanisch durchgeführt werden,
sondern zentriert, ausgeglichen, wach und mit voller Aufmerksamkeit.
Konkret: Wenn Sie joggen oder laufen, Fahrrad fahren oder schwimmen, Yoga ausüben oder meditieren, dann versuchen Sie, ganz bei
Ihrem Körper und den Empfindungen zu bleiben. Spüren Sie sich und
holen Sie sich immer wieder gedanklich zum Fühlen und in das Hier
und Jetzt zurück.
Entspannungstechniken und Atemübungen helfen, einen Zustand der
inneren Ruhe und Gelassenheit herzustellen, in dem es Ihnen möglich
ist, die innere Bilderwelt wahrzunehmen. Führungspersönlichkeiten,
die ihre Fantasie schweifen lassen, indem sie eine Ausstellung besuchen und sich kontemplativ in ein Gemälde versenken, oder die mit
wachen Sinnen Naturerscheinungen auf sich wirken lassen, berichten,
dass sie wieder das reine Fühlen und Betrachten erlernt hätten, ohne
das Betrachtete und Empfundene immer gleich bewerten zu wollen.
Bei dem Unternehmen als Ganzes erreichen Sie einen erweiterten
Bewusstseinszustand, wenn Sie bei Problemlösungsprozessen so viele
Perspektiven und Meinungen wie möglich integrieren und die Ansichten von Kollegen berücksichtigen, indem Sie sie zu dem zu löse nden
Problem befragen. Und Sie könnten zum Beispiel bereichs- und hierarchieübergreifende Teams zusammenstellen. Durch eine nicht wertende Moderation stellen Sie sicher, dass ein synergetischer Prozess ent steht und durch Integration mehrerer Perspektiven das erfolgreichste
Ergebnis zustande kommt.
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Abschlussbemerkung: Die geistige Haltung führt
Bisher galt: Wer das Kapital hat, führt das Unternehmen. In Zukunft –
und in einigen Unternehmen zeigen sich deutliche Vorboten – gilt:
Wer das Bewusstsein führt, führt das Unternehmen. Wer fähig ist, das
erweiterte Bewusstsein als Grundlage für ein Mehr an Intuition und
Kreativität zu nutzen, kann Herausforderungen besser meistern. Mit
der Reduzierung auf die Ratio berauben wir uns zahlreicher Optionen
und Alternativen, denn so nutzen wir nur einen Bruchteil unserer
Potenziale.
Die Träger und Treiber dieser Entwicklung sind intrinsisch kompetente
Leader, die bereit und fähig sind, dem Geist, dem Spirit, einen höheren
Stellenwert bei der Unternehmens- und Mitarbeiterführung zu verleihen.
Literatur
Nimsky, Beate / Nimsky, Martin: Intrinsische Kompetenz: Sie haben Es in
sich. Bergisch Gladbach: Breuer & Wardin 2010
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Beate und Martin Nimsky
wirken einzeln und zusammen als Führungskräfte-Trainer, Coachs und Speaker. Dabei
schöpfen sie aus einem umfangreichen Expertenwissen über menschliche Potenziale,
deren Entwicklung und erfolgreiche Anwendung in Leben und Beruf. Sie ergänzen sich mit
ihren unterschiedlichen, jeweils mehr als 30-jährigen Erfahrungen in der Führung und
Begleitung von Menschen, was sie darüber hinaus auch im gemeinsamen Leben als Paar
bereichert. Sie sind Gründer und Leiter des nimsky Trainingsinstituts für intrinsische
Kompetenz, seit mehr als 20 Jahren eines der führenden Beratungs- und
Trainingsunternehmen für professionelle ganzheitliche Lösungen im Human-ResourcesManagement.
 www.nimsky.de
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