Perowskit-Halbleiter erobern die (Dünnschicht-)Photovoltaik Prof. Dr. Vladimir Dyakonov Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern), Würzburg und Physikalisches Institut der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Perowskit-Solarzellen gehören zur neuesten Technologielinie in der Photovoltaik (PV), und hier speziell zur Dünnschicht-PV mit aktiven Schichtdicken von wenigen hundert Nanometern. Innerhalb von fünf Jahren hat die Perowskit-PV sehr überzeugenden Wirkungsgrade von inzwischen über 20% im Labor erreicht. Sie ist diesbezüglich bereits jetzt konkurrenzfähig zu anorganischen Dünnschicht-PV Technologien (Abb. 1). Wegen des geringen Materialverbrauchs verspricht die Perowskit-PV äußerst niedrige Material- und Produktionskosten für großflächige Anwendungen. Die kristallinen Perowskit-Halbleiter besitzen das Potential, noch näher an die thermodynamische Grenze des Sonnenlicht-Umwandlungsgrades zu kommen als herkömmliche Solarzellentechnologien. Daher scheint das Ziel der dritten PVGeneration, kostengünstige und gleichzeitig hocheffiziente Solarzellen zu produzieren, nicht mehr nur Wunschvorstellung, sondern durch die PerowskitPhotovoltaik auch schon bald realisierbar zu sein. Abb. 1 Wirkungsgradentwicklung verschiedener Dünnschicht-PV Technologien (von A. Baumann, ZAE Bayern). Abb. 2 Flüssig-prozessierte PerowskitSolarzelle; unten rechts Elektronenmikroskopie-Aufnahme einer Schicht aus CH3NH3PbI3 Kristallen. Der Name „Perowskit“ bezeichnet eine bestimmte Kristallstruktur mit der Strukturformel ABX3, die in einer Vielzahl verschiedenster Zusammensetzungen in der Natur existiert. Dabei wurde die Kristallform zuerst im Mineral Kalziumtitanat CaTiO3 von Gustav Rose im Uralgebirge vor über hundert Jahren entdeckt und zu Ehren des russischen Mineralogen Graf Lev Perovski benannt. Abhängig von der Materialklasse besitzen Perowskit-Kristalle unterschiedliche Eigenschaften, von ferroelektrischen über supraleitende bis schließlich hin zu photovoltaischen. Letztere, also für die Photovoltaik geeignete Perowskit-Kristalle, sind aus organischen (Kationen) und anorganischen Komponenten (Anionen) aufgebaut. Die vielversprechendsten Verbindungen sind derzeit Methylammonium-Blei-TriX (CH3NH3PbX3), mit X = I−, Br− oder Cl−. Perowskite lassen sich aus der flüssigen Phase (Abb. 2) oder mittels Vakuumverdampfung auf beliebigen Substraten aufbringen. Die Bandlücke der organisch-metallischen Halogenid Perowskit-Kristalle - entscheidend für eine effiziente Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie - lässt sich dabei durch Variation der kationischen und anionischen Komponenten des Kristalles gezielt verändern. Diese Eigenschaft ist für künftige Anwendungen z.B. im Gebäudebereich, in der Architektur etc. im Hinblick auf die Farbenvielfalt und die spektrale Anpassung sehr attraktiv. Nicht zuletzt aufgrund dieser Vielfalt der Applikationsmöglichkeiten werden photoaktive Schichten aus Perowskit-Halbleitern bereits auch mit anderen PVTechnologien erfolgreich kombiniert. Dabei wird eine dünne Schicht von wenigen hundert Nanometern auf herkömmliche Solarzellen, bestehend aus Silizium, aber auch auf Dünnschicht-Solarzellen, wie etwa Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) aufgebracht, um einen hohen Gesamt-Wirkungsgrad zu erreichen. Ob als Zusatzschicht auf anorganischen Solarzellen oder als alleinige photovoltaische Schicht einer Solarzelle, Perowskit-Halbleiter haben in nur sehr kurzer Zeit zu weltweitem Aufsehen und Interesse in der Photovoltaik-Gemeinde geführt. Bereits jetzt werden die Möglichkeiten einer großflächigen Produktion mit dem Ziel einer schnellen Markteinführung dieser PV-Technologie verfolgt. Die Grundlagen der Perowskit-Solarzellen und ihrer Funktionsweise sind allerdings nur teilweise untersucht. Vor allem sind grundlegende Untersuchungen an den Absorber-Materialien und den Schichtstrukturen unabdingbar. Am ZAE Bayern wurden vor kurzem extrem lange Relaxationszeiten für die Leerlaufspannung über mehrere Sekunden beobachtet, die auf lange Ladungsträgerlebensdauern hinweisen, was weder in organischen Solarzellen noch in Silizium-PV eine Analogie findet 1. Neben den genannten Fragestellungen sind insbesondere die mögliche Toxizität bleihaltiger Perowskit-Absorber (wie etwa Methylammonium-Bleiiodid) und die Haltbarkeit der Perowskit-Solarzellen von Bedeutung. Es ist zu erwarten, dass das Forschungsgebiet in den nächsten Jahren noch weit mehr Aufsehen erregen wird, schon allein aufgrund der vielen beteiligten Forschungsgruppen weltweit. Die Aktivitäten in dem Gebiet der PerowskitSolarzellen in Deutschland sind leider noch sehr begrenzt. Das liegt einerseits am Förderumfang und andererseits an dem relativ hohen wissenschaftlich-technischen Risiko für die Entwicklung der Technologie. Um die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland auf diesem sehr vielversprechenden PV-Forschungsgebiet zu gewährleisten, müssen Forschung und Entwicklung auch in Deutschland stärker vorangetrieben werden. 1 A. Baumann et al. Persistent Photovoltage in Methylammonium Lead Iodide Perovskite Solar Cells, APL Materials 2, 081501 (2014).
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