Schicksalhafte Bewegungen in und nach Bonn: die architektonischen Konsequenzen des Hauptstadtbeschlusses Das sicher folgenreichste Schicksal der Stadt Bonn war es, 1949 Bundeshauptstadt zu werden. Seit diesem Zeitpunkt hieß es: Bauen für die Bundeshauptstadt! Viele Institutionen mussten nach Bonn ziehen, sie mussten Unterkünfte bekommen um ihre Arbeit zu verrichten. Der Hauptstadtbeschluss zog aber auch viele Menschen nach Bonn, die Wohnbauten brauchten. Das Ganze in einer Stadt, die zu 80 % zerstört war, so dass sowohl der Neubau als auch der Wiederaufbau von Wohnraum und Verwaltungsgebäuden eine große Aufgabe war. Mit dieser Einleitung ist das Themenfeld umrissen, mit dem sich das Projekt am FriedrichEbert-Gymnasium im folgenden Schuljahr auseinandersetzen will. 1. Bauen für die Bundeshauptstadt- Neubau und Umnutzung 2. Siedlungsbau- aufgelockert und gegliedert 1. Der Beschluss Bonn zur „provisorischen“ Bundeshauptstadt zu machen, zog eine rege Bautätigkeit nach sich. Die Neuplanung der Regierungsbauten und die Bebauungspläne und Bauten in Bonn wurden von Sep Ruf mit Egon Eiermann und Paul Baumgarten ausgearbeitet. Eine Reihe von Gebäuden war in relativ gutem Zustand, so dass keine oder wenig Umbaumaßnahmen stattfinden mussten (Palais Schaumburg, Villa Hammerschmidt, einige Botschaftsgebäude, etc.), wieder andere wurden sehr stark umgebaut (Pädagogische Akademie) und sehr viele andere neuerrichtet (Postministerium, Bundeshaus, Langer Eugen, Auswärtiges Amt). Sie alle prägen mit ihrem Erscheinungsbild das heutige Bonn und den Erfahrungshorizont der Jugendlichen. Dies gilt insbesondere für die an der „U-Bahn“-Strecke liegenden Bauten sowie für den Bereich der ehemaligen SPDBaracke, in der heute die Restaurantkette Vapiano untergebracht ist und die die Schüler tagtäglich auf dem Weg zur benachbarten Schule passieren. Umnutzung heißt aber auch, dass die nun ehemaligen Regierungsgebäude in den Blick genommen werden müssen: was passiert nach dem Wegzug der Bundesregierung nach Berlin mit ihnen (z.B. das ehemalige Postministerium, das heute Bundesrechnungshof ist). Wie bemisst sich der Denkmalwert dieser Bauten? Bei manchen dieser Gebäude ist liegt der Denkmalwert aus Schülersicht auf der Hand, da sie in herrschaftlichen Gebäuden aus dem 19.Jahrhundert untergebracht waren (Landesvertretungen von Hessen, Saarland, Thüringen, Bremen, Villa Hammerschmidt, Palais Schaumburg), bei anderen fällt die Vermittlung nicht so leicht, da die Bauweise der 50er und 60er Jahre nicht so offensichtlich „alt“ ist (Langer Eugen, Kreuzbauten, Verteidigungsministerium). 2. Bonn war durch enorme Zerstörungen, besonders während des verheerenden Angriffes am 18.10.44, zur Flüchtlingssperrzone erklärt worden. Dennoch gab es erhebliche Wanderungsbewegungen: Kriegsheimkehrer, entlassene Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter aus Polen und Russland und illegal eingeschleuste Flüchtlinge aus den Ostgebieten (immerhin 7% der Bonner Bevölkerung) mussten wohnen und ihr Auskommen finden. Für kriegsgefangene deutsche Soldaten, die nach Kriegsende freigelassen wurden, wurde z.B. im Hofgarten ein Barackenlager errichtet. Nach dem Beschluss, dass Bonn die provisorische Hauptstadt sein würde, schloss sich ein reger Siedlungsbau für die nach Bonn drängenden Beamten der Ministerien und nachgeordneter Institutionen an. Die baulichen Anstrengungen richteten sich direkt nach dem Krieg zunächst auf den Wiederaufbau teilzerstörter Wohnungen und erst dann, sofern Baustoffzuteilung dies zuließ, auf den Neubau, immer allerdings nur für den Eigenbedarf. Erst nach der Währungsreform konnte in größerem Maßstab gedacht werden und sich auch von Seiten des Bundes und des Landes für die Schaffung von Wohnraum eingesetzt werden. So ist eine der ersten Siedlungen, die in Bonn für Bundesbedienstete entstand, die Reutersiedlung von Max Taut, die in ihrer aufgelockerten Bauweise, den großen Freiflächen und einer gelungenen Verbindung von Architektur, Garten und Landschaft schnell bekannt wurde und heute ausgewiesener Denkmalbereich ist. Die HicogSiedlungen im Tannenbusch und in Plittersdorf wurden dagegen vom Amerikanischen Hohen Kommissar für die Beschäftigten der US-amerikanischen Bediensteten in Bonn und für deren Angehörige errichtet. Auch hier plante und baute ein bekannter Architekt: Sep Ruf. Er ist auch der Architekt des Kanzlerbungalows von 1963 und die Landesvertretung Bayern 1955, heute der Sitz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Sep Ruf war mit Egon Eiermann und Paul Baumgarten einer der drei Mitglieder des Planungsrates, die unter strengster Geheimhaltung die Neuplanung der Regierungsbauten und die Bebauungspläne und Bauten in Bonn ausführen sollten (s.o.). Nach der offiziellen Verkündigung der provisorischen Hauptstadtwürde explodierte die Bautätigkeit. Nahezu 250 Siedlungen sind bis 1965 in Bonn entstanden (s. Kerstin Kählin, Aufgelockert und gegliedert, Bonn 2003). Darunter waren unterschiedliche Typen, einige für Flüchtlinge aus der SBZ, andere für „vaterlose“ Familien, für Kleinsiedler als ländliche Nebenerwerbssiedlung oder für aus Osteuropa und Ostdeutschland Vertriebene gebaut. Bauherr war entweder der Bund oder die Stadt, später auch Baugenossenschaften. Diese Siedlungen sind heute im Stadtgebiet erkennbar, aber für das ungeübte Auge nicht immer als zusammenhängend wahrnehmbar. Das ist die Folge der Privatisierungen, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben, und die die Häuser an andersartige, gestiegene und moderne Bedürfnisse anpassen (Haustüren, Farben, Wintergärten, Vordächer etc.). Dennoch stehen einige der Siedlungen unter Denkmalschutz. Die Schülerdiskussion ist vorprogrammiert und wird sich an folgender Fragestellung entzünden: was soll im Vordergrund stehen: Baudenkmal oder Anpassung an heutige Bedürfnisse. Und wenn letzteres, wie kann das dann aussehen? In beiden Fällen wird neben der historischen Bestandsaufnahme in diesem Projekt eine für Schüler nachvollziehbare Fragestellung vorherrschen: ist ein Gebäude schon ein Denkmal, weil es Zeitzeugin einer vergangenen Epoche ist, oder gibt es andere Kriterien? Eine weitere Problematik schließt sich zwangsläufig an: Seit 1998 ist der Umzug nach Berlin abgeschlossen, Bonn ist nicht mehr Bundeshauptstadt. Was passiert jetzt mit den Regierungsgebäuden, den Landesvertretungen, den Botschaften, den Siedlungen für Beamte, wie werden sie genutzt? Natürlich geht es in diesem Zusammenhang um die gesamte Infrastruktur in Bonn; was passiert mit den Schulen, den Schwimmbädern, der Beethovenhalle, mit Siedlungsbauten, die nicht mehr modernsten Wohnkonzepten genügen? Diese Frage sollte am Ende des Projektes stehen. Durchführung/schulische Umsetzung/Einbindung des fachlichen Partners: Die Lerngruppe, die mit dem Thema arbeiten soll, besteht aus Schülerinnen und Schülern der Q1 (Jgst.11), die einen an die Fächer Kunst und Geschichte angelehnten Projektkurs gewählt haben. Ihnen wird das Programm vorgestellt, und sie wählen sich eigenständig Aspekte, an denen sie arbeiten möchten. Ich als Fachlehrerin führe ins Thema ein, begleite bei der Themensuche, wobei ich gleichzeitig für den Umfang und die Qualität Sorge trage, moderiere die Zwischenpräsentationen und begleite die Schülerinnen und Schüler in Archive und Baubehörden. Eine Reihe von Führungen wird zum Unterrichtsprogramm gehören, die teils von mir, teils von der Werkstatt Baukultur und vom Bonner Stadtkonservator, Dr. Franz-Josef Talbot geleitet werden werden. Ziele: • Die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein Bewusstsein für ihr bauliches Umfeld, da unsere Schule unmittelbar am Rand des ehemaligen Regierungsviertels liegt. Auch sollen sie die Stadt, in der sie leben, besser kennenlernen indem sie bauliche Einzelgestaltungen, wie die herausragenden Nachkriegs-Solitäre, aber auch eher unauffällige Siedlungen und städtebauliche Gesamtlösungen analysieren und sich deren Entstehung und Erscheinungsbild in künstlerischer, historischer Hinsicht sowie auf wissenschaftliche und fotografische Weise aneignen. • Die denkmalpflegerischen Grundlagen werden vermittelt werden, so dass konkretes Wissen und die Möglichkeit zur Beurteilung von schützenswerten Gestaltungen und Architekturen erreicht werden kann. Dies bedeutet in Bonn in besonderem Maße die Frage nach dem Umgang mit Baudenkmälern nach dem Wegzug der Bundesregierung. . • Die Schülerinnen und Schüler sollen eine Vorstellung über die Zukunft ihrer gestalteten Umwelt entwickeln, indem sie die Bewertung des historischen und aktuellen Baubestandes bewusst für die Gestaltung der Zukunft nutzen können. • Am FEG ist ein neuer fachlicher Schwerpunkt Kunst und Kultur geplant. Mit einem Kooperationsprojekt soll in eine Zusammenarbeit der Bereiche Kunst, Musik, Theater, Literatur und Tanz eingestiegen werden. Thema des Projektes ist: Heimat , so dass auch die denkmal-aktiv-Arbeit im kommenden Schuljahr Teil dieses überfachlichen Konzeptes sein könnte. Zeitplan: bis zu den Herbstferien: Wie erkenne ich, aus welcher Zeit ein Bauwerk stammt? Begehungen und Führung im Regierungsviertel und in ausgewählten Siedlungen Architekturterminologie, Baustilkunde, Bautechnik Fragen der Denkmalpflege, Denkmalschutzgesetz, technische Herausforderungen der Gegenwart Bis zu den Weihnachtsferien: Einstieg in die Projektarbeit in Gruppen- oder Einzelarbeit Annäherung an ein Gebäude, Siedlung, etc., Erarbeiten einer Fragestellung Recherche, Bauaufnahme Brainstorming und Ideenfindung für ein eigenes, individuelles Projekt Exkursionen, Vorträge, Unterstützung durch die Werkstatt Baukultur Bis zu den Osterferien: Weiterarbeit an den individuellen Projekten Konzeption eines gemeinsamen Produktes (Ausstellung, Führer, Audioguide, etc.) Bis zu den Sommerferien: Abschluss der individuellen Projekte Präsentation des Gemeinschaftsproduktes und der individuellen Projekte Gemeinsames Fazit im Verbund Gemeinsame Ausstellung Veröffentlichung der Ergebnisse auf der Schulhomepage
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