MANAGEMENT TALENT MANAGEMENT Nicht nur Manager sind Talente TREND. Damit Talent Management sein volles Potenzial entfalten kann, muss es mehr sein als ein neuer Name für das bisherige Management Development. Von Kai Anderson und Sören Frickenschmidt © PUMA 46 Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected] E in wesentlicher Unterschied von Talent Management zu den traditionellen Ansätzen ist die Erweiterung des Fokus von der Führungskräfteentwicklung hin zu Schlüsselpositionen – und zwar unabhängig davon, wo diese in der Unternehmenshierarchie angesiedelt sind. Weg von klassischen Hierarchien Die Entwicklung besonders qualifizierter Mitarbeiter folgt in den meisten Unternehmen klassischen Vorstellungen einer hierarchisch geordneten und stabilen Welt. Eine Sichtweise, die man schon auf Visitenkarten ablesen kann: Die Funktionen „Führungskräfteentwicklung“ oder „Management Development“ sind verantwortlich für die Förderung und Entwicklung von Leistungsträgern im Unternehmen. Dementsprechend nimmt in Deutschland ein HR-Manager, der einen dieser Titel auf der Visitenkarte trägt, im Normalfall die obersten Führungsebenen in den Blick. Mit dieser verengten Perspektive werden zentrale Funktionen außerhalb dieses Kreises nicht ausreichend berücksichtigt. Diese traditionelle Sicht wird daher immer häufiger infrage gestellt. Reicht es, die Entwicklungsmaßnahmen vorrangig auf die Führungsperson (Manager) zu fokussieren, oder wird dabei der Potenzialträger und vor allem der Fachexperte (Talent) in seiner Bedeutung für den langfristigen Unternehmenserfolg vernachlässigt? Unter dem Leitbegriff „Talent Management“ erleben derzeit klassische personalmagazin 12 / 07 Auch bei Puma gilt: Schlüsselpositionen sind nicht nur auf hohen Managementebenen angesiedelt. Instrumente wie Performance-Management oder Nachfolgeplanung eine Renaissance. Aber es geht über die reine Integration bereits existierender Instrumente hinaus. Die Instrumente kommen dabei eher entlang von Schlüsselpositionen und Talent-Pools zum Einsatz als entlang starrer Hierarchien und Entwicklungspfade. So zum Beispiel bei der Puma AG. WolfBertram von Bismarck, Director Corporate HR, erläutert: „Schlüsseltalente befinden sich auf allen Hierarchieebenen und nicht zwingend nur in Schlüsselpositionen. Schlüsselpositionen sind für das Unternehmen wichtige und oftmals auch sehr schwer neu zu besetzende Positionen, die über das Unternehmen verteilt sein TALENT MANAGEMENT TALENT MANAGEMENT können und nicht nur auf einer Hierarchieebene angesiedelt sind.“ Diese zwei Konzepte – Schlüsseltalente beziehungsweise Potenziale einerseits und Schlüsselpositionen andererseits – sollten laut von Bismarck im Talent-Management-Prozess zunächst individuell gehandhabt werden, um den jeweiligen Personen oder Stelleninhabern die für sie erforderliche Entwicklung zukommen zu lassen. Blick auf Top-Manager greift zu kurz Bei der Leistungs- und Potenzialanalyse von Managern der oberen Hierarchiestufen kommen häufig kurze und isolierte Beurteilungsverfahren (Appraisals) zum Einsatz, um die Führungskräfte möglichst wenig in der Ausübung ihrer originären Managementaufgaben zu unterbrechen. Abhängig von den Ergebnissen werden Entwicklungsmaßnahmen wie Seminare, Coachings oder komplette MBA-Studiengänge abgeleitet, für die viele Unternehmen ein respektables Budget auffahren. Die gut gemeinte Intention: Top-Manager müssen besonders motiviert und entwickelt werden. Ein scheinbarer Vorteil dieses Ansatzes besteht in seiner einfachen Anwendbarkeit. Die Identifizierung zu fördernder Talente über die Managementebene ist im Grunde mit einem Blick in das Organigramm erledigt. Diese Praxis ist aus der Perspektive eines ganzheitlichen Talent Managements jedoch nicht differenziert genug. Sie konzentriert sich so weit oben in den Hierarchien, dass das Unternehmen bestenfalls Leistungs-, aber zu wenig Potenzialträger erreicht. Die nachhaltige Versorgung von Unternehmen mit zukünftigen Top-Performern für wichtige Schlüsselaufgaben kann nicht optimal funktionieren, wenn Unternehmen Talentpflege nur aus dieser horizontalen Hierarchiesicht betreiben. Was Schlüsselfunktionen auszeichnet Die Identifikation von Kandidaten für das Talent Management sollte weder entlang der Hierarchien noch nach dem „Gießkannenprinzip“ im ganzen Un- ternehmen erfolgen, sondern sich an Schlüsselfunktionen orientieren. Das sind nicht notwendigerweise Führungspositionen. Auch Spezialisten ohne Team oder Projektleiter ohne disziplinarische Führungsverantwortung können Schlüsselfunktionen bekleiden. Schlüsselfunktionen leiten sich aus der Unternehmensstrategie ab und leisten einen spürbaren und unverzichtbaren Anteil zum Unternehmenserfolg. Werden sie vakant oder falsch besetzt, sind die Folgen auch kurzfristig ergebniswirksam. Eine echte Schlüsselfunktion zeichnet sich zudem dadurch aus, dass sie auf dem externen Rekrutierungsmarkt kaum oder gar nicht nachzubesetzen ist. Auch bei Puma gibt es exponierte Positionen, die sehr differenzierte Fachkenntnisse erfordern und aus diesem Grund auf dem Talentmarkt besonders rar sind. Diese Positionen müssen nicht zwangsläufig auf höheren Managementebenen angesiedelt sein. Für die Entwicklung von Sport-Performance-Schuhen stehen beispielsweise weltweit nur wenig Experten zur Verfügung. Entscheidet sich einer dieser Stelleninhaber jedoch dafür, das Unternehmen zu verlassen, so kann sich die adäquate Nachbesetzung für das Unternehmen oftmals als schwierig und langwierig erweisen. Führungsaufgabe Talent Management Hieraus ergibt sich nahezu zwangsläufig, dass Talent Management, anders als Führungskräfteentwicklung, kein reines Serviceangebot von HR an die Fachbereiche ist. Vielmehr handelt es sich um eine durch HR unterstützte Führungsaufgabe quer durch das Unternehmen. Die Einbindung der Linienmanager in die Identifikation und Förderung von Talenten wird künftig unverzichtbarer Bestandteil ihrer Aufgabe sein, an deren erfolgreicher Umsetzung sie gemessen werden. Dabei können unterschiedliche Identifikations- und Nominierungsverfahren zum Einsatz kommen, die an existierende oder neu zu etablierende Personalinstrumente gekoppelt sind. Hierzu zählen insbeson- 47 Talent Management mit MHM Zielvereinbarung Leistungs- & Potenzialbewertung Nachfolgeplanung Variable Vergütung & Gehaltsplanung Quali¿zierungsmanagement Schnittstellen (z.B. SAP) Ihre individuellen Prozesse Wir beraten Sie gerne zum Thema Talent Management und stellen Ihnen unverbindlich unsere webbasierten Softwarelösungen vor. Mehr Informationen unter: Telefon 0711 - 120 90 90 oder www.mhm-systemhaus.de 12 / 07 personalmagazin personalmanagement mit system MANAGEMENT 48 Bei Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected] TALENT MANAGEMENT dere das Performance-Management und die Nachfolgeplanung, die derzeit vielerorts mit diesem erweiterten Talent-Fokus neu interpretiert und definiert werden. Talent Management ist also ein ganzheitlicher Ansatz zur Förderung von Talenten im Unternehmen. Es kann das differenzierte Kompetenz- und Funktionsgefüge in einem modernen Unternehmen weitaus angemessener abbilden als reines Management Development. Ein solches Talent Management funktioniert nicht nach Quartalsbedarf. Strategischer Weitblick und langfristige Planung sind erforderlich. Sechs Schritte zum Talent Management Die nachfolgenden Schritte skizzieren grob die Voraussetzung für ein ganzheitlich verstandenes Talent Management. 1. Aus der Unternehmensstrategie die Schlüsselpositionen ableiten. Das ist keine triviale Übung, sondern die Übersetzung der Unternehmensstrategie in Menschen. Wichtig: Die Schlüsselpositionen sind weder auf eine bestimmte Hierarchieebene noch auf eine bestimmte Funktion begrenzt. Eine weitere Herausforderung ist, die Schlüsselpositionen zunächst unabhängig von den Personen, die auf den Positionen sitzen, zu identifizieren. 2. Die Anforderungen an die Schlüsselpositionen definieren. Welche technischmethodischen Fertigkeiten und welche verhaltensorientierten Kompetenzen sind notwendig für eine ideale Besetzung? 3. Assessment der Personen durchführen, die Schlüsselpositionen bekleiden. Inwieweit erfüllen die derzeitigen Mitarbeiter in Schlüsselpositionen die spezifischen Anforderungen? 4. Vorhandene Stärken gezielt ausbauen, Qualifizierungslücken bei einzelnen Mitarbeitern in Schlüsselpositionen schließen und Veränderungen bei Fehlbesetzungen vornehmen. 5. Anforderungen an Schlüsselpositionen und vorhandene Potenziale im Unternehmen analysieren. Welche Zielgruppen sind kritisch, welche Zielgruppen oder Eigenschaften sind für die Besetzung von personalmagazin 12 / 07 Top-Thema Weitere Informationen finden Sie im Top-Thema „Talent Management“ auf dem neuen Haufe-Themenportal, das am 1. Dezember startet. www.haufe.de/personal Schlüsselpositionen notwendig? Hat das Unternehmen dafür ausreichend Potenzial unter den Mitarbeitern? 6. Schritte für Personalentwicklung, Retention-Management sowie Recruiting und Personalmarketing ableiten, um vorhandene Deckungslücken zu schließen. Noch eine Praxis der Minderheit Talent Management kann und muss in jedem Unternehmen stattfinden. Im Mittelstand genügen hierfür in den meisten Fällen einige einfache, aber konsequent angewandte Verfahren wie das regelmäßige Identifizieren und Diskutieren von Potenzialträgern zwischen Geschäftsführung und HR. Ab 1.000 Mitarbeitern oder bei global dezentralisierten Strukturen hört die Transparenz von Schlüsselpositionen und Potenzialträgern auf. Hier braucht es standardisierte Prozesse und Verfahren, um langfristig die Besetzung mit Talenten sicherzustellen. Ein sinnvolles und stringentes Talent Management in der oben skizzierten Form wird aber in Deutschland derzeit nur von wenigen HR-Innovationsführern betrieben. Der Sportartikelhersteller Puma implementiert im Unternehmen derzeit einen globalen Talent-Management-Prozess, der hierarchieunabhängig sowohl Schlüsseltalente als auch Schlüsselpositionen umfasst. Die Mitarbeiter werden dabei anhand von Kompetenz-Sollprofilen beurteilt. Gemeinsam mit den jeweiligen Mitarbeitern erarbeiten dann Human Resources und der Fachvorgesetzte die entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen. Dies erfordert ein Umdenken auf unterschiedlichen Ebenen: Einerseits bei den Linienvorgesetzten, andererseits aber auch bei den Top-Entscheidern und den HR-Abteilungen. Sicherstellung der Talent-Pipeline Zahlreiche Studien zeigen: Wer in TopTalente investiert und Schlüsselpositionen mit ihnen besetzt, leistet einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Erfolgssicherung. Genauso gilt der Umkehrschluss: Wer die Talent-Pipeline für Schlüsselpositionen vernachlässigt, verschenkt Potenziale und setzt den Firmenerfolg aufs Spiel. Die Mengengerüste, die hierbei betrachtet werden müssen, unterscheiden sich je nach Branche und Mitarbeiterschaft. Eine Größenordnung von fünf bis 15 Prozent aller Positionen im Unternehmen ist realistisch. Für die Besetzung der Schlüsselpositionen durch Entwicklung und Nachfolge braucht ein Unternehmen ein Potenzial in der einbis zweifachen Höhe, abhängig von der Fluktuation. Das heißt in der Konsequenz: Bis zu einem Drittel der Belegschaft hat idealerweise das Potenzial für Schlüsselpositionen. Denn der interne Aufbau von Nachfolgern ist alternativlos. Kurzfristige externe Rekrutierung ist bei Schlüsselpositionen ein kaum gangbarer Weg. Letztlich ist es wie im Sport. Wer in seinem Geschäftsfeld in der Top-Liga spielen will, braucht auf den entscheidenden Positionen die am besten geeigneten Spieler. Zudem braucht es Talent Management mit langfristigen Planungsperspektiven, um den Nachschub an Talenten nicht abreißen zu lassen. Das ist die zentrale Herausforderung für modernes HR-Management. Kai Anderson ist Partner der Promerit AG Sören Frickenschmidt ist Senior-Berater der Promerit AG Liebe auf den ersten Klick! Das neue Haufe Lohn & Gehalt Office. Nie waren sich Fachinformation und Praxis näher! Online-Version nur € 14,–/Monat inkl. Mwst. Bestell-Nr. A00430VJ01 Jahresbezugspreis: €168,– Sie müssen Ihren PC nicht küssen – aber es wird Ihnen danach sein. 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