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MANAGEMENT
TALENT MANAGEMENT
Nicht nur Manager sind Talente
TREND. Damit Talent Management sein volles Potenzial entfalten kann, muss es
mehr sein als ein neuer Name für das bisherige Management Development.
Von Kai Anderson und Sören Frickenschmidt
© PUMA
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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
E
in wesentlicher Unterschied
von Talent Management zu
den traditionellen Ansätzen ist
die Erweiterung des Fokus von
der Führungskräfteentwicklung hin zu
Schlüsselpositionen – und zwar unabhängig davon, wo diese in der Unternehmenshierarchie angesiedelt sind.
Weg von klassischen Hierarchien
Die Entwicklung besonders qualifizierter
Mitarbeiter folgt in den meisten Unternehmen klassischen Vorstellungen einer hierarchisch geordneten und stabilen Welt.
Eine Sichtweise, die man schon auf Visitenkarten ablesen kann: Die Funktionen
„Führungskräfteentwicklung“ oder „Management Development“ sind verantwortlich für die Förderung und Entwicklung
von Leistungsträgern im Unternehmen.
Dementsprechend nimmt in Deutschland
ein HR-Manager, der einen dieser Titel auf
der Visitenkarte trägt, im Normalfall die
obersten Führungsebenen in den Blick.
Mit dieser verengten Perspektive
werden zentrale Funktionen außerhalb
dieses Kreises nicht ausreichend berücksichtigt. Diese traditionelle Sicht wird
daher immer häufiger infrage gestellt.
Reicht es, die Entwicklungsmaßnahmen
vorrangig auf die Führungsperson (Manager) zu fokussieren, oder wird dabei
der Potenzialträger und vor allem der
Fachexperte (Talent) in seiner Bedeutung
für den langfristigen Unternehmenserfolg vernachlässigt?
Unter dem Leitbegriff „Talent Management“ erleben derzeit klassische
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Auch bei Puma gilt: Schlüsselpositionen sind nicht nur auf hohen Managementebenen angesiedelt.
Instrumente wie Performance-Management oder Nachfolgeplanung eine Renaissance. Aber es geht über die reine
Integration bereits existierender Instrumente hinaus. Die Instrumente kommen
dabei eher entlang von Schlüsselpositionen und Talent-Pools zum Einsatz als
entlang starrer Hierarchien und Entwicklungspfade.
So zum Beispiel bei der Puma AG. WolfBertram von Bismarck, Director Corporate
HR, erläutert: „Schlüsseltalente befinden
sich auf allen Hierarchieebenen und nicht
zwingend nur in Schlüsselpositionen.
Schlüsselpositionen sind für das Unternehmen wichtige und oftmals auch sehr
schwer neu zu besetzende Positionen,
die über das Unternehmen verteilt sein
TALENT MANAGEMENT
TALENT MANAGEMENT
können und nicht nur auf einer Hierarchieebene angesiedelt sind.“ Diese zwei
Konzepte – Schlüsseltalente beziehungsweise Potenziale einerseits und Schlüsselpositionen andererseits – sollten laut von
Bismarck im Talent-Management-Prozess
zunächst individuell gehandhabt werden,
um den jeweiligen Personen oder Stelleninhabern die für sie erforderliche Entwicklung zukommen zu lassen.
Blick auf Top-Manager greift zu kurz
Bei der Leistungs- und Potenzialanalyse
von Managern der oberen Hierarchiestufen kommen häufig kurze und isolierte
Beurteilungsverfahren (Appraisals) zum
Einsatz, um die Führungskräfte möglichst
wenig in der Ausübung ihrer originären
Managementaufgaben zu unterbrechen.
Abhängig von den Ergebnissen werden
Entwicklungsmaßnahmen wie Seminare,
Coachings oder komplette MBA-Studiengänge abgeleitet, für die viele Unternehmen ein respektables Budget auffahren.
Die gut gemeinte Intention: Top-Manager
müssen besonders motiviert und entwickelt werden.
Ein scheinbarer Vorteil dieses Ansatzes
besteht in seiner einfachen Anwendbarkeit. Die Identifizierung zu fördernder
Talente über die Managementebene ist
im Grunde mit einem Blick in das Organigramm erledigt. Diese Praxis ist aus der
Perspektive eines ganzheitlichen Talent
Managements jedoch nicht differenziert
genug. Sie konzentriert sich so weit oben
in den Hierarchien, dass das Unternehmen bestenfalls Leistungs-, aber zu wenig
Potenzialträger erreicht. Die nachhaltige
Versorgung von Unternehmen mit zukünftigen Top-Performern für wichtige
Schlüsselaufgaben kann nicht optimal
funktionieren, wenn Unternehmen Talentpflege nur aus dieser horizontalen
Hierarchiesicht betreiben.
Was Schlüsselfunktionen auszeichnet
Die Identifikation von Kandidaten für
das Talent Management sollte weder
entlang der Hierarchien noch nach dem
„Gießkannenprinzip“ im ganzen Un-
ternehmen erfolgen, sondern sich an
Schlüsselfunktionen orientieren. Das
sind nicht notwendigerweise Führungspositionen. Auch Spezialisten ohne Team
oder Projektleiter ohne disziplinarische
Führungsverantwortung können Schlüsselfunktionen bekleiden.
Schlüsselfunktionen leiten sich aus der
Unternehmensstrategie ab und leisten einen spürbaren und unverzichtbaren Anteil zum Unternehmenserfolg. Werden sie
vakant oder falsch besetzt, sind die Folgen
auch kurzfristig ergebniswirksam. Eine
echte Schlüsselfunktion zeichnet sich zudem dadurch aus, dass sie auf dem externen Rekrutierungsmarkt kaum oder gar
nicht nachzubesetzen ist.
Auch bei Puma gibt es exponierte Positionen, die sehr differenzierte Fachkenntnisse erfordern und aus diesem Grund
auf dem Talentmarkt besonders rar sind.
Diese Positionen müssen nicht zwangsläufig auf höheren Managementebenen
angesiedelt sein. Für die Entwicklung
von Sport-Performance-Schuhen stehen
beispielsweise weltweit nur wenig Experten zur Verfügung. Entscheidet sich
einer dieser Stelleninhaber jedoch dafür,
das Unternehmen zu verlassen, so kann
sich die adäquate Nachbesetzung für das
Unternehmen oftmals als schwierig und
langwierig erweisen.
Führungsaufgabe Talent Management
Hieraus ergibt sich nahezu zwangsläufig, dass Talent Management, anders als
Führungskräfteentwicklung, kein reines
Serviceangebot von HR an die Fachbereiche ist. Vielmehr handelt es sich um eine
durch HR unterstützte Führungsaufgabe
quer durch das Unternehmen. Die Einbindung der Linienmanager in die Identifikation und Förderung von Talenten wird
künftig unverzichtbarer Bestandteil ihrer
Aufgabe sein, an deren erfolgreicher Umsetzung sie gemessen werden.
Dabei können unterschiedliche Identifikations- und Nominierungsverfahren zum
Einsatz kommen, die an existierende oder
neu zu etablierende Personalinstrumente
gekoppelt sind. Hierzu zählen insbeson-
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TALENT MANAGEMENT
dere das Performance-Management und
die Nachfolgeplanung, die derzeit vielerorts mit diesem erweiterten Talent-Fokus
neu interpretiert und definiert werden.
Talent Management ist also ein ganzheitlicher Ansatz zur Förderung von
Talenten im Unternehmen. Es kann das
differenzierte Kompetenz- und Funktionsgefüge in einem modernen Unternehmen weitaus angemessener abbilden als
reines Management Development. Ein
solches Talent Management funktioniert
nicht nach Quartalsbedarf. Strategischer
Weitblick und langfristige Planung sind
erforderlich.
Sechs Schritte zum Talent Management
Die nachfolgenden Schritte skizzieren
grob die Voraussetzung für ein ganzheitlich verstandenes Talent Management.
1. Aus der Unternehmensstrategie die
Schlüsselpositionen ableiten. Das ist keine
triviale Übung, sondern die Übersetzung
der Unternehmensstrategie in Menschen.
Wichtig: Die Schlüsselpositionen sind
weder auf eine bestimmte Hierarchieebene noch auf eine bestimmte Funktion
begrenzt. Eine weitere Herausforderung
ist, die Schlüsselpositionen zunächst unabhängig von den Personen, die auf den
Positionen sitzen, zu identifizieren.
2. Die Anforderungen an die Schlüsselpositionen definieren. Welche technischmethodischen Fertigkeiten und welche
verhaltensorientierten Kompetenzen sind
notwendig für eine ideale Besetzung?
3. Assessment der Personen durchführen, die Schlüsselpositionen bekleiden.
Inwieweit erfüllen die derzeitigen Mitarbeiter in Schlüsselpositionen die spezifischen Anforderungen?
4. Vorhandene Stärken gezielt ausbauen, Qualifizierungslücken bei einzelnen
Mitarbeitern in Schlüsselpositionen
schließen und Veränderungen bei Fehlbesetzungen vornehmen.
5. Anforderungen an Schlüsselpositionen und vorhandene Potenziale im Unternehmen analysieren. Welche Zielgruppen
sind kritisch, welche Zielgruppen oder Eigenschaften sind für die Besetzung von
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Schlüsselpositionen notwendig? Hat das
Unternehmen dafür ausreichend Potenzial unter den Mitarbeitern?
6. Schritte für Personalentwicklung,
Retention-Management sowie Recruiting
und Personalmarketing ableiten, um vorhandene Deckungslücken zu schließen.
Noch eine Praxis der Minderheit
Talent Management kann und muss in
jedem Unternehmen stattfinden. Im Mittelstand genügen hierfür in den meisten
Fällen einige einfache, aber konsequent
angewandte Verfahren wie das regelmäßige Identifizieren und Diskutieren von
Potenzialträgern zwischen Geschäftsführung und HR. Ab 1.000 Mitarbeitern oder
bei global dezentralisierten Strukturen
hört die Transparenz von Schlüsselpositionen und Potenzialträgern auf. Hier
braucht es standardisierte Prozesse und
Verfahren, um langfristig die Besetzung
mit Talenten sicherzustellen. Ein sinnvolles und stringentes Talent Management
in der oben skizzierten Form wird aber
in Deutschland derzeit nur von wenigen
HR-Innovationsführern betrieben.
Der Sportartikelhersteller Puma implementiert im Unternehmen derzeit einen
globalen Talent-Management-Prozess,
der hierarchieunabhängig sowohl Schlüsseltalente als auch Schlüsselpositionen
umfasst. Die Mitarbeiter werden dabei
anhand von Kompetenz-Sollprofilen beurteilt. Gemeinsam mit den jeweiligen
Mitarbeitern erarbeiten dann Human
Resources und der Fachvorgesetzte die
entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen. Dies erfordert ein Umdenken auf
unterschiedlichen Ebenen: Einerseits bei
den Linienvorgesetzten, andererseits aber
auch bei den Top-Entscheidern und den
HR-Abteilungen.
Sicherstellung der Talent-Pipeline
Zahlreiche Studien zeigen: Wer in TopTalente investiert und Schlüsselpositionen mit ihnen besetzt, leistet einen
wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen
Erfolgssicherung. Genauso gilt der Umkehrschluss: Wer die Talent-Pipeline
für Schlüsselpositionen vernachlässigt,
verschenkt Potenziale und setzt den Firmenerfolg aufs Spiel. Die Mengengerüste,
die hierbei betrachtet werden müssen,
unterscheiden sich je nach Branche und
Mitarbeiterschaft. Eine Größenordnung
von fünf bis 15 Prozent aller Positionen
im Unternehmen ist realistisch. Für die
Besetzung der Schlüsselpositionen durch
Entwicklung und Nachfolge braucht ein
Unternehmen ein Potenzial in der einbis zweifachen Höhe, abhängig von der
Fluktuation. Das heißt in der Konsequenz:
Bis zu einem Drittel der Belegschaft hat
idealerweise das Potenzial für Schlüsselpositionen. Denn der interne Aufbau von
Nachfolgern ist alternativlos. Kurzfristige
externe Rekrutierung ist bei Schlüsselpositionen ein kaum gangbarer Weg.
Letztlich ist es wie im Sport. Wer in seinem Geschäftsfeld in der Top-Liga spielen
will, braucht auf den entscheidenden Positionen die am besten geeigneten Spieler.
Zudem braucht es Talent Management mit
langfristigen Planungsperspektiven, um
den Nachschub an Talenten nicht abreißen
zu lassen. Das ist die zentrale Herausforderung für modernes HR-Management.
Kai Anderson
ist Partner der Promerit AG
Sören Frickenschmidt
ist Senior-Berater der
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