Vaskuläre Anomalien im Säuglings- und Kleinkindesalter – was der

SGP- Kongress 2015 Interlaken
Vol. 26 Nr. 4 2015
Vaskuläre Anomalien
im Säuglings- und Kleinkindesalter –
was der Pädiater wissen muss
Martin Theiler1), 2) , Lisa Weibel1), 2) , Zürich
Einleitung
Die vaskulären Anomalien stellen eine heterogene Gruppe von angeborenen oder erworbenen Veränderungen der Blut- und/oder
Lymphgefässe dar. Während viele Unterformen relativ selten sind und üblicherweise an
dafür spezialisierten Zentren behandelt werden, sind einige Manifestationen sehr häufig
und werden regelmässig in der pädiatrischen
Praxis gesehen. Da viele Formen auf den
ersten Blick ähnlich aussehen, tun sich viele
Kolleginnen und Kollegen in der Diagnosestellung schwer, wobei diese durch die häufig inkorrekte Nomenklatur in der medizinischen
Literatur zusätzlich erschwert wird. Eine korrekte Diagnose ist jedoch sehr wichtig, weil
sich die unterschiedlichen vaskulären Anomalien stark in ihrer Prognose, in möglichen
assoziierten Problemen und auch in der Therapie unterscheiden. Bei Beachtung einiger
weniger Punkte kann in vielen Fällen aber
auch bei nicht täglichem Kontakt mit diesen
Krankheitsbildern eine sichere Diagnose gestellt werden und eine adäquate Beratung
betroffener Familien erfolgen.
Dieser Artikel fokussiert sich auf vaskuläre
Anomalien im Säuglings- und Kleinkindesalter,
wobei nach einem Überblick über die Klassifikation der vaskulären Anomalien und allgemeine Aspekte der Beurteilung vor allem auf
die für den pädiatrischen Alltag wichtigen
Krankheitsbilder eingegangen wird. Ziel ist,
dass die Leserin/der Leser nach der Lektüre
in der Lage ist, unproblematische von potentiell problematischen vaskulären Anomalien
im Säuglingsalter zu unterscheiden und zu
erkennen, wann weitere Abklärungen erforderlich sind und allenfalls eine Therapie indiziert ist.
1) Abteilung Dermatologie, Universitäts-Kinderkliniken
Zürich, Eleonorenstiftung, Steinwiesstrasse 75,
CH-8032 Zürich
2) Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich,
Gloriastrasse 31, CH-8091 Zürich
Klassifikation
vaskulärer Anomalien
Vaskuläre Anomalien werden weltweit gemäss der ISSVA-Klassifikation (International
Society for the Study of Vascular Anomalies)
eingeteilt, welche 2014 erneut aktualisiert
wurde (Tab 1). Kernpunkt dieser Klassifikation
ist die klare Unterscheidung zwischen vaskulären Tumoren und vaskulären Malformationen. Diese zwei Gruppen unterscheiden sich
grundlegend, handelt es sich bei den Tumoren
doch um echte Neoplasien mit Proliferation
(und teilweise Regression) unabhängig vom
übrigen Organismus, während die vaskulären
Malformationen strukturelle Veränderungen
darstellen, die bei Geburt angelegt sind und
grundsätzlich lebenslang bestehen bleiben.
Tumoren erhalten stets die Endung -om, während vaskuläre Malformationen nach den
einbezogenen Gefässen als kapilläre, venöse,
lymphatische, arteriovenöse und kombinierte
Malformationen benannt werden. Die weiterhin häufige Benennung vaskulärer Malformationen als Hämangiom (z. B. «kavernöses Hämangiom» für «venöse Malformation») ist
verwirrlich und soll vermieden werden. Ebenfalls wird versucht, Eponyme zu vermeiden
und stattdessen deskriptiv die betroffenen
Gefässkaliber zu benennen (z. B. statt «Klippel-Trenaunay-Syndrom» neu «kombiniert
kapillär-venös-lymphatische Malformation mit
Hypertrophie der betroffenen Extremität»), da
diese Eponyme häufig unpräzise und für unterschiedlichste vaskuläre Anomalien verwendet wurden.
Allgemeine Aspekte in der
Beurteilung vaskulärer Anomalien
In 90 % der Fälle können vaskuläre Anomalien
klinisch eindeutig zugeordnet werden1) . In
den übrigen Situationen sind bildgebende
Verfahren (Duplex-Sonografie, MRI) und selten auch eine Biopsieentnahme erforderlich.
Radiologische Untersuchungen spielen zudem in der exakten Bestimmung der Ausdehnung und Therapieplanung häufig eine wichtige Rolle.
Wichtige, differentialdiagnostisch wegweisende klinische Merkmale sind:
•Zeitpunkt des Auftretens (insbesondere:
bei Geburt voll ausgebildet oder nicht?)
•Veränderung über die Zeit (Wachstum
proportional mit dem Körper oder
«Eigendynamik»?, Regredienz?)
•Klinischer Befund (Farbe, Lokalisation,
Verteilung, Konsistenz, Überwärmung,
Schwirren, Ulzeration, Lageabhängigkeit
etc.)
•Symptome
(Ruheschmerzen, Druckdolenz etc.)
•Familienanamnese
Bei Beachtung dieser Faktoren kann die Differentialdiagnose meist entscheidend eingeengt werden. So wird ein bereits bei Geburt
ausgebildeter Knoten höchstwahrscheinlich
kein infantiles Hämangiom sein. Ebenso dürfte eine subkutane, weiche, bläuliche Raumforderung im Alter von 5 Jahren, welche sich bei
Elevation entleert, nicht einem Hämangiom,
sondern viel eher einer venösen Malformation
entsprechen. Auf die typischen klinischen
Merkmale der einzelnen Krankheitsbilder wird
nun in der Folge genauer eingegangen.
Vaskuläre Tumoren im Säuglings­
alter und Kleinkindesalter
Der mit Abstand häufigste vaskuläre Tumor im
Säuglingsalter ist das infantile Hämangiom
Vaskuläre Tumoren
Vaskuläre Malformationen
• Hämangiome
• Infantile Hämangiome
• Kongenitale Hämangiome
• Kaposiformes Hämangioendotheliom
• Tufted Angioma
• Granuloma pyogenicum
• Fast-flow Malformationen
• AV-Malformationen/AV-Fisteln
• Low-flow Malformationen
• Kapilläre Malformationen
• Venöse Malformationen
• Lymphatische Malformationen
• Komplex-kombinierte Malformationen
Tabelle 1: Klassifikation der vaskulären Anomalien, adaptiert und vereinfacht nach ISSVA
(International Society for the Study of Vascular Anomalies).
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(IH). Es sind ca. 5 % der Kinder betroffen,
wobei der Ausprägungsgrad von kleinen
stecknadelkopfgrossen, roten Papeln bis hin
zu riesigen, grosse Areale des Körpers betreffenden Tumoren reichen kann. Wenngleich die
Ätiologie von IH noch ungeklärt ist, sind verschiedene Risikofaktoren bekannt. So sind
bevorzugt Mädchen, Frühgeborene und Kinder aus Mehrlingsschwangerschaften betroffen.
Das Hauptmerkmal der IH ist ihr absolut charakteristisches Wachstumsverhalten. Die Läsionen sind bei Geburt nicht oder lediglich als
einfach zu übersehende Vorläuferläsionen
(Abb 1) vorhanden und zeigen dann ein rasches Wachstum in den ersten 3 Monaten,
gefolgt von einer langsameren zweiten
Wachstumsphase im Alter von 3–6 Monaten2).
Daran schliesst sich eine Phase der Stagnation über 1–2 Jahre an, welche dann in die
spontane Involution bis ins Alter von 4–5
Jahren übergeht. Die Regression ist dabei
keineswegs stets komplett, in mind. 40–50 %
verbleiben mehr oder weniger gut sichtbare
Residuen.
Abbildung 1: Typische Hämangiom-Vorläuferläsion bei Geburt.
Klinisch werden die IH in superfizielle, tiefe
und gemischte Läsionen unterteilt (Abb 2).
Zusätzlich werden sogenannt «segmentale» IH
abgegrenzt, welche bereits von Beginn weg
ein definiertes Areal einschliessen und nicht
aus einem Punkt hervorgehen (Abb 3). Die
Kenntnis dieses Subtyps ist wichtig, da diese
Läsionen je nach Lokalisation ein höheres
Risiko für extrakutane Assoziationen aufweisen, häufiger ulzerieren und oft eine Indikation zur systemischen Therapie darstellen.
pisch für ein IH sind. In dieser Situation macht
häufig eine Bildgebung mittels Duplex-Sonografie, seltener MRI und je nach Befund auch
eine Biopsie Sinn.
Die allermeisten IH stellen lediglich ein lokales Problem dar, in einigen Situationen ist
aber an extrakutane Assoziationen zu denken
und sind entsprechende Abklärungen anzuordnen (Tab 3).
Die Therapie der IH hat sich in den letzten
wenigen Jahren grundlegend gewandelt. Seit
der zufälligen Entdeckung ihrer exzellenten
Wirksamkeit stellen nicht-kardioselektive Betablocker (Propranolol) die Therapie der Wahl
dar3) und zwischenzeitlich wurde ein für diese
Indikation speziell entwickeltes Präparat (Hemangiol®) auch in der Schweiz zugelassen.
Eine Indikation zur systemischen Therapie
besteht in den folgenden Situationen4):
Die Diagnose von IH erfolgt meist klinisch und
ist bei typischer Anamnese und Vorliegen eines superfiziellen, roten Anteils häufig einfach. Bildgebende Verfahren sind routinemäs­
sig nicht erforderlich, die IH sind stets in der
Haut oder Subkutis lokalisiert und beziehen
im Unterschied zu anderen vaskulären Anomalien Muskeln oder andere Strukturen nicht
mit ein. Differentialdiagnostisch schwieriger
können rein subkutane IH sein, da hier an
Hämangiom-Imitatoren wie andere vaskuläre
Tumoren, vaskuläre Malformationen und
nicht-vaskuläre benigne und maligne Tumoren
zu denken ist (Tab 2), insbesondere wenn die
Anamnese und der klinische Verlauf nicht ty-
•Unmittelbar lebensbedrohliche IH (selten,
z. B. grössere Atemwegshämangiome)
•Funktionsgefährdende IH (Risiko einer
Beeinträchtigung des Sehvermögens,
der Nahrungsaufnahme, des Gehörs etc.)
Abbildung 3: Segmentales Hämangiom im
Gesicht, in dieser Situation mit Risiko für ein
PHACES-Syndrom (vgl. Tab 3).
Abbildung 4: Granuloma pyogenicum.
Abbildung 2: Oberflächliche, gemischte und subkutane Hämangiome.
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•Ulzerierte Hämangiome (Schmerzen,
bleibende Narben)
•Risiko für Entstellung
Insbesondere der letzte Punkt gibt manchmal
Anlass zu Diskussionen und eine Behandlung
aus primär ästhetischer Indikation muss mit
den Eltern sorgfältig besprochen werden.
Generell ist die Schwelle zur Behandlung in
den letzten Jahren seit Eintreffen der guten
Sicherheitsdaten dieser Therapie gesunken.
Da das therapeutische Resultat ganz entscheidend von der maximalen Hämangiomgrösse
abhängt, kommt einer frühen Eval­uation einer
Behandlung und Antizipation möglicher Komplikationen eine ganz entscheidende Bedeutung zu. So konnte sehr gut gezeigt werden,
dass ein Behandlungsbeginn bis ins Alter von
90 Tagen deutlich bessere Resultate zeigt als
danach3). Es lohnt sich daher, Kinder mit grös­
seren IH in den ersten Lebenswochen engmaschig zu beurteilen und im Zweifelsfall rasch
an ein erfahrenes Zentrum zu überweisen.
Auch Teledermatologie-Services können hier
entscheidend zu einer frühen Selektion behandlungsbedürftiger IH beitragen.
Kontraindikationen für die Behandlung mit
Propranolol stellen höhergradige AV-Überleitungsstörungen, eine unkontrollierte bronchiale Hyperreagibilität sowie persistierende
Hypotonien dar. Üblicherweise wird das Medikament von den Kindern problemlos vertragen. Die klinisch relevantesten, potentiell
gefährlichen Nebenwirkungen im Säuglingsalter betreffen die Verstärkung einer bronchialen Obstruktion sowie das erhöhte Risiko für
Hypoglykämien. Diese Situationen können bei
guter Instruktion der Eltern (vorübergehender
Stopp der Medikation bei schwereren Luftwegsinfekten und in Perioden verminderter
Abbildung 5: Kapilläre Malformation (Nävus
flammeus), mit typischer scharfer Mittellinienbegrenzung
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Nahrungsaufnahme) mehrheitlich umgangen
werden. Die Propranolol-Dosierung beträgt
typischerweise 2 mg/kg/Tag verteilt auf 2
Dosen.
Nicht selten steht man vor dem Dilemma,
dass man ein IH gerne behandeln würde,
jedoch das potentielle Risiko einer systemischen Therapie eine solche nicht rechtfertigt. Dies betrifft insbesondere kleine IH im
Gesichtsbereich, welche nicht unmittelbar
funktionsbedrohend sind. Für diese Situationen hat sich die topische Betablockerbehandlung etabliert, wobei meist Timolol 0.5 %
verwendet wird. Es handelt sich um eine
off-label-Therapie, üblicherweise wird magistral ein Gel aus Timolol-Augentropfen hergestellt.
Der zweite, insbesondere im Kleinkindesalter
häufige vaskuläre Tumor, ist das Granuloma
pyogenicum (Abb 4). Es handelt sich um
biologisch vom IH komplett unterschiedliche
Tumoren, welche häufig nach einem Minimaltrauma auftreten. Klinisch sind sie als
schnell wachsende, wenige Millimeter grosse
Knötchen zu erkennen, welche sehr rasch
erodieren und anhaltend bluten können, was
ihnen im englischen auch die Bezeichnung
«band-aid-disease» eingebracht hat. Therapie
der Wahl ist hier die oberflächliche Abtragung
und Koagulation der Basis mit dem Elek­
trokauter oder bei grösseren Läsionen die
Totalexzision. Stets empfehlen wir eine histologische Untersuchung, da ein (selten auftretendes) kindliches Melanom von einem Granuloma pyogenicum klinisch oft nicht
unterschieden werden kann5) .
Wichtige vaskuläre Anomalien
im Säuglingsalter
Die häufigsten und für den pädiatrischen
Praxisalltag relevantesten vaskulären Anomalien betreffen die Kapillaren. Da diese Läsionen ebenfalls rot sind, bestehen manchmal
klinische Schwierigkeiten in der Abgrenzung
zum IH. Eine klare Unterscheidung ist aber
zentral, da sich kapilläre Malformationen sehr
wesentlich punkto Prognose, potentiell assoziierter Probleme und Therapie von IH unterscheiden.
Die mit Abstand klinisch relevanteste kapilläre Malformation ist der Nävus flammeus
(Feuermal, port-wine stain, Abb 5). Er tritt
mit einer Häufigkeit von ca. 0.3 % auf. Die
Hämangiom-Imitatoren
Andere vaskuläre Tumoren
• Kongenitale Hämangiome
• Kaposiformes Hämangioendotheliom
• Tufted Angioma
Vaskuläre Malformationen
• Venöse Malformation
• Lymphatische Malformation
• Gemischte vaskuläre Malformation
Nicht-vaskuläre benigne Tumoren
und Erkrankungen
• Infantiles Myofibrom
• Pilomatrixom
• Encephalocele/Meningocele/
heterotopes Hirngewebe
Maligne Tumoren
• Infantiles Fibrosarkom
• Rhabdomyosarkom
Tabelle 2: Auswahl möglicher Differentialdiagnosen von IH, adaptiert nach Eichenfield/
Frieden eds, Neonatal and Infant Dermatology,
3rd edition, ElsevierSaunders.
Mehr als nur Hämangiom …
Mögliche Assoziation
Plaquetyp-Hämangiom im Gesicht > 5 cm
Risiko für PHACES-Syndrom (ca. 30 %):
Posterior fossa anomalies, Hemangioma,
Arterial anomalies, Cardiac anomalies,
Eye abnormalities, Sternal defects
Grosse Hämangiome an Wangen,
Hals, Jugulum («Bartbereich»)
Risiko für Luftwegshämangiome
Hämangiome im Lumbosakralbereich
> 2.5 cm
Risiko für spinale Dysraphie, bei ausgedehnteren Plaque-Typ-Hämangiomen auch weitere
Anomalien des Urogenital- und Anorektaltraktes (LUMBAR-Syndrom)
–> 5 kutane Hämangiome
Risiko für Leberhämangiome
Tabelle 3: Situationen, in welchen an mögliche extrakutane Assoziationen bei IH gedacht
werden muss
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Läsionen sind stets bei Geburt voll ausgebildet und fallen als rote, scharf begrenzte, homogene, praktisch ausnahmslos unilaterale
Makulae mit scharfer Mittellinienbegrenzung
auf. Häufig ist das Gesicht betroffen, die Nävi
flammei können aber überall am Körper vorkommen. Kürzlich konnten somatische Mutationen im GNAQ-Gen als ursächlich identifiziert werden6) .
Nävi flammei sind üblicherweise primär von
ästhetischer Bedeutung. Es können in gewissen Fällen aber auch assoziierte medizinische
Probleme vorliegen. Am häufigsten tritt ein
kongenitales oder sich später manifestierendes Glaukom auf, wobei Kinder gefährdet
sind, deren Feuermal die Augenlider oder den
Stirnbereich betreffen. Bei entsprechendem
Befund ist eine unmittelbare ophthalmologische Beurteilung in den ersten Lebenstagen
und dann repetitiv in gewissen Abständen
indiziert. Selten können Nävi flammei auch
von einer intrazerebralen Mitbeteiligung im
Sinne einer leptomeningealen Angiomatose
begleitet sein, was als Sturge-Weber-Syndrom
bezeichnet wird und klinisch häufig mit
schwer zu behandelnden Krampfanfällen und
sonstigen neurologischen Problemen manifest wird. Traditionellerweise wurde das Sturge-Weber-Syndrom mit Nävi flammei im
Bereich des ersten Trigeminusastes assoziiert. Neue Daten zeigen allerdings, dass das
gesamte frontotemporale Areal ein entsprechendes Risiko zeigt7) und wir klären betroffene Patienten im Alter von 3–6 Monaten
bildgebend mittels MRI ab.
Nävi flammei sind nie spontan regredient. Im
Gegenteil – sehr häufig kommt es mit zunehmendem Alter zu einer Dunkelverfärbung,
Abbildung 6: Typischer Nävus simplex
(Storchenbiss).
stärkeren Infiltration mit höckriger Oberfläche
und Ausbildung von Granulomata pyogenica.
Ebenfalls sind die Läsionen nicht selten von
einer manchmal sehr auffälligen Hypertrophie
der darunterliegenden Weichgewebe begleitet. Sie weisen daher insbesondere bei Lokalisation im Gesicht ein erhebliches Stigmatisierungspotential auf.
Ob eine Behandlung erfolgen soll, muss individuell mit den Familien besprochen werden.
Unserer Ansicht nach ist eine Therapie bei
Läsionen im Gesicht üblicherweise indiziert.
Therapie der Wahl ist der Einsatz eines gefäss-spezifischen Lasers, wobei meist der
gepulste Farbstofflaser zum Einsatz kommt.
Betablocker sind immer wirkungslos. Die Lasertherapie ist bei frühem Beginn wirksamer,
erfordert dann aber aufgrund der assoziierten
Schmerzhaftigkeit eine Kurznarkose, später
ab Beginn der Pubertät ist häufig auch eine
Behandlung in Oberflächenanästhesie möglich. An unserer Institution beginnen wir die
Behandlung bei Läsionen im Gesicht nach
Möglichkeit im Alter von 12 Monaten, wobei
immer wiederholte Sitzungen (ca. 6–8) erforderlich sind zur Erreichung einer relevanten
Aufhellung.
Eine wichtige Differentialdiagnose zum Nävus
flammeus stellt der Nävus simplex (Storchenbiss) dar (Abb 6). Es scheint sich hier um
eine funktionelle kapilläre Malformation, möglicherweise ein Überbleibsel der fetalen kutanen Durchblutung, zu handeln. Meist kann der
Nävus simplex klinisch sehr einfach vom
Feuermal unterschieden werden. Der Nävus
simplex ist fast ausnahmslos symmetrisch in
der Mittellinie anzutreffen und bezieht sehr
häufig die Glabella, die Augenlider, die Nasenflügel, das Philtrum, den Nacken sowie
manchmal auch den Rücken mit ein. Auch ist
er häufig farblich etwas weniger kräftig als
das Feuermal und etwas weniger scharf begrenzt. Die Prognose des Nävus simplex ist
ausserordentlich günstig und es tritt im Gesicht meistens bis ins Alter von 1–2 Jahren
eine spontane Regredienz ein. Im Nacken
hingegen verbleibt er häufig lebenslang in
abgeschwächter Form. Der klassische Nävus
simplex wird so gut wie nie von extrakutanen
Manifestationen begleitet. Auch ein Einbezug
der Augenlider bedeutet im Unterschied zum
Feuermal kein Glaukomrisiko.
Die übrigen, in Tabelle 1 erwähnten vaskulären Malformationen sind deutlich seltener.
Häufig handelt es sich um sehr komplexe
21
Probleme, welche interdisziplinär an hierfür
spezialisierten Zentren behandelt werden und
somit nicht im Fokus dieses Artikels stehen.
Wir hoffen, den Leserinnen und Lesern einen
praxisrelevanten Leitfaden in der Beurteilung
und Behandlung häufiger vaskulärer Anomalien und insbesondere in der Differentialdiagnose des «Säuglings mit dem roten Fleck»
gegeben zu haben. Für besonders Interessierte sei auf die weiterführende Literatur verwiesen8)–12) .
Referenzen
1) Theiler M, Walchli R, Weibel L. Vascular anomalies
– a practical approach. J Dtsch Dermatol Ges 2013.
2) Luu M, Frieden IJ. Hemangioma: Clinical Course,
Complications, and Management. Br J Dermatol
2013.
3) Leaute-Labreze C, Hoeger P, Mazereeuw-Hautier J,
et al. A randomized, controlled trial of oral propranolol in infantile hemangioma. N Engl J Med 2015;
372: 735–46.
4) Hoeger PH, Harper JI, Baselga E, et al. Treatment of
infantile haemangiomas: recommendations of a
European expert group. European journal of pediatrics 2015; 174: 855–65.
5) Cordoro KM, Gupta D, Frieden IJ, McCalmont T,
Kashani-Sabet M. Pediatric melanoma: results of a
large cohort study and proposal for modified ABCD
detection criteria for children. J Am Acad Dermatol
2013; 68: 913–25.
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syndrome and port-wine stains caused by somatic
mutation in GNAQ. N Engl J Med 2013; 368: 1971–9.
7) Waelchli R, Aylett SE, Robinson K, Chong WK,
Martinez AE, Kinsler VA. New vascular classification of port-wine stains: improving prediction of
Sturge-Weber risk. Br J Dermatol 2014; 171: 861–7.
8) Clemens RK, Pfammatter T, Meier TO, Alomari AI,
Amann-Vesti BR. Combined and complex vascular
malformations. Vasa 2015; 44: 92–105.
9) Clemens RK, Pfammatter T, Meier TO, Alomari AI,
Amann-Vesti BR. Vascular malformations revisited.
Vasa 2015; 44: 5–22.
10)Greene AK, Alomari AI. Management of venous
malformations. Clinics in plastic surgery 2011; 38:
83–93.
11.)Greene AK, Orbach DB. Management of arteriovenous malformations. Clinics in plastic surgery 2011;
38: 95–106.
12)Greene AK, Perlyn CA, Alomari AI. Management of
lymphatic malformations. Clinics in plastic surgery
2011; 38: 75–82.
Korrespondenzadresse
Dr. med. M. Theiler Pang
Oberarzt pädiatrische Dermatologie
Universitäts-Kinderspital Zürich
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
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