Robert Zion: Grüne Politik ohne die CDU
CREUSSEN. Der gebürtige Kasseler Robert Zion (49) will Spitzenkandidat der Grünen
für die kommende Bundestagwahl werden. Gegen die bekannten Gesichter an der
Parteispitze ist er ein Außenseiter. Zion hält nichts vom Machthunger des grünen
Establishments und sieht keine Chancen für eine Koalition mit der CDU, wie er im
Kurier-Interview sagt. An der Basis wirbt er für sich und seine Positionen. Am
Freitagabend (27. November) spricht er in Creußen.
27.11.2015
Warum sollte ein oberfränkischer Grüner bei der Urwahl für Sie als Spitzenkandidaten stimmen?
Robert Zion: Das hat nichts mit regionalen Bindungen zu tun. Ich trete in erster Linie an,
um unter den Mitgliedern bestimmte Debatten zu führen. Mir geht es um die strategische
Ausrichtung der Partei und um eine Debatte, die vom gegenwärtigen Personal leider nicht
mehr geführt wird.
Wollen Sie als Außenseiter wachrütteln oder rechnen Sie sich Chancen aus?
Zion: In einer Demokratie ist es doch so: Wenn für eine bestimmte inhaltliche Position
keine Stimme mehr da ist, gehen diese Inhalte verloren. Wenn man für nichts stimmen
kann außer für einen einzigen Kurs, dann gibt es keine wirkliche Wahl. Darum trete ich
an. Um einen der offensichtlichsten Punkte zu nennen: Auf Bundesebene werden bei den
Grünen keine Aussagen mehr gegen Schwarz-Grün gemacht.
Bei den Grünen haben gerade die Realos wie Parteichef Cem Özdemir das Sagen. Das sind Leute,
denen man nachsagt, sie würden gerne mit der CDU koalieren. Würden Sie das nicht wollen?
Zion: Nein, dafür würde ich nicht zur Verfügung stehen. In vielen politischen Positionen –
das betrifft die Steuer-, Außen-, Sicherheits- und Sozialpolitik, die Gesellschaftspoltik und
die Flüchtlingsdebatte – da liegen die Positionen einfach zu weit auseinander. Wir Grünen
sind eine Programmpartei. Mit Schwarz-Grün auf Bundesebene müssten wir zu viele
Abstriche in zentralen Punkten machen.
Was sind für Sie die zentralen Punkte?
Zion: Die Schlüsselfrage, die wir demnächst beantworten müssen, ist die Frage der
sozialen Gerechtigkeit. Die stellt sich in Europa und in Deutschland. Durch die vielen
Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, ist der öffentliche Dienst überfordert. Uns
fehlen Sozialwohnungen. Die Versäumnisse bei den Bildungsinvestitionen werden auch
bald auf uns zurückfallen.
Sie nennen vor allem soziale Themen. Die Grünen sind mal als Umweltpartei gestartet. Gibt es die
großen Umweltthemen, denen Sie sich widmen wollen?
Zion: Ich denke ja. Der UN-Generalsekretär hat gerade erst gesagt, dass der Klimawandel
unsere Existenz bedroht. Wir werden relativ rasch umbauen müssen. Der Klimawandel ist
nur ein Element globaler ökologischer Krisen. Die Wasserknappheit und der Verlust der
Biodiversität sind weitere. Aber selbst der ökologische Umbau, der richtig drängt, wird nur
funktionieren, wenn er mit sozialer Sensibilität geschieht. Das geht nicht als Elitenpolitik
und über die Köpfe der Menschen hinweg. Es geht nur mit einem sozial-ökologischen
Interessenausgleich und mehr Mitbestimmung.
Der Grüne Tübinger Bürgermeister Boris Palmer hat die Begrenzung der Flüchtlingszahlen
gefordert. Die Äußerungen von manchem grünen Realo in der Flüchtlingsfrage würden problemlos
in die CSU passen. Stört Sie das?
Zion: Was Boris Palmer gesagt hat, ist eine Einzelmeinung in der Partei. Das stört mich
nur, weil er damit eine gesellschaftliche Grundstimmung im Land befeuert, wie es auch
Horst Seehofer tut. Die konservativen Kräfte in Deutschland wollen kein
Einwanderungsland. Sie setzen sich nicht damit auseinander, dass sich die Welt verändert.
Wir haben keine andere Möglichkeit, als die Grenzen kontrolliert zu öffnen im Sinne eines
liberalen Einwanderungsgesetzes. Oder wir müssten an den Grenzen Gewalt anwenden. Es
gibt keine anderen Alternativen. Zumindest sehe ich keine.
Welchen Slogan würden wir auf einem Wahlplakat des grünen Spitzenkandidaten Robert Zion
lesen?
Zion: „Zusammen in Frieden, zusammen in Gerechtigkeit, zusammen in Menschlichkeit.“
Darum geht es jetzt gerade. Um den Frieden in Europa. Bei uns und um uns herum steht
die Gerechtigkeitsfrage im Zentrum. Und dabei steht der humanistische Anspruch
Europas in Frage.
Das Interview führte Moritz Kircher