Bauphysik - Baustoffe Schallschutz im Altbau Kinder erwünscht Gerade in der Altbausanierung stellt der Schallschutz ein wichtiges und komplexes, aber leider oft nur am Rande behandeltes Thema dar. Insbesondere dann, wenn es sich um ein Mehrparteien- und Mehrgenerationenhaus handelt, gelangt der Schallschutz ins Bewusstsein der Bewohner; hier sind die Bedürfnisse doch sehr unterschiedlich: während Kinder spielen, möchte man eine Etage tiefer den Mittagsschlaf halten. Dieser Bericht stellt eine kostengünstige, im Altbau praktikable Lösung vor, welche auch in Eigenleistung erstellt werden kann. Ausgangssituation und Sanierungsziel Die Geschossdecken des 1907 erstellten Massivbaus bestehen aus 16 x 12 cm Balken, verankert in der Bims-Schwemmsteinwand (Schicht 1 in Abb. 1). Die unterseitige Beplankung besteht aus Weichholzspalieren, mit Strohlehm ausgefüllt und raumseitig mit Kalkputz versehen. Zwischen den Deckenbalken sind Harthölzer in Nuten eingesetzt. Diese wurden seinerzeit mit Strohlehm abgedeckt und mit loser Bimsschüttung aufgefüllt. Nach oben hin sind Weichholzdielen auf die Balken genagelt (Schicht 2 in Abb. 1). Obwohl zuvor nicht messtechnisch bewertet, kann aber davon ausgegangen werden, dass es sich nach VDI 4100 um Schallschutzstufe (SSt) I handelte: Gehgeräusche waren deutlich hörbar und wurden als störend empfunden und laute Sprache war i.d.R. zu verstehen. Aufgrund der geplanten Vermietung des Erdgeschosses bei Nutzung des OG durch eine Familie mit kleinen Kindern lag das Hauptaugenmerk auf der Minimierung des Trittschalls. Damit war aber auch klar, dass die Schallübertragung über Nebenwege und der Körperschall bei gelungener Trittschalldämmung an Bedeutung gewinnen werden. Abb. 1: Prinzipskizze (Schnitt) der Ausgangssituation (schwarz) mit innen gedämmter Außenwand (rot) und untergebauter Schallschutzdecke (blau und grün), mit Lehm verputzt Wohnung + Gesundheit 6/08 - Nr. 127 Einbau einer freitragenden Schallschutzdecke Die Wahl fiel schließlich auf eine freitragende Decke, welche als zweite Schale unter die Decke im Bestand montiert wird und nicht mit dieser in Kontakt stehen darf. Der Aufbau inklusive der Wandanschlüsse an die innen gedämmten Außenwände (s. W+G 125, Seite 15 ff.) wird in Abbildung 1 skizziert. Bei der horizontalen Ausrichtung der Wandprofile (Schicht 4 in Abb. 1) muss darauf geachtet werden, dass kein Kontakt zwischen den Deckenprofilen und der Decke im Bestand besteht (gelber Bereich in Abb. 1, s. auch Abbildung 2). Laut Herstellerangabe sollten „geeignete Befestigungsmittel“ zur Befestigung der Wandprofile ausgewählt werden. Genau dies entwickelte sich zu einer anspruchsvollen und nicht ganz einfach zu bewältigenden Aufgabe. Die schließlich ausgewählten Dübel (10 x 160 mm) müssen durch die Dämmplatten (Schicht 3 in Abb. 1) in das dahinterliegende Bimsschwemmstein-Mauerwerk gesetzt werden. Hinsichtlich der Entkoppelung, also der Vermeidung von Schallbrücken, ist die Montage der Wandanschlussprofile auf die 60 mm starken Holzfaserplaten als Pluspunkt zu bewerten, zumal aufgrund der erforderlichen Länge der Dübel (160 mm) keine speziellen Schallschutzdübel möglich waren. Werden die U-Profile an 67 Bauphysik - Baustoffe Nur selten stört in dem hier vorliegenden Fall die Pumpe der Regenwasser-Nutzungsanlage, welche zwei Waschmaschinen, drei WC´s und die gesamte Gartenbewässerung versorgt. Fazit Abb. 2: Unterkonstruktion der freitragenden Decke eine nicht gedämmte (Innen-)Wand montiert, erfolgt eine akustische Trennung mittels eines elastischen Klebestreifens. Die freitragende Metallkonstruktion (U-Profile aus nicht magnetischem Weißblech) wird mit einer speziellen Gipskartonplatte für erhöhte Schallschutzanforderungen beplankt (Schicht 4 in Abb. 1). Auf die Gipskartonplatten werden 40 mm flexible Holzweichfaserplatten (Schicht 5 in Abb. 1) aufgelegt, welche einen längenspezifischen Strömungswiderstand von 9-16 kPa x s/m4 aufweisen. Diese seltsam anmutende Kenngröße dient als Maß für die Minderung der Luftströmung in einem Hohlraum. Je höher der längenspezifische Strömungswiderstand desto besser die Schalldämmeigenschaften. Für eine derartige Konstruktion werden 5-20 kPa x s/m4 bei einem Füllgrad von ≥ 60 % des Hohlraumes empfohlen. Der ideale Füllgrad wurde in diesem Fall aufgrund der maximal zulässigen Flächenlast der Konstruktion nicht realisiert. Desweiteren sollten die Kosten der Konstruktion nicht zu hoch liegen. Die hier vorgestellte Lösung lässt sich mit Materialkosten von etwa 12 €/m² für die Schallschutzdecke (ohne Grundierung und Farbe) und etwa 6,70 €/m² für die flexible Holzweichfaserplatte realisieren. 68 Ein voller Erfolg Das Empfinden der Mieter wie auch der Vermieter wurde aber nach der Sanierung anhand der Klassifizierung gemäß VDI 4100 unabhängig voneinander abgefragt. Beide Familien bescheinigen der hier vorgestellten Lösung die Eigenschaften der Schallschutzstufe III: Laute Gespräche sind nicht verstehbar und Gehgeräusche werden als nicht störend empfunden. Auch der etwas lauter angeschaute Lieblingsfilm oder die spielenden Kinder (zur Mittagsschlafenszeit) werden nicht als störend empfunden. Andere Schallquellen, deren Schwingungen in Form von Körperschall über Nebenwege übertragen werden, sind nach Einbau der Schallschutzdecken tatsächlich deutlicher wahrnehmbar. Aber auch hier wird immer noch die Schallschutzstufe III erreicht: Mit der beschriebenen Schallschutzdecke lässt sich auf baubiologischem Weg ein erhöhtes Schallschutzniveau im Altbau erreichen. Ein wesentliches Element ist eine flexible Holzfaserdämmplatte, auf Schallschutz-Gipskartonplatten aufgelegt. Die Materialkosten liegen unterhalb 20€/m². Je nach baulichen Gegebenheiten kann die Montage durchaus schwierig sein, ist aber in der Regel gut und auch in angemessenem Zeitrahmen zu bewerkstelligen. Eine aufwändige Sanierung der alten Decken (Risse, geringe Festigkeiten usw.) oder eine Erhöhung des Fußbodenniveaus durch eine FußbodenTrittschalldämmung entfällt. Ebenfalls von Vorteil ist die schnelle und ohne Schlitzarbeiten im Deckenbereich durchführbare Erneuerung der Elektroinstallation. Analog dazu besteht auch die Möglichkeit, je nach baulichen Gegebenheiten, eine zu erneuernde Heizungsinstallation über die Decke zu führen. Da es sich bei der Unterkonstruktion um nicht magnetisches Blech handelt, tritt keine Verzerrung des natürlichen Erdmagnetfeldes ein. Alles in allem eine praktikable Lösung mit gutem Kosten-NutzenVerhältnis und mit dem Ergebnis eines erhöhten Schallschutzniveaus (Schallschutzstufe III) im Altbau – Kinder erwünscht! Dipl.-Ing. (FH) Michael Thiesen Baubiologische Beratungsstelle IBN 56203 Höhr-Grenzhausen Tel. 02624/917007 www.Baubiologie-Thiesen.de Autorenvorstellung s. W+G 125 Wohnung + Gesundheit 6/08 - Nr. 127
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