Für die Frau Impulse für ein Leben mit Vision sehr klein, aber diesmal konnte nicht mehr so schonend operiert werden. Da der Tumor als Neuerkrankung eingestuft wurde und noch sehr klein war, hatte ich die Hoffnung, dass sich noch keine Metastasen gebildet hatten. Ich war verzweifelt. Hatte ich nicht schon genug durch? Denn abgesehen von diesen schweren Erkrankungen kämpfte ich mit den Altlasten eines schwierigen Elternhauses und einer Sprachbehinderung in Form von Stottern, die mir Alltagssituationen oft sehr erschwerte. Meine innere Erschöpfung nahm zu und hätte leicht in eine starke Depression münden können. Gott als Liebhaber des Lebens Mit Unterstützung vieler Menschen kam ich wieder zu Kräften. Ich lernte viel über mich, aber vor allem auch, dass Gott ein Liebhaber des Lebens ist, dass er sich freut, wenn ich mich freue, dass er gute Gedanken für mich hat. Das heißt nicht, dass ich heute unbeschwert durchs Leben gehe. Aber mein Glaube konnte wachsen, auch wenn ich immer noch keinen Sinn in meinen schweren Erleb- nissen sehe – abgesehen davon, dass ich die Ängste von Menschen in ähnlichen Situationen gut nachvollziehen kann. Meine Gaben sind erwünscht Trotzdem fühle ich mich gesegnet: Ich bin soweit gesund. Mein Mann und ich führen eine glückliche Ehe. Gute Beziehungen in der Familie, dem Freundeskreis und der Gemeinde bereichern unser Leben. Ich will auch nicht vergessen, dass ich in einem reichen Land lebe und somit zu den privilegiertesten Menschen der Welt gehöre. Seit einiger Zeit scheint es auch beruflich bergauf zu gehen und ich kann meine Gaben einsetzen. Ich danke Gott für alle Bewahrung und für seinen liebevollen Blick auf mich. Und alles, was ich nicht verstehe, setze ich auf eine „innere Liste“: Das werde ich Gott fragen, wenn ich bei ihm in der Ewigkeit angekommen bin – falls es dann noch nötig ist. Ingrid Boller Ungewissheit aushalten – Vertrauen einüben Impressum FF166 Stiftung Marburger Medien, Am Schwanhof 17, 35037 Marburg, Fon 06421/1809-0 www.marburger-medien.de Redaktion: M. Mogel; Erscheinungsweise: zweimonatlich; Foto: Ingram, Shutterstock Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Die Bibel: Psalm 91,1+2 Zeiten des Umbruchs kennt jede von uns. Mancher Umbruch ist spektakulär und bringt starke Veränderungen mit sich: Ausbildung, Wechsel der Arbeitsstelle, Heirat, Geburt der Kinder, Wohnungswechsel … die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Manche Umbrüche geschehen eher leise, vielleicht über einen längeren Zeitraum hinweg und erscheinen uns deshalb vielleicht weniger stark. Freundschaften, die über Jahre bestanden, gehen auseinander, weil man sich unterschiedlich entwickelt. Der eigene Blick auf mich selbst und die Welt ändern sich – und damit auch mein Verhalten, mein Lebensvollzug. Manche Veränderungen führen wir bewusst herbei, andere werden uns aufgezwungen und stellen uns oft vor große Herausforderungen. Plötzlich bin ich in einer Situation, die ich nie so gewollt hatte, die meine ganze Planung über den Haufen wirft und meine ganze Kraft fordert. Mein Plan war fertig Nach dem Abitur am Abendgymnasium wollte ich Geschichte studieren. Als 36jährige Mutter zweier halbwüchsiger Töchter, einem Ehemann mit eigener kleiner Firma, Haus und Garten, war ich damit eher eine Ausnahmeerscheinung. Aber ich wusste auch, dass ich auf diesem Gebiet Begabungen hatte, und diese wollte ich einsetzen. Allen Halt verloren Ein kleiner Knoten in meiner Brust, den ich getastet hatte, musste histologisch abgeklärt werden. Der Befund, den ich telefonisch erfragte, zog mir den Boden unter den Füßen weg. Es war ein bösartiger Tumor, der operativ sowie mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt werden musste. In meinem Kopf ging alles durcheinander. Der sehr einfühlsame Arzt sprach mir Mut zu: „Sie müssen nicht Ihre ganze Lebensplanung über Bord werfen.“ Einige Tage vor der OP lasen mein Mann und ich in unserer biblischen Tageslese den Psalm 91. Ich war völlig überwältigt, dass Gott mir diesen Psalm zu diesem Zeitpunkt schenkte. Darin heißt es u.a.: „…Bei mir findet er die Hilfe, die er braucht; ich gebe ihm ein erfülltes und langes Leben!” In meinen dunkelsten Stunden habe ich mich an diesen Psalm geklammert. Vielleicht denken Sie jetzt, dass ich ab dann gelassen durch alle Therapien gegangen bin – weit gefehlt! Die Angst packte mich immer wieder mit massiver Gewalt. War ich schon vor der Erkrankung ein ängstlicher Mensch, zog mich dieser Charakterzug oft ins Bodenlose, machte mich zu einem Angstbündel und mein Leben anstrengend. Ich schrie zu Gott, habe ihm mein ganzes Leid vor die Füße geworfen. Trotzdem habe ich mich getragen gefühlt: Gott war da – auch in Gestalt meiner Familie, von Freunden, Menschen aus unserer Kirchengemeinde, Ärzten und Therapeuten. halfen mir, wieder ein fast normales Leben zu führen. Angsteinbrüche kamen jedoch immer wieder vor. Nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, suchte ich nach einer Halbtagsstelle; meine Kinder waren inzwischen fast erwachsen. Zeit für einen Neustart! Nach etlichen Absagen verstand ich, dass mein sehr guter Abschluss keinen Arbeitgeber interessierte, weil mein Geburtsdatum abschreckte. Das ließ sich nun mal nicht ändern, aber es verletzte mich tief. Ich konnte mir nicht vorstellen, mich nur um Haus und Garten zu kümmern. Ich betete, suchte nach Möglichkeiten, doch gleichzeitig wurde alles immer anstrengender. Zeit für einen Neustart Irgendwann war die Akuttherapie zu Ende. Das Studium und meine sonstigen Aufgaben Elf Jahre nach der ersten Tumorerkrankung wurde bei einer Routinekontrolle ein neuer Knoten festgestellt. Glücklicherweise war er
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