Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten 433 6.2.2 Ein anschauliches Modell für Quantenobjekte Wir können uns ein Quantenobjekt wie eine Wolke vorstellen. Diese Wolke kann sich ausbreiten, sie kann reflektiert und geteilt werden. Sie hat aber auch zwei Eigenschaften, die eine Wolke im Alltag nicht hat: 1. Wenn man das Quantenobjekt in einem Detektor nachweist, zieht sich die Wolke schlagartig auf Detektorgröße zusammen. 2. Wenn die Wolke aufgeteilt ist und ihre Teile aufeinandertreffen und sich durchdringen, dann bilden sich Verdichtungen und Verdünnungen. Ein Quantenobjekt bewegt sich nach rechts und läuft dabei auseinander. Ein Quantenobjekt nähert sich einem Spiegel und wird reflektiert. Ein Quantenobjekt nähert sich einem Detektor und wird von diesem nachgewiesen. Wir bezeichnen deshalb dieses Modell als Wolkenmodell. Zwei Teile desselben Quantenobjekts durchdringen sich. 1 1 1 1 2 2 2 2 3 3 3 3 Mit diesem Wolkenmodell lassen sich die Ergebnisse von Experimenten der Quantenphysik veranschaulichen, zum Beispiel der auf Seite 431 beschriebene Doppelspaltversuch. Ein Quantenobjekt bewegt sich in Richtung Doppelspalt. Es wird durch eine Wolke veranschaulicht. Beim Erreichen des Doppelspalts muss die Wolke mindestens so breit sein wie der Spaltabstand. Durch jeden der Spalte geht dann eine Teilwolke. Hinter dem Doppelspalt durchdringen sich die beiden Teilwolken aus den beiden Spalten. Es bilden sich Verdichtungen und Verdünnungen. Alle Teile zusammen bilden eine Einheit, das Quantenobjekt. Dies sieht man, wenn man eine Ortsmessung macht. Bei der Detektion zieht sich die Wolke auf Detektorgröße zusammen. Die Verdichtungen im vorigen Bild zeigen an, an welchen Stellen das besonders wahrscheinlich ist. Die Verdünnungen zeigen an, an welchen Stellen ein Quantenobjekt seltener nachgewiesen wird. BBLQGG Die Dichte der Wolke an einem Ort x ist ein Maß dafür, wie wahrscheinlich man ein Quantenobjekt bei einer Ortsmessung am Ort x antreffen würde. In analoger Weise lässt sich das Experiment mit dem Mach-Zehnder-Interferometer (b S. 432, rechte Spalte) deuten. 434 Quantenphysik 6.2.3 Der quantenphysikalische Messprozess Verhalten von Photonen bei der Messung am Doppelspalt Im Doppelspaltexperiment geht das Quantenobjekt nach dem Wolkenmodell durch beide Spalte gleichzeitig. Anders als ein kleines Kügelchen befindet es sich also nicht nur an einem bestimmten Ort. Man sagt: Das Quantenobjekt ist delokalisiert. Quantenobjekte können über größere Bereiche delokalisiert sein. Das erklärt auch, warum das Muster der Nachweisorte deutlich davon abhängt, ob beide Spalte gleichzeitig geöffnet sind oder ob jeweils nur ein Spalt geöffnet ist. Im Doppelspaltexperiment wird nun mithilfe der Detektoren eine Ortsmessung durchgeführt. Erst diese Messung zwingt das Quantenobjekt zu einer eindeutigen Antwort. Nach der Ortsmessung befindet es sich nur noch in einem der Detektoren. Man sagt auch, die Wolke ist kollabiert. Bei einer nochmaligen Messung würde man das Quantenobjekt wieder an diesem Ort finden. Das bedeutet: Sein Zustand wurde durch die Messung stark verändert. Im Wasserstoffatom ist das Elektron über den ganzen Bereich des Atoms delokalisiert. Erst bei einer Ortsmessung zieht es sich zusammen. Ortsmessung In der Quantenphysik kann der Zustand eines Quantenobjekts durch eine Messung schlagartig und stark geändert werden. In der klassischen Physik kann man die Auswirkung einer Messung im Prinzip beliebig klein machen. Betrachten wir als Beispiel eine Geschwindigkeitsmessung. Durch die Messung mit einer Radarpistole wird die Geschwindigkeit eines Autos, also sein Zustand, nicht messbar verändert. In der Quantenphysik ist das anders. Die Ortsmessung an einem delokalisierten Quantenobjekt hat gravierende Auswirkungen auf den Zustand dieses Quantenobjekts. Solange keine Messung stattfindet, ist die zeitliche Entwicklung der Wolke genauso bestimmt wie eine Bewegung in der Mechanik. Der Zufall kommt erst beim Zusammenziehen der Wolke, also bei einer Messung, ins Spiel. Man sieht das z. B. beim Doppelspalt-Experiment: Dort kann man eine Ortsmessung machen, wenn sich das Quantenobjekt in der Nähe der beiden Spalte befindet. Obwohl das Quantenobjekt über beide Spalte delokalisiert ist, wird es nur am einen oder am anderen Spalt gefunden, niemals an beiden gleichzeitig. Welcher Spalt das ist, hängt vom Zufall ab. Wie jedes Modell hat auch das Wolkenmodell seine Grenzen. So bedeutet das plötzliche Kollabieren der Wolke bei geladenen Quantenobjekten, dass Ladungen sehr schnell beschleunigt werden. Dabei müsste nach den Gesetzen der Physik eigentlich elektromagnetische Strahlung emittiert werden. Das ist aber nicht der Fall. BBLQGG
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