F IRMEN Von der Chiemsee-Plätte zum Hightech-Boot D i e B o o t s w e r f t H e i s t r a c h e r i n Fr a u e n c h i e m s e e b a u t s e i t 1 2 5 J a h r e n e r f o l g r e i c h B o o t e . Am Anfang stand die bis heute gebaute ChiemseePlätte (oben). Mit formschönen Motorbooten wurde die Werft weit über die Grenzen Deutschlands bekannt. Heute schätzt man besonders die schnellen Boote mit Elektroantrieb (unten). 32 bootswirtschaft 1/2015 mit nur zehn Millimeter Plankenstärke immer noch zur höchsten Bootsbaukunst zählen. Sportliche Erfolge waren die beste Werbung für Folgeaufträge. Weil die Werftchefs neuen Werkstoffen und Bauweisen gegenüber immer schon aufgeschlossen waren, entwickelten die Brüder für die ab Mitte der 1950er Jahre lieferbaren amerikanischen Außenbordmotoren mit vielen PS leichte und elegante Sportboote und geräumige Kajütboote. Das Baumaterial: das damals neue, wasserfeste Bootsbausperrholz. Damit unterschieden sie sich von Fotos: Bootswerft Heistracher A ls Franz Stöffl 1890 einen Betrieb auf der Fraueninsel im Chiemsee gründete, gab es neben Zimmermannsaufträgen und dem Bau von Möbeln auch erste Anfragen zur Fertigung sogenannter Plätten, flachen Arbeitskähnen für den Materialtransport über den Chiemsee und für Fischer am See. Stöffl baute die Boote und auch die ersten Vergnügungssegler erhielten Jollen und Kielboote. So ist es in diesem Jahr 125 Jahre her, dass auf dem Gelände der Bootswerft Heistracher in Frauenchiemsee Boote gebaut werden. Damit gehört der Familienbetrieb von Peter Heistracher in jetzt vierter Generation mit zu den ältesten Bootsbaubetrieben im Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verband. Schon nach dem Eintritt von Stöffls Schwiegersohn Sepp Heistracher in den Betrieb im Jahr 1912 wurde der Bootsbau forciert. Der Betrieb entwikkelte sich zur Werft und baute auf Kundenwunsch Jollen, Jollenkreuzer und auch Kielyachten. Aufsehen erregte im Jahr 1927 ein 14 Meter langer Seefahrtkreuzer, damals die größte Yacht am Chiemsee. In Frauenchiemsee hatte man darüber hinaus auch damals schon ein Händchen für Motorboote, die die modernsten Entwicklungen der Technik widerspiegelten. So baute die Werft ein Motorboot mit einem Flugzeugmotor, das mit bis zu 75 Stundenkilometern über den Chiemsee rasen konnte. Heute sind es unter anderem Hightech-Elektromotorboote, mit denen die Bootswerft Heistracher, durch die Einschränkung der Motorbooterlaubnisse auf bayerischen Seen, den aktuellen Stand modernster Technik anbietet. Nach dem Tod des Werftgründers im Jahr 1943 führte Sepp Heistracher den Betrieb weiter. Nach seinem frühen Tod 1948 übernahmen seine Söhne Sepp und Richard die Werft. Sie lieferten in den Nachkriegsjahren zunächst wieder Chiemsee-Plätten aus. Bald folgten jedoch Sportboote wie 20-qmRennjollen, deren über acht Meter langen Rümpfe Hightech-Regattayachten, besonders robuste Boote für die Wasserwacht oder sehenswerte Sportboote zum Repräsentieren: bei Heistracher kann man auch besondere Wünsche von Eignern realisieren. vielen anderen Bootswerften, die weiterhin nur schwere Massivholzboote bauten. In der damals fast revolutionären formverleimten Bauweise entstanden bei Heistracher kleine Motorboote für das Autodach in großer Zahl. Robuste Wasserwachtboote verließen die Werft. Ausgefallene Aufträge waren die Lieferung von 20 „Proprider-Rennbooten“ nach Rhodesien und zwölf Meter lange Vorsteven für hölzerne Minensuchboote der Bundesmarine für eine Bremer Werft. Einige Sperrholzjollen wurden sogar nach Amerika exportiert, und bis Ende der 1960er Jahre liefen elegante Mahagonimotorboote und Motoryachten bei Heistracher vom Stapel. Als die Motorbootgenehmigungen im Jahr 1957 auf den bayerischen Seen drastisch reduziert wurden, reagierten Sepp und Richard Heistracher schnell durch die Entwicklung von Alternativen: spezielle Boote mit Elektroantrieb mit widerstandsarmen Verdrängerrümpfen. Anfangs baute man sie nach der bewährten Sperrholzbauweise, ab 1962 auch aus dem neuen, stabilen und kostengünstigen Glasfaser-Kunststoff (GFK). Viele dieser GFK-Boote, die auch mit elegantem Mahagonideck im Stil klassischer Motorboote angeboten wurden, sind als Leihboote nach über 50 Jahren immer noch im täglichen Einsatz. Die Bootswerft Heistracher war oftmals ihrer Zeit voraus. Bereits ab 1965 betrieb der Elektrokonzern Siemens ein Heistracher-Elektroboot zu Forschungszwecken mit der heute wieder aktuellen Brennstoffzellentechnik. Nach dem Eintritt von Peter Heistracher im Jahr 1986 in vierter Generation in die Werft werden neben eleganten Elektrobooten wieder verstärkt Rennjollen und -yachten gebaut. In der leichten und festen Kohlefaser-Sandwich-Vakuum-Bauweise entstanden und entstehen mehrere international erfolgreiche Binnenrennyachten. Daneben verlassen Arbeitsboote für Segelschulen und Regattabegleitung und auf Maß gefertigte Wasserwachtboote in Einzelanfertigung die Werft. Eine Besonderheit sind die „Insulanerboote“ zur täglichen Überfahrt für die Inselbewohner auf dem Chiemsee. Es sind winterfeste, eisgängige und selbstlenzende Motorboote mit Aluminiumrümpfen und GfK-Decks mit Scheibenheizung, Standheizung und Radar. Aus der langjährigen Erfahrung und mit Hilfe der effektiven Lithiumbatterien entwickelt und fertigt die Werft auch eigene Elektrobootsantriebe, die sich durch einen hohen Wirkungsgrad und einfache Bedienung auszeichnen. Aus der Verbindung der leichten KohlefaserSandwichbauweise, hochwertiger Technik, speziellen Rumpfformen und aufwendiger Holzarbeit entstehen besondere Elektromotorboote mit außergewöhnlichen Fahrleistungen, die die Motorboottradition der HeistracherWerft weiterführen. Mehr Informationen: Bootswerft Heistracher Frauenchiemsee 7, 83256 Frauenchiemsee Tel.: 08054 / 665, www.heistracher.de bootswirtschaft 1/2015 33
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