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Oberlandesgericht Düsseldorf, 1-20 U 236/13
Datum:
08.09.2015
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1-20 U 236/13
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 16. Oktober 2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorfwird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A)
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäߧ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen
des angefochtenen Urteils in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 3. Dezember 2013 (BI. 145 GA)
Bezug genommen. Durch dieses hat das Landgerichtdem Beklagten, einem Physiotherapeuten, unterAndrohung näher
bezeichneter Ordnungsmittel verboten, berufs- oder gewerbsmäßigdie Ausübungder Osteopathie anzukündigen und/oder die
Osteopathie auszuüben, es sei denn, der Beklagte ist ärztlich bestallt oder im Besitz einer Erlaubnis fürdie Ausübung der
Heilkunde gemäߧ 1 HeilPrG. Ferner hat das Landgerichtdie Eriedigung der Hauptsache in Bezug aufdas ursprünglich von
dem klagenden Verband begehrte Verbot derWerbung mit bestimmten Fachausdrückenohne nähere Erläuterung im Hinblick
auf die am 6. 10. 2012 in Kraft getretene Gesetzesänderung festgestellt und die auf Rückzahlung der gezahlten Abmahnkosten
gerichtete Widerklage des Beklagten abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten
Berufungsbegründungsfnst begründeten Berufung DerBeklagte macht- wieschon in erster Instanz- geltend, dem Klägerfehle
die Klagebefugnis. Es stünden nicht alle Heilpraktiker, die überihreVerbände mittelbar dem Klägerangehörenwürden, zu ihm in
einem Wettbewerbsverhältnis, vielmehr nursolche, die ihrerseits physiotherapeutische oderosteopathfsche Leistungen
erbrachten. Er habe nicht uneingeschränkt mit Osteopathie geworben, insbesondere niemals behauptet, diese Leistungen selber
zu erbringen. Wie auch physiotherapeutisch werde seine Praxis nur aufärztliche Anordnung hin tätig und die besagten"
Leistungen würden durch seine Angestellte W. erbracht, die übereine umfassende Ausbildung fürÖsteopathieverfüge.
Aufgrund des Umstandes, dass zum einen eine ärztliche Verordnung vorliegen müsse und zum anderen nur eine umfassend
ausgebildete Mitarbeiterin die Behandlung durchführe, ergebe sichdaraus kein RisikofürdieVolksgesundheit. Im Übrigensei
die Osteopathie der physikalischen Therapie so ähnlich, dass bei der Anwendung durch einen Phyiiotherapeuten keine
zusätzlichen Risiken bestünden. Der ursprüngliche Antrag sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil er den Intemetauftritt bereits
gekündigt und fürdas vertragswidrige Aufrechterhalten nicht einzustehen habe, zudem seien die verwendeten Begriffe klar
verständlich gewesen. Im Übrigenstehe dem Kläger kein Anspruch auf die Zahlung der Abmahnkosten für die viefzu weit
gefasste Abmahnung zu, daher könne er die gezahlten Abmahnkosten zurückverlangen.
Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen sowie den Klägerzu verurteilen, an ihn 152, 32 nebst Zinsen in
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Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24, 05. 2012 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
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die Bemfüng zurückzuweisen.
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Erverteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages.
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DerSenat hat Beweis erhoben durch Vemehmung der Zeugin W. Hinsichtlich der Beweisaufnahmewird aufdas Protokoll vom
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27 01.2015 Bezug genommen. Im Hinblick aufden in der Beweisaufnahme zu Tage getretenen Umstand, dass die Zeugin W.
mittlerweile übereine Zulassung als Heilpraktikerin verfügt, hat der Klägerklargestellt, dass dieserZustand keinen Verstoß
gegen das ausgesprochene Verbot darstellen solle. DerSenat hat die abstrakte Gefährlichkeitosteopathischer Behandlungen
mit den Parteien erörtert.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst
Anlagen Bezug genommen.
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Gesundheitsgefährdung ausgeht, denn nur dann ist der durch die Erlaubnispflicht begründete Eingriff in die Berufsfreiheit nach
Art. 12 GG gerechtfertigt (BVerfG NJW-RR2004, 705).
Die Osteopathie umfasst verschiedene sogenannte altemativmedizinische Krankheits- und Behandlungstechniken. Sie bezweckt
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die Diagnostik und Therapie (Schmerzlinderung, Muskelentspannung, Mobilisierung) von reversiblen funktionellen Störungen
insbesondere am Stütz- und Bewegungsapparat. Zur Behebung körperlicher Funktionsstörungen bedient sich die Osteopathie
manueller Behandlungsmethoden, deren Zweck es ist, durch bestimmte Hand- und Massagegriffe Blockierungen insbesondere
innerhalb des Gelenkapparates zu beseitigen. (vgl. Röche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichworte "Osteopathie",
"Chirotherapie"; Brockhaus Gesundheit, 8. Aufl. 2010, Stichwort: "Osteopathie (Therapie)"). Die Ausübung der Östeopathie stellt
somit eine (berufs- bzw. gewerbsmäßig) vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten,
Leiden oder Körperschäden bei Menschen dar.
Liegen dieseVoraussetzungen vor, wird Heilkunde dann ausgeübt, wenn dieTätigkeit nach allgemeiner Auffassung ärztliche
bzw. medizinische FachKenntnisse erfordert. Ob solche Fachkenntnisse im konkreten Einzelfall erforderlich sind, ist vom Ziel,
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von der Methodik und derArt derTätigkeitabhängig,zum anderen kann aberauch die Beurteilung, ob die konkrete Behandlung
begonnen werden darf, solche Fachkenntnisse erfordern. Entscheidend ist stets, ob die Tätigkeit ihrer Methode nach oder, weil"
ihre sachgerechte Anwendung eine hinreichende diagnostische Abklärung voraussetzt, in den Händen Unbefugter
gesundheitliche Schäden bei Patientinnen und Patienten verursachen kann (vgl. Nr. 1. 1 der Richtlinien zur Durchführung des
Heilpraktikergesetzes des nordrhein-westfälischen Ministeriums fürFrauen, Jugend, Familie und Gesundheitv. 18.5. 1999).
Es ist - und auch das ist unstreitig - davon auszugeben, dass die Ausführung osteopathischer Behandlungsmethoden
medizinische Fachkenntnisse voraussetzt und eine unsachgemäße Ausübung geeignet ist, gesundheitliche Schäden zu
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verursachen. Hierfür spricht schon, dass das Ausbildungs- und Prüfungscurriculum der BAO einen zeitlich sowie inhaltlich
erheblichen Ausbildungsaufwand umfasst. Es ist - insoweit ist den Ausführungen im Urteil des VG Düsseldorfvom 08. 12.2008,
Az. 7 K 967/07 zuzustimmen - davon auszugeben, dass dies nicht einem bloßen Selbstzweck dient, sondern dieser
Ausbildungsaufwand gerade dem Zweck dient, Schäden von Patienten und der Allgemeinheit abzuwenden, sodass es im
Umkehrschluss naheliegend ist, davon auszugeben, dass die Ausübungosteopathischer Tätigkeitabstrakt mit gesundheitlichen
Risiken verbunden ist. Es wird zudem im Allgemeinen davon ausgegangen, dass eine nicht risikolose Osteopathie sowohl
Erfahrung als auch sorgfältige Indikationsstellung erfordert. Insbesondere morphologische Veränderungen, die mit einer
Schwächungder Knochen- oder Bandstruktur einhergehen, Krankheiten wie rheumatoide Arthritis, Tumore und Träumen sowie
Bandscheibenvorfälle, die nur mit medizinischem Fachwissen erkannt werden können, stellen ein erhebliches Risiko bei bzw. ein
Hindernis für die Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden dar (vgl. Röche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Begriff
"Osteopathie", "Chirotherapie" - Kontraindikation).
Daherunterliegt die Ausübungosteopathischer Behandlungen im Grundsatz der Erlaubnispflicht gemäߧ 1 Abs. 1 HeilPrG.
Eine die Osteopathie betreffende spezialgesetzliche Regelung besteht nicht.
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meE-rlaubniszu. rAu.sübungder.physiothe. rapie. gemäߧ1 Abs- 1 MPhGreichtentgegen derAuffassung desBeklagten
-^T?,e.n.xn-i^!^^'_UT o?t?c?pathische. Behandlungen vorzunehmen zudürfen. Dieszeigtsich bereits daran, dassOsteopathie
^5. rt. ???.t^?t^ d6s^u!!?ildun.?s'und I3rüfl'^.gsc^m?lilur11s^ Physiotherapeutenist(vgl.AnhängezurAusbiidungs-und
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prufungsyerordnung fürPhysiotherapeuten (PhysTh-APrV)). Dadie Physiotherapeuten-ÄusbildungOsteopathiesom'it nicht
umfasst, kann sich auch die entsprechende Erlaubnis zurAusübung der Physiotherapie nicht hieraufbeziehen.
.
^r!demErfordernis dej Erlaubnis nach. § 1 Abs. 1_HeilPrG ändertes nichts, dass die Mitarbeiterin des Beklagten einen
Nachweis übereine erfolgreich abgeschlossene Osteopathie-Ausbildung der BAO vorweisen kann. -Einedera°rtiaeAusbJli
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konnteallenfallsdieVoraussetzungfürdieErteilungeinerErlaubnissein,würdediesejedoch in keinem"Fallersetz'en~G'era'cte
diies"ergibtslchauchaus demTOn dem. Beklagten als Anlage vorgelegten Kriterienkatalog Erteilung'deremgeschränkten"
'-fur_de.nBereichderphysi°theraP'eaufgestelltdurchdasGesundheitsamts Düsseldorfun°dfestg-esetztmit
zur
jJes_Bundesministeriums fürGesundheit, Emanzipation, Pflege undAlter des Landes Nordrhein-Westfalen vom'
21. 11. 2012 (BI. 180 GA). Dort heiß es wörtlich:
"Die_Hellpraktlkererlaubnis im-Bereich derPhysiotherapie kann nachAktenlage infolgenden Ausnahmefällen ohneTeilnahme an
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"Es. gtein®erfol9reich
abgescNossene Osteopathie-Weiterbildung gemäßderVerordnung einerWeiterbildungs- und
prüfungsordnung im Bere.ich der Osteopathie (WPO-Osteo) des Landes Hessen vom 04. 11. 2008"(GVBL'i2 Ö08,'iSeire '949) in
derjeweiligen Fassung odereineandere gleichwertige Aus-oderWeiterbildung im Bereich derOsteopathievor."
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Auch.dortw"'ddemnachvonderErlaubnisbedürftigkeitderTätigkeitausdrücklichausgegangen.Diegenannte
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einer 60-stündigen Nachqualifikation erteilt werden:
Osteopathieausbildung kann danach allenfalls vom Erfordernis der Nachqualifikation entbinden. DerErlaubnisvorbehalt stellt in
A:nl: t.ra?J-se!nes, zweckes' namlich dem schutz derGesundheit derBevölkerung, auch keinen unverhaFtnismaßi'g'en'Eingriff'in
^if-.B^!-u^i. h^t^r'-. ES!!an?elt, sic1^vielmehr umeinedenAnforderungen des§"12Abs. 1 S.2 GG'genügen'de'sTibjektiv^'
Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Leib und Leben
A^uf^zJJ I^S^g?^^?^ <;lie._durS?1 °^w .a^fgTn<:1 emes.. Gesetzes
(Art. 2
zum
Abs.^2 S. ^1 GG^erfolgen kann. Sie dient der Sicherstellung eines funktionierenden, den Patienten vor Risiken der i
durch nicht qualifizierte Personen schützenden Gesundheftswesens.
^lr-istniT_^LZ !J..T-nts^he_idTn. den FalldieBesonderheit
zu
beachten, dass
der
Beklagte
nur
auf ärztliche Anordnung
tätig
^I^e:^aTl. itist zum einen sichergestellt, dassvon demAngebot keine mittelbare Gesundheitsgefahr ausgeht, weil Patienten
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"^t-^',1^n?m^r?tbe?uch ab9ehaltenwerden ZumanderenobliegtesauchdemArzt,diegrundsätzlicheEignungfüreine
osteopathische Behandlung festzustellen und etwaige Kontraindikationen auszuschließen.
G.lelc.hwohlstelit_dietatsächliche. Behandlun?-andereate_beieinemGeistheiler- einenEingriffdar,dessenfachgerechte
Ausführung eben einer entsprechenden Ausbildung bedarf. Diese mag der manuellen Therapie zwarhochgradig ähnTich'sein.
sie unterscheidet sich aber insbesondere in der Zielsetzung von dieser.
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Sas^ege. n-de', Au^biidungderzeugin w- eine konkrete_Gesundheitsgefahr nichtbesteht, magzutreffen. Esistjedoch fürdie
l desErlaubnisyorbehaltsohneRelevanz.EskommtvielmehraufdieabstrakteGefahr~du7ch~die^
Lg-an;_DieFrage- obdieAusbildun9 derZeugin ausreicht, um eineGesundheitsgefahr'zu vermeiden, soiFaerade durch
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dieErlaubnis. beanlwortetwerden- Esunterliegt damitfetztlichderEntscheidung der'Gesu'ndheitsbehörden'. 'obdie'^usbili
ausreicht, umdiebeiabstrakt-genereller Betrachtung voneinerosteopathischen Behandlung ausgehende Gefahr'zu"verme'iden.
so.weltder. Blklaste &ch-9egen-die_Feststellungder Eriedigung_wendet, bleibtdieBemfung ebenfallsohneErfolg. Insoweitkann
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ÖW.B^a9teh^lwertlu^ursprün911ch.
veranlasst undnachKündigungdesVertragesjedenfalls nichtüberprüft,obdieSeite
lfbarwar- Die werbun9 richtete sich auch
tate<achl'ch. n'c.ht>meh''. aufn,
dieAllgem"einheit'und~nicht1edrg iich''ant'be'reite"
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aufdie zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen'werden'. '0 ~~" """" "'"'" "' '"'"'
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^mfassenvomArztauf9eklartePersonen,sodassdieAnnahmedesLandgenc'hts,-diefrem^und'fach's'D'racN'i'c
seien zu erläutern gewesen, ebenfalls nicht zu beanstanden ist.
D^'dlrkLag?h^±LLandger,lch^uRechtabge^^
lnsoweitma.9 dahinstehen.obdieAnnahmedesLandgerichts
zutr!ffl'. d_assdieAbmahnun? vollinhaltlich berechtigt war, dennjedenfalls in Bezug auf"dieVerwendun'g"de^"fremd"-y
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tez^un"gswe efa^sprach"ch. en_, Begriffe sie Beider'Abmahnung eines'Ve-rbandesist'di ie"K^tenp'au'^hale aber auch
!mFa"eeiner.nu.r.teil.weise be9ründetenAbmahnung invollem Umfangzu zahlen (BGH G-RÜR2Ö08,'2oTo'~Pavbac1c"
B^nkamm^nKohle^B^mtamm^uwG. 33-Aufl7 §. T2 Rn-.. 1-99)- Auch'derHöhe"n'achist~der'vonwdem^lagerto?e'c°hnnete !
^hLz^bMnstandJ, nJ:i287zpaDeLB^^^
dass dem senateine
Aufwendungen
war
es-
davon ware"es"Sac^efdel s"
' RückabwicklungbegehrendenBeklagten, darzulegenundzu beweisen,dassdie'Aulwendunaendes
verg. le.ichba. r'. so
Schätzung möglich ist.'Abgeseh'en
geringer waren.
Dernachgelassene Schriftsatzvom 20. 07.2015 erfordert keineWiedereröffnung dermündlichen Verhandlung.
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%^SQenentscheidun9 beruhtauf§91,§ 97Abs.1 ZPO,dieEntscheidungzurvorläufigenVollstreckbarkeit auf§ 708Nr.10,§ 32
E^bestehlkeineveranlassung;dieReYisi.onzuzulassen.Diehierfürin§ 543Abs.2 ZPOniedergelegtenVoraussetzungensind
m^M geg^en-ALS -reine. Einzelfa"entscheicfun9
hat die Rechtssache weder
grundsätzliche'Bede^tun^im Smr?edeT§5^'A'bs"
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); noch erfordert die Fortbildung des Rechts oderdie Sicherung einereinheitlichen Rechtsprechuna'ein'e
revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Streitwert:
10.152,32 (entsprechenddervondenParteiennichtangegriffenenerstinstanzlichen Festsetzung)
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