Viel Geld jagt wenig Rendite Handelsblatt print: Nr. 124 vom 02.07.2015 Seite 028 / Finanzen & Börsen Viel Geld jagt wenig Rendite Private-Equity-Investoren haben ein Luxusproblem. Ihre Fonds sind prall gefüllt, doch Übernahmeziele rar. Eine Branche im "Wellness-Modus": Fast 90 Prozent der professionellen Finanzinvestoren sehen ein dauerhaftes Hochdruckgebiet über dem Private-Equity-Markt. Die Lage sei "sonnig" oder "heiter bis wolkig", urteilten rund 400 Beteiligungsmanager, Rechtsanwälte und Berater auf der Handelsblatt-Konferenz "Private Equity". Nur eine Minderheit sieht stürmische Zeiten kommen für die Branche, die mit Anlegergeld Firmen kauft, effizienter trimmt und weiterverkauft oder an die Börse bringt. Der Optimismus könnte übertrieben sein. Die Branche hat ein Luxusproblem. Zu viel Geld ist auf der Jagd nach relativ wenigen Unternehmen und Konzernteilen, die zum Verkauf stehen. "Woher kommen die Deals der Zukunft? Das ist die Schlüsselfrage für die Zukunft der Branche", sagte Dorothee Blessing, Vice Chairman Investmentbanking für Europa und Deutschland-Chefin bei der US-Investmentbank JP Morgan. Denn die Finanzinvestoren sitzen weltweit auf rund 1,8 Billionen Dollar, die für Firmenkäufe und - beteiligungen bereitstehen. Gleichzeitig gibt es laut Blessing allerdings nur "eine limitierte Zahl lukrativer Übernahmeziele". Viele Industriekonzerne haben Randbereiche veräußert, daher kommen kaum neue Unternehmen nach. Und um die verbleibenden Deals nimmt der Wettbewerb zu. Denn das anhaltende Niedrigzinsumfeld lockt andere Interessenten, die ebenfalls tiefe Taschen haben. Staatsfonds aus dem Nahen Osten, kanadische Pensionsfonds und reiche Familienstämme wollen ebenfalls ein Stück vom Kuchen abhaben. Denn Private Equity hat in den vergangenen zehn Jahren immer noch Renditen von durchschnittlich zehn Prozent erzielt - damit habe die Anlageklasse Immobilien und auch die spekulativen Hedgefonds abgehängt, führte die JP-Morgan-Managerin aus. Auch in Europa gibt es laut Frank Dornseifer, dem Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments (BAI), einen "exzessiven Kapitalüberhang" von rund 250 Milliarden Euro. Damit könne man - ohne frische Mittel - die nächsten zwei Jahre sämtliche "Buy-outs" finanzieren, also Übernahmen mit Beteiligung von Finanzinvestoren. Weil die Beteiligungsfonds mit Strategen aus der Industrie und den neuen Wettbewerbern um die raren Assets konkurrieren, steigen die Übernahmepreise was manche Interessenten mittlerweile abschreckt. Dabei spielen auch die rekordniedrigen Zinsen eine treibende Rolle, weil die Kredite für Firmenkäufe extrem günstig sind. Private Equity muss sich neu erfinden, um mit den Herausforderungen der üppigen Liquidität fertig zu werden. Viele denken dabei an neue Aufgaben im Mittelstand . Die Ausgangslage für eine Partnerschaft mit dem Mittelstand sei "hervorragend", konstatierte Ulrike Hinrichs, die Geschäftsführerin des Branchenverbands BVK. In den nächsten Jahren stünden bei 15 000 Firmen Nachfolgeregelungen an - gerade die deutschen Beteiligungsmanager könnten hier ihre Stärken ausspielen. Branchenbeobachter geben allerdings zu bedenken, dass ähnliche Hoffnungen in den vergangenen Jahrzehnten enttäuscht wurden. Oftmals waren Familienunternehmer nicht bereit, eine Mehrheit abzugeben. "Private Equity darf nicht nur als Übernehmer, sondern muss als Partner gesehen werden", meinte deshalb Investmentbankerin Blessing. Die Finanzinvestoren müssten sich anpassen und mehr Minderheitsbeteiligungen eingehen. Außerdem werde es neue Fonds mit sehr langen Laufzeiten geben, die als Berater und Netzwerker für Mittelständler zur Verfügung stehen. In Deutschland könnten die Beteiligungsmanager die Digitalisierung der "Industrie 4.0" finanzieren - das sei "zwingend zur Verteidigung der industriellen Basis", meinte Prof. Kurt Lauk, Ex-Präsident des CDU-Wirtschaftsrats. Die "Heuschrecken-Diskussion" ist offenbar überwunden, was die Branche freut. Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering hatte den Vergleich mit den Insekten gezogen: Heuschrecken-Investoren würden über die Lande ziehen und Firmen aussaugen - damit hatte er die Branche in Verruf gebracht. Aber ganz sicher ist man sich nicht, ob nicht neues Störfeuer seitens der Politik und der Regulierer droht. BAI-Chef Dornseifer warnt davor, dass man auf europäischer Ebene die Private-Equity-Fonds bereits als Schattenbanken einordne. "Das würde uns den Atem nehmen in der Diskussion um die Rahmenbedingungen." Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN Private Equity darf nicht nur als Übernehmer, sondern muss als Partner gesehen werden. Dorothee Blessing. Deutschland-Chefin JP Morgan. Rezmer, Anke Köhler, Peter Seite 1 von 2 Viel Geld jagt wenig Rendite Quelle: Handelsblatt print: Nr. 124 vom 02.07.2015 Seite 028 Ressort: Finanzen & Börsen Branche: GEL-01-15-06 Investmentgesellschaften P6720 BWL-05-03 Venture-Capital-Gesellschaften P6726 Dokumentnummer: 0071DD75-A986-431C-93B1-A1CB97774838 Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://archiv.handelsblatt.com:443/document/HB__0071DD75-A986-431C-93B1-A1CB97774838%7CHBPM__0071DD75-A986-431C-93B1 Alle Rechte vorbehalten: (c) Handelsblatt GmbH - Zum Erwerb weitergehender Rechte: [email protected] © GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH Seite 2 von 2
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