„Open-Bewegungen“: Die Kritik der Geschlossenheit

Call for Abstracts
Ad-Hoc-Gruppe des 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
26. bis 30 September 2016, Universität Bamberg
„Open-Bewegungen“: Die Kritik der Geschlossenheit
Laura Dobusch, MPI für Sozialrecht und Sozialpolitik ([email protected])
Leonhard Dobusch, Universität Innsbruck ([email protected])
Jasmin Siri, Universität Bielefeld ([email protected])
Ausgehend von der Open-Source-Software-Bewegung (Raymond 2001) in den 1980er Jahren
hat sich der Begriff der Openness (Offenheit) im letzten Jahrzehnt in unterschiedlichen
Gesellschaftsbereichen als anschlussfähige Querschnittskategorie etabliert. Seien es die
Forderung nach Open Education (z.B. Butcher 2015), Open Government (z.B. Janssen et al.
2012) oder Open Innovation (z.B. Chesbrough 2006), allen Anliegen ist gemein, dass sie ein
Mehr an Informationszugang, Transparenz und Mitbestimmung anstreben (Tkacz 2012). Mit
der zunehmenden Ausbreitung von derartigen Open-Bewegungen zeigt sich gleichzeitig eine
vermehrte Skepsis gegenüber deren grundsätzlicher Ausrichtung (King 2006; Tkacz 2012,
2015): Zum einen wird das sozialkritische Potenzial des Openness-Begriffs an sich in Frage
gestellt. Denn dessen konzeptionelle Wurzeln werden auf Poppers Werk „Die offene
Gesellschaft und ihre Feinde“ (1957 & 1958) zurückgeführt und seien daher allzu versöhnlich
mit einer wettbewerbsorientierten, kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
Zum anderen wird das epistemologische Fundament als simplifizierend kritisiert. Die binäre
Vorstellung von offen vs. geschlossen, würde den Blick dafür verstellen, dass gerade in einer
‚offenen Gesellschaft’ multiple Praktiken der Schließung im Gange sind bzw. bestimmte
Formen der Offenheit überhaupt erst ermöglichen.
Gerade weil die Semantik der Offenheit aus soziologischer Perspektive einige kritische Fragen
aufwirft, erscheint es ein lohnendes Unterfangen sich auf dem Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Soziologie zum Thema „Geschlossene Gesellschaften“ damit auseinanderzusetzen, weshalb es in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen zur Herausbildung von
Open-Bewegungen kommt und wie sich diese selbst beschreiben: Welches Versprechen
beinhaltet die Semantik der Offenheit? Welche Forderungen und Veränderungsansprüche sind
daran geknüpft? Und was lässt sich daraus über die (Wahrnehmung von) Schließungsphänomene(n) in der Gegenwartsgesellschaft ableiten?
Fragen wie die Folgenden sollen in der Ad-Hoc-Gruppe sowohl theoretisch als auch empirisch
bearbeitet werden:
- Welche unterschiedlichen Konzeptionen von Offenheit finden sich in empirischen Praxen?
- Wie kommt es zur Etablierung von Offenheit als anschlussfähige Forderung nach
gesellschaftlichem Wandel? Welche theoretischen und praktischen Wurzeln liegen der
Semantik von Offenheit zugrunde? Welche (gesellschafts-)politischen Fragen rücken dadurch
in den Vordergrund, welche werden ausgeblendet?
- Ist eine bestimmte Form der Geschlossenheit Voraussetzung für die Möglichkeit zur
Offenheit? Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Offenheit und Geschlossenheit sowohl
theoretisch als auch empirisch fassen?
- Gibt es ‚intrinsische‘ Praktiken der Offenheit, die sich in unterschiedlichen
Gesellschaftsbereichen identifizieren lassen?
- Welche Technologien ermöglichen oder hemmen welche Formen der Offenheit? Welches
Verhältnis besteht zwischen Technologien und den Prozessen von Offenheit und
Geschlossenheit?
Einreichung der Abstracts:
Wir bitten Sie, Ihren Vortragstitel und Ihr Abstract (max. 2.400 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis
zum 11. Mai, 23:59 Uhr online dem Kongressbüro des DGS-Kongresses zu melden. Der
Link ist: https://www.conftool.pro/dgs2016/index.php?page=index
Sie müssen sich im System zur Einreichung registrieren, können sich praktischerweise auch
gleich zu dem Kongress anmelden.
Bitte achten Sie bei der Meldung Ihres Beitrages darauf, die korrekte Veranstaltung
auszuwählen. Das Team des DGS-Kongresses erstellt bis Ende Mai einen Programmplan, der
auch auf der Homepage des Kongresses ab Ende Mai veröffentlicht wird. Bitte beachten Sie,
dass Sie in maximal zwei Veranstaltungen auf dem DGS-Kongress einen Vortrag halten dürfen
– maximal einer darf ein Vortrag in einer Plenarveranstaltung sein. Es zählen auch CoAutor_innenschaften – das Kongressbüro prüft dies nach. Fragen zur Beitragseinreichung
beantwortet Stefanie Schmidt ([email protected]).
Literatur
Butcher, N. (2015): A Basic Guide to Open Educational Resources (OER). Vancouver:
Commonwealth of Learning.
Chesbrough, H. (2006): Open Innovation. The New Imperative for Creating and Profiting from
Technology. Boston: Harvard Business School Press.
Janssen, M., Charalabidis, Y. & Zuiderwijk, A. (2012): Benefits, Adoption Barriers and Myths
of Open Data and Open Government. Information Systems Management, 29 (4), 258-286.
King, J. (2006). Openness and its Discontents. In: J. Dean, J. W. Anderson & G. Lovink
Reformatting Politics: Information Technology and Global Civil Society. New York:
Routledge, 43-54.
Popper, K. R. (1957): Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Teil 1: Der Zauber Platons.
München: Francke Verlag.
Popper, K. R. (1958): Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Teil 2: Falsche Propheten:
Hegel, Marx und die Folgen. München: Francke Verlag.
Raymond, E. S. (2001): The Cathedral and the Bazaar. In: E.S. Raymond (ed.): The Cathedral
and the Bazaar: Musings on Linux and Open Source by an Accidental Revolutionary.
Sebastopol: O'Reilly, 19-63.
Tkacz, N. (2012): From open source to open government: A critique of open politics. ephemera,
12 (4), 386-405.
Tkacz, N. (2015): Wikipedia and the Politics of Openness. University of Chicago Press.