Fall 02 Lösung - Juristische Fakultät

PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT II
SOMMERSEMESTER 2015
JURISTISCHE FAKULTÄT
LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES
PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG
PROF. DR . STEPHAN LORENZ
F ALL 2 – L ÖSUNG
D AS ZERSTÖRTE G EMÄLDE
A. Ausgangsfall ................................................................................................................... 2
I.
Anspruchsentstehung ................................................................................................. 2
II. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB .................................................. 2
1.
Gegenseitiger Vertrag .......................................................................................... 2
2.
Befreiung des V gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht ................................. 3
3.
Keine abweichende Bestimmung zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ..................................... 3
4.
Rechtsfolge des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB .................................................................. 3
III. Ergebnis .................................................................................................................... 3
B. Abwandlung 1 ................................................................................................................. 4
I.
Anspruchsentstehung ................................................................................................. 4
II. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB .................................................. 4
3.
Keine abweichende Bestimmung zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ..................................... 4
a)
Annahmeverzug des K .................................................................................... 4
aa) Erfüllbare Leistungspflicht ........................................................................ 4
bb) Angebot der Leistung wie geschuldet ......................................................... 4
cc) Nichtannahme der Leistung ....................................................................... 5
dd) Leistungsvermögen des V .......................................................................... 5
ee) Zwischenergebnis ..................................................................................... 5
b) Kein Vertretenmüssen des V ........................................................................... 5
c)
Zwischenergebnis........................................................................................... 5
III. Ergebnis .................................................................................................................... 5
C. Abwandlung 2 ................................................................................................................. 6
I.
Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung .......................................................... 6
1.
Schadensersatz statt der Leistung ......................................................................... 6
2.
Verletzung einer Pflicht aus bestehendem Schuldverhältnis .................................... 6
3.
Vertretenmüssen .................................................................................................. 6
4.
Schaden und Kausalität ........................................................................................ 6
5.
Zwischenergebnis ................................................................................................ 7
II. Anspruch auf Aufwendungsersatz hinsichtlich der Druckkosten .................................... 7
1.
Schadensersatz statt der Leistung dem Grunde nach .............................................. 7
SUSANNE ZWIRLEIN
AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT II (PROF. DR. STEPHAN L ORENZ) · S OMMERSEMESTER 2015
FALL 2 – LÖ SUNG
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2.
Aufwendungen ..................................................................................................... 7
3.
Billigkeitskontrolle ............................................................................................... 7
4.
Kein Ausschluss gem. § 284 letzter Hs. BGB .......................................................... 8
5.
Konkurrenzen ...................................................................................................... 8
III. Ergebnis .................................................................................................................... 8
D. Abwandlung 3 ................................................................................................................. 9
I.
Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises ........................................................................ 9
1.
Anspruchsentstehung ........................................................................................... 9
2.
Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ............................................ 9
a)
Gegenseitiger Vertrag ..................................................................................... 9
b) Befreiung des V gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht ............................ 9
c)
3.
Kein Fall von § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ................................................................ 9
Ergebnis .............................................................................................................. 9
II. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung .......................................................... 9
A.
1.
Anfängliche Unmöglichkeit ................................................................................. 10
2.
Kenntnis oder Kennenmüssen des Leistungshindernisses ..................................... 10
3.
Rechtsfolge ........................................................................................................ 10
Ausgangsfall
V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v.
€ 1.000.000,– aus § 433 Abs. 2 BGB haben. Dies setzt voraus, dass ein
solcher Anspruch durch Vertragsschluss entstanden ist und nicht erloschen
ist.
I.
Anspruchsentstehung
Der Anspruch ist entstanden, wenn K und V einen wirksamen Kaufvertrag
geschlossen haben. An einem wirksamen Vertragsschluss durch Angebot und
Annahme (§§ 145, 147 BGB) bestehen keine Zweifel.
II. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
Der Anspruch könnte jedoch gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erloschen sein. Das
setzt voraus, dass das Geschäft von V und K ein gegenseitiger Vertrag ist,
dass V aufgrund § 275 BGB von seiner Leistungspflicht aus diesem Vertrag
befreit ist und keine von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Bestimmung
eingreift.
1.
Gegenseitiger Vertrag
§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB setzt einen gegenseitigen Vertrag voraus, wie sich aus
der Überschrift zu den §§ 320 ff. BGB („Titel 2. Gegenseitiger Vertrag“)
ergibt. Der Kaufvertrag zwischen K und V enthält im Synallagma stehende
Leistungspflichten (vgl. § 433 BGB) und ist daher ein gegenseitiger Vertrag.
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FALL 2 – LÖ SUNG
2.
Befreiung des V gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht
Weiterhin muss V von seiner Leistungspflicht nach § 275 BGB befreit sein.
Hier könnte wegen der Zerstörung des Bildes eine nachträgliche objektive
Unmöglichkeit der Leistungserbringung gem. § 275 Abs. 1 BGB vorliegen. Da
das Bild ein Unikat ist, lag eine Stückschuld vor, so dass mit Untergang des
Bildes die Leistungserbringung nachträglich nicht nur für V, sondern für
jedermann unmöglich wurde i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB. V ist daher von seiner
Leistungspflicht befreit.
Nota bene: § 275 Abs. 1 BGB unterscheidet zwischen subjektiver („für den
Schuldner“) und objektiver („für jedermann“) Unmöglichkeit. Bei der Subsumtion
der Norm sollte daher stets darauf geachtet werden, die Unmöglichkeit einem der
beiden Fälle zuzuordnen.
3.
Keine abweichende Bestimmung zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
Es dürfte keine von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Bestimmung gegeben
sein.
Da K für die Unmöglichkeit nicht verantwortlich ist – diese vielmehr auf
Zufall zurückzuführen ist – greift § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB nicht ein.
Nachdem die Unmöglichkeit auch nicht während des Annahmeverzugs
eingetreten ist, ist auch § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB nicht gegeben.
Daher greift keine von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Bestimmung ein.
4.
Rechtsfolge des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
V verliert also gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB den Anspruch auf
Gegenleistung, so dass der Anspruch auf Kaufpreiszahlung erloschen ist.
die
Wie in Fall 1 besprochen gilt: Im Rahmen von §§ 326 Abs. 1 S. 1, 275 BGB ist immer
die eventuell unmöglich gewordene Leistung „Hauptleistung“ und die mit dieser
Leistung im Synallagma stehende Leistung „Gegenleistung“.
III. Ergebnis
V hat gegen K keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v.
€ 1.000.000,–.
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FALL 2 – LÖ SUNG
B.
Abwandlung 1
Die Prüfung beginnt genau wie im Ausgangsfall. Veränderungen ergeben sich erst
bei Punkt II.3. Keine abweichende Bestimmung zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB.
I.
Anspruchsentstehung
[…]
II. Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
[…]
3.
Keine abweichende Bestimmung zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
Es dürfte keine von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Bestimmung gegeben
sein.
Da K für die Unmöglichkeit nicht verantwortlich ist – diese vielmehr auf
Zufall zurückzuführen ist – greift § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB nicht ein..
Es könnte aber von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB abzuweichen sein, wenn K bei
Unmöglichkeitseintritt im Verzug der Annahme war und V den
Unmöglichkeitseintritt nicht zu vertreten hat, § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB.
a)
Annahmeverzug des K
K kam dann mit Unmöglichkeitseinritt in Annahmeverzug, wenn er die ihm
angebotene Leistung nicht annahm, obwohl die Leistungspflicht bereits
erfüllbar war und der V zur Leistung im Stande war, §§ 293, 297 BGB.
aa) Erfüllbare Leistungspflicht
V musste bei Unmöglichkeitseintritt bereits leisten dürfen, seine Schuld
musste also erfüllbar sein. Dies ist im Zweifel sofort anzunehmen, § 271
Abs. 2 BGB. Die Leistungspflicht des V war also bereits erfüllbar.
bb) Angebot der Leistung wie geschuldet
V musste die Leistung bei Unmöglichkeitseintritt bereits so wie geschuldet
angeboten haben, § 294 BGB. Es kommt also darauf an, was V geschuldet
hat.
Vorliegend haben die Parteien vereinbart, dass K das Gemälde von V abholt.
Die Parteien haben damit eine sog. Holschuld ausdrücklich vereinbart (vgl.
§ 269 Abs. 1 BGB). Bei einer Holschuld ist lediglich erforderlich, dass V das
Bild für K zum vereinbarten Zeitpunkt bereithält. Dies hat V getan.
Übersicht zur erforderlichen Leistungshandlung des Schuldners:
Bei der Holschuld muss der Schuldner die Kaufsache aussondern, bereitstellen
und, sofern kein Leistungszeitpunkt vereinbart ist, den Gläubiger von der
Bereitstellung benachrichtigen.
Bei der Schickschuld muss der Schuldner die Kaufsache aussondern, verpacken
und an die Transportperson übergeben.
Bei der Bringschuld muss der Schuldner die Kaufsache aussondern, sie zum
Gläubiger bringen und dort zu einem geeigneten Erfüllungszeitpunkt anbieten.
Unabhängig davon, ob V das seinerseits Erforderliche getan hat und ein
tatsächliches Angebot vorliegt (K also nur noch „zugreifen“ muss, um die
Leistung zu erhalten), ist hier ein gemäß § 295 S. 1 Alt. 2 BGB mögliches
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FALL 2 – LÖ SUNG
wörtliches Angebot („… insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete
Leistung abzuholen hat“) gemäß § 296 S. 1 BGB entbehrlich, da für die vom
Gläubiger vorzunehmende Handlung (Abholung der Ware) eine Zeit nach dem
Kalender bestimmt war.
cc) Nichtannahme der Leistung
K hat das Bild nicht zum vereinbarten Zeitpunkt abgeholt und damit die
Leistung nicht angenommen.
dd) Leistungsvermögen des V
V war auch zu diesem Zeitpunkt zur Leistung im Stande, § 297 BGB.
ee) Zwischenergebnis
Somit befand sich K zu dem Zeitpunkt, in dem die Unmöglichkeit eintrat, im
Annahmeverzug.
b)
Kein Vertretenmüssen des V
V dürfte den Umstand, der zur Unmöglichkeit führt, auch nicht zu vertreten
haben, § 326 Abs. 2 S. 1 BGB.
Zwar hat V leicht fahrlässig einen Fehler bei der Wartung der
Heizungsanlage gemacht und dadurch den Brand ausgelöst. Maßstab zur
Bestimmung der Verantwortlichkeit des V während des Annahmeverzugs des
K ist aber § 300 Abs. 1 BGB. Demnach hat V nur Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit zu vertreten. Den leicht fahrlässigen Wartungsfehler hat V
daher nicht zu vertreten.
V hat den zur Unmöglichkeit führenden Brand also nicht zu vertreten.
c)
Zwischenergebnis
§ 326 Abs. 2 S. 1 BGB greift ein. Der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt
daher erhalten.
III. Ergebnis
V hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises
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FALL 2 – LÖ SUNG
C.
Abwandlung 2
Hinweis: Hinsichtlich des Anspruchs des V gegen K auf Kaufpreiszahlung ändert
sich gegenüber dem Ausgangsfall nichts. Dass die Unmöglichkeit auf ein
Verschulden des V zurückgeht, ändert nichts am Wegfall der Gegenleistungspflicht
nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB.
I.
Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus
§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB haben. Dies setzt voraus, dass es sich bei
dem geltend gemachten Schaden um Schadensersatz statt der Leistung
handelt, dass V eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat und dass er
diese Pflichtverletzung zu vertreten hat.
1.
Schadensersatz statt der Leistung
Bei dem von K geltend gemachten Gewinn müsste es sich um Schadensersatz
statt der Leistung handeln.
Wenn die Leistung kurz vor Unmöglichkeitseintritt noch erfolgt wäre, wäre
der Schaden entfallen, da K das Bild gewinnbringend weiterverkaufen hätte
können. Weil also der Schaden durch eine Leistung im letztmöglichen
Zeitpunkt noch behoben hätte werden können, handelt es sich um
Schadensersatz statt der Leistung, §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB.
2.
Verletzung einer Pflicht aus bestehendem Schuldverhältnis
Die nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung liegt gemäß
§ 283 S. 1 BGB in der nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung. Die Pflicht
zur Leistung wurde durch den Kaufvertrag wirksam begründet. Der
Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB schließt die
Geltendmachung von Schadensersatz wegen des Unmöglichkeitseintritts
nicht aus, § 275 Abs. 4 BGB.
3.
Vertretenmüssen
Gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung
vermutet. Diese Vermutung müsste V widerlegen können.
Bezugspunkt des Vertretenmüssens sind nach § 283 S. 1 BGB die Umstände,
aufgrund derer die Leistung unmöglich ist. Vertreten muss V grundsätzlich
Vorsatz und Fahrlässigkeit, § 276 Abs. 1 BGB. Vorliegend hat V fahrlässig
gehandelt, indem er die Heizungsanlage nicht mit der erforderlichen Sorgfalt
gewartet und dadurch eine Brandgefahr heraufbeschworen hat, § 276 Abs. 2
BGB.
V kann daher die Vermutung des Vertretenmüssens aus § 280 Abs. 1 S. 2
BGB nicht widerlegen.
4.
Schaden und Kausalität
K macht das positive Interesse geltend. Er verlangt so gestellt zu werden, wie
er stünde, wenn die Unmöglichkeit nicht eingetreten wäre und der Vertrag
ordnungsgemäß erfüllt worden wäre, § 249 Abs. 1 BGB.
Wenn V den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte, hätte K das Bild zu
€ 1.000.100,– verkaufen können, selbst hätte er dafür € 1.000.000,–
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aufgewendet. Der entgangene Gewinn ist vom positiven Interesse umfasst,
§ 252 S. 1 BGB.
Dagegen sind die Aufwendungen für die Vernissage nicht als Schadensersatz
statt der Leistung ersatzfähig, denn sie wären auch bei ordnungsgemäßer
Leistung angefallen. Die Rentabilitätsvermutung ist aufgrund der ideellen
Zweckrichtung der Aufwendungen nicht anwendbar.
Nota bene: Mit Hilfe der Rentabilitätsvermutung werden frustrierte Aufwendungen
mit einer wirtschaftlichen Zweckrichtung im Einzelfall als Schaden angesehen. Der
Rentabilitätsvermutung liegt der Gedanke zu Grunde, dass den Aufwendungen bei
ordnungsgemäßer Erfüllung ein materieller Gegenwert entgegengestanden wäre,
der aufgrund der Nichtleistung weggefallen sei. Somit sei ein Schaden entstanden.
Wenn K ein professioneller Gallerist gewesen wäre und eine kommerzielle
Vernissage zu Verkaufszwecken veranstaltet hätte, wäre demnach etwa vermutet
worden, dass sich die Aufwendungen für die Einladungen durch die Einnahmen bei
der Vernissage amortisiert hätten. Diese Vermutung ist auch angesichts der Existenz
von § 284 BGB relevant, weil Aufwendungen gem. § 284 BGB nur alternativ zum
Schadensersatz geltend gemacht werden können.
5.
Zwischenergebnis
Somit kann K von V (nur) € 100,– Schadensersatz statt der Leistung
verlangen.
II. Anspruch auf Aufwendungsersatz hinsichtlich der Druckkosten
K könnte gemäß § 284 BGB einen Anspruch auf Aufwendungsersatz i.H.v.
€ 200,– haben. Dies setzt voraus, dass K gegen V dem Grunde nach einen
Schadensersatzanspruch
statt
der
Leistung
hat
(„Anstelle
des
Schadensersatzes statt der Leistung“) und dass K Aufwendungen im
Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen
durfte und der Zweck dieser Aufwendungen ohne die Pflichtverletzung des
Schuldners erreicht worden wäre.
1.
Schadensersatz statt der Leistung dem Grunde nach
K hat gegen V dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch statt der
Leistung aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB, s.o.
2.
Aufwendungen
Es müssten freiwillige Vermögensopfer (Aufwendungen) vorliegen, die im
Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht wurden. Die Druckkosten sind
entstanden, weil K darauf vertraut hat, dass V das Bild leisten würde. Es
handelt sich daher um Aufwendungen.
3.
Billigkeitskontrolle
Fraglich ist, ob die Aufwendungen auch billigerweise gemacht werden
durften. Zweck der Beschränkung auf die Billigkeit ist eine Begrenzung der
Haftung des Schuldners auf ein Maß, auf das er sich bei Vertragsschluss
einstellen konnte. Aufwendungen, die nicht erforderlich sind, oder in ihrer
Höhe unverhältnismäßig sind, dürfen billigerweise nicht gemacht werden.
Dies beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Vorliegend konnte V angesichts des Bildwertes von „Dina the Dog“ und des
Bekanntheitsgrades des Künstlers Heuberger damit rechnen, dass ein
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Erwerber des Bildes dieses nicht lediglich auf dem Dachboden wegschließen
würde, sondern es in einer privaten Ausstellung zur Schau stellen würde (a.A.
vertretbar). Die Druckkosten von € 200,– sind in ihrer Höhe nicht
unverhältnismäßig. Damit sind die Druckkosten billigerweise angefallen.
4.
Kein Ausschluss gem. § 284 letzter Hs. BGB
Ohne die Pflichtverletzung hätte die Vernissage stattfinden können, so dass
die Aufwendungen hierfür ihren Zweck erreicht hätten. Der Anspruch ist
daher nicht gem. § 284 letzter Hs. BGB ausgeschlossen.
5.
Konkurrenzen
Der Anspruch aus § 284 BGB kann nicht neben dem Anspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung geltend gemacht werden. K muss sich also
entscheiden, ob er seinen entgangenen Gewinn oder die Druckkosten von V
verlangen möchte. Angesichts der Höhe der Druckkosten wird er letzteres
tun.
Nach einer a.A. ist § 284 BGB teleologisch zu reduzieren (und damit einer
parallele Geltendmachung ausnahmsweise möglich), wenn neben dem
materiellen Nichterfüllungsinteresse (hier: entgangener Gewinn) ein
immaterielles Nichterfüllungsinteresse (hier: die Kosten für die „private“
Vernissage) geltend gemacht wird. 1
III. Ergebnis
K hat gegen V entweder einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von
€ 100,– oder einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von € 200,–.
1
Vgl. Gsell, NJW 2006, 125, 126 m.w.N; unter Hinweis auf den Haftungsumfang gegen diese Ansicht aber
MüKo/Ernst, 6. Aufl. 2012, § 284 BGB Rn. 30 m.w.N.
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FALL 2 – LÖ SUNG
D. Abwandlung 3
I.
Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises
V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v.
€ 1.000.000,– aus § 433 Abs. 2 BGB haben. Dies setzt voraus, dass ein
solcher Anspruch durch Vertragsschluss entstanden ist und nicht erloschen
ist.
1.
Anspruchsentstehung
Der Anspruch ist entstanden, wenn K und V einen wirksamen Kaufvertrag
geschlossen haben. An einem wirksamen Vertragsschluss durch Angebot und
Annahme (§§ 145, 147 BGB) bestehen keine Zweifel.
An der Wirksamkeit des Kaufvertrages ändert sich nichts dadurch, dass die
Leistung anfänglich objektiv unmöglich gewesen ist. Im Unterschied zum
alten deutschen Schuldrecht (§ 306 BGB a.F.) und römischrechtlichen
Grundsätzen (D 50, 17, 185 (Cel. 9 dig.) (Inpossibilium nulla obligatio est)
führt die anfängliche objektive Unmöglichkeit nicht zur Unwirksamkeit des
Vertrages. Dies wird in § 311a Abs. 1 BGB noch einmal klargestellt. Der
Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB ist damit
entstanden.
2.
Erlöschen des Anspruchs gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
Der Anspruch auf die Gegenleistung könnte nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB
erloschen sein. Das setzt voraus, dass das Geschäft von V und K ein
gegenseitiger Vertrag ist, der V aufgrund § 275 BGB von seiner
Leistungspflicht aus diesem Vertrag befreit ist und keine von § 326 Abs. 1
S. 1 BGB abweichende Bestimmung eingreift.
a)
Gegenseitiger Vertrag
Der Kaufvertrag zwischen K und V enthält im Synallagma stehende
Leistungspflichten (vgl. § 433 BGB) und ist daher ein gegenseitiger Vertrag.
b)
Befreiung des V gem. § 275 BGB von seiner Leistungspflicht
V ist von seiner Leistungspflicht aufgrund
Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB befreit.
c)
anfänglichen
objektiver
Kein Fall von § 326 Abs. 2 S. 1 BGB
Da K weder im Annahmeverzug war, noch die Unmöglichkeit zu verantworten
hat, liegt kein Fall des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB vor. Somit ist der Anspruch auf
den Kaufpreis nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erloschen.
3.
Ergebnis
V hat gegen K keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung.
II. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus
§ 311a Abs. 2 BGB haben. Dies setzt voraus, dass die Leistung des V
anfänglich unmöglich war und V das Leistungshindernis bei Vertragsschluss
kannte oder hätte kennen müssen.
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FALL 2 – LÖ SUNG
1.
Anfängliche Unmöglichkeit
Der die Haftung begründende Umstand liegt gemäß § 311a Abs. 2 S. 1 BGB
in dem Ausbleiben der Leistung aufgrund anfänglicher Unmöglichkeit.
Die Übergabe und Übereignung
Vertragsschluss unmöglich, s.o.
2.
des
Bildes
war
dem
V
schon
bei
Kenntnis oder Kennenmüssen des Leistungshindernisses
Nota bene: Bei § 311a Abs. 2 BGB ist der Bezugspunkt des Vertretenmüssens ein
anderer als bei §§ 280, 283 BGB, nämlich nicht wie bei § 283 BGB die
Pflichtverletzung, also die Unmöglichkeit als solche, sondern die Kenntnis der
Leistungsunfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Deswegen darf § 311a
Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage bei der anfänglichen Unmöglichkeit nicht
übersehen werden. Die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB setzt keine
Pflichtverletzung voraus, da eine Pflicht zur Leistung bei einem anfänglichen
Leistungshindernis nicht entstehen konnte (str.).
Gemäß § 311a Abs. 2 S. 2 BGB wird vermutet, dass der Schuldner die
Unkenntnis des Leistungshindernisses bei Vertragsschluss zu vertreten hat
(Beweislastverteilung wie bei § 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Vorliegend hat V sich
nicht vergewissert, ob ein Leistungshindernis vorliegt, obwohl Anhaltspunkte
vorhanden waren, die darauf hindeuteten, dass das Bild möglicherweise
untergegangen war. Bei gehöriger Sorgfalt hätte er sich vergewissern
müssen, ob das Bild verbrannt ist, § 276 Abs. 2 BGB. Es kann daher positiv
festgestellt werden, dass V fahrlässig nicht von der anfänglichen
Unmöglichkeit wusste.
3.
Rechtsfolge
Folglich muss V dem K so stellen, wie er stünde, wenn er den Vertrag
ordnungsgemäß erfüllt hätte (Haftung auf das positive Interesse).
Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte K einen Gewinn von € 100,– erzielen
können. In dieser Höhe kann er daher Schadensersatz statt der Leistung
verlangen, § 252 S. 1 BGB.
Zur Vertiefung:
Medicus, Dieter /
Lorenz, Stephan
Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, 20. Aufl. 2012,
§§ 28, 29, 30, 36, 37.
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