Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Sozialversicherungen BSV FAKTENBLATT 50 Jahre Ergänzungsleistungen: die existenzsichernde Rente feiert Jubiläum Ergänzungsleistungen (EL) werden an Personen mit einer AHV- oder IV-Rente ausgerichtet, wenn ihr Einkommen die minimalen Lebenskosten nicht deckt, vorausgesetzt, sie wohnen in der Schweiz. EL sind bedarfsabhängige Versicherungsleistungen. In Anspruch nehmen kann sie, wer das Existenzminimum nicht erreicht. Auf EL besteht ein rechtlicher Anspruch. Die EL werden vollumfänglich von der öffentlichen Hand finanziert. Zusammen mit der AHV und der IV bilden sie die 1. Säule des verfassungsmässigen Dreisäulenkonzepts der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Die EL garantieren das Existenzminimum. Geschichte Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1966, trat das Gesetz über die Ergänzungsleistungen in Kraft. An die Stelle des Fürsorge- trat das Bedarfsprinzip. Damit sollte den AHV- und IV-Rentner/innen ein regelmässiges Mindesteinkommen gesichert werden. Denn die Renten waren nicht existenzsichernd. Entsprechend lebten Mitte der 1960er-Jahre in der Schweiz rund 200‘000 AHV- und IV-Rentner/innen unter dem Existenzminimum. Sie besassen keine berufliche Vorsorge und kein eigenes Vermögen und waren von der Fürsorge oder von Familienangehörigen abhängig. Zuschüsse in Form von Ergänzungsleistungen sollten die Differenz zum Existenzminimum ausgleichen. So konnte auch dem zunehmenden Druck, die staatliche Altersvorsorge weiter auszubauen, entgegengewirkt werden. Denn im Vorfeld der Einführung der EL waren Forderungen nach existenzsichernden Renten im Raum gestanden. Gemäss Bundesrat und Parlament und mit Unterstützung seitens Arbeitgeber- und Versicherungsvertreter sollte die AHV jedoch eine Basisversicherung bleiben, ergänzt durch die berufliche und die private Vorsorge, bei Bedarf ergänzt durch die EL. Damit war der Grundstein für das Dreisäulen-Konzept gelegt. Im Gegensatz zu den Fürsorgegeldern bestand für Ergänzungsleistungen von Beginn an ein Rechtsanspruch (Bedarfs- statt Fürsorgeprinzip). Finanziert wurden die EL nicht über Lohnprozehnte, sondern ausschliesslich durch Mittel von Bund und Kantonen. Zunächst als Übergangslösung gedacht, entwickelten sich die EL zu einem eigenständigen Leistungsbereich. Einen festen Platz im Netz der sozialen Sicherheit erhielten sie 2008 mit der Verankerung in der Bundesverfassung (Art. 112a). Das neue EL-Gesetz trat in Kraft, welches im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) total revidiert wurde. Immer dringlicher war es geworden, die steigenden Kosten für die Pflege im Alter zu decken. So wurde mit der Totalrevision die jährliche EL-Obergrenze aufgehoben, was vor allem bei Heimaufenthalten von Bedeutung ist. Diese Aufhebung der Obergrenze führte dazu, dass die EL im Vergleich mit den anderen Sozialversicherungen an Bedeutung zugenommen haben. Bundesamt für Sozialversicherungen | CH-3003 Bern | www.bsv.admin.ch 1. Januar 2016 Seite 2/4 Faktenblatt 50 Jahre Ergänzungsleistungen EL Aktuelle Herausforderungen Ende 2014 bezogen 309‘400 Personen EL, insgesamt wurden Leistungen im Betrag von 4,7 Milliarden Franken ausgerichtet. Gegenüber dem Vorjahr hat der Bestand der EL-Beziehenden um 2,9 % zugenommen. Dieses Wachstum entspricht ungefähr dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Die Tendenz ist allerdings steigend. Antel in Prozent Anteile EL-Bezüge am Total der Rentner/innen 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 EL-Quote AHV EL-Quote IV Ausgaben, in Mio. Franken Ausgaben der EL 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 EL zu AHV EL zu IV Immer mehr Menschen lassen sich das angesparte Kapital aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge vorzeitig ausbezahlen, sei es, weil sie eine selbständige Tätigkeit ausüben und eine Firma gründen, ein Haus erwerben oder nach der Pensionierung eine grössere Anschaffung tätigen oder auf Reisen gehen wollen. Dieser Kapitalbezug bewirkt immer eine Kürzung der Rente der 2. Säule. Dies erhöht das Risiko, später auf den Bezug von EL angewiesen zu sein. Reform sichert das Leistungsniveau Im Herbst 2015 gab der Bundesrat deshalb einen Vorschlag für eine umfassende Reform der EL in die Vernehmlassung. Der Bundesrat will das System der Ergänzungsleistungen (EL) optimieren und von falschen Anreizen befreien. Das Leistungsniveau soll dabei erhalten und das Sparkapital der obligatorischen beruflichen Vorsorge besser geschützt werden. Bundesamt für Sozialversicherungen | CH-3003 Bern | www.bsv.admin.ch 1. Januar 2016 Seite 3/4 Faktenblatt 50 Jahre Ergänzungsleistungen EL Lösungsansätze Die EL-Reform bietet ein ganzes Paket an Vorschlägen: Das Vorsorgekapital muss besser geschützt werden. Der Bundesrat hat die verschiedenen Situationen geprüft, in welchen das Kapital aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge heute vorbezogen werden kann. Für den Erwerb von Wohneigentum soll ein Vorbezug nach wie vor möglich sein, denn Haus oder Wohnung stellt einen Wert dar, welcher der Altersvorsorge erhalten bleibt. Für den Kapitalbezug bei der Pensionierung und für die selbständige Erwerbstätigkeit hingegen sieht der Bundesrat Einschränkungen vor, um das Sparkapital der obligatorischen beruflichen Vorsorge besser zu schützen. Guthaben aus der überobligatorischen Vorsorge sind nicht betroffen. Heute müssen es die Pensionskassen ihren Versicherten im Rentenfall ermöglichen, mindestens ein Viertel des BVG-Guthabens in Kapitalform zu beziehen. Der Bundesrat will diese Verpflichtung aufheben und stellt für die Kapitalauszahlung bei der Pensionierung zwei Varianten zur Diskussion: In Variante 1 würde der Bezug aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge ausgeschlossen, es wären also nur noch Rentenzahlungen erlaubt; in Variante 2 könnte höchstens die Hälfte des Guthabens in Kapitalform bezogen werden. Mindestens die Hälfte des Guthabens muss in eine Rente umgewandelt werden. Für die selbständige Erwerbstätigkeit will der Bundesrat den Vorbezug ausschliessen, weil ein grosses Risiko besteht, dass das Vorsorgekapital verlorengeht, beispielsweise nach einem Konkurs. Der Erhalt des Vorsorgeguthabens entspricht dem verfassungsmässigen Leistungsziel der beruflichen Vorsorge. Er minimiert das Risiko, dass Versicherte wegen des Kapitalbezugs nur noch Anspruch auf eine geringe Rente haben und später auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, etwa bei Heimeintritt in fortgeschrittenem Alter. Das Vermögen wird bei der EL-Berechnung stärker berücksichtigt. Die Freibeträge auf dem Gesamtvermögen werden gesenkt: für alleinstehende Personen von 37‘500 auf 30‘000 Franken und für Ehepaare von 60‘000 auf 50‘000 Franken. Die Freibeträge auf selbstbewohnten Liegenschaften dagegen bleiben unverändert bei 112‘500, respektive 300‘000 Franken, wenn ein Teil des Ehepaares in einem Heim oder Spital lebt. Fehlanreize werden eliminiert. Bei der Festlegung des EL-Betrags besteht heute eine Ungleichbehandlung von Personen in ähnlichen finanziellen Verhältnissen. Dieser Schwelleneffekt und andere Fehlanreize werden mit der EL-Reform reduziert. So wird etwa in den meisten Kantonen die EL von Personen, deren EL aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation sehr gering ist, automatisch auf einen Mindestbetrag angehoben. Dieser entspricht der durchschnittlichen Krankenversicherungsprämie der Prämienregion. Dadurch erreichen diese Personen im Vergleich zu den anderen EL-Beziehenden ein höheres verfügbares Einkommen. Neu soll der Mindestbetrag einer Ergänzungsleistung nicht mehr höher sein als die höchste Prämienverbilligung, die für Nicht-EL-Beziehende angewendet wird. Der Mindestbetrag soll jedoch auch nicht weniger als 60 Prozent der Durchschnittsprämie betragen. Effektive Krankenversicherungsprämie anrechnen. Heute erhalten EL-Beziehende die Krankenversicherungsprämie in Form einer kantonalen oder regionalen Durchschnittsprämie angerechnet. Neu will der Bundesrat den Kantonen die Möglichkeit geben, von der Durchschnittsprämie abzuweichen und auf die tiefere effektive Krankenversicherungsprämie abzustellen. Damit können die Kantone verhindern, dass EL-Beziehenden ein zu hoher Betrag für ihre Prämie angerechnet wird. Finanzielle Auswirkungen der EL-Reform Die Reform bringt Einsparungen für Bund und Kantone. Heute geben Bund und Kantone für die EL rund 4,7 Milliarden Franken aus. Je nach Variante zur Beschränkung des Kapitalbezugs entlastet die Reform die Ausgaben für Ergänzungsleistungen im Jahr 2022 um 171 bzw. 152 Millionen Franken. Davon entfallen 51 bzw. 45 Millionen auf den Bund und 120 bzw. 107 Millionen auf die Kantone. Bundesamt für Sozialversicherungen | CH-3003 Bern | www.bsv.admin.ch 1. Januar 2016 Seite 4/4 Faktenblatt 50 Jahre Ergänzungsleistungen EL Aufsicht Parallel zur Aufsicht über die AHV soll auch die Aufsicht über die Ergänzungsleistungen modernisiert werden. Ziel ist eine risiko- und wirkungsorientierte Aufsicht aller Sozialversicherungen analog zur IV, eine gestärkte Governance in der 1. Säule sowie stärker standardisierte Informationssysteme. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Departement des Innern beauftragt, bis Ende 2016 einen entsprechenden Vernehmlassungsentwurf vorzulegen. Weitere Informationen Geschichte der Ergänzungsleistungen: http://www.geschichtedersozialensicherheit.ch/ Vernehmlassungsvorlage: www.bsv.admin.ch Auskünfte Bundesamt für Sozialversicherungen, Kommunikation, Tel. 058 462 77 11, [email protected] Bundesamt für Sozialversicherungen | CH-3003 Bern | www.bsv.admin.ch 1. Januar 2016
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