Auf die Einheitlichkeit kommt es an

Schwerpunktthema 2015/2016
Wirtschaft digital.
Grenzenlos.
Chancenreich.
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EU-Datenschutzreform
Auf die Einheitlichkeit kommt es an
Frederick Richter, LL.M.
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Schwerpunktthema Nr.9/2016
EU-Datenschutzreform
Auf die Einheitlichkeit kommt es an
Frederick Richter, LL.M., Stiftung Datenschutz
Frederick Richter
Fotoquelle: DIHK/Jens Schicke
Die im Frühjahr dieses Jahres beschlossene Datenschutzgrundverordnung ist ein
Meilenstein im europäischen Recht. Nicht etwa nur IT-Unternehmen, Auskunfteien
und Versandhändler sind von dieser Reform betroffen, sondern alle Unternehmen
jeder Rechtsform, die „automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten“ betreiben. Dieses alle Wirtschaftszweige betreffende Reformwerk wird zwar erst ab
Ende Mai 2018 angewendet, doch lohnt es sich schon heute, sich mit seinem Inhalt
zu befassen.
Dabei fällt sofort viel Vertrautes auf. Wer heute seine Unternehmens- und Geschäftspraxis gewissenhaft auf die Vorgaben des noch zwei Jahre geltenden Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) abgestimmt hat, wird zwar nachfeilen, nicht aber komplett umbauen
müssen. Unternehmen, die bereits heute die Kunden umfassend informieren, mit Auskunfts- und Löschungsersuchen gut umgehen und Datenlecks bestenfalls vermeiden oder
ansonsten meldet, müssen keine Revolution fürchten. In Sachen Umstellungsbedarf haben die an ein strenges Datenschutzgesetz gewöhnten deutschen Unternehmen einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten im EU-Ausland. Wieviel dies in der
Praxis wert ist, wird allerdings stark von der Strenge der Aufsichtsbehörden im EUAusland abhängen. Anderenfalls könnten Unternehmen in Mitgliedsstaaten mit vergleichsweise lascher Datenschutzaufsicht in die Versuchung geführt werden, einen „Vorsprung durch Rechtsbruch“ zu nutzen.
Geworben hatten die europäischen Institutionen für ihr Reformwerk bei Bürgen als auch
bei der Wirtschaft mit dem Motto „one continent, one law“. Anders als danach auch von
großen Teilen der Wirtschaft erhofft, sind die Vorschriften der EU-Datenschutzgrundverordnung jedoch nicht komplett abschließend. Zwar werden die meisten wichtigen
Punkte EU-weit vereinheitlicht, doch bleiben erneut Räume für zumindest einen kleinen
Flickenteppich. So können die Mitgliedstaaten die Spielräume von über 50 Öffnungsklauseln in der Verordnung nutzen – und schlimmstenfalls voneinander stark abweichende
Regelungen erlassen. Falls es verstärkt dazu kommt, würden europaweit agierende Unternehmen nur beschränkt in den Genuss eines kontinental einheitlichen Datenrechts gelangen.
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Schwerpunktthema Nr. 9/2016
Dazu kommt die für international tätige Unternehmen zu fürchtende Möglichkeit, dass die
27 für die Rechtsüberwachung zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden die für sie alle
geltende Verordnung unterschiedlich auslegen und unterschiedlich anwenden. Falls es
dazu käme, wäre aus Wirtschaftssicht ein großes Ziel der Reform, nämlich mehr Rechtssicherheit und Planbarkeit, verfehlt. Auch wenn am Ende der Europäische Datenschutzausschuss und der Europäische Gerichtshof das letzte Wort haben werden, wären jahrelange Unsicherheiten und Streit zu erwarten.
Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher würden von einer „Auslegungszersplitterung“ nichts haben. Für sie würde die Verfolgung eigener Rechte im EU-Ausland aufwendiger und langwieriger, wenn die Abstimmungsprozesse sich uneiniger Behörden
hinziehen und der heiß erwartete One-Stop-Shop zur schnellen Rechtsverfolgung hakt.
Wenn dagegen der in der Verordnung vorgesehene Abstimmungsmechanismus gut funktioniert und die Behörden sich zügig abstimmen, kann das neue Datenschutzrecht dem
Interesse von Bürgern und Unternehmen an zügiger Rechtsklärung gerecht werden.
In Sachen eines wirtschaftsseitig stets favorisierten Bürokratieabbaus wird es darauf ankommen, ob die mit der Reformgesetzgebung ausgeweiteten Informationspflichten dem
gewohnten BDSG-Niveau angeglichen werden können. Gleichwohl darf dabei nicht – im
Sinne der Bürgerrechte – der europäisch gestärkte Persönlichkeitsschutz durch die Hintertür wieder ausgehöhlt werden.
Mit Blick auf die Wirtschaft und deren Belange bleiben vor der Anwendung der neuen
Regeln viele Fragen bestehen: Wird Datenschutz praktikabler? Werden die europäischen
Mitgliedstaaten die Kraft finden, miteinander abgestimmte Regeln für einen Beschäftigtendatenschutz aufzustellen? Und aus Sicht der Stiftung Datenschutz: Kann der Datenschutz wohl sein in der Wirtschaft sehr verbreitetes Image als Bremser und Innovationsverhinderer abschütteln? Wann wird guter Datenschutz echter Wettbewerbsvorteil?
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Kontakt:
Stiftung Datenschutz
Frederick Richter, LL.M.
Karl-Rothe-Straße 10-14
04105 Leipzig
DIHK
Sonja Guse
Breite Straße 29
10178 Berlin
Tel. +49 (341) 5861 555-5
E-Mail: [email protected]
Tel.: +49 (30) 20308-1609
E-Mail: [email protected]
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