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S M EA NR A IG EE M E N T
Weiterbildung
auf neuen Wegen
Praktikerberichte statt dröge Vorträge: Bei den
Ferkelerzeuger-Seminaren des BHZP und der Deula
Nienburg plaudern Berufskollegen aus dem
Nähkästchen.
Stalldurchgang
per Videoclip
vierwöchiger Säugezeit entschieden hat.
Er schilderte seine Erfahrungen mit Dreikantstahl- und Kunststoffböden in der
Abferkelbucht und beschrieb seinen Berufskollegen, wie er beim Kastrieren und
Kupieren der Ferkelschwänze vorgeht.
„Um die Infektionsgefahr zu verringern, arbeite ich mit einem elektrischen
Heißschneider. Wichtig ist dabei, dass man
die Klinge an der Unterseite des Schwanzes ansetzt, da hier die meisten Blutgefäße
verlaufen“, so Dettmers Erfahrung.
Bilder und Videos regen
zum Diskutieren an
Diskussion erwünscht:
Praktiker stellen per Video
ihre Betriebe vor.
Foto: Lehnert
D
ie besten Anregungen für den
eigenen Betrieb bekommt man in Diskussionen mit Berufskollegen. Das beweisen die vielen Arbeitskreise, die es
in vielen Regionen Deutschlands gibt“,
ist Dr. Dirk Hesse vom Bundeshybridzuchtprogramm (BHZP) überzeugt. Deshalb hatte er die Idee, die mitunter sehr
trockenen Seminare und Vortragsveranstaltungen mit lebendigen Praxisberichten
von Landwirten zu würzen. Getreu dem
Motto: Von Praktikern für Praktiker.
Inzwischen machen diese Praktikerberichte bei den zweitägigen Ferkelerzeuger-Seminaren, die das BHZP alljährlich
gemeinsam mit der Deula Nienburg veranstaltet, bereits gut die Hälfte des Programms aus. „Wobei die Veranstaltungen
am lebendigsten sind, wenn sich Fachvorträge und die Berichte aus der Praxis abwechseln“, so Dr. Hesses Erfahrung.
So auch beim letzten Seminar Ende Februar in Nienburg. Gleich nachdem die 16
Seminarteilnehmer in einem Fachvortrag
S22 top agrar 6/2005
ihr Grundlagenwissen über die Sauenfütterung im Abferkelbereich aufgefrischt
hatten, stellte VzF-Ferkelerzeuger Mathias Dettmer sein Management im Abferkelstall vor. Dettmer bewirtschaftet in
Häuslingen am Rande der Lüneburger
Heide einen Betrieb mit 250 Sauen.
Der Landwirt erläuterte, warum er
sich für den 3-Wochen-Rhythmus mit
Kurze Videosequenzen zur Kastration, zum Kupieren und ein virtueller Stallrundgang mit der Kamera boten dabei
reichlich Diskussionsstoff. Die Aufnahmen hatte Seminarleiter Hesse zuvor mit
der Digitalkamera gemacht und in die
Präsentation eingebaut. „Dadurch war es
viel leichter für mich, die Arbeitsabläufe
in meinem Betrieb auch ohne viele Worte zu beschreiben“, lobt Dettmer die gute
Vorbereitung.
In einem weiteren Praxisblock schilderte dann VzF-Ferkelaufzüchter Heinrich Lütjens aus Idsingen bei Walsrode
seine Erfahrungen als Bauherr eines neu-
So wird auch Ihr Seminar ein Erfolg
H
ier einige Tipps, wie Sie Seminare
lebendiger gestalten:
■ Fachvorträge und Praxisberichte sollten sich möglichst abwechseln;
■ In kleinerer Runde lässt sich intensiver diskutieren. Ideal sind 15 bis 20 Seminarteilnehmer;
■ Nach einer kurzen Vorstellungsrunde
kommt man leichter ins Gespräch;
■ Wählen Sie für die Vorträge keine
Spitzenbetriebe aus. Mit Betrieben mit
mittleren bis guten Leistungen kann sich
jeder Zuhörer identifizieren;
■ Videoaufnahmen oder Dias erleichtern das Verständnis und regen zur Diskussion an;
■ Beim Erstellen der Videoaufnahmen und der Präsentation benötigen die
Landwirte professionelle Hilfe;
■ Zweitägige Seminare bieten die
Möglichkeit, abends oder beim Frühstück weiterzudiskutieren.
S C H W E I N
Dr. Dirk Hesse setzt auf intensiven Erfahrungsaustausch.
Matthias Dettmer: „Auch als
Referent lernt man viel dazu.“
en 750er-Sauenstalles. Besonders interessant waren dabei
seine Ausführungen zur Konzeption des Stalles, zur Finanzierungsplanung und zur Eigenleistung. Der Stall wurde
von einem dänischen Systemanbieter schlüsselfertig erstellt. Die Erdarbeiten hatte
Lütjens jedoch aus dem Vertrag ausgeklammert.
Mit fatalen Konsequenzen,
wie sich später herausstellte. Denn aufgrund ungünstiger Bodenverhältnisse musste Lütjens in kurzer Zeit rund
2 000 m3 Sand heranschaffen
und in Eigenleistung verteilen,
davon 1 200 m3 zwischen den
Güllekanälen mühselig mit
dem Frontlader. „Ich kann jedem Berufskollegen daher nur
raten, bei der Übernahme von
Eigenleistung vorsichtig zu
sein.“
Zum Auftakt des zweiten
Seminartages schilderte Ferkelerzeuger Jörn Ahlers aus
Wildeshausen dann , wie er bei
der Sauenselektion vorgeht.
Der 33-Jährige, der zusammen
mit seinem Vater zwei Herden
mit zusammen 1 400 Sauen betreut und im Schnitt 26 Ferkel
pro Sau und Jahr absetzt, machte dabei deutlich, dass sich die
Selektionsintensität am Leistungsziel orientieren muss.
„Wenn ich 25 Ferkel pro
Sau und Jahr absetzen will,
dann muss ich die Nicht- und
Umrauscher natürlich wesentlich schärfer selektieren,
als bei 22 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr“, stellt
Ahlers klar. Bei extrem beinschwachen Tieren wird bei ihm
generell nicht lange gefackelt.
Nach Leistung selektiert er
hingegen erst ab dem 8. Wurf.
Abgerundet wurden die
Praxisberichte durch BHZPJungsauenvermehrer Dirk
Rathmann aus Lütjenwestedt,
80 km nördlich von Hamburg.
Anhand von Folien und Stallaufnahmen präsentierte Rathmann, der seine 168er-Stammsauen im 3-Wochen-Rhythmus
fährt, sein durchdachtes Arbeits- und Hygienemanagement. „Die Stallarbeit hat für
mich absoluten Vorrang. Um
Störfaktoren frühzeitig ausschalten zu können, habe ich
die Wochen auf einem Jahreskalender farblich gekennzeichnet. Die Belegwochen sind rot
gekennzeichnet, Abferkelwochen gelb und Servicewochen
für das Absetzen, Waschen und
Kastrieren grün“, beschreibt er
sein Farbsystem.
Vorbildlich ist auch Rathmanns Hygiene-Fahrplan. Für
jedes Stallabteil hat er die Einweich- und Reinigungsdauer,
das Desinfektionsmittel, dessen
Konzentration und GesamtAufwandmenge sowie die Einwirkdauer in einer Übersicht
notiert, die im Stall hängt.
Zur Nachahmung
empfohlen
top agrar meint: Das BHZP
und die Deula Nienburg haben
in ihren Seminaren die richtige
Mischung aus Fachbeiträgen
und anschaulichen Berichten
aus der Praxis gefunden. Mit
15 – 20 Teilnehmern ist ein intensiver Erfahrungaustausch
in lockerer Arbeitskreis-Atmosphäre möglich.
Die gut vorbereiteten Videoaufzeichnungen bieten
den Seminarteilnehmern Gelegenheit, ihren Berufskollegen bei der Stallarbeit direkt
über die Schulter schauen. Das
regt die Diskussion an und ist
effektiver als eine reale Stallbesichtigung. Denn der virtuelle Rundgang lässt sich straffer organisieren, und während
der Diskussion haben alle die
gleichen Bilder vor Augen.
Henning Lehnert
top agrar 6/2005
S 23