6.2.2 Ein anschauliches Modell für Quantenobjekte

Eigenschaften von einzelnen Quantenobjekten
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6.2.2 Ein anschauliches Modell für Quantenobjekte
Wir können uns ein Quantenobjekt wie eine Wolke vorstellen. Diese Wolke
kann sich ausbreiten, sie kann reflektiert und geteilt werden. Sie hat aber
auch zwei Eigenschaften, die eine Wolke im Alltag nicht hat:
1. Wenn man das Quantenobjekt in einem Detektor nachweist, zieht sich
die Wolke schlagartig auf Detektorgröße zusammen.
2. Wenn die Wolke aufgeteilt ist und ihre Teile aufeinandertreffen und
sich durchdringen, dann bilden sich Verdichtungen und Verdünnungen.
Ein Quantenobjekt
bewegt sich nach rechts
und läuft dabei auseinander.
Ein Quantenobjekt
nähert sich einem
Spiegel und wird
reflektiert.
Ein Quantenobjekt
nähert sich einem
Detektor und wird von
diesem nachgewiesen.
Wir bezeichnen deshalb dieses Modell
als Wolkenmodell.
Zwei Teile desselben
Quantenobjekts durchdringen sich.
1
1
1
1
2
2
2
2
3
3
3
3
Mit diesem Wolkenmodell lassen sich die Ergebnisse von Experimenten der
Quantenphysik veranschaulichen, zum Beispiel der auf Seite 431 beschriebene Doppelspaltversuch.
Ein Quantenobjekt bewegt sich in Richtung Doppelspalt. Es wird durch eine Wolke veranschaulicht.
Beim Erreichen des Doppelspalts muss die Wolke
mindestens so breit sein wie der Spaltabstand.
Durch jeden der Spalte geht dann eine Teilwolke.
Hinter dem Doppelspalt durchdringen sich die beiden
Teilwolken aus den beiden Spalten. Es bilden sich
Verdichtungen und Verdünnungen.
Alle Teile zusammen bilden eine Einheit, das Quantenobjekt. Dies sieht man, wenn man eine Ortsmessung
macht.
Bei der Detektion zieht sich die Wolke auf Detektorgröße zusammen. Die Verdichtungen im vorigen
Bild zeigen an, an welchen Stellen das besonders
wahrscheinlich ist. Die Verdünnungen zeigen an, an
welchen Stellen ein Quantenobjekt seltener nachgewiesen wird.
BBLQGG
Die Dichte der
Wolke an einem
Ort x ist ein Maß
dafür, wie wahrscheinlich man ein
Quantenobjekt bei
einer Ortsmessung
am Ort x antreffen
würde.
In analoger Weise
lässt sich das Experiment mit dem
Mach-Zehnder-Interferometer (b S. 432,
rechte Spalte)
deuten.
434
Quantenphysik
6.2.3 Der quantenphysikalische Messprozess
Verhalten von Photonen bei der Messung am Doppelspalt
Im Doppelspaltexperiment geht das Quantenobjekt nach dem Wolkenmodell durch beide Spalte gleichzeitig. Anders als ein kleines Kügelchen
befindet es sich also nicht nur an einem bestimmten Ort. Man sagt: Das
Quantenobjekt ist delokalisiert.
Quantenobjekte können über größere Bereiche delokalisiert sein.
Das erklärt auch, warum das Muster der Nachweisorte deutlich davon abhängt, ob beide Spalte gleichzeitig geöffnet sind oder ob jeweils nur ein
Spalt geöffnet ist.
Im Doppelspaltexperiment wird nun mithilfe der Detektoren eine Ortsmessung durchgeführt. Erst diese Messung zwingt das Quantenobjekt zu
einer eindeutigen Antwort. Nach der Ortsmessung befindet es sich nur
noch in einem der Detektoren. Man sagt auch, die Wolke ist kollabiert.
Bei einer nochmaligen Messung würde man das Quantenobjekt wieder an
diesem Ort finden. Das bedeutet: Sein Zustand wurde durch die Messung
stark verändert.
Im Wasserstoffatom
ist das Elektron über
den ganzen Bereich
des Atoms delokalisiert. Erst bei einer
Ortsmessung zieht
es sich zusammen.
Ortsmessung
In der Quantenphysik kann der Zustand eines Quantenobjekts durch
eine Messung schlagartig und stark geändert werden.
In der klassischen Physik kann man die Auswirkung einer Messung im
Prinzip beliebig klein machen. Betrachten wir als Beispiel eine Geschwindigkeitsmessung. Durch die Messung mit einer Radarpistole wird die Geschwindigkeit eines Autos, also sein Zustand, nicht messbar verändert.
In der Quantenphysik ist das anders. Die Ortsmessung an einem delokalisierten Quantenobjekt hat gravierende Auswirkungen auf den Zustand
dieses Quantenobjekts.
Solange keine Messung stattfindet, ist die zeitliche Entwicklung der Wolke
genauso bestimmt wie eine Bewegung in der Mechanik. Der Zufall kommt
erst beim Zusammenziehen der Wolke, also bei einer Messung, ins Spiel.
Man sieht das z. B. beim Doppelspalt-Experiment: Dort kann man eine
Ortsmessung machen, wenn sich das Quantenobjekt in der Nähe der beiden Spalte befindet. Obwohl das Quantenobjekt über beide Spalte delokalisiert ist, wird es nur am einen oder am anderen Spalt gefunden, niemals
an beiden gleichzeitig. Welcher Spalt das ist, hängt vom Zufall ab.
Wie jedes Modell hat auch das Wolkenmodell seine Grenzen. So bedeutet das plötzliche Kollabieren der Wolke bei geladenen Quantenobjekten,
dass Ladungen sehr schnell beschleunigt werden. Dabei müsste nach den
Gesetzen der Physik eigentlich elektromagnetische Strahlung emittiert
werden. Das ist aber nicht der Fall.
BBLQGG