In memoriam Heinz Kimmerle Die Nachricht vom plötzlichen Tod Heinz Kimmerles, meines Freundes, hoch geschätzten Kollegen und langjährigen Weggefährten, besonders auf dem Gebiete der interkulturellen Philosophie, stimmt mich sehr traurig. Einer der Gründungsväter der interkulturellen Philosophie ist von uns gegangen, und ich möchte dies geradezu als Auftrag verstehen, dass wir dem Geist interkulturellen Philosophierens treu bleiben mögen und Philosophie in keiner ihrer vielfältigen Traditionen ausschließlich aufgehen lassen. Kimmerle lag das gegenseitige Verstehen der philosophischen Kulturen am Herzen; besonders zeigte er neue Wege im Hinblick auf die afrikanische Philosophie auf und brachte die Beiträge logozentrischer und oraler Traditionen zusammen. Er plädierte unermüdlich für das Primat der "Hörkultur" vor dem einer "Redekultur". Die Kategorie der Differenz behandelte er nicht stiefmütterlich und ging mindestens von einer Gleichursprünglichkeit von Einheit und Differenz aus. Davon zeugt die reiche Literatur in unterschiedlichen Sprachen, die er uns hinterlassen hat. Er lehnte jeden Zentrismus, jeden Provinzialismus, jede dogmatische Festschreibung in der Philosophie ab, ob europäischer oder nicht-europäischer Provenienz. Philosophie zeichnet sich für ihn durch ihre "orthafte Ortlosigkeit" aus und Differenz besitzt für ihn einen "verbindenden" und "verbindlichen" Charakter zugleich. Vor Jahrzehnten fragte ich ihn einmal in "scherzhaftem Ernst": Wie kommt ein waschechter Hegelianer zum Geist interkulturellen Philosophierens? Er sagte darauf: Mit Hegel gegen Hegel philosophieren. Mit der Zeit wurde das "mit" immer schwächer und das "gegen" immer stärker. Heinz Kimmerle wird mir, uns, der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie und all ihren Mitgliedern, sehr fehlen. Für die jüngere Generation war Heinz Kimmerle das, was man eine „Gestalt“ nennt, ein durch und durch philosophisch denkender, und nicht zu vergessen, philosophisch fühlender Mensch, ein „Weiser“ im guten Sinn. Es scheint kein Zufall gewesen zu sein, als er angelegentlich eines Besuches seines Sohnes in Afrika eine Art Durchbruchserlebnis hatte, das ihn zur Erforschung der „Philosophie in Afrika“ führte. Er war einer der ersten, der die sog. „sage philosophy“ auf Augenhöhe mit der westlichen Philosophie brachte, indem er die „Weisheitslehren“ Afrikas neu entdeckte und philosophisch fruchtbar machte. Er lernte eigens die französische Sprache, um v.a. den philosophischen Ansatz Jacques Derridas im Original studieren zu können, was sein zunehmend stärker werdendes differenztheoretisches Denken zielgenauer voranbringen sollte, als es seine philosophische Herkunft, die v.a. dem Denken Hegels und Schleiermachers verpflichtet war, vermocht hätte. Kimmerle war vielseitig interessiert, hatte ein genuines Auge für die Kunst, auch und vor allem interkultureller Kunst, entwickelte eine eigene „Hermeneutik des Hörens“, die jener „Hermeneutik des Verstehens“ seines Lehrers Gadamer und deren „Horizontverschmelzung“ eine offenere, weil zuhörendere Haltung entgegensetzte. Damit war und ist nicht weniger verbunden als die platonisch-westliche Tradition des Sehens (idein) und des „Sehsinns“ hinsichtlich deren Prädominanz philosophischer Selbstverständigung herauszufordern, indem andere, auch methodisch andere Zugänge ins Feld geführt werden konnten, die in ihrem interkulturellen Zuschnitt andere, neue Forschungen freisetzte und neue Einsichten ermöglichte. Wir trauern um einen Menschen, einen persönlich wie wissenschaftlich hoch integren Menschen, wir trauern um einen interkulturell philosophierenden Menschen, wir trauern um Heinz Kimmerle. Ram Adhar Mall und Georg Stenger
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