Exilliteratur 1933-‐1945 Stefanie Kramer Zeitgeschichtlicher Hintergrund ⁃ 30. Januar 1933 Hitler wird zum Reichskanzler ernannt → Ermächtigungsgesetz alle demokratischen Parteien werden verboten ⁃ 27. Februar 1933 Reichstagbrand, es folgt die erste große Auswanderungs- bzw Fluchtwelle vor allem in die Tschechoslowakei und nach Frankreich ⁃ 10. Mai 1933 Öffentliche Bücherverbrennung ⁃ 1934 Hitler wird Reichspräsident ⁃ 1935 „Nürnberger Gesetze“ entziehen den „nichtarischen“ Deutschen ihre Bürgerrechte und sie werden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen ⁃ 1938 Einmarsch in Österreich ⁃ 9. November 1938 Pogromnacht Zerstörung von Synagogen und jüdischen Geschäften, es folgt die zweite große Fluchtwelle, aber diesmal v.a. der jüdischen Bevölkerung ⁃ 1. September 1939 Beginn des zweiten Weltkrieges mit Einfall auf Polen ⁃ 1941 Kriegserklärung an die Sowjetunion und USA ⁃ 1943 Schlacht von Stalingrad ⁃ 8. Mai 1945 bedingungslose Kapitulation Lebensbedingungen im Exil: ⁃ Die Hoffnung auf eine rasche Wiederkehr nach Deutschland wurde zerschlagen, da das faschistische Regime sich unerwarteter Weise an der Macht hielt. ⁃ Die Exilierten wurden aus ihren Lebensgewohnheiten herausgerissen und ihrem vertrautem Umfeld. ⁃ Sie verloren ihre vertrautes Publikum. ⁃ Sie beherrschten meist die Sprache ihres Exillandes nicht und mussten zudem Schikanen ertragen und Misstrauen ihnen gegenüber. ⁃ Dazu kam, dass sich die Exilierten in einer schlechten finanziellen Lage befanden und die meisten auf Unterstützung von Verwandten, Freunden oder Hilfsorganisationen angewiesen waren. Die Möglichkeiten im Ausland Geld zu verdienen waren meistens beschränkt oder nicht möglich aufgrund einer fehlenden Arbeitserlaubnis. → Man kann insgesamt von einer Isolation der Exilierten im Ausland spechen. Themen und Motive ⁃ Forderung nach Volkstümlichkeit, um das gesamte Volk zu erreichen, die Einhaltung literarischer Konventionen spielten dabei (meist bei Brecht) eine untergeordnetete Rolle ⁃ Bildung einer Einheit, um gemeinsam gegen den Faschismus anzukämpfen i ⁃ Warnung der ganzen Welt vor dem Dritten Reich und dem wahren Charakter des nationalsozialistischen Regimes. ⁃ Die Widerstandsbewegung in Deutschland sollte erreicht werden. ⁃ Man wollte die deutsche Sprache und ihre Kultur im Exil aufrechterhalten und weiterentwickeln Bevorzugte Gattungen Exilzeitschriften: Ihr Ziel war es möglichst viele Positionen im Kampf gegen den Faschismus zu sammeln und den Weg zu einer Einheitsfront zu bilden. Zeit- und Gesellschaftsroman: z. B. Anna Seghers Das Siebte Kreuz Tarnschriften: In einem unauffälligem Gewand gekleidete Zeitschriften mit antifaschistischem Inhalt, die nach Deutschland geschmuggelt wurden. Rundfunk: Es sollten mehr Menschen erreicht werden als es durch Bücher o.ä. möglich war, z.B., Freiheitssender 29.8 von Heinrich Mann, Thomas Mann strahlte seine Sendung über BBC nach Deutschland aus Epische Theater: Begründer Brecht, sein Anliegen war es, dass die Zuschauer nicht meht kritiklos dem Stück gegenüber stehen, sondern das Dargestellte kritisch betrachten. Er benutzte Verfremdungseffekte um die Wirkung seiner Stücke zu verstärken. Exilliteratur an einem Beispiel Bertolt Brecht: Schlechte Zeit für Lyrik Ich weiß doch: nur der GlücklicheIst beliebt. Seine StimmeHört man gern. Sein Gesicht ist schön.Der verkrüppelte Baum im HofZeigt auf den schlechten Boden, aberDie Vorübergehenden schimpfen ihn einen KrüppelDoch mit Recht.Die grünen Boote und die lustigen Segel des SundesSehe ich nicht. Von allemSehe ich nur der Fischer rissiges Garnnetz.Warum rede ich nur davonDaß die vierzigjährige Häuslerin gekrümmt geht?Die Brüste der MädchenSind warm wie ehedem.In meinem Lied ein ReimKäme mir fast vor wie Übermut.In mir streiten sichDie Begeisterung über den blühenden ApfelbaumUnd das Entsetzen über die Reden des Anstreichers.Aber nur das zweiteDrängt mich, zum Schreibtisch. Erläuterung und Interpretation Thema: Auf der einen Seite die Freude an der Natur und auf der anderen Seite das Nicht- Erfreuenkönnen an ihr, aufgrund der politischen Situation → Es kommt zu einem inneren Konflikt, der sich auf das Schreiben auswirkt. Erste Strophe: Das lyrische Ich stellt fest, dass nur der Glückliche beliebt sei und man sich ihm gern zuwende. Die nüchterne Sprache und einfach und kurz gehaltenen Sätze verstärken die Botschaft über Oberflächlichkeit, sich nur dem Glücklichen zuzuwenden. Die nüchterne Sprache verdeutlicht zudem, dass sich das Lyrische Ich bewusst darüber ist, dass seine nun folgenden Worte kritsch aufgenommen werden könnten. Zweite Strophe: Das lyrische Ich verwendet Schlüsselwörter, die im Gegensatz zu den Schlüsselwörtern der ersten Strophe stehen („verkrüppelt“, „schlecht“, „schimpfen“ stehen im Gegensatz zu „der Glückliche“, „beliebt“, „gern“, „schön“). Das lyrische Ich stellt klar, dass eigentlich der Boden für den verkrüppelten Baum verantwortlich sei. Die Vorübergehenden bemerkten dies aber nicht oder möchten es nicht wahrhaben und beschimpfen stattdessen den verkrüppelten Baum. Das lyrische Ich beschreibt in dieser Situation metaphorisch dessen Lage. Er wird von den Vorübergehenden für dessen Kritik beschimpft, aber nicht die Ursachen für seine kritischen Ansichten. Das lyrische Ich stimmt den Vorübergehenden in der vierten Zeile zu „doch mit Recht“ beschimpfen sie den Baum, der wirklich verkrüppelt ist und auf das Lyrische Ich bezogen, welches nicht glücklich ist aufgrund der gegenwärtigen Situation. Dritte Strophe: Das Lyrische Ich verwendet in der ersten Zeile eher positiv konnotierte Adjektive („grün“, „lustig“) und stellt in der zweiten Zeile fest, dass es das Schöne nicht sehen kann und widerspricht somit seinen Worten aus der ersten Zeile. Vierte Strophe: Das Lyrische Ich sieht sich mit der schlimmen Realität konfrontiert. Der Fischer und das rissige Garnnetz stehen in diesem Zusammenhang für das Nazi- Regime samt Hitler. Das lyrische Ich betont, dass er aufgrund der politischen Situation, keine Freude für die schönen Dinge des Lebens empfinden könne, sondern dass er dem Negativen und dem Leid mehr Beachtung schenke. Es fragt sich nach den Gründen, warum dies so sei. Fünfte Strophe: Das lyrische Ich begründet, warum er sich keinem klangvolleren Reimschema bedient, weil es sich nicht ziemen würde aufgrund der äußeren Umstände, der gegenwärtigen politischen Situation. Es kann nicht so tun bzw. nicht so schreiben, als ob nichts vorgefallen wäre. Sechste Strophe: Das lyrische Ich erklärt seinen inneren Konflikt. Dass es sich um einen Konflikt handelt wird deutlich durch die Gegenüberstellung von Wörtern wie „streiten“ und „Begeisterung“ und „Entsetzen“. Das lyrische Ich spricht zwar seine Bewunderung für den schönen Apfelbaum an, aber das, was es zu schreiben zwingt, sind die „Reden des Anstreichers“, womit Hitler gemeint ist
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