(M) ist Mieter - Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie

Prof. Dr. Andreas Funke
Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene, WS 2015/2016
Hausarbeit
Maik Mieser (M) ist Mieter einer im Eigentum der Fieseling Immobilien GmbH & Co. KG (F) stehenden Wohnung in der Zwiststraße 54 in Wamperln (W; kreisfreie Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz; 51.000 Einwohner). Zwischen den Anwesen Zwiststraße 52 und Zwiststraße 54 befindet sich eine Grünfläche; Eigentümerin beider Grundstücke ist die F. Eines Tages im Herbst 2014 erfährt M, dass die F vor hat, das Anwesen Zwiststraße 52 abzureißen und
einen „Antrag auf Neuerrichtung eines Wohnhauses“ gestellt hat. Bei dem abzureißenden Anwesen Zwiststraße 52 handelt es sich um ein freistehendes Einfamilienhaus mit einer Höhe von
6,80 m, bestehend aus nur einer Wohnung (oberirdische Brutto-Grundfläche von 360 m2 sowie
Kellergeschoss von 60 m2). Die geplanten Baumaßnahmen beziehen sich nur auf das angrenzende Grundstück Zwiststraße 52. Grundstück und auch Gebäude Zwiststraße 54, in welchem
M wohnt, bleiben in ihrem Bestand unverändert. Zufällig fällt M ein Auszug aus der brandneuen
Informationsfreiheits-Satzung der Stadt W in die Hände:
㤠1 Zweck der Satzung
(1) Zweck dieser Satzung ist es, den Zugang zu den bei der Stadt vorhandenen Informationen zu gewährleisten.
(2) Von der Satzung betroffen sind ausschließlich Informationen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises
der Stadt.
§ 2 Informationsfreiheit
Jedem Einwohner der Stadt Wamperln ist nach Maßgabe dieser Satzung Zugang zu den von dieser Satzung erfassten Informationen zu gewähren.
§ 3 Antragstellung / Entscheidung über den Antrag
(1) Alle Informationen sind nach Maßgabe dieser Satzung auf Antrag zugänglich zu machen.
(2) Informationen im Sinne dieser Satzung sind alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form oder auf sonstigen Informationsträgern bei der Stadt vorhandenen Informationen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises.
(3) Der Antrag ist schriftlich bei der Stadt Wamperln zu stellen. Er muss hinreichend bestimmt sein und die begehrte(n) Information(en) benennen. Der Darlegung eines rechtlichen Interesses bedarf es nicht.
(4) Die Entscheidung über den Antrag ergeht durch Bescheid.
§ 4 Informationsgewährung
(1) Die Antragstellerin oder der Antragsteller kann wählen, ob ihr oder ihm von der Stadt Auskunft erteilt, Akteneinsicht gewährt oder die Informationsträger zugänglich gemacht werden, die die begehrten Informationen enthalten.
(2) Wenn der Antragstellerin oder dem Antragsteller Akteneinsicht gewährt wird, stellt die Stadt ausreichende zeitliche, sachliche und räumliche Möglichkeiten dafür zur Verfügung und gestattet die Anfertigung von Notizen. (…)
§ 5 Ausschluss und Beschränkung des Anspruchs
(1) Der Anspruch besteht nicht, soweit dem Bekanntwerden der Informationen Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen.
(2) Der Anspruch besteht insbesondere nicht, wenn
…
3. es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt;
…
§ 6 Verhältnis zu anderen Informationszugangsrechten
Rechtsvorschriften, die einen weitergehenden Zugang zu Informationen ermöglichen oder ihre Grundlage in besonderen Rechtsverhältnissen haben, bleiben unberührt.“
Die Satzung war kürzlich in einer Sitzung des Stadtrates, der grundsätzlich aus 45 Mitgliedern
(einschließlich des Oberbürgermeisters) besteht, beraten und beschlossen worden.
3 Stadtratsmitglieder nahmen an der betreffenden Stadtratssitzung entschuldigt nicht teil. Außerdem war das Stadtratsmitglied Theo Toder (T) zur Sitzung nicht geladen worden, da er nach
einem schweren Schlaganfall im Krankenhaus lag. Drei Tage vor der Stadtratssitzung verstarb
T. Sein Listennachfolger Leo Lahm (L) wurde erst einen Tag nach der Sitzung zur Annahmeerklärung aufgefordert und gab die für sein Nachrücken erforderlichen Erklärungen erst mehrere
Wochen nach der Sitzung ab. Versehentlich zur Sitzung nicht geladen worden war auch Stadtratsmitglied Wolf Wehleid (W), der gleichwohl bei der Sitzung erschien und erklärte, auf eine
ordnungsgemäße Ladung zu verzichten. Zunächst beschloss man am Sitzungstag in nichtöffentlicher Sitzung mit ausreichender Mehrheit, die Öffentlichkeit von Beratung und Abstimmung
über die geplante Satzung auszuschließen. Eine öffentliche Sitzung würde das Thema nur „unnötig politisieren“. Nach dreistündiger Debatte in der anschließenden nicht-öffentlichen Sitzung
stimmten 30 Stadtratsmitglieder für und 6 Mitglieder gegen die Satzung. Bei der Abstimmung
enthielten sich 5 Mitglieder der Z-Partei-Stadtratsfraktion der Stimme. Die Satzung wurde im
Anschluss ordnungsgemäß ausgefertigt und bekannt gemacht.
M wendet sich mit einem Schreiben an die Stadt W, in welchem er Einsichtnahme in die Bauakten für das bei ihr anhängige Genehmigungsverfahren Zwiststraße 52 [FlNr. …, Gem. …,
Az. …] begehrt. Die Stadt W lehnt Ms Begehren mit Bescheid ab und verweigert sowohl die
Akteneinsicht als auch vorsorglich jeden anderen Informationszugang für M (z. B. Auskunftsgewährung). Zur Begründung weist die Stadt W auf verschiedene Aspekte hin: Der Gesetzgeber
habe den Personenkreis derjenigen, welche ein Recht auf Information hätten, für das Verwaltungsverfahren qua Gesetz auf die Beteiligten in einem laufenden Verfahren beschränkt; M sei
an dem in Rede stehenden Genehmigungsverfahren aber nicht beteiligt und überdies sei die
Kenntnis der Akten auch nicht zur Geltendmachung oder Verteidigung seiner rechtlichen Interessen erforderlich. Ein anderweitiger Anspruch auf Akteneinsicht, Auskunftserteilung oder
sonstigen Informationszugang bestehe nicht und lasse sich auch nicht über die kommunale
Informationsfreiheits-Satzung herleiten. Überdies werde das Gebäude Zwiststraße 54 von der
geplanten Maßnahme gar nicht berührt. Als Mieter habe er sich außerdem ohnehin nicht einzumischen.
M hingegen ist der Meinung, mit dem Abriss des Gebäudes Zwiststraße 52 gehe zum Einen
eine nachhaltige Veränderung der „Innenhof“-Situation (Grünfläche) einher, zum Anderen führe
die Errichtung eines Neubaus mit womöglich großdimensionierten neumodischen Wohnungen
möglicherweise de facto zur Vernichtung von Wohnraum, aber zumindest ganz sicher zu einer
Veränderung der sozialen Zusammensetzung des bestehenden Viertels. Das alles betreffe ja
wohl auch ihn, den M, als Mieter im Nachbargebäude. Er sehe auch seine Rechte vorliegend
nicht über die Eigentümerin gewahrt – diese an ihn vermietende Eigentümerin sei immerhin
gleichzeitig auch Bauherrin des Neubauvorhabens in der Zwiststraße 52. Information begehre
er vor allem aber deswegen, weil er verhindern wolle, dass Beseitigung und Neubau „hinter
verschlossenen Türen ausgemauschelt“ würden und die davon Betroffenen mit den insoweit
geschaffenen Fakten dann schlicht leben müssten. Es gebe genügend gesetzliche Grundlagen,
aus denen er, der M, einen Anspruch auf Akteneinsicht herleiten könne, und die Satzung gäbe
es ja auch noch.
1. Hat eine Klage des M auf Einsichtnahme in die Bauakten für das Genehmigungsverfahren
Zwiststraße 52 [FlNr. …, Gem. …, Az. … ] Aussicht auf Erfolg?
Abwandlung: Bei F handelt es sich um die städtische Wohnungsbaugesellschaft, eine GmbH,
die eine sozial ausgewogene Wohnungsversorgung in W gewährleisten soll und deren einzige
Gesellschafterin die Stadt W ist. M verlangt von W Einsicht in die Akten, die bei F über das
Bauvorhaben geführt werden. W verweist darauf, dass F ein Wirtschaftsunternehmen sei und
die Bauakten unternehmerisch sensible Informationen enthielten.
2. Kann M von W Einsicht in die Akten verlangen, die bei F geführt werden?
Hinweise: Es ist davon auszugehen, dass für die Beseitigung des Gebäudes in der Zwiststraße
52 keine durch andere als baurechtliche Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Gestattungen,
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Erlaubnisse und Genehmigungen erforderlich sind. M hat keinen Antrag i. S. d. Art. 13 Abs. 2
BayVwVfG gestellt, denn das sei „dann doch zu viel verlangt“.
Die Hausarbeit darf nicht durch Dritte oder mit deren Hilfe angefertigt werden (Unterschleif). Als Unterschleif gilt auch
die Übernahme von Textpassagen aus Druckwerken oder aus dem Internet, sofern sie nicht durch Anführungszeichen und Quellennachweis kenntlich gemacht werden. Bei Unterschleif wird die Arbeit mit „ungenügend“ bewertet.
Werden identische oder teilweise identische Arbeiten abgegeben, werden alle diese Arbeiten mit „ungenügend“ bewertet. Das Gutachten ist in Papierform abzugeben, nicht in elektronischer Form. Der Umfang des Gutachtens darf
25 Seiten nicht überschreiten (Zeilenabstand 1,5; Schriftgröße 12 Punkte, Schriftart Times New Roman, Laufweite
100%, 2 cm linker Seitenrand, 4 cm rechter Seitenrand; Titelblatt, Literaturverzeichnis und Gliederung werden dabei
nicht mitgerechnet; Fußnoten sollen auf die entsprechende Seite, werden aber beim Umfang ebenfalls nicht mitgerechnet. Die Bestimmung des Umfangs ohne Fußnoten kann entweder durch das Textverarbeitungsprogramm, durch
Zählung der Zeilen oder durch Schätzung vorgenommen werden.). Die Arbeit ist am Ende des Gutachtens zu unterschreiben. Es ist die Verpflichtung beizufügen, die Arbeit selbstständig und nur unter Verwendung der angegebenen
Literatur angefertigt zu haben. Das Deckblatt ist mit den Angaben zur Person (Name, Adresse, Semester, Matrikelnummer) zu versehen.
Voraussetzung für die Teilnahme und den Erwerb des Scheines in der Übung im öffentlichen Recht für Fortgeschrittene ist
1. das Bestehen der Zwischenprüfung im Öffentlichen Recht und
2. a) das Bestehen von drei der vier Abschlussklausuren im Öffentlichen Recht und das Bestehen einer AnfängerAbschlussarbeit (egal in welchem Fach) oder
b) die Vorlage des "kleinen Scheins" im Öffentlichen Recht.
Der Nachweis dieser Voraussetzungen ist durch das Anheften einer Kopie der entsprechenden Bescheinigungen an
die Hausarbeit oder die erste Klausur zu erbringen.
Die in den Semesterferien nach einer Übungsveranstaltung angefertigte Hausarbeit kann auf die Leistungen (Klausuren) der im Semester davor liegenden Übung angerechnet werden; sie kann aber gleichfalls zur Scheinerlangung in
der auf die Semesterferien folgenden Übung genutzt werden.
Abgabetermin der Hausarbeit ist spätestens der 16.10.2015, 12:00 Uhr, in der Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene. Eine vorherige Abgabe am Lehrstuhl oder durch Einlegung in den Briefkasten des Lehrstuhls (auf eigene Gefahr) ist möglich.
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