Новини від НеСТУ, липень 2015 Neues von NeSTU, Juli 2015 Jürgen Kräftner Momentaufnahmen über die aktuelle Situation in der Ukraine Die Ukraine ist fast völlig aus den internationalen Medien verschwunden. Also liefere ich meinen kleinen Bericht aus Transkarpatien, wie immer unvollständig und subjektiv. Wir haben einen schönen Sommer. Sonne und Regen haben sich in gutem Einvernehmen abgewechselt; die Gemüsegärten und Kartoffelacker sehen vielversprechend aus; die erste Heumahd war überdurchschnittlich ertragreich und auch das Emd (es heisst bei uns „Otava“) sieht fein aus. Das ist wichtig: Die Preise für Lebensmittel sind enorm gestiegen, es ist wie eine Rückkehr in die Mangelwirtschaft der 1990er Jahre, aber doch anders, denn es gibt ja nach wie vor alles, aber für teures Geld. Frisches Gemüse aus dem eigenen Garten, Kartoffel, Fleisch und Milch sind kostbares Gut. Der Krieg im Osten zehrt weiter an der Substanz, fast täglich sterben Menschen. Das Minsker Abkommen existiert wohl nur auf dem Papier und weiter werden junge Männer zum Kriegsdienst berufen, auch aus Transkarpatien. Aber trotzdem ist für die meisten Menschen der nicht erklärte Krieg im eigenen Land nicht mehr das Wichtigste. Existenzfragen sind wichtiger: Wie kommt man mit viel weniger Einkommen zurecht, wie dem Einrückungsbefehl entgehen, wie den Kindern ein gutes Studium ermöglichen, wie die Schulden zurückzahlen, wie im kommenden Winter heizen? Der Preis von Gas und Strom ist enorm gestiegen und ein durchschnittlicher Lohn wird im kommenden Winter für Energiekosten nicht mehr ausreichen. Was dann passiert, weiss noch niemand. Offenbar gibt die Bevölkerung in erster Linie Regierungschef Jazeniuk die Schuld für die Misere, seine Umfragewerte sind im Keller. Präsident Poroschenko, als Garant der Verfassung und Oberbefehlshaber der Armee kann sich derweil halten. Kommt es zu einer sozialen Explosion? Oder wird der Staat doch wieder massiv die Energiepreise für die Bevölkerung stützen, im Widerspruch zu den Forderungen der internationalen Geldgeber der bankrotten Ukraine? Zum besseren ändert sich momentan für die meisten Menschen wohl gar nichts. Die Korruption ist gemäss vielfältigen Berichten unverändert gross, allenfalls ist die Strassenpolizei nicht mehr ganz so unverschämt wie vor Maidanzeiten. Die gross angekündigten Reformen greifen entweder noch nicht, oder sie sind im Keim erstickt. Trotz des erneut aufkommenden Gefühls der Stagnation blicken wir gespannt in die Zukunft. Schon die nächsten Monate sollen grosse Veränderungen bringen. Mit einer neuen Verfassung soll die Macht deutlich dezentralisiert und gleichzeitig der Beamtenstaat der Bezirke und Oblaste massiv abgespeckt werden. Konkret heisst das zum Beispiel bei uns im Bezirk Chust, dass die bisher 38 Gemeinden in Zukunft von neun Gemeinderäten administriert werden. Diese bekommen bedeutend grössere Vollmachten und ein viel grösseres Budget. NeSTU Geschäftsstelle Schweiz Heiri Merz, Bürgenstockstr.13, 6373 Ennetbürgen, Tel. 041 620 48 36, [email protected] oder [email protected] An der Reform arbeiten in Kiew dutzende internationale Verfassungsexperten unter enormem Zeitdruck, denn die Wahlen der Bürgermeister und regionalen Räte sind am 25. Oktober fällig, und die sollen schon nach dem neuen System durchgeführt werden. Die ganze Sache hat einen Haken. Mit der neuen Verfassung wird auch die Privatisierung und der Verkauf von Land Sache der Gemeinden. Damit wird einem immensen Missbrauch ein Riegel vorgeschoben. Von pessimistischen „Insidern“ höre ich, dass die neue Verfassung erst in Kraft treten wird, wenn es auch hier nichts mehr zu stehlen geben wird. Auch andere Reformen stocken. Die Veränderungen betreffen derzeit bestenfalls die Spitze des Eisbergs. In Kiew wurden neulich 2000 neue Streifenpolizisten vereidigt, von denen nur ein ganz geringer Anteil schon bisher bei der Polizei gedient hat. Nach und nach soll die gesamte, derzeit 340'000 Mann starke „Milizia“ reformiert werden. Auf der Strasse stossen die neuen Polizisten auf Sympathie, sozusagen auf Vorschuss. Bei hohen Richtern, Staatsanwälten und Generälen werden Hausdurchsuchungen durchgeführt und handfeste Indizien ihrer Verbrechen triumphal in den Medien produziert; aber einer Festnahme können sich so einflussreiche Leute fast immer entziehen. Binnenflüchtlinge Im Büro des CAMZ in Uschgorod treffe ich häufig auf Konstantin Blazhevych und Tatiana Choroschylowa. Sie sind im vergangenen Jahr aus dem Donbass geflüchtet und haben sich in Uschgorod niedergelassen. Jetzt helfen sie anderen Binnenflüchtlingen aus dem Osten. Sie verteilen Hilfsgüter (Lebensmittel, Kleidung, Medikamente, Windeln...) und erklären, wie die komplizierten Behördengänge zu bewältigen sind, um in der neuen Heimat Fuss zu fassen. Der Staat hilft nur sehr wenig. Es gibt auch kaum gutbezahlte Arbeit. Das grösste Problem ist, eine brauchbare Unterkunft zu finden. Das führt dazu, dass zahlreiche Menschen entnervt wieder in den Osten zurückgekehrt sind, trotz aller Risiken und mit düsteren Aussichten. Andererseits hat mit dem Schulschluss im Juni eine neue Flüchtlingswelle hierher eingesetzt. In Transkarpatien halten sich nach Schätzungen der Aktivisten nun etwa 7'000 bis 8'000 Flüchtlinge aus dem Osten auf. So manche Familie hat alles verloren und kommt mit ein paar Habseligkeiten am Bahnhof von Uschgorod an. Sie haben lange gewartet, in der Hoffnung, es würde bald besser werden. Diese Illusion haben sie nun verloren und wollen so weit wie möglich vom Kriegsgebiet weg, Uschgorod ist für sie die Endstation. Kostia und Tania beissen sich die Zähne an trägen Bürokraten aus, die in langen Sätzen erklären, dass sie für die Flüchtlingsnot nicht zuständig seien. Wir haben ein Treffen mit der Spitze der Verwaltung arrangiert, man soll nie die Hoffnung aufgeben... Diesen nicht so optimistischen Bericht möchte ich mit einem Zitat meines Freundes, des Luhansker Menschenrechtsaktivisten Kostia Reutsky beschliessen: Neulich, zum Jahrestag der Befreiung der Stadt Slawiansk von den Separatisten, schrieb er ebenfalls einen durchaus pessimistischen Text über die fehlenden positiven Impulse, des nach wie vor äusserst schlechten Verhältnisses zwischen Staat und Bürger, über die extreme Not im Donbass. Er meinte gar, dass viele Ukrainer und Ukrainerinnen, die sich in den vergangenen Monaten für eine bessere Ukraine engagiert haben, sich bald für 2014 schämen würden. Dennoch beendet er seinen Blogeintrag mit einer eindeutig positiven Note: „Aber ich bin überzeugt, dass wir uns selbst tiefgehend verändert haben, und diese Veränderungen sind stärker als alle Propaganda oder Spott, und die Früchte dieser Veränderungen werden langsam aber sicher das ganze Land verändern. Die Richtung ist vorgegeben, der initiale Impuls stark. Wir machen weiter.“ Wenn man bedenkt, welche Risiken Kostia zu Zeiten des Maidan und danach auf sich genommen hat, und wie kritisch und unabhängig er gleichzeitig ist, dann ist dies eine klare und ernstzunehmende Botschaft. Bandenkrieg in Mukatschewo Mein Bericht war bereits fertig und ich unterwegs, als wir plötzlich brandheisse Neuigkeiten aus Mukatschewo bekamen. Eine Gruppe von etwa 20 schwerbewaffneten Männern des „Pravy Sektor“ (rechter Sektor) tauchte am Morgen des 11. Juli in der Stadt auf. Ihr Treffen mit einem bekannten Schmuggelkönig und Parlamentsabgeordneten der Opposition artete zu einer Schiesserei aus. Noch immer ist unklar, ob eine oder mehrere Personen ums Leben kamen; mehrere Polizeifahrzeuge brannten aus, insgesamt ein Dutzend Personen mussten mit Schussverletzungen ins Spital, ein Mitglied des Pravy Sektor liegt im Koma. Diese Informationen aus dem sonst friedlichen Transkarpatien schlugen hohe Wellen im ganzen Land. Die Staatsmacht war in gröbster Art in Frage gestellt worden, die Kämpfer des Pravy Sektor konnten bis jetzt nicht festgenommen werden. Der genaue Hintergrund des Konflikts ist nicht in allen Details bekannt. Aber niemand zweifelt daran, dass es hier um die Millionenerlöse von Zigaretten- und Drogenschmuggel geht. Die rechtsextreme Szene, die sich im Rahmen des Maidan mit frischen Lorbeeren neu formiert hat, ist auch in anderen Landesteilen mit Erpressung, Drogenhandel und Schmuggel beschäftigt. Vier Tage nach der Schiesserei, ist Präsident Petro Poroschenko in Uschgorod um höchstpersönlich „für Ruhe und Ordnung“ zu sorgen. Der bisherige Vorsitzende der Oblastverwaltung von Transkarpatien, unser Bekannter Vasyl Hubol, wird von Gennadi Moskal ersetzt. Moskal ist eine schillernde Persönlichkeit und geniesst in Transkarpatien einen ziemlich guten Ruf als Saubermann. Als ehemaliger General der Miliz kennt er dieses System sehr gut, zuletzt bekämpfte er in der Region Luhansk das Schmuggelwesen. Vielleicht schafft er es ja, den Stall auszumisten. Allerdings kann er ohne Unterstützung aus Kiew kaum etwas ausrichten, und von dort gab es in den letzten Monaten keinerlei positive Impulse. Dennoch sind wir verhalten optimistisch, denn Moskal ist eine Kämpfernatur und wird weder den Mund halten noch klein beigeben. Reisebericht von Annemarie Steiner Auf Transkarpatiens holprigen Strassen Vom 13. bis 25. Mai 2015 war eine NeSTU Reise nach Transakrpatien ausgeschrieben. Das Thema: Natur und Kultur der ukrainischen Karpaten machte mich gluschtig. Eine 8-köpfige, bunt zusammengewürfelte Gruppe findet sich am späten Abend im Bahnhof Zürich ein. Im Viererabteil des Nachtzuges fanden die meisten ein paar Stunden Schlaf. Unser Reiseleiter Jürgen Kräftner empfängt uns am darauf folgenden Morgen in Wien und führt uns durch seine Heimatstadt und – wie könnte es anders sein - in ein wunderbares Kaffeehaus! In Budapest stossen noch 2 Reiseteilnehmer zu uns und wir fahren weiter durch die Pannonische Tiefebene Ungarns bis zur Grenze der Ukraine. Dort werden wir mit den bürokratischen Hürden konfrontiert: Eine Person hat keinen Pass dabei und muss umkehren. Schade! In der Ukraine erwartet uns die zweite Reiseleiterin Lesja Levko. Spät in der Nacht kommen wir zu unserer Unterkunft im Norden Transkarpatiens. Die Pension liegt idyllisch am Ufer eines Baches, inmitten wunderbar duftender Felder. Am ersten Tag erhalten wir schon einen Einblick in den märchenhaften Buchenurwald. Mit Alisja als Führerin bewegen wir uns auf einer mehr oder weniger befahrbaren Strasse zum Ausgangspunkt unserer „Wanderung“. Diese besteht darin, dass wir auf einem Lastwagen mit Vierradantrieb umsteigen und uns durch den Forst hoch hinauf, durch den saftig grünen Wald, vorbei an morschen Bäumen, riesengrossen Baumpilzen, Bärenhöhlen und durch Bäche schütteln lassen. Doch, wir kommen schon noch zum Wandern: Ein Höhenweg führt uns zum Dreiländereck Slowakei, Polen und Ukraine. Dort geniessen wir unser mitgebrachtes Picknick. Tags darauf führen uns Jürgen und Lesja in ein „transkarpatisches Thermalbad“. In Lumschory, mitten im Wald am Ufer eines Baches, steht ein überdimensionaler Topf mit heissem Wasser bereit, unter welchem ein Holzfeuer knistert! Alles nicht so schlimm, den Teufel können wir nirgends entdecken, dafür geniessen wir eine himmlische Abkühlung im danebenliegenden Bergbach. Weiter geht’s über Strassen, wie man sie so nicht nennen darf, zur sehr eindrücklichen, wasserbetriebenen Schmiede in Lyssytschevo. Wie lange dieses zauberhafte Kleinod noch bestehen bleibt, ist fraglich. Der Tokan mit Brinsa (Maisbrei mit Ziegenkäse) schmeckt wunderbar! Auf weiteren „holprigen“ Strassen (sehr gelinde ausgedrückt!) erreichen wir das Hauptziel unserer Reise: Nischnje Selischtsche, ein am Südhang der ukrainischen Karpaten gelegenes Dorf. Dort ist die Heimat der legendären Volksmusikgruppe Hudaki, der besten Handballmannschaft der Ukraine, von Longomai, von der mit Schweizer Hilfe aufgebauten Dorfkäserei und vor allem von wunderbaren Menschen, welche uns beherbergen, bewirten, verwöhnen. Der kommende Tag gleicht einem Feuerwerk von Ereignissen: Besichtigung der Burg von Wynogradyw, Besuch des Sonntagsmarktes, der Fahrt mit der noch regulär betriebenen Schmalspureisenbahn, Besichtigung eines Weinkellers, Weiterfahrt auf der Schmalspurstrecke auf einem offenen Anhänger – und der ganze Tag in Begleitung von drei Romamusikern! Mein Herz ist voll von überschwänglichen Eindrücken, von der Musik, der Natur, der Begegnung mit Menschen. Es ist Montag und Markt in Nischnje. Das müssen wir sehen. Leider haben die vielen kleinen, süssen Kücken keinen Platz in unserem Gepäck, sonst hätten wir wohl alle mit nach Hause genommen! Wir besuchen die Dorfkäserei, die Schule, das im Bau befindliche Jugendgästehaus und Ljuba, die Imkerin. Von ihr erfahren wir viel Interessantes über Ihre Arbeit mit den Bienen. Die Natur richtet sich nicht nach unserem Programm und ist noch etwas in Verzug; Deshalb fällt das Kräutersammeln weg und wir fertigen gemeinsam Wachskerzen an. Dienstag, es steht ein freier Vormittag auf dem Programm. Die gesamte Gruppe möchte aber die Zeit nutzen und das Waisenhaus Vilshany besichtigen. Bogdan Kykyna, der Direktor dieser Institution mit 175 Kindern, führt uns durch das Haus und beantwortet Fragen. Wir sind einerseits überrascht von den Fortschritten der Renovationsarbeiten und Förderräume, andererseits bedrückt uns die Situation, dass für diese zum Teil schwerstbehinderten Kinder nicht mehr Personal zur Verfügung steht. Am Nachmittag kommt Besuch aus Ushgorod: Die Direktorin von CAMZ (Comitée d’Aide Medical Zakarpatie), Natalja Kabatsiy und ihre Mitarbeiterin Nadja Danch. Anhand eines Films diskutieren wir über die aktuelle Situation in der Ukraine. Einerseits scheint der Krieg im Alltag weit weg zu sein, man spricht nicht gerne darüber, die Menschen versuchen ihn zu verdrängen, es wird geheiratet, es werden Feste gefeiert. Andererseits begegnet er uns auf Schritt und Tritt. Da gibt es über 3 Mio. Binnenflüchtlinge, welche ohne staatliche Hilfe auf die Unterstützung ihrer Landsleute angewiesen sind. Der Zerfall der Grivna hat steigende Kosten für Produkte zur Folge. Die Löhne und Renten werden nicht angepasst. Im Schulhaus begegnen uns an der Wand die Fotos der verstorbenen Soldaten von Transkarpatien. Die Strassen sind in einem miserablen Zustand, viele Männer sind im Ausland auf Saisonarbeit oder an der Front und es sind wiederum die Frauen, welche sich um die Kinder, die alternden Schwiegereltern und Eltern, um die Landwirtschaft und das Haus kümmern. Frieden heisst das Zauberwort! Für zwei Tage verlassen wir Transkarpatien und fahren nach Rumänien, in die Maramuresch. Dort spüren wir schon bald den Einfluss der EU; die Strassen sind entweder schon neu gemacht oder werden repariert. In Sighet gehen wir zurück in die Vergangenheit, ins Memorial Museum, einer Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des antikommunistischen Wiederstandes in Rumänien. Ein bedrückender Ort, vor allem deswegen, weil diese Zeit noch gar nicht so weit entfernt liegt. Die Weiterfahrt führt durch die hügelige Landschaft im Norden Rumäniens, vorbei an kleinen Holzdörfern mit wunderschönen Kirchen, Pferdefuhrwerken, Wasserfällen, Schnapsbrennereien, imposanten Holztoren. Die Übernachtung im „Casa Traditionala Borlean“ in VaduIzei lässt keine Wünsche offen! Wer einmal nach Rumänien reist, sollte unbedingt hier einen Halt machen www.vaduizei.ro . Der Besitzer, Ioan Borlean, ist ein begnadeter Künstler für Hinterglasmalerei. Als Überraschung - nach dem traditionellen Nachtessen - spielt die rumänische Volksmusikgruppe „Grupul Iza“, authentisch und kraftvoll, sodass wir sogar in der kleinen Stube unsere Füsse nicht mehr im Griff haben und zu tanzen beginnen. Zurück in Transkarpatien steht eine Wanderung zur Bauernkooperative mit Schäferei in Nischnje Selischtsche auf dem Programm. Die Schafe und Ziegen werden dreimal täglich von Hand gemolken, eine recht anstrengende und schweisstreibende Arbeit. Am Abend dann, wir können es kaum erwarten, werden wir von einer schon etwas in die Jahre gekommenen Tanzlehrerin in den Transkarpatischen Volkstanz eingeführt. Schritt vorn, hinten, rechts und links, es klappt nicht auf Anhieb. Aber mit der Zeit sieht es ganz passabel aus und wir können beim anschliessenden Konzert von Hudaki schon recht gut mithalten. Es hat riesig Spass gemacht! Mit einer interessanten Darbietung des Jugendtheaters Ptach und einer Feuershow, wie ich sie selten gesehen habe, geht erneut ein reich befrachteter Tag zu Ende. Samstag, es ist Landwirtschaftsmarkt in Chust. Und wiederum tun uns die tausenden von Kücken leid, welche in der Sonne auf Käufer warten. Die ersten frischen Erdbeeren sind fantastisch. Wir kaufen davon für unseren Besuch im Wohnheim Parasolka in Tjachiv, wo 24 Jugendliche mit körperlicher/geistiger Beeinträchtigung aus dem Waisenhaus Vilshany zu Hause sind. Wir sind zu tiefst beeindruckt von der Entwicklung in dieser Institution. Voller Stolz zeigt uns die Direktorin Oksana Lukach den Gemüsegarten und das neu errichtete Treibhaus. Die BewohnerInnen haben eine sinnvolle Beschäftigung und sind stolz auf ihre Arbeit. Das Mittagessen schmeckt vorzüglich, und wir verlassen die Kreisstadt mit einem positiven Gefühl. Es ist möglich, etwas zu verändern, wenn die Voraussetzungen dazu gegeben sind. Weitere Infos zu diesem Projekt unter www.parasolka.ch Schon naht der letzte Abend unserer Reise. Jürgen Kräftner, unser Reiseleiter und seine Frau Olga laden uns zu einer Grillade auf Zeleny Haj ein. Sie wohnen dort mit ihren zwei Kindern, weit weg vom Dorfzentrum in einer Longo-mai Gemeinschaft. Der sehr gemütliche Abend endet mit einem grossen Dankeschön an unsere beiden Reiseleiter Jürgen und Lesja, welche unseren Aufenthalt zu einem kaum zu überbietenden Erlebnis machten. Tags darauf heisst es Abschied nehmen von unseren Gastfamilien, welche uns mit ihren Kochkünsten, ihrer Fürsorge und ihrer einfachen Lebensart in bester Erinnerung bleiben werden. Zurück in die Vergangenheit. Viele Situationen erinnerten mich an die Zeit meiner Grosseltern. Die Welt dreht sich in Transkarpatien langsamer, so meine Wahrnehmung. Die Sterne sind zum Fassen nahe, man hat noch immer Zeit, von A nach B zu Fuss zu gehen, selten stört ein Motorengeräusch die Naturidylle, die Menschen bearbeiten die Felder noch immer vorwiegend von Hand, das Essen auf dem Teller stammt aus der Region, ohne Biozertifikate und trotzdem aus biologischem Anbau. Ja, bei all den Vorzügen unserer westlichen, technisierten Welt - eine Entschleunigung des Lebens täte uns allen gut. Monika Fischer Ausbau des Netzwerks zugunsten der Menschen mit einer Behinderung Trotz Krieg und wirtschaftlichen Schwierigkeiten engagiert sich die Partnerorganisation CAMZ zusammen mit den Verantwortlichen vor Ort in Zusammenarbeit mit dem Verein Parasoka unbeirrt für verbesserte Lebensbedingungen der behinderten Menschen in der Ukraine. Es ist für sie ein Ausdruck der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Anfangs Mai weilte auf Einladung des Vereins Parasolka eine grosse Delegation von Leitungs- und Fachpersonen aus der Ukraine für Weiterbildung und Besichtigungen in der Schweiz. Die Gäste waren beeindruckt vom offenen und herzlichen Empfang der verschiedenen Institutionen. Neben den Einblicken gaben ihnen die langjährigen Erfahrungen im Behindertenwesen der Schweiz wertvolle Anregungen für die Aufbauarbeit in der Ukraine. Im «Buechehof» in Lostorf bekamen sie viele praktische Tipps für die Aufzucht von Setzlingen und den Einbezug der behinderten Menschen bei dieser Arbeit, die im Wohnheim Parasolka in Tjachiv zur Steigerung der Selbstversorgung bereits im Gange ist. Nun plant auch Direktor Bogdan Kykyna die Einrichtung eines Gemüsegartens im Waisenkinderheim Vilshany. Für den Aufbau einer dringend nötigen Fachstelle für Autismus durften die beiden Fachfrauen von CAMZ, Katja Balega und Nadja Danch, neben neuen Erkenntnissen auch viel Material für die praktische Arbeit in die Ukraine zurückbringen. Da in der Ukraine heil- und sozialpädagogisches Wissen und Erfahrungen sehr gefragt sind, organisierte der Verein Parasolka in Zusammenarbeit mit CAMZ im Juni wiederum verschiedene Workshops. Im Wohnheim Parasolka baute Ueli Schweingruber unter anderem eine Kompostanlage auf, während seine Frau Barbara einen neuen Webstuhl einrichtete. Im Waisenhaus Vilshany gab Heilpädagogin Henny Graf den Erzieherinnen praktische Anleitungen für den Unterricht und die Förderung der behinderten Kinder. Sozialpädagogin Chantal Moor und Heilpädagoge Beat Hunziker trafen Abklärungen für sinnvolle Einrichtungen und Beschäftigungsmöglichkeiten jener über 60 Jugendlichen, die bis dahin ohne Förderung und Betätigung dahinvegetieren. Monika Fischer Ukrainische Schriftsteller in der Schweiz Neben negativen Meldungen über Krieg und wirtschaftliche Schwierigkeiten in der Ukraine gibt es auch andere Stimmen. Am renommierten internationalen Literaturfestival in Leukerbad von Anfangs Juli fand der junge Ostukrainer Serhij Zhadan mit seinen Lesungen aus «Die Erfindung des Jazz im Donbass» und «Mesopotamien» (erscheint im August) ein begeistertes Publikum. Der bekannte Literaturkritiker Martin Ebel beschrieb letzteren als grandioses Panorama der Stadt Charkiv, das nach dem ersten Höreindruck ein grosser epischer Wurf zu werden verspreche. Leider ging das angekündigte Gespräch über die aktuelle Situation in der Ukraine in der Freiluftarena in einem Gewitterregen unter. Interessant war die Antwort von Serhij Zhadan auf unsere Frage, warum er, der ja im Osten wohnt, auf Ukrainisch schreibe und nicht auf Russisch: «Ich bin doch Ukrainer. Dies ist meine Sprache. Auch die Menschen in der Ostukraine reden Ukrainisch.» Serhij Zhadan und Juri Andruchowytsch werden am Montag, 12. Oktober, 19.45, im Zentralschweizer Literaturhaus in Stans auftreten. Der Anlass mit Lesungen und Gespräch wird von Ilma Rakusa geleitet. Foto: Ko-Leiter Hans Ruprecht begrüsste im Leukerbad die Gäste zur Lesung mit Serhij Zhadan, dessen Texte von Schauspieler Thomas Sarbach (Mitte) vorgetragen wurden.
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