Jung sein ist wirklich nicht leicht

schwerpunkt: jugend › change › 4/2010
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i nte rvi e w
„Jung sein ist
wirklich nicht leicht“
Gibt es eine Zwei-Klassen-Jugend? Warum tut das
Erwachsenwerden nur so weh? Und was wollen
Jugendliche mit ihrem Verhalten eigentlich sagen? –
Antworten gab uns Detlef D! Soost
interview: Tanja Breukelchen ][
E
r sitzt in der Jury der Casting-Show
„Popstars“. Er moderiert. Er arbeitet
seit zehn Jahren als Tänzer und Choreograf. Er coacht junge Menschen auf dem
Weg zum Erwachsenwerden. Detlef Soost
(40) ist ein Jugendversteher – weil er auch
als Erwachsener nicht vergessen hat, wie
sich Jungsein anfühlt: voller großer Träume, Ängste und Fragen, die einem irgendwie kein Erwachsener beantworten kann…
werden sie von den Eltern, den Erwachsenen,
schon losgelassen und bekommen nicht mehr
diese Behütung und Liebe wie ein Kind. Und
trotzdem müssen sie sich bestimmten Regeln
und Vormundschaften unterwerfen – denn
schließlich sind sie nicht erwachsen…
Verletzlicher als in dieser Phase werden sie
nie wieder sein.
Wir reden immer über Selbstbewusstsein
„Die Schere geht immer
weiter auseinander –
das sehe ich in der
täglichen Arbeit mit
den Jugendlichen.“
Detlef D! Soost, Tänzer und Choreograf
– also: sich seiner selbst bewusst sein. Und
change: Sie treffen jeden Tag Jugendliche.
gerade die Teens sind sich über sich selbst so
Sie lernen sie kennen, hören ihre Geschich-
gar nicht bewusst. Deshalb überreagieren sie
gagieren. Das mag auf der einen Seite damit
ten. Gibt es sie eigentlich, „die“ Jugend?
häufig, weil sie ja gar nicht wissen, welche
zu tun haben, dass ich nicht alleine sein will,
Detlef D! Soost: Natürlich! Und leicht hat
Reaktion eigentlich richtig wäre.
weil ich als Kind dieses Alleinesein und diese
Familienlosigkeit erlebt habe. Es kann aber
sie es nicht. Denn Jugendliche haben nicht
den Bonus der Kinder oder die Erfahrungen
Wie reagieren die Jugendlichen dann?
auch damit zu tun haben, dass ich auch dar-
der Erwachsenen, sich Sympathien schaffen
Extrem emotional. Oder besonders aggres-
an gewöhnt war, immer mit vielen Menschen
zu können.
siv. Manche versuchen auch, besonders cool
zusammen zu sein und sich da eher die posi-
zu sein, weil sie Angst haben, nicht mit dem
tiven Aspekte manifestiert haben.
Strom zu schwimmen.
Erwachsene sind schon in der Situation,
Heute haben Sie eigene Kinder. Wie wichtig
genau zu wissen, was sie wollen. Und sie
Aber was können Erwachsene dann tun?
ist Familie für ein Kind oder einen Jugend-
wissen auch genau, was sie sind – nämlich
Ihnen auf Augenhöhe begegnen – immer vor
lichen? Reicht nicht auch irgendeine Bezugs-
erwachsen. Kinder haben noch den Niedlich-
dem Hintergrund, dass auch Erwachsene sich
person, wie Sie es im Heim erlebt haben?
keits-Bonus. Die Einzigen, die sich so fühlen,
Regeln zu unterwerfen haben.
Es müssen die Eltern sein! Die Eltern sind die
Eltern – und die sind durch nichts zu erset-
als wenn sie nicht Fisch und nicht Fleisch wären, sind die Jugendlichen. Und da muss ich
Jugendliche sind viel leichter zu verletzen
zen. Ja, ich habe drei Kinder. Meine beiden
einfach auch mal eine Lanze für die Jugend-
als vorher und nachher im Leben. Sie wuch-
ersten Kinder leben bei ihrer Mutter, von der
lichen brechen, zum Beispiel wenn es um ihr
sen in einem Kinderheim auf…
ich getrennt bin. Ich verbringe aber viel Zeit
Verhalten den Eltern gegenüber geht…
…das ist richtig…
mit ihnen und sie sind oft bei mir. Erst mein
…also wenn die typischen Probleme in der
…und auch das war sicherlich eine sehr prä-
Pubertät kommen?
gende Zeit?
Genau. Da wissen die Jugendlichen einfach
Ich glaube, dass mich das insofern geprägt
Sie sind damals vom Heim in eine Pflegefami-
gar nicht, was los ist. Was da gerade mit ihnen
hat, als dass ich heute sehr daran interessiert
lie gekommen. Offenbar eine Familie, die Sie
passiert. Sie durchleben gerade die wichtigste
bin, mit vielen Menschen zu tun zu haben.
sich selbst ausgesucht haben, da es die Eltern
Entwicklungsphase ihres Lebens. Einerseits
Ich möchte mich zusammen mit anderen en-
einer Schulfreundin waren, oder?
drittes Kind wird von meiner jetzigen Partnerin und mir zusammen erzogen.
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Foto: action press, star press, ddp
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