Absolute Armut

Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Relative Armut als Bedrohung der
Menschenwürde –
(Über die strukturelle Ungerechtigkeit
von Wohlfahrtsstaaten)
[email protected]
1
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
2
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
3
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Ungleichheit und relative Armut
• Dominanz egalitaristischer Theorien der Gerechtigkeit
• nicht nur grundsätzliche Gleichbehandlung, sondern
möglichst große sozio-ökonomische Gleichheit
• aber: bloße Ungleichheiten noch kein Problem (Zahl der
Haare, Hautfarbe)
• Welche Ungleichheiten sind problematisch und warum?
• eine (Teil-)Antwort im sozio-ökonomischen Bereich über
Konzept der Armut
4
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Ungleichheit und relative Armut
Unterschied Armut/Ungleichheit:
• im Armutsbegriff steckt ein evaluatives und normatives
Urteil:
1. Armut ist schlecht
2. Armut sollte verhindert werden
• leuchtet intuitiv ein bei absoluter Armut
• ist umstritten bei relativer Armut
• Was rechtfertigt in beiden Fällen diese Urteile?
5
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
6
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Konzepte der Armut
Absolute Armut:
Kaufkraft pro Tag (2008):
• ca. 2500 Millionen Menschen haben weniger als 2 USDollar
• ca. 1300 Millionen Menschen haben weniger als 1,25 USDollar
weitere Indikatoren:
• ca. 884 Millionen haben kein Zugang zu sauberem
Trinkwasser (2008)
• ca. 2500 Millionen kein Zugang zu sanitären Einrichtungen
(2008)
• ca. 774 Millionen Erwachsene sind Analphabeten (2014)
7
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Konzepte der Armut
Relative Armut:
•
•
•
relativ arm sind Menschen, die nur über 60-50 Prozent des
Durchschnittseinkommens verfügen
Im Jahre 2013 (60-Prozent-Standard) in D: 973 Euro
monatlich (Nettoäquivalenzeinkommen)
relative arme Menschen haben oft niedrigere
Lebenserwartung, schlechtere Schulbildung, ‚atypische‘
Erwerbsbiographien
8
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Konzepte der Armut
Multidimensional Poverty Index (seit 2011):
•
Bildung: Anzahl der Schuljahre und Anwesenheit in der
Schule
•
Gesundheit: Kindersterblichkeit und Ernährung
•
Lebensstandard: Brennmaterial, Sanitäreinrichtungen,
Wasser, Elektrizität, Boden und Besitz
9
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Konzepte der Armut
Human Poverty Index (HPI-1):
Human Poverty Index (HPI-2):
• Überlebensfähigkeit
(Wahrscheinlichkeit vor dem
40. Lebensjahr zu sterben)
• fehlendes Wissen
(Prozentsatz der
Analphabeten)
• angemessener
Lebensstandard (Zugang zu
Gesundheitsdiensten; Anteil
unterernährter Kinder; Zugang
zu sauberem Trinkwasser)
• Überlebensfähigkeit
(Wahrscheinlichkeit vor dem
60. Lebensjahr zu sterben)
• fehlendes Wissen
(Prozentsatz der funktionalen
Analphabeten)
• angemessener
Lebensstandard (Prozentsatz
relativ armer Menschen),
• soziale Ausgrenzung
(Prozentsatz der
10
Langzeiterwerbslosen)
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Konzepte der Armut
• Achtung: die Unterscheidung „relativ“ vs. „absolut“ bezieht
sich auf die Messung
• beide Armutsgrenzen sind rechtfertigungsbedürftig
• beide Armutsformen bestimmen sich relativ zu einem
normativen Maßstab
Standardantwort:
• absolute Armut: Bedrohung der physischen Existenz
• relative Armut: Bedrohung der sozialen Existenz
Problem: entspricht nicht MPI/HPI-2
11
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
12
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Absolute Armut und relative Armut
als Würdeverletzungen
•
alternative These: in beiden Fällen funktioniert die
Menschenwürde als normativer Maßstab
•
•
Absolute Armut verletzt die Würde der Person
Relative Armut verletzt die Würde der Persönlichkeit
•
Vorteile von MPI: mehr als Überleben, Entwicklung und
Erhalt der Personalität
Vorteile von HPI-2: Armut in reichen Ländern kommt
ebenfalls in den Blick
•
13
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Absolute Armut und relative Armut
als Würdeverletzungen
absolute Armut: Bedrohung der Personalität
• Missachtung der Person, wenn sich diese Bedrohung
relativ leicht ausräumen lässt
• absolut arme Person können ihre Personalität nicht
entwickeln und aufrecht erhalten
relative Armut: Bedrohung der Persönlichkeit
• Missachtung der Persönlichkeit, wenn sich diese
Bedrohung relativ leicht ausräumen lässt
• relativ arme Persönlichkeiten können sich nicht
gleichermaßen entfalten und als gleichrangig darstellen
14
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Absolute Armut und relative Armut
als Würdeverletzungen
Missachtung der Persönlichkeit
•
•
•
•
Einwand 1: Persönlichkeiten sind nicht gleich
achtungswürdig
Antwort: Würde anderer Persönlichkeiten verlangt ihre
Bewertung als gleichrangig
Einwand 2: Achtung der Persönlichkeit hängt nicht am
sozio-ökonomischen Status
Antwort: nicht notwendigerweise, aber in
Marktgesellschaften: öffentliche Kommunikation des
Status
15
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
16
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Strukturelle Ursachen für relative
Armut
•
•
Wer ist für die Beseitigung von Armut verantwortlich?
Zuerst diejenigen, die sie schuldhaft verursachen, erst
danach andere Akteure
1.
2.
die Armen selbst: eigenes Verschulden/Versagen
die Reichen: sie verhindern, dass Arme ihrer Armut
entfliehen können
die politischen Institutionen: sie halten eine Struktur
aufrecht, die es den Armen verhindert, ihrer Armut zu
entfliehen
3.
17
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Strukturelle Ursachen für relative
Armut
Strukturelle Ursachen relativer Armut:
1.
Argument im Anschluss an Amartya Sen:
•
es geht um die Fähigkeit, individuelle Arbeitsbereitschaft in
einkömmliche Arbeit umsetzen
es gibt persönliche, soziale, umweltbedingte
Umwandlungsfaktoren
arme Menschen haben auf alle drei Faktoren nur bedingt
Einfluss, das beschränkt ihre Verantwortung
•
•
18
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Strukturelle Ursachen für relative
Armut
Strukturelle Ursachen relativer Armut:
2.
Argument im Anschluss an Gerald Cohen:
•
kapitalistische Wirtschaftsstruktur erlaubt jedem Armen den
sozialen Aufstieg, aber nicht allen
den Aufstieg zu suchen, wäre Verrat an der eigenen Klasse
es wäre opportunistisch, weil die eigenen Chancen
steigen, solange die anderen es nicht versuchen
•
•
19
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Strukturelle Ursachen für relative
Armut
Strukturelle Ursachen relativer Armut:
3.
Argument im Anschluss an Iris Young:
•
viele Arme können ihrer Armut nicht entfliehen, selbst wenn
sie es wollten
soziale Aufstiege sind mit Investitionskosten verbunden
(Bildung, Umzug, Kinderbetreuung), die sich Arme nicht
leisten können
Die Verteilung von Investitionskosten hängt von politischen
20
Entscheidungen ab
•
•
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
21
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Verantwortung für relative Armut
•
da Armut primär strukturelle Ursachen hat, liegt die primäre
Beseitigungsverantwortung bei Staaten
Drei Mechanismen:
• Organisation von Wohltätigkeit
• Wohlfahrtsstaatlichkeit
• Veränderung der ungerechten institutionellen
Grundstruktur
• Vorrang der am wenigsten demütigenden und am besten
umsetzbaren Alternative
22
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Verantwortung für relative Armut
•
beschränkte Handlungsfähigkeit und -bereitschaft des
Staates führt zu Verantwortungslücke
Sekundäre Verantwortungen:
1. die Handlungsbereitschaft der Regierung erhöhen (alle
Wahlbürger_innen)
2. die fehlende Handlungsfähigkeit des Staates kompensieren
(abhängig von Fähigkeit)
23
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Agenda
1. Ungleichheit und relative Armut
2. Konzepte der Armut
3. Absolute Armut und relative Armut als
Würdeverletzungen
4. Strukturelle Ursachen für relative Armut
5. Verantwortung für relative Armut
6. Ausblick: Reichtum als Würdeverletzung
24
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Ausblick: Reichtum als
Würdeverletzung
•
•
arme Menschen haben zu wenig für ein Zusammenleben in
Würde
reiche Menschen haben zu viel für ein Zusammenleben in
Würde
Warum?
• sie verhindern durch ihren Reichtum das würdevolle Leben
anderer Menschen
• sie helfen mit ihrem Reichtum nicht, anderen Menschen ein
Leben in Würde zu ermöglichen, obwohl sie es könnten
25
Institut für Philosophie und Politikwissenschaft
Vielen Dank!
[email protected]
26