Gut organisiert im Konsortium: Hinweise und Empfehlungen (PDF

Gut organisiert im Konsortium: Hinweise und Empfehlungen
BAuA, Dortmund, 27. April 2015
Zulassung unter REACH – Erfolgreich beantragen !
Ursula Schliessner, Jones Day, Brüssel
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Abkürzungen
AfA
Application for Authorization, Antrag auf Zulassung
AoA
Analysis of Alternatives, Analyse der Alternativen
CSR
Chemical Safety Report, Chemischer Sicherheitsbericht
CBI
Commercially sensitive and therefore, Confidential Business
Information; vertrauliche Geschäftsinformationen
DU
Downstream User, nachgeschalteter Anwender
LAD
Latest Application Date (set in Annex XIV REACH), letztes
Antragsdatum. Weiternutzung möglich, selbst wenn am Sunset Date
(Verbotsdatum) noch keine Zulassung erteilt wurde
RAC
ECHA - Risk Assessment Committee (national experts),
Risikobewertungsausschuss
SEA
Socio-Economic Analysis, sozio-ökonomische Analyse
SEAC
ECHA - Socio-Economic Analysis Committee (national experts), sozioökonomischer Ausschuss
TFEU
Treaty on the Functioning of the European Union, Vertrag über die
Arbeitsweise der Europäischen Union
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Zusammenfassung
• Zulassungskonsortien, warum?
• Vor- und Nachteile
• Was ist bei einer Mitgliedschaft zu beachten
• Die Arbeit in der Praxis
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Was sind Konsortien?
• Der Begriff ‚Konsortium‘ oder ‚Task Force‘ existiert im Text der REACHVO
nicht. Wohl aber ist für die REACH Registrierung die Zusammenarbeit im
SIEF bzw. gemeinsame Registrierung verpflichtend
• Konsortien wurden deshalb vielfältig für die REACH Registrierung gegründet,
um eine privatrechtlichen rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit
sicherzustellen. Das gab es auch früher schon (Biozide, Pestizide), soweit
nicht die Zusammenarbeit direkt in den Industrieverbänden erfolgte
• Im Unterschied zur REACH Registrierung ist die Zusammenarbeit für die
REACH-Zulassung nicht verpflichtend, wird aber trotzdem indirekt
gebührenmäßig gefördert.
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Zulassungskonsortien – warum?
• Kostenersparnis
• Wissenssammlung und Bündelung
• Sicherstellung der Zulassung für die Lieferkette
• Gemeinsam fühlt man sich sicherer und besser
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Kosten der Zulassung
ECHA
Verwaltungsgebühren
Kosten der
Zulassung
Vorbereitung
des Antrags
Kommunikation
/ Lobbying
während des
Verfahrens
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Kosten der Zulassung – Möglichkeiten der Kostenersparnis
ECHA
Verwaltungsgebühren
• Zulassung am oberen
Ende der Lieferkette
• Verringerung der
Anzahl der
antragstellenden
juristischen Einheiten
in einer
Unternehmensgruppe
• Verringerung der
Anzahl der
Verwendungen für
die eine Zulassung
beantragt wird
• Gemeinsame
Antragstellung
Beispiel für gemeinsame
Antragstellung:
- 1 grosse Gesellschaft, 5
Verwendungen = ECHA
Gebühren für jedes
Unternehmen EUR
85.280
- wenn gemeinsamer
Antrag (5 Gesellschaften)
= ECHA Gebühren für
jedes Unternehmen EUR
49.036
Vorbereitung
des
Zulassungsantrags
•Teilung der
Kosten der
Antragsvorbereitung mit
anderen
Unternehmen
in einem
Konsortium,
wenigstens für
CSR und AoA
Kommunikation /
Lobbying
während des
Antragsverfahrens
•Gemeinsame
Antragstellung
oder
Übereinkunft
am gleichen
Tag den Antrag
zu stellen führt
zu öffentlicher
Konsultation
und
gleichartigen
/gleichzeitigen
Fragen von
RAC und
SEAC
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Vor- und Nachteile einer Kooperation mit anderen Unternehmen
A) Vorteile
– Kostenersparnis
– Mehr Wissen (AoA, Expositionsdaten)
– Harmonisierte Position für AoA (Überprüfungszeitraum)
– Bessere Möglichkeiten für Antrag am oberen Ende der Lieferkette (wenn
viele DU danach fragen, können die Lieferanten sich nicht verweigern)
und daher erhöhte Liefersicherheit (für viele KMUs ist die Beantragung
einer eigenen Zulassung zu teuer und zu schwierig (kein Personal, kein
Wissen))
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Vor- und Nachteile einer Kooperation mit anderen Unternehmen
B) Nachteile
– Kostenrisiken
– Zeitmanagement (Koordination braucht Zeit), zum Teil erhebliche Kosten
auch wegen Kommunikation mit Dritten
– Risiko der Verkürzung des Überprüfungszeitraums weil die
Kooperationspartner sensitive Informationen über Alternativen,
Entwicklung und sozioökonomische Auswirkungen nicht mitteilen können
oder wollen
– Die Harmonisierung der Expositionsdaten oder die Nutzung von Modellen
anstatt Daten muss evtl. von den schlechtesten Zahlen oder dem
kleinsten gemeinsamen Nenner ausgehen und kann daher die Chancen
auf eine erfolgreiche Zulassung oder den Überprüfungszeitraum
verkürzen
– Es gibt ein ständiges Risiko, unabsichtlich den Wettbewerbern die
Unternehmensstrategien zu verraten
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REACH Zulassungskonsortien in der Praxis
Die Gründung
• Die Gründung ist arbeitsintensiv und schwierig
• Keiner will zunächst den Lead, die Verantwortung, und die Kosten übernehmen
• Die nachgeschalteten Anwender sind nicht bekannt und können nicht erreicht
werden (keine organisierte Informationsplattform)
• Die interne Entscheidungsfindung in den Unternehmen ist langwierig. Häufige
Managementfragen: Wie viel kostet es? Warum sollen wir jetzt bezahlen und
nicht erst in 5 Jahren? Warum sollen wir das machen und nicht unsere
Lieferanten? Kriegen wir die Zulassung dann auch wenn wir jetzt soviel
bezahlen? Wer weiß was in 5 Jahren ist, vielleicht verlegen wir die Produktion bis
dahin doch ins Ausland oder unsere Kunden brechen uns weg
• Es fehlt teilweise Basiswissen über REACH auf der Ebene der nachgeschalteten
Anwender
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Was ist bei einer Mitgliedschaft zu beachten - Allgemein
– Von Konsortien deren Mitgliedschaft auf Verbandsmitglieder beschränkt
ist bzw. die im Verband organisiert sind, ist abzuraten (Wettbewerbsrecht;
keine vollständige Lieferkette)
– Um Kostenersparnis, Wissensbündelung und Liefersicherheit zu
gewährleisten, sollten alle Teile der Lieferkette eingebunden sein. Aber
die Größe / Anwendungsbereich muss Sinn machen
– Das Konsortium muss klare Organisation, Verantwortlichkeiten, Zeitplan
(Errichtung mindestens 2 Jahre vor LAD), Beschaffungsprozess, Budget,
Rechnungslegung haben und das Wettbewerbsrecht beachten. Die
Verwaltung sollte von einem unabhängigen Dritten durchgeführt werden
– Vergleichbarkeit muss gewährleistet sein. Dh. falls Ihre Produkte /
Anwendungstechniken / Produktionsbedingungen sich erheblich von
denen der anderen Konsortialmitglieder unterscheiden, fehlt es an den
Synergieeffekten und eine Mitgliedschaft macht keinen Sinn
– Die Konsortialmitgliedschaft muss der Unternehmensstrategie
entsprechen (weitergehende Produktion in der EU, genug manpower für
die Arbeit im Konsortium, Bereitschaft Wissen abzugeben, Unterstützung
durch Management)
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Konsortialverträge - Empfehlungen
• Alle Teilnehmer der Lieferkette die als Antragsteller unter REACH in Frage
kommen, können Mitglied werden
• Die Organisation der Antragstellung in der Zukunft bleibt bewusst offen (ist
Verhandlungssache innerhalb der jeweiligen Lieferantenbeziehungen)
• Später Beitritt ist nicht vorgesehen um die begonnenen Arbeitsabläufe nicht
zu stören
• Für die, die nicht rechtzeitig beigetreten sind, werden nach Abschluß der
Arbeiten ‚letters of access‘ angeboten gegen Premiumaufschlag
• Mindestmitgliedschaftsdauer fixiert und Vorauszahlung um die finanzielle
Planungssicherheit zu erhöhen
• Detaillierter Arbeits- und Finanzplan
• Entscheidungen werden mit 2/3 Mehrheit getroffen (der jeweilig Betroffenen)
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Konsortialverträge - Empfehlungen
• Gestaffelte Mitgliedsgebühren je nach Unternehmensgröße
• Aufteilung der Kosten in allgemeine Kosten und Verwendungs/Stoffbezogene
Kosten
• Externe Auftragserteilung an ein Consulting-Unternehmen zur Antragserarbeitung
um Vertraulichkeit der von den Mitgliedern erhaltenen Infos zu gewährleisten
• Genaueste Definition der einzelnen Verwendungen
• Nur eine Arbeitssprache innerhalb des Konsortiums (aber problematisch)
• Strenge interne Organisationsvorschriften, inklusive Ausschluss einzelner
Mitglieder
• Keine Haftung für Erfolg
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Was ist bei Mitgliedschaft zu beachten - Informationsaustausch
• Als Kartellrechtsproblem
• „Geheimwettbewerb“
• Preise und Mengen, aber auch Innovationen
• Zwischen Wettbewerbern
• Auf der gleichen Stufe (horizontale Wettbewerbsbeschränkung)
• Auf unterschiedlichen Stufen, z.B. Hersteller und OEM (vertikale Wettbewerbsbeschränkung)
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Was ist bei Mitgliedschaft zu beachten - Kartellrechtliche Regelungen
• Artikel 101 TFEU und § 1 GWB: Bezweckt oder bewirkt der
Informationsaustausch eine Wettbewerbsbeschränkung? (restriction „by
object“ or „by effect“). Praktische Konsequenzen
• Traditionelle Auffassung: Informationsaustausch grundsätzlich nur
problematisch, wenn Wettbewerbsbeschränkung „bewirkt“ wird. EuGH,
28.5.1998 – C-7/95 (UK Tractor/John Deere)
• Neuere Entscheidungen: Informationsaustausch über sensible Themen
bezweckt Wettbewerbsbeschränkung. EuGH, 4.6.2009 – C-8/08 (T-Mobile
Netherlands)
• Leitlinien zur horizontalen Zusammenarbeit vom 14.1.2011 (Punkte 74 und
75): Informationsaustausch über künftige Preise und Mengen bezweckt
grundsätzlich Wettbewerbsbeschränkung
• Rechtsfolgen: Geldbußen (bis 10% vom weltweiten Umsatz) +
Schadenersatz Geschädigter (Kunden, Wettbewerber)
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Was ist bei Mitgliedschaft zu beachten - Tatsächliches Risiko –
Informationsaustausch für legitimen Zweck?
• Viele Kartelle entstehen aus degenerierter Verbandstätigkeit (z.B. SüßwarenFall des BKartA 2013, B11-11/08)
• Außenseiter
• Kunden
• Streit zwischen Konsortialmitgliedern
• Konsortialzusammenarbeit im Rahmen von REACH bedingt Verwendung
sensibler betriebswirtschaftlicher Informationen (Kosten, technische und
kaufmännische Alternativen)
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Was ist bei Mitgliedschaft zu beachten – Problem der Offenlegung von
Informationen bei Zulassungen allgemein
• Jedes beim ECHA eingereichte Dokument ist öffentlich zugänglich (außer
vertrauliche Anhänge):
– Umfangreiche Informationen über die Verwendungen bei der Zulassung. Art. 64 Abs. 2
REACH-VO
– Bereits durch Registrierung öffentlich zugänglich. Art. 119 REACH-VO
– Recht auf Zugang zu Dokumenten von EU-Organen nach VO 1049/2001 (EuG –
Greenpeace Fall)
• Bei gemeinsamen Zulassungsanträgen haben alle Antragsteller Zugang zum
vollständigen Antrag, einschließlich der vertraulichen Anhänge
• Bestimmte wettbewerbsrelevante Informationen (vertrauliche
Geschäftsinformationen). Art. 118 Abs.2 REACH VO
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Was ist bei Mitgliedschaft zu beachten - Austausch vertraulicher
Informationen unter Wettbewerbern bei REACH
• Informationsaustausch unter Wettbewerbern kritisch, soweit er zu Transparenz
bei Kosten, Preisen und Innovationen führt
• Je aktueller und individualisierter, desto kritischer. Aggregierte und anonymisierte
Informationen eher unkritisch
• Chemische Industrie ist hoch konzentriert mit wenigen Anbietern auf einzelnen
Märkten. Zersplitterte Gruppen nachgeschalteter Anwender
• Chemische Industrie steht im Fokus der Kartellbehörden: viele Kartellfälle aus
jüngster Zeit
• Hohes Risiko beim Informationsaustausch
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Was ist bei Mitgliedschaft zu beachten - Vorsichtsmaßnahmen Verhaltenskodex
• Informationen über technische Machbarkeit grundsätzlich eher unkritisch
(außer wenn geschütztes Know-How involviert ist)
• Informationen über wirtschaftliche Machbarkeit grundsätzlich kritisch (CBI)
• Sammlung von CBI und Darstellung in einer neutralisierten und aggregierten
Form durch einen unabhängigen Dritten unkritisch
• Bei einem gemeinsamen Antrag
(1) Sammlung und Einreichung von CBI durch Berater
(2) Beschränkung des Zugangs des einzelnen Konsortialmitglieds zum
gemeinsamen Antrag in der REACH-IT
(3) Follow-up-Kommunikation zwischen der ECHA und den
gemeinsamen Antragstellern ausschließlich über den Berater
• In Zweifelsfällen Informationen eher als CBI einstufen, auch wenn dies dem
Transparenzinteresse der Öffentlichkeit widerspricht
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Die Arbeit in Zulassungskonsortien in der Praxis
• Ohne intensive Beteiligung der Mitglieder geht nichts. Manche beteiligen sich
intensiv, andere nicht
• Ohne Aufteilung in Untergruppen ist die Arbeit bei großen Konsortien
organisatorisch nicht zu bewältigen. Je mehr jedoch unterteilt wird, desto höher
werden die Managementkosten (nicht zuletzt für die Einhaltung des
Wettbewerbsrechts)
• Die Mitglieder haben Schwierigkeiten die Fragebögen der Consultants
auszufüllen und die Fristen einzuhalten
• ECHA gibt keine frühzeitigen Hinweise für die Akzeptanz von
Verwendungsdefinitionen, Aufteilung der Verwendungen und scoping von SEA.
Die Mitglieder arbeiten also im Ungewissen, sowohl was die Antragsabfassung
als auch die Gebühren angeht
• Die Informationsbeschaffung für SEA von Nichtmitgliedern (Hersteller der
Endprodukte) ist schwierig, weil diese nicht zur Auskunft verpflichtet sind und ihre
Strategien und ihre zukünftige Produktplanung aus verständlichen Gründen
vertraulich halten wollen.
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