Interview_BayLDA_DS

„Das wird spannend“
Thomas Kranig über Vollzugsprobleme des neuen EU-Datenschutzrechts
Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamts für Datenschutz, gehörte zur
Expertenrunde der BIHK-Großveranstaltung „Vor der Verabschiedung der DatenschutzGrundverordnung – Erwartungen der Wirtschaft an die EU-Datenschutzreform“ am 16.
November in der Münchner IHK Akademie. Vor Beginn der Podiumsdiskussion nahm sich
Kranig die Zeit, um im Interview mit „Wirtschaft Aktuell“ zu erklären, welche
Vollzugsprobleme auf Aufsichtsbehörden und Wirtschaft zukommen.
Sind unsere Unternehmen fit für das neue Datenschutzrecht?
Alle sicher nicht. Wir haben viele, die sich gut darauf vorbereiten, mit denen wir in der
Diskussion sind. Wie sich das Ganze dann wirklich anfühlt, weiß aber tatsächlich noch
niemand.
Wieso nicht?
Wir bekommen, wie der Name schon sagt, nur eine Grundverordnung. Es gibt Dinge, die wir
dann nicht geregelt haben – Werbung oder Videoüberwachung. Da werden wir längere Zeit
keine Rechtssicherheit haben. Das muss man erst noch europarechtlich klären.
Was bedeutet das für unsere Firmen? Mehr Arbeit? Mehr Kosten?
Auf die deutschen Unternehmen wird sicher mehr Dokumentation zukommen. Entscheidend
ist, dass sie Risiken gut abschätzen müssen, wenn sie neue Produkte auf den Markt
bringen, die für den Datenschutz relevant sind. Sie werden das dann auch in einigen Fällen
von den Datenschutzbehörden genehmigen lassen müssen.
Brauchen Sie für den Vollzug mehr Leute?
Die bräuchte ich heute schon, vor allem im technischen Bereich. Die Frage, wie ich mit zwei
Informatikern die gesamte Wirtschaft Bayerns kontrollieren soll, muss man mir erst noch
beantworten. Ich halte das für eine unlösbare Aufgabe.
Macht Ihnen das neue Datenschutzrecht mehr Arbeit?
Ja, die Anforderungen werden sich erhöhen. Es wird viele Prüfungen geben. Hinzu kommen
Zertifizierungen, die Prüfung der Selbstregulierung und die Abstimmung
grenzüberschreitender Datenschutzfragen mit dem Europäischen Datenschutzausschuss,
die wir führen müssen – natürlich alles versehen mit einer gesetzlichen Frist. Das wird sehr
spannend. Mit dem, was wir jetzt haben, werden wir diese Aufgaben sicher nicht erfüllen
können.
Niemand erwartet, dass wir bis Ende Januar 2016 ein Safe Harbor II bekommen. Wie
geht Ihre Behörde von Februar an damit um?
Wir überlegen uns, was uns die EuGH-Entscheidung sagen will, und wie wir für die Praxis
damit Lösungen finden können. Für die Wirtschaft ist es das Allerwichtigste, dass sie auf der
anderen Seite einen Partner hat, der mit einer Zunge spricht. Das gilt für die deutsche
Datenschutz-Konferenz und auf europäischer Ebene für die Artikel-29-Gruppe. Diese
Gremien müssen abwägen zwischen Datenschutz und dem Interesse der Wirtschaft, neue
Geschäftsmodelle zu betreiben. Das wird sicher nicht leicht.
Die Wirtschaft klagt derzeit ja eher über eine Kakophonie, die unsere nationalen
Datenschutzbehörden anrichten. Wie lässt sich das ändern?
Ich kann nur raten: Lasst uns vorsichtig sein mit Statements, die alle verunsichern. Lasst
uns lieber gemeinsam an Positionen und Lösungen arbeiten, zu denen wir hinterher auch
gemeinsam stehen.
Hat sich der Aufwand für die Datenschutz-Grundverordnung gelohnt?
Darüber können wir uns in fünf Jahren noch einmal unterhalten, wenn wir wissen, wie sich
das Ganze bewährt und anfühlt. Das eigentliche Ziel der Verordnung wird aber erreicht: Wir
können unseren Unternehmen erstmals europaweit einen einheitlichen Rechtsrahmen
anbieten.
Ansprechpartner: Bottler
Die Fragen stellte Martin Armbruster