William Shakespeare Ein Sommernachtstraum Deutsch von Jürgen Gosch, Angela Schanelec und Wolfgang Wiens VERLAG DER AUTOREN Originaltitel: A Midsummer Night’s Dream © Verlag der Autoren Frankfurt am Main, 1983/1997/2007 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und andere audiovisuelle Medien, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der Aufführung ist nur zu erwerben von der VERLAG DER AUTOREN GmbH & Co. KG Schleusenstraße 15, 60327 Frankfurt am Main Tel. 069/238574-20, Fax 069/24277644 e-mail: [email protected] www.verlagderautoren.de Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. Dieses Exemplar kann, wenn es nicht als Aufführungsmaterial erworben wird, nur kurzfristig zur Ansicht entliehen werden. Dieser Text gilt bis zum Tage der Uraufführung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urhebergesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich mit ihm öffentlich auseinanderzusetzen. Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte Veröffentlichungen gerichtliche Maßnahmen einleiten zu lassen. Ein Sommernachtstraum PERSONEN: THESEUS HIPPOLYTA PHILOSTRAT EGEUS LYSANDER DEMETRIUS HELENA HERMIA OBERON TITANIA PUCK ELFE SENFSAMEN BOHNENBLÜTE SPINNWEB MOTTE SQUENZ (Prolog) ZETTEL (Pyramus) FLAUT (Thisby) SCHNAUZ (Wand) SCHNOCK (Der Löwe) SCHLUCKER (Mond) 1. Szene Theseus, Hippolyta, Philostrat. THESEUS Nun naht, Hippolyta, die Hochzeitsstunde Mit schnellem Schritt. Vier frohe Tage bringen Den neuen Mond herauf. Doch, o wie langsam Nimmt jener alte ab! Er hält mich hin Wie eine Witwe, die nicht sterben kann Und ihren Sohn aufs Erbe warten lässt. HIPPOLYTA Vier Tage tauchen schnell sich in die Nacht, Vier Nächte träumen schnell hinweg die Zeit; Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen Am Himmel neu gespannt, herunterschauen Auf unsre Festlichkeit. THESEUS Geh, Philostrat, Begeistere die Jugend von Athen. Erweck den flinken, leichten Geist des Spiels. Und schick die Schwermut zu den Leichenzügen. Die bleiche Dame hat hier nichts zu suchen. Philostrat ab. Geliebte, mit dem Schwert umwarb ich dich, Gewann dein Herz, als ich dir Wunden schlug. Doch freien will ich dich auf andre Art. Mit Pomp, mit Jubel, und mit Lustbarkeiten. Egeus, Hermia, Lysander und Demetrius treten auf. EGEUS Sei glücklich, Theseus, glorreicher Fürst. THESEUS Danke, Egeus. Was willst du? EGEUS Es ist sehr ärgerlich, denn ich bin hier, Um meine Tochter Hermia anzuklagen. Tritt vor, Demetrius. Mein Fürst, Dem Mann da hab ich sie zur Frau versprochen. Tritt vor, Lysander. Und, mein Fürst, Der Mann hat meines Kindes Herz verhext. 5 Du, du Lysander, du hast Liebespfänder Mit ihr getauscht, ihr Verse zugesteckt. Du sangst im Mondlicht unter ihrem Fenster, Mit falscher Stimme falsche Liebeslieder. Hast Bänder ihr aus deinem Haar geflochten, Und dich in ihre Phantasie geschlichen Mit Krimskrams, Süßigkeiten: Liebesboten Die junge Mädchen schnell gefügig machen, Voll Arglist hast du mir ihr Herz geraubt, Hast den Gehorsam, den das Kind mir schuldet In starren Trotz verwandelt. Und, mein Fürst, Ist sie vor dir und zwar sofort, nicht willig, Hier dem Demetrius ihr Wort zu geben, Erbitte ich das alte Recht Athens: Da sie mein Kind ist, hab ich zu bestimmen, Und ich bestimme sie jetzt diesem Mann, Wenn nicht, dann ihrem Tod, der im Gesetz So vorgesehen ist für diesen Fall. THESEUS Und was sagst du dazu? Pass auf, mein Kind, Der Vater sollte wie ein Gott dir sein. Ein Gott, der deine Schönheit schuf, ja einer, Dem du nichts bist als eine Form aus Wachs. Von ihm geprägt, steht es in seiner Macht, Die Form zu lassen oder zu zerstören. Demetrius ist doch ein feiner Mann. HERMIA Lysander auch. THESEUS Für sich gesehen schon. Doch hier, wo ihm des Vaters Stimme fehlt, Muss man dem Anderen den Vorzug geben. HERMIA Was sieht mein Vater nicht mit meinen Augen? THESEUS Vielmehr musst du mit seinem Blick entscheiden. HERMIA Ich bitte dich, mein Fürst, mir zu verzeihen. Ich weiß nicht, welche Kraft mich mutig macht, Ich weiß auch nicht, ob ich mich schämen sollte, In solcher Gegenwart von mir zu sprechen, 6 Doch flehe ich dich an, mir zu erklären, Was mich am allerschlimmsten treffen kann, Wenn ich mich dem Demetrius verweigre. THESEUS Entweder deinen Tod zu sterben, oder Für alle Zeit auf Männer zu verzichten. Deshalb befrage, Hermia, dein Begehren, Bedenke deine Jugend, prüf dein Blut, Ob du, wenn du dich nicht dem Vater beugst, Die Tracht der Nonne zu ertragen weißt, Im Schatten eines Klosters eingesperrt, Als unfruchtbare Schwester hinzuleben, Mit mattem Singsang an den kalten Mond. Gesegnet die, die so ihr Blut beherrschen Und ihre keusche Pilgerschaft bestehen. Doch glücklicher ist die gepflückte Rose, Die nicht am unberührten Strauch verwelkt, Und wächst und lebt und stirbt in Einsamkeit. HERMIA So will ich wachsen, leben und so sterben, Eh ich das Recht auf meine Jungfernschaft Dem lasse, unter dessen Joch zu stehen, Sich meine Seele immer weigern wird. THESEUS Denk nach und nimm dir Zeit; beim nächsten Mond, Dem Tag, der zwischen mir und meiner Liebsten Den Bund für alle Zeit beschließen wird, An diesem Tag hast du bereit zu sein, Zu sterben, oder wie dein Vater will, Demetrius zu deinem Mann zu nehmen. Wenn nicht, so schwöre am Altar Dianas In strenger Keuschheit und allein zu leben. DEMETRIUS Komm Hermia, gib auf; du spinnst, Lysander, Ich bin im Recht, das weißt du ganz genau. LYSANDER Demetrius, da dich ihr Vater liebt, Nimm du doch ihn und überlass’ sie mir. EGEUS Sehr witzig, du. Stimmt, meine Liebe hat er. Und die wird ihm, was mein ist, auch verschaffen. 7 Und sie ist mein und all mein Recht an ihr Ich überlasse es Demetrius. LYSANDER Mein Herr, ich bin von gleichem Stand wie er, So reich wie er; das Ausmaß meiner Liebe Ist größer. Was Besitz und Geld betrifft: Er hat mir nichts voraus, im Gegenteil. Doch lassen wir die Wichtigtuerei: Ich bin es, den sie liebt, die schöne Hermia. Und sollte nicht auf meinem Recht bestehn? Demetrius, ich sags ihm ins Gesicht, Verführte Nedars Tochter Helena. Erfolgreich. Und das arme Kind, es schwärmt, Schwärmt abgöttisch und hingegeben, schwärmt Für diesen flatterhaften, falschen Mann. THESEUS Ich muss gestehn, das hab ich auch gehört, Und wollte schon mit ihm darüber sprechen. Da ich beschäftigt war mit eignen Dingen, Entfiel es mir. Doch komm, Demetrius; Und komm, Egeus; ich hab mit euch zu reden; Du, Hermia, sieh zu, dass deine Launen Sich schleunigst deines Vaters Willen beugen. Sonst übergibt dich das Gesetz Athens, Das wir in keinem Falle mildern können, Dem Tode oder der Enthaltsamkeit. Komm mit, Hippolyta; wie fühlst du dich? Demetrius und Egeus, was ist los? EGEUS Wir kommen schon. Es ist uns ein Vergnügen. Alle ab bis auf Lysander und Hermia. LYSANDER Was ist mit dir? Warum bist du so blass? So schnell verblühn die Rosen deiner Wangen? HERMIA Sie brauchen Regen, und es wäre leicht, Sie aus umwölkten Augen zu beweinen. LYSANDER Weh mir! Nach allem, was ich lesen konnte, Und was erzählt wird, was dir jeder sagt, 8 Der Fluss der wahren Liebe floss nie sanft; Mal war es die Verschiedenheit des Bluts… HERMIA O Kreuz! Zu hoch, der Schlichtheit zu erliegen. LYSANDER Mal wars ein Fehler hinsichtlich der Jahre. HERMIA O Spott! Zu alt für eine junge Liebe! LYSANDER Mal war es fremder Einfluss, der entschied. HERMIA O Hölle! Lieben, was man gar nicht wollte. LYSANDER Und war es eine Wahl in Harmonie, Dann griffen Krieg, Tod oder Krankheit ein, Und es verging die Liebe wie ein Ruf, Rasch wie ein Schatten, wie ein kurzer Traum, Jäh, wie ein Blitz in rabenschwarzer Nacht Voll Wut auf Himmel und auf Erde zeigt, Und eh ein Mensch noch sagen kann ‚Da sieh!’ Verschlingt ihn schon der Schlund der Finsternis. So schnell sind helle Dinge in Verwirrung. HERMIA Dass wahre Liebe immer Leiden ist, Steht also fest wie ein Erlass des Schicksals. Lass uns Geduld aus dieser Prüfung lernen, Weil unser Leid ein allgemeines ist, Mit Liebe eins wie Träume, Wünsche, Seufzer, Und Tränen, die der armen Neigung folgen. LYSANDER Sehr gut gesagt. Dann höre Hermia: Ich habe eine Tante, sie ist Witwe, Steinreich, mit großem Erbe, ohne Kind – Ihr Haus liegt sieben Meilen von Athen – Und sie betrachtet mich wie ihren Sohn. Dort, Hermia, soll unsre Hochzeit sein; An diesen Ort kann das Gesetz Athens Uns nicht verfolgen. Komm, wenn du mich liebst, Schleich morgen Nacht aus deines Vaters Haus, Und eine Meile vor der Stadt, im Wald, Wo ich dich damals traf mit Helena, 9 An diesem einen Maienmorgen, weißt du, Dort will ich auf dich warten. HERMIA Mein Lysander! Ich schwöre dir bei Amors stärkstem Bogen, Bei seinem besten Pfeil mit goldner Spitze, Den reinen Tauben überm Venusfest, Bei dem, was Liebende sich finden lässt, Der Königin Karthagos, die verbrannte, Als sich der falsche Trojer von ihr wandte, Den Schwüren, die die Männer je gebrochen, Und das sind mehr, als Frauen je gesprochen, An jener Stelle, die wir ausgemacht, Treff ich dich morgen gegen Mitternacht. LYSANDER Dann wart ich da. Schau, da kommt Helena. HERMIA He, schöne Helena. Wo gehst du hin? HELENA Du nennst mich schön, ich weiß, dass ichs nicht bin. Demetrius liebt dich, glückliche Schöne. Dein Auge ist sein Leitstern und die Töne Aus deinem Mund sind süßer als der Chor Der Himmelslerchen in des Hirten Ohr. Wär Schönheit Krankheit, sucht ich deine Nähe, Und steckt mich bei dir an, bevor ich gehe. Mein Auge wär wie deins, die Zunge lieh Von deiner sich die süße Melodie. Wär mein die Welt, Demetrius nur nicht, Ich gäb sie her, hätt ich nur dein Gesicht. Zeig mir die Kunst, durch die es dir gelang, Dass es ihm so Verstand und Herz bezwang. HERMIA Mein Blick ist bös, er liebt mich trotzdem noch. HELENA Ach hätt mein Lächeln diese Wirkung doch. HERMIA Und meine Flüche ernten Leidenschaft. HELENA Ach hätten meine Seufzer solche Kraft. 10 HERMIA Trotz allergrößtem Hass verfolgt er mich. HELENA Trotz allergrößter Liebe hasst er mich. HERMIA Sein Wahnsinn ist doch keine Schuld von mir. HELENA Doch deine Schönheit; läg die Schuld bei mir. HERMIA Nur Mut, denn mein Gesicht ist bald hier fort, Ich fliehe mit Lysander diesen Ort. Bevor ich damals auf Lysander stieß, Erschien Athen mir wie ein Paradies. O welche Glut hat dieser Mann entfacht, Dass er den Himmel mir zur Hölle macht. LYSANDER Dir, Helena, enthülln wir unsern Plan. Wenn morgen Nacht der Mond auf seiner Bahn Sein silbernes Gesicht im See beschaut, Mit feuchten Perlen dann das Gras betaut, Wenn Dunkelheit und Schlaf die Flucht verhehlen, Dann werden wir aus dieser Stadt uns stehlen. HERMIA Und in dem Wald, wo du und ich oft lagen, Und jede hört das Herz der andern schlagen, Wir wussten bald schon alles voneinander, Da treffen wir uns, ich und mein Lysander. Wir blicken nie mehr nach Athen zurück Und suchen uns woanders unser Glück. Leb wohl, Gefährtin, bete für uns beide, Und Glück verwandle deinen Schmerz in Freude. Halt Wort Lysander; bald ist damit Schluss, Dass unser Blick nach Liebe hungern muss. LYSANDER Versprochen, Hermia. Hermia ab Helen, ich muss fliehn. Vernarrt sei er in dich, wie du in ihn. Lysander ab 11 HELENA Die einen haben Glück, die andern nie! Für ganz Athen bin ich so schön wie sie. Was hilfts, solange er nicht glaubt ich seis. Er will nicht wissen, was sonst jeder weiß. Er ist verblendet, wenn er Hermia sieht, So blind wie ich, seit ich an ihn geriet. Was hässlich ist, was niemand je begehrt, Die Liebe gibt ihm plötzlich einen Wert. Die Liebe sieht nur das, was ihr gefällt, Weshalb man Amor immer blind darstellt. Ganz ohne Urteil, achtlos und in Hast, Verschießt er seine Pfeile, wies ihm passt. Deswegen sagt man auch, er sei ein Kind Weil seine Schüsse selten Treffer sind. Und wie auf Kinder, die im Spiel falsch schwören, Darf man auch nicht auf Amors Schwüre hören. Denn eh Demetrius auf Hermia blickte, Bin ichs gewesen, der er Schwüre schickte. Doch als er sich von ihr erhitzen ließ War ich es, die er gnadenlos verstieß. Jetzt geh ich zu ihm, steck ihm Hermias Flucht. Ich weiß, dass er sie dann im Walde sucht. Für den Verrat wird er mich sicher schätzen Und dieser Dank wird mich noch mehr verletzen. Doch seh ich ihn und spür ein wenig Glück Den ganzen Hinweg und den Weg zurück. Ab. 12 2. Szene Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz, Schlucker. SQUENZ Ist unsere ganze Truppe da? ZETTEL Am besten, du rufst alle zusammen auf, Mann für Mann, wie es auf deinem Zettel steht. SQUENZ Hier ist die Tabelle mit den Namen von jedem Mann, der für fähig gehalten wird von ganz Athen, in unserem kleinen Zwischenspiel mitzuspielen vor dem Herzog und der Herzogin, an seinem Hochzeitstag nachts. ZETTEL Erst, lieber Peter Squenz, sag, wovon das Stück handelt, dann lies die Namen der Schauspieler vor; und dann ist gut. SQUENZ Verflucht noch mal, unser Stück ist ‚Die höchst beklagenswerte Komödie und höchst grausamer Tod von Pyramus und Thisby.’ ZETTEL Ein sehr gutes Stück Arbeit, mein lieber Mann, und lustig. Jetzt, lieber Peter Squenz, ruf deine Schauspieler auf, nach der Tabelle. Meisters, breitet euch aus. SQUENZ Antwortet, wie ich euch aufrufe. Klaus Zettel, der Weber. ZETTEL Hier. Sag mir die Rolle und dann weiter. SQUENZ Du, Klaus Zettel, bist hier als Pyramus aufgeführt. ZETTEL Was ist Pyramus? Ein Liebhaber oder ein Tyrann? SQUENZ Ein Liebhaber, der sich äußerst tapfer selber umbringt, aus Liebe. ZETTEL Das wird einige Tränen kosten bei entsprechender Darstellung. Wenn ich es mache, muss das Publikum auf seine Augen achten. Ich werde Stürme auslösen. Ich werde gewissermaßen kondolieren. Jetzt die Andern – aber meine eigentliche Veranlagung ist der Tyrann. Ich könnte den Herrn Kules einmalig spielen, oder eine Rolle, wo ich richtig die Sau raus lassen kann und es kracht. 13 Der Felsen ruckt Die Erde zuckt Der Schlund verschluckt Des Kerkers Tor. Und Phibbus’ Karrn, Kommt angefahrn Und macht erstarrn Der Parzen Chor. In der Richtung. Jetzt den Rest der Schauspieler. Das war der Stil von Herrn Kules, Tyrannenstil, ein Liebhaber ist mehr kondolierend. SQUENZ Franz Flaut, der Blasebalgflicker. FLAUT Hier, Peter Squenz. SQUENZ Flaut, du musst Thisby übernehmen. FLAUT Was ist Thisby? Ein fahrender Ritter? SQUENZ Es ist das Fräulein, das Pyramus lieben muss. FLAUT Nein, bitte, lass mich keine Frau spielen. Ich kriege schon einen Bart. SQUENZ Das ist egal: du spielst es mit Maske, und du sprichst es so hoch, wie du kannst. ZETTEL Wenn ich mein Gesicht verstecken darf, lass mich auch die Thisby spielen. Ich werde mit einer fürchterlich feinen Stimme sprechen. ‚Thösne, Thösne!’ – ‚Ah! Pyramus, mein Liebster mein, Die Thisby dein und Fräulein fein.’ SQUENZ Nein, nein, du musst den Pyramus spielen, und du Flaut, Thisby. ZETTEL Gut, dann weiter. SQUENZ Robert Schlucker, der Schneider? SCHLUCKER Hier, Peter Squenz. 14 SQUENZ Robert Schlucker, du spielst Thisbes Mutter. Thomas Schnauz, der Kesselflicker? SCHNAUZ Hier, Peter Squenz. SQUENZ Du Pyramus Vater; ich selbst Thisbes Vater. Schnock, der Schreiner, du die Löwenrolle. Und damit, hoff' ich, ist das Stück gelaufen. SCHNOCK Hast du die Löwenrolle rausgeschrieben? Bitte, wenn ja, gib sie mir, ich lerne so langsam. SQUENZ Du kannst sie ex tempore machen, es ist nur Brüllen. ZETTEL Lass mich den Löwen auch noch spielen. Ich werde brüllen, dass alle Herzen höher schlagen, wenn sie mich hören. Ich werde brüllen, dass der Herzog sagen wird: ‚Lasst ihn noch mal brüllen, lasst ihn noch mal brüllen.’ SQUENZ Und wenn du es zu fürchterlich machst, erschreckst du vielleicht die Herzogin und die Damen, sie würden kreischen, und das würde reichen, uns alle an den Galgen zu bringen. ALLE Wir könnten uns aufhängen, einer wie der andere. ZETTEL Klar, wenn die Damen vor Schreck ihren Verstand verlieren, dann wird ihnen nichts anderes mehr einfallen, und sie hängen uns auf. Aber ich werde meine Stimme so exaltieren, dass ich brüllen werde so sanft wie ein saugendes Täubchen, ich werde euch brüllen, als wärs eine Nachtigall. SQUENZ Du kannst keine andere Rolle spielen als den Pyramus, denn Pyramus ist ein schöner Mann; ein eleganter Mann, wie man ihn nur sonntags sieht; ein äußerst feiner, kavaliersmäßiger Mann, deswegen musst du ihn spielen. ZETTEL Gut, dann übernehm ich ihn. In was für einem Bart würde ich wohl am besten geben? SQUENZ Wie du willst. ZETTEL Entweder geb ich ihn in dem strohfarbenen, oder in dem orange bräunlichen, oder in dem purpurroten Bart, oder in dem französischen. 15 SQUENZ Wenn du es auf Französisch machst, dann gehen dir die Haare aus, und du kannst es ganz ohne Bart spielen. Aber, Meisters, hier sind eure Rollen; und ich muss euch bitten, ermahnen und dringend ersuchen, sie bis morgen Nacht auswendig zu lernen; wir treffen uns im Wald, eine Meile vor der Stadt, bei Mondschein; dort wollen wir proben, denn wenn wir uns in der Stadt treffen, werden wir beobachtet, und die Sache fliegt auf. Ich werde inzwischen eine Requisitenliste anlegen. Ich flehe euch an, lasst mich nicht hängen. ZETTEL Wir werden kommen. Da können wir ganz intim und ungeniert dramatisieren. Gebt euch Mühe, seid perfekt. Adieu. SQUENZ Unter der Herzogseiche treffen wir uns. ZETTEL Ja, ja! – Also: Hals- und Beinbruch. Alle ab. 3.Szene Puck, Elfe PUCK He Geist! Wo geht die Reise hin? ELFE Über Täler und Höh’n Und durch Eis und durch Glut, Über Steppen und Seen Und durch Feuer und Flut, Wandere ich überall, Schneller als des Mondes Ball; Ich dien’ der Elfenkönigin, Und muss im Gras ihr Kreise ziehn. Hohe Primeln sind die Recken, Sieh, die Kleider haben Flecken, Aus Rubinen. Feengaben, Die nur Düfte in sich haben. Ich muss jetzt Tau vom Grase pflücken, Und jeder Primel Ohr mit Perlen schmücken. Leb wohl, du Klops von Geist, denn ich muss gehn, Gleich kommt die Königin mit ihren Feen. 16 PUCK Der König will sein Wesen heut hier treiben, Beschwör die Königin, entfernt zu bleiben. Denn Oberon ist außer sich vor Wut: Ein schöner Knabe ist in ihrer Hut, In Indien dem Könige gestohlen. Sie ließ sich keinen süß’ren Bastard holen. Voll Eifersucht will Oberon den Knaben Für seinen Streifzug durch die Wälder haben; Doch mit Gewalt hält sie das Kind zurück, Krönt es mit Blumen, nennt es all ihr Glück. Und treffen sie sich jetzt in grünem Hain, An klarer Quelle und im Sternenschein, Dann zanken sie, dass jeder Elf erschreckt In eine Eichel kriecht und sich versteckt. ELFE Wenn ich nicht ganz mich irr', bist du der Geist, Der bös’ und zänkisch, ‚Puck’ bei allen heißt. Bist du nicht der, der Mädchen grausam neckt, Und von der Milch den fetten Rahm abschleckt, Dem Brauer seine Hefe oft vergällt, So dass ihm dann das Bier zusammenfällt, Der nachts den Wandrer in die Irre führt, Und sich darüber auch noch amüsiert? Doch nennt dich einer Hobgoblin und Puck, Dann wünschst du ihm viel Glück und lässt den Spuk. Bist du nicht der? PUCK Du hast’s erraten. Ich schwärm nachts aus zu solchen lustigen Taten. Ich machs für Oberon, damit er lacht, Hab einen fetten Gaul verrückt gemacht, Indem ich wieherte wie eine Stute. Ins trübe Glas von einer dummen Pute, Leg ich als Apfel mich und will sie nippen, Dann springe ich mit Schwung ihr an die Lippen, So dass das Bier auf ihre Wampe spritzt. Die alte Kuh, die schwadroniert und schwitzt, Nimmt mich als Hocker, ächzend sinkt sie nieder, Ich rutsch ihr weg, sie bricht sich fast die Glieder, Schreit jaulend auf und muss gleich schrecklich husten, Die ganze Sippe fängt an, loszuprusten, Hält sich den Bauch vor Lachen, niest und schwört, Der Spaß hier, der sei wirklich unerhört. Mach Platz, du Elfchen. Hier kommt Oberon. 17 ELFE Und meine Herrin auch. Wär er davon! Oberon und Titania treten auf, mit Gefolge OBERON Ein übles Treffen unterm Mond, Titania. TITANIA Ach Oberon! Vor Eifersucht ganz gelb; Ihr Elfen, weg! Wie ist er mir zuwider! OBERON So schnell, du Flittchen? Bin ich nicht dein Mann? TITANIA Dann muss ich wohl dein Weib sein; doch ich weiß Wie du dich aus dem Feenland geschlichen, Und tagelang in Corydons Gestalt Geflötet hast und Liebeslieder reimtest Für Phillida. Weswegen bist du hier, Kommst du zurück aus Indiens letztem Winkel? Doch nur, weil deine pralle Amazone, Die Kriegsbraut, die gestiefelte Geliebte, Mit Theseus sich vermählt. Kommst du jetzt her, Um ihrem Bett Erfolg und Glück zu geben? OBERON Wie kannst du ohne Scham, Titania, Hippolytas und meinen Ruf beschmutzen, Wohl wissend, dass ich weiß, du liebst den Theseus. Ihn führtest du im Schimmer einer Nacht Von Perigenia weg, die er geschändet. Die schöne Ägle musste er betrügen, Und Ariadne und Antiopa. TITANIA Das sind die Lügen deiner Eifersucht; Wie immer, seit es heißer Sommer ist, Und wir im Wald, auf Wiesen uns begegnen, An Kieselquellen, Bächen voller Schilf, Am sandiggelben Saum des Ozeans, Wenn Wind Musik für unsre Reigen pfeift, Verdirbt uns dein Gezänk den ganzen Spaß. Kein Wunder, dass der Wind, des Pfeifens müde, Aus Rache Nebel aus den Meeren sog, Verseuchten Nebel; der fiel ein ins Land, Und machte jeden kleinen Fluss so stolz, 18 Dass er sein Festland überwältigte. Deswegen hat der Ochse sich umsonst Ins Joch gespannt, der Pflüger Schweiß vergossen, Jung faulte grünes Korn, noch ohne Bart; Der Pferch steht leer in dem ertränkten Feld, Und Krähen werden fett an siechen Herden. Die Kegelbahn liegt unter Schlamm begraben, In wilden Gärten sind die Labyrinthe Nicht mehr zu sehn, weil keiner mehr dort geht. Den Menschen fehlt das Glück des Winters Die Nacht ist ohne Jubel und Gesang; Deswegen hat der Mond, der Herr der Fluten, Vor Ärger bleich, die ganze Luft gewaschen, Und fieberhaftes Leiden quält das Land. In diesem Sturz des Wetters wandeln sich Die Jahreszeiten; Frost, das Haupt schon silbern, Ruht sanft im zarten Schoß der roten Rose Und auf des Winters eisig-kahlem Schädel Sitzt, wie zum Spott, ein duftendes Geflecht Von süßen Sommerblüten. Frühling, Sommer, Der reiche Herbst, der strenge Winter tauschen Ihr Kleid und die verwirrte Welt erkennt An ihren Früchten nicht mehr, wer wer ist. Und diese ganze Brut von Übeln kommt Von unserm Streit, von unserer Entzweiung. Von allem sind wir Eltern und der Ursprung. OBERON Dann hilf dem ab; es liegt doch nur an dir. Was trotzt Titania ihrem Oberon? Ich will doch nur den kleinen Wechselbalg Für mein Gefolge. TITANIA Reg dich wieder ab. Fürs Feenland tausch ich dies Kind nicht ein. Die Mutter war mir Freundin und Gefährtin; Und nachts, in Indiens gewürzter Luft, Hat sie mir vieles im Vertrauen erzählt; Und saß mit mir auf Neptuns gelbem Sand, Wenn mit der Flut die Handelsschiffe kamen: Wie lachten wir, wenn sich die Segel blähten, Gleich Bäuchen, die der Wind geschwängert hat; Sie folgte ihnen, schwebend fast und sanft, 19 Im Leib schon meinen kleinen Edelknaben, Und tat, als segelte sie über Land, Um mich bei der ersehnten Wiederkehr Mit kleinen Kostbarkeiten zu beglücken. Doch sterblich, ließ sie für ihr Kind das Leben. Und ihretwegen ist dies Kind bei mir. Und ihretwegen wird es bei mir bleiben. OBERON Wie lange willst du hier im Wald sein, sag? TITANIA Vielleicht bis nach des Theseus’ Hochzeitstag. Willst du geduldig unsern Reigen tanzen, Und unser Mondfest sehen, folge uns; Sonst meide mich, und ich verschone dich. OBERON Gib mir den Knaben und ich komme mit. TITANIA Nicht für dein Feenreich. Ihr Elfen, fort. Es gibt nur Streit, bleib ich an diesem Ort. Titania mit ihrem Gefolge ab. OBERON Ja, geh; du kommst nicht raus aus diesem Wald Eh' ich dich für die Kränkung quälen konnte. Mein lieber Puck, komm her. Erinnre dich, Einst saß ich hoch auf einer Felsenklippe, Und ein Delphin trug eine Meerjungfrau, Die sang so süß, in solcher Harmonie, Dass von dem Lied die raue See sich legte, Und Sterne toll aus ihren Bahnen schossen, Um die Musik zu hören. PUCK Ja, ich weiß. OBERON In der Sekunde flog, du sahst es nicht, Mit Pfeil und Bogen, zwischen Mond und Erde, Cupido und er zielte sehr genau Auf eine keusche Priesterin im Westen. Er ließ den Liebespfeil so kraftvoll schnellen, Als sollt’ er hunderttausend Herzen treffen. Doch sah ich auch das feurige Geschoss Im keuschen Strahl des feuchten Monds erlöschen. 20 Die jungfräuliche Priesterin ging weiter, In sich versunken, frei von Leidenschaft. Ich weiß, wo Amors Bolzen niederfiel. Er fiel auf eine kleine, weiße Blume. Die Liebeswunde färbte sie blutrot, So dass die Mädchen sie ‚Vielliebchen’ nennen. Bring sie mir her, ich hab sie dir gezeigt. Ihr Saft, im Schlaf aufs Augenlid geträufelt Lässt Mann und Frau verrückt vor Liebe werden Aufs nächste Lebewesen, das sie sehn. Hol mir das Kraut und sei zurück, noch eh Der Leviathan eine Meile schwimmt. PUCK Für einen Gürtel um die Erde brauch ich Vierzig Minuten. OBERON Hab ich erst den Saft, Dann wird ich warten, bis Titania schläft, Und ihr das Mittel in die Augen träufeln. Das Ding, worauf sie sieht, wenn sie erwacht Sei es ein Löwe, Bär, Wolf oder Stier, Gemeiner Affe, frecher Pavian, Sie soll ihm folgen im Gefühl der Liebe. Und eh ich sie von diesem Wahn erlöse, Was ich mit einem andern Kraut vermag, Muss sie mir ihren Knaben überlassen. Doch wer erscheint hier? Ich bin unsichtbar; Und ich hör zu, was sie zu reden haben. Auftritt Demetrius und Helena. DEMETRIUS Ich lieb dich nicht, darum verfolg mich nicht. Wo ist Lysander und die schöne Hermia? Ihn bring ich um, und sie ermordet mich. Du hast gesagt, sie sein in diesem Wald, Und hier bin ich, und wild in dieser Wildnis, Denn ich kann meine Hermia nicht finden. Los, scher dich weg und folge mir nicht mehr. HELENA Du ziehst mich an, hartherziger Magnet, Und doch ziehst Du kein Eisen an, mein Herz Ist rein wie Stahl. Hör auf, mich anzuziehn. Dann höre ich auch auf, dich zu verfolgen. 21 DEMETRIUS Ich zieh dich an? Bin ich denn nett zu dir? Sag ich dir nicht die Wahrheit ins Gesicht: Ich lieb dich nicht und kann dich auch nicht lieben. HELENA Und eben darum lieb ich dich noch mehr. Ich bin dein Hündchen; und, Demetrius, Wenn du mich schlägst, kriech ich nur mehr vor dir. Sei wie zu deinem Hund, verjag mich, schlag mich, Vergiss mich, tritt mich, nur erlaube mir, Unwürdig, wie ich bin, dir nachzulaufen. Gibts einen schlechtren Platz in deiner Liebe, Der doch für mich der allerhöchste wär, Als dass du mich wie deinen Hund behandelst? DEMETRIUS Reiz nicht zu sehr den Ekel meiner Seele. Mir wird schon übel, wenn ich dich nur sehe. HELENA Und mir wird übel, sehe ich dich nicht. DEMETRIUS Du bringst dich zu sehr in Verruf als Frau, Wenn du die Stadt verlässt und in die Hände Von einem dich begibst, der dich nicht liebt; Wenn du den Lockungen der dunklen Nacht Und der Versuchung eines wüsten Orts Das Kleinod deiner Unschuld anvertraust. HELENA Mein Schutz ist deine Tugend, außerdem: Es ist nicht Nacht, seh ich nur dein Gesicht, Deswegen ist es hier für mich nicht dunkel; Auch fehlts in diesem Wald nicht an Gesellschaft, Denn du bist ja für mich die ganze Welt. Wie kann man sagen, ich sei hier allein, Ist’s doch die ganze Welt, die mich hier sieht. DEMETRIUS Ich renne weg, versteck mich im Gestrüpp, Und überlasse dich den wilden Tieren. HELENA Das Wildeste hat nicht ein Herz wie du. Lauf, wenn du willst; die Fabel kehrt sich um: Apollo flieht, und Daphne setzt ihm nach. 22 Die Taube jagt den Greif; die sanfte Hirschkuh Verfolgt den Tiger – aussichtslose Hast, Wenn Feigheit stürmt und Tapferkeit entflieht. DEMETRIUS Ich will das nicht mehr hören; lass mich gehn; Und wenn Du weiterhin mir folgst, glaub bloß nicht, Dass ich dir hier im Wald nichts antun werde. HELENA Ob Kirche oder Stadt, ob auf dem Feld, Du tust mir überall was an. Verflucht! Ich finde, du beleidigst mein Geschlecht. Um Liebe kämpfen ist des Mannes Pflicht; Er sollte werben, denn wir könnens nicht. Demetrius ab. HELENA Ich folge dir voll Lust in mein Verderben. Der Himmel ist's, von deiner Hand zu sterben. Helena ab. OBERON Lauf, Nymphe. Eh er diesem Wald entgeht, Wirst du es sein, die flieht und er, der fleht. Auftritt Puck Hast du das Kraut? Willkommen, Wanderer. PUCK Hier ist es. OBERON Gib es mir, ich bitte dich. An jenem Hang, wo wilder Thymian blüht. Wo man die Primeln und das Veilchen sieht. Ganz überdacht von süßen Heckenrosen, Von Rosmarin und zarten Herbstzeitlosen, Dort schläft Titania manchmal in der Nacht, Von Tanz und schweren Düften müd gemacht; Und dort verliert die Schlange ihre Haut, Lässt sie als Kleid für eine Elfenbraut; Der Saft hiervon soll ihr die Augen netzen, Und sie in einen wüsten Wahn versetzen. Nimm auch davon, durchsuche das Revier, Ein Mädchen aus Athen verfolgte hier 23 Den Jungen, der sie schmäht. Beträufle ihn, Doch tu es, wenn er die Athenerin Als nächstes sieht. Du findest diesen Mann, Er hat athenische Gewänder an. Tu es mit Sorgfalt, so dass seine Liebe Sich heißer noch erweist als ihre Triebe. Und triff mich vor dem ersten Hahnenschrei. PUCK Hab keine Angst, das mach ich eins zwei drei. Ab. 4. Szene TITANIA Kommt, einen Tanz und noch ein Elfenlied, Dann fort mit euch, für ein Minutendrittel. Sollt Raupen töten in den Rosenknospen; Den Fledermäusen ihre Flügel stehlen, Um kleine Mäntel draus zu nähn. Verscheucht Den lauten Kauz, der kreischt und nichts versteht Von zartem Zauber. Singt mich jetzt in Schlaf; Dann folgt meinem Befehl und lasst mich ruhn. Die Elfen singen. 1. ELFE Gefleckte Schlagen, zweigezüngt, Igel, Molch, egal wohin, Kröten, Lurche, weg hier, springt, Flieht den Ort der Königin. CHOR Nachtigall, mit leisem Klang, Sing in unserm Nachtgesang. Eiapopeia, eiapopeia, eiapopeia. Und kein Fluch, Kein böser Spruch, Nichts komm unsrer Herrin nah. Gute Nacht, schlaf wunderbar. 2. ELFE Schwarze Spinne, weg von hier Weg! Auf langen Beinen, weg! 24 Fetter Käfer, fort mit dir. Kröten, meidet diesen Fleck. CHOR Nachtigall, mit leisem Klang, Sing in unserm Nachtgesang. Eiapopeia, eiapopeia, eiapopeia. Und kein Fluch, Kein böser Spruch, Nichts komm unsrer Herrin nah. Gute Nacht, schlaf wunderbar. Titania schläft. 1. ELFE Lauft davon! Jetzt ist es gut. Einer bleibe auf der Hut. Elfen ab. Oberon tritt auf. OBERON Was du siehst nach dem Erwachen, Soll dich wild vor Liebe machen, Deine ganze Lust entfachen. Sei es Bär, Luchs, Jaguar, Wildes Schwein mit Borstenhaar, Wird dein Auge es gewahr, Seid ihr gleich ein Liebespaar. Komme dir ein Scheusal nah. Aufritt Lysander und Hermia. LYSANDER Mein Lieb, dich schwächt das Wandern durch den Wald; Und, Hand aufs Herz, ich hab den Weg verpasst. Wenn du es willst, dann machen wir hier halt, Und bleiben, bis der helle Mond verblasst. HERMIA Genau, Lysander. Schlaf du einfach dort, Ich bleibe hier, ich schlafe auch sofort. LYSANDER Ein Rasen sei das Kissen für uns zwei; Ein Herz, ein Bett, zwei Seelen – beide treu. 25 HERMIA Lysander, nein; um meinetwillen, Lieber, Lieg weiter weg; leg dich doch dort hinüber. LYSANDER O Süße, kannst du mich denn nicht begreifen? Aus Liebe muss doch auch Vertrauen reifen. Ich meine, wenn zwei Herzen sich verbinden, So kann man beide doch als eins empfinden. Zwei Seelen, die ein Schwur zu einer macht, Sind bis zum Tod einander zugedacht. Soviel der Treue muss dir doch genügen, Wenn ich hier liege, kann ich gar nicht lügen. HERMIA Lysander kann die Worte hübsch verdrehn. Um Stolz und Anstand wäre ich betrogen Hielt ich Lysanders Liebe für verlogen. Doch teurer Freund, aus Liebe und Respekt, Rück weiter weg, mir ist das zu direkt. Gerad so weit, wie es sich ziemt für hier, Und für das Mädchen und den Kavalier. Das reicht. Die Nacht soll Schlaf dir spenden. Erst mit dem Tod soll deine Liebe enden. LYSANDER Amen, amen, ich weiß um mein Verderben. Am Ende meiner Treue will ich sterben. Hier ist mein Bett. Ich wünsch dir gute Nacht. HERMIA Wünsch ich dir auch. Und sei von Gott bewacht. Auftritt Puck. PUCK Bin die Suche langsam leid, Kein Athener weit und breit, Um am Auge zu probieren Wie die Tropfen stimulieren. Nacht und Schweigen – was ist das? Ein Athener liegt im Gras. Und zwar der, um den es geht. Der sein Mädchen so verschmäht. Ja, hier liegt sie, schläft ganz fest In dem feuchten, dunklen Nest. Hübsches Ding! Sie traut sich nicht 26 Näher ran an diesen Wicht. Kerl, in deine Augen spritzt Was dir Herz und Blut erhitzt: Kannst auf Schlaf bald nicht mehr hoffen, Lust hält dir die Augen offen. Wach nur auf, ich lauf davon, Denn ich muss zu Oberon. Ab. Demetrius und Helena treten auf. HELENA Geliebter, schlag mich tot, nur bleib bei mir. DEMETRIUS Verfolg mich nicht, geh weg, befehl ich dir. HELENA Du lässt mich hier im Dunkeln? Bitte nein. DEMETRIUS Du bleibst, ich warne dich. Ich geh allein. Demetrius ab. HELENA O ich bin atemlos vor törichtem Getu. Ich fleh ihn schamlos an, er hört nicht zu. Wie froh ist Hermia, wo sie auch ist, So reine Augen, die man nicht vergisst. Doch nicht vom Salz der Tränen sind sie klar, Sonst wären meine nicht so unscheinbar. Nein, nein, ich bin so hässlich wie ein Stier, Sogar die Tiere fürchten sich vor mir. Kein Wunder, dass Demetrius mich flieht, Wenn jeder mich als Ungeheuer sieht. In trügerische Spiegel blickte ich, Als ich mit Hermias Schönheit mich verglich. Doch wer liegt hier? Lysander? Ja, und jetzt? Gestorben? Müde? Er scheint nicht verletzt. Lysander, wenn du lebst, steh auf, werd wach. LYSANDER Und renn für dich durch Feuer tausendfach. O Helena, du durchsichtiges Wesen, Ich kann dein Herz in deinem Busen lesen. Wo ist Demetrius? Der Name reicht, Dass ihn mein Schwert aus deinem Herzen streicht. 27 HELENA Sag das nicht, sprich nicht so, Lysander, nein. Wenn er auch Hermia liebt, Gott, was soll sein? Sie liebt dich trotzdem, also sei zufrieden. LYSANDER Zufrieden? Nein. Soviel vertane Zeit An ihrer Seite tut mir bitter leid. Nicht Hermia, Helena ist jetzt mein Leben. Den Raben will ich für die Taube geben. Der Wille wird von der Vernunft belehrt, Und die Vernunft sagt mir, du bist mehr wert. Was wachsen muss, ist reif erst mit der Zeit, Und ich war jung, und war noch nicht so weit. Ich hab des Menschen höchsten Punkt berührt. So dass Vernunft nun meinen Willen führt. Sie lässt mich deinen scheuen Blick erwidern, Ich seh ein Buch mit schönsten Liebesliedern. HELENA Bin ich geboren, um verhöhnt zu werden? Musst du dich auch wie ein Idiot gebärden? Genügt es nicht, genügt nicht, junger Mann, Dass es mir niemals, nie gelingen kann, Den süßen Blick des Liebsten wert zu sein, Und du verspottest mich in meiner Pein? Bei Gott, das ist nun wirklich nicht gerecht, Denn dein Verlangen ist doch gar nicht echt! Lass es dir gut gehen, tschüss, ich sag dir ehrlich, Die Unverschämtheit ist mir unerklärlich. Wird man von einem Mann erst abgehängt, Wird man vom Nächsten umso mehr gekränkt. Ab. LYSANDER Sie sieht sie nicht. Bleib liegen, Hermia, Und komm Lysander niemals wieder nah. Wie Abscheu, Überdruss an süßen Dingen, Den Magen endlich zum Erbrechen bringen, Wie jene, die die Ketzerei verlassen, Sie heftiger als alle andern hassen. So bist du Täuschung, Überdruss für mich, Man muss dich hassen, und ich hasse dich. 28 Zu Helen’ ströme kraftvoll mein Begehren. Gleich einem Ritter will ich sie verehren. Lysander ab. HERMIA Lysander, Hilfe, hilf mir, sieht du nicht, Die Schlange, die mir um den Busen kriecht! Was war das? Nur ein Traum? Jetzt ist sie weg. Lysander, sieh, ich zittre noch vor Schreck. Die Schlange schien an meinem Herz zu fressen Und du hast lächelnd neben mir gesessen. Lysander! Sprich! Lysander! Bist du fort? Kannst du mich hören? Nein? Kein Laut, kein Wort. Wo bist du, sag? Wenn du mich hörst, dann sprich! Ich fall’ in Ohnmacht. Sprich, ich bitte dich! Nein? Nichts? Dann bist du weg. Wo bist du hin? Ich sterbe, wenn ich nicht gleich bei dir bin. 5. Szene Titania, Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz, Schlucker. ZETTEL Sind wir alle da? SQUENZ Klar, klar; und hier ist ein wunderbar geeigneter Platz für unsere Probe. Dieser grüne Fleck soll unsre Bühne sein, dieser Weißdornbusch unsre Garderobe. Und wir wollens gleich richtig spielen wie vor dem Herzog. ZETTEL Peter Squenz! SQUENZ Was gibt’s, grandioser Zettel? ZETTEL Es gibt Dinge in dieser Komödie von Pyramus und Thisby, die werden keinen Beifall finden. Erstens, Pyramus muss sein Schwert aus der Hose holen, um sich kalt zu machen. Und das mögen die Damen nicht. Was hast du darauf zu sagen? SCHNAUZ Genau. So was ist heikel. SCHLUCKER Ich glaube, wir werden das Töten am Ende streichen. 29 ZETTEL Kein Stück; Ich weiß einen Trick, damit gehts. Schreib mir einen Prolog; und lass den Prolog hintenrum sagen, dass wir mit unsern Schwertern niemand was tun werden und dass Pyramus nicht wirklich kalt gemacht wird; und damit sie ganz sicher sind, sag ihnen, dass ich, Pyramus, nicht Pyramus bin sondern Klaus Zettel der Weber. Dann können sie ihre Angst vergessen. SQUENZ Gut, es wird so einen Prolog geben. Ich werde zwischen Acht- und Sechsfüßern wechseln. ZETTEL Mach es lieber acht zu acht, sicher ist sicher. SCHNAUZ Werden die Damen sich nicht vor dem Löwen fürchten? SCHLUCKER Das befürchte ich, das versprech ich dir. ZETTEL Meisters, das müsst ihr euch genau überlegen; einen Löwen unter Damen zu bringen, mein Gott, das ist eine ziemlich scheußliche Angelegenheit; es gibt nämlich keinen fürchterlicheren Drachen auf der Welt, als euren Löwen. SCHNAUZ Deswegen muss noch ein Prolog sagen, dass er gar kein Löwe ist ZETTEL Ja, ihr müsst sogar seinen Namen nennen und sein halbes Gesicht muss durch den Hals des Löwen zu sehen sein und er selbst muss da durch sprechen, etwa so, mit folgendem Defekt: „Meine Damen“ oder „Meine verehrten Damen, ich möchte Sie bitten“ oder „ich möchte Sie ersuchen“ oder „ich möchte Sie auffordern, sich nicht zu fürchten, nicht zu zittern. Mein Leben für das Ihre. Wenn Sie glauben, ich komme als Löwe hierher, wäre es schade um mein Leben. Nein, so was bin ich nicht, ich bin nur ein Mann, so wie andere Männer.“ Und da, an der Stelle, soll er seinen Namen nennen, und ihnen einfach sagen, dass er Schnock ist. Der alte Schreiner. SQUENZ Gut, so soll es sein. Aber es gibt noch zwei harte Nüsse, nämlich das Mondlicht in ein Zimmer zu bringen; denn, ihr wisst, Pyramus und Thisby treffen sich bei Mondschein. SCHNAUZ Scheint der Mond in der Nacht, wenn wir unser Stück spielen? ZETTEL Ein Kalender, ein Kalender! Hat jemand einen Kalender? Wann ist Vollmond, wann ist Vollmond? 30 SQUENZ Ja, er scheint in dieser Nacht. ZETTEL Wieso, dann könnt ihr doch in dem Zimmer, in dem wir spielen, einen Fensterflügel offenlassen. Und der Mond kann durch den Flügel reinscheinen. SQUENZ Ja; oder sonst muss einer mit einem Dornbusch und einer Laterne reinkommen und sagen, er kommt, um die Person des Mondscheins zu entstellen oder darzustellen. Dann ist da noch eine Sache: wir brauchen eine Wand in dem großen Zimmer; weil, Pyramus und Thisby, so heißt es, redeten durch einen Spalt in der Wand. SCHNAUZ Da bringt ihr nie eine Wand rein. Was sagst du dazu, Zettel? ZETTEL Irgendjemand muss Wand darstellen. Und lasst ihn etwas Mörtel oder etwas Lehm, oder etwas Putz an sich haben, damit er Wand bedeutet. Und lasst ihn seine Finger so halten, und durch diese Ritze sollen Pyramus und Thisbe flüstern. SQUENZ Wenn das geht, dann ist alles gut. Kommt, setzt euch, alle wie ihr gebacken seid, und probt eure Rollen. Pyramus, du fängst an; wenn du deine Rede gehalten hast, geh ins Gebüsch. Und so jeder nach seinem Stichwort. Auftritt Puck PUCK Was für ein Bauernpack macht sich hier breit, So nah der Wiege unsrer Königin? Was soll das sein? Theater? Ich schau zu. Vielleicht spiel’ ich auch mit, wenn sich’s ergibt. SQUENZ Sprich, Pyramus. Thisbe, tritt vor. ZETTEL ’Thisbe, wie Blumen duften von den schönsten Giften.’ SQUENZ Düften! Düften! ZETTEL - - Von den schönsten Grüften; So tuts dein Atem auch, O Thisbe meine Zier. 31 Doch hör nur, eine Stimme, bleib du da, Und nach und nach erschein ich wieder hier. Ab. PUCK Was für ein Pyramus, ich sterbe schier. Ab. FLAUT Muss ich jetzt sprechen? SQUENZ Ja, wer denn sonst? Verstehst du, er geht doch nur weg, um nach einem Geräusch zu sehen, das er gehört hat und kommt gleich wieder. FLAUT O leuchtend Pyramus, von Färbung lilienweiß, So rot wie eine Ros’, hoch oben auf dem Strauch Du heiß geliebter Jüngling, frisch und klar wie Eis. Treu wie das treuste Pferd und nimmermüde auch, Dich treff ich, Pyramus, an Brunos Grab. SQUENZ Brutus Grab, Mann! Und außerdem ist das noch gar nicht dran. Das antwortest du dem Pyramus. Du sprichst deine ganze Rolle auf einmal, Stichworte und alles. Pyramus, tritt auf: dein Stichwort war schon. Es ist ‚nimmermüde auch’. FLAUT O... Treu wie das treuste Pferd und nimmermüde auch. Puck und Zettel mit einem Eselskopf treten wieder auf. ZETTEL Wär ich der Schönste, Thisbe, wär ich einzig dein. SQUENZ O ungeheuerlich! O seltsam! Wir werden von Geistern verfolgt. Betet, Meisters! Flieht, Meisters! Hilfe! Alle ab außer Zettel und Puck. PUCK Ich folge euch und treibe euch im Rund. Durch Dornen und durch Sumpf, durch Qualm und Dunst. Ich jage euch als Pferd, als Schwein, als Hund, als schädelloser Bär, als Feuersbrunst. Will wiehern, grunzen, brennen, brummen, bellen, Und euch als Pferd, Schwein, Bär und Hund nachstellen. Ab. 32 ZETTEL Warum rennen sie weg? Das ist ein ganz gemeiner Trick, um mir Angst zu machen. Auftritt Schnauz. SCHNAUZ O Zettel, du hast dich verändert! Wie siehst du aus? ZETTEL Wie ich aussehe? Wie siehst du denn aus, du alter Esel? Schnauz ab. Squenz tritt auf. SQUENZ Gott sei mit dir, Zettel, Gott sei mit dir. Du hast dich verwandelt. Squenz ab. ZETTEL Ich durchschaue ihren Trick. Das ist nur, weil sie einen Idioten aus mir machen wollen, mir Angst machen wollen, wenn sie könnten. Aber ich rühr mich hier nicht von der Stelle, da können sie machen, was sie wollen. Ich gehe ein bisschen auf und ab und singe, damit sie hören, dass ich mich nicht fürchte. Die Amsel mit dem schwarzen Kleid, Und mit dem gelben Schnabel. Der Drossel Lieder, rein und weit, Die Elster mit der Gabel. TITANIA Weckt mich von meinem Blumenbett ein Engel? ZETTEL Der graue Kuckuck setzt sich frech Hinein ins fremde Nest. Und wenn er ruft, hat einer Pech, Weil er sich hörnen lässt. Denn was kann man schon machen, wenn der Kuckuck ruft? Und wer kann sich schon sicher sein, dass er nicht gemeint ist? TITANIA Ach bitte, schöner Sterblicher, sing weiter. Mein Ohr ist ganz berauscht von deinem Ton. Mein Auge ist betört von deinem Wuchs. Und mit Gewalt drängt mich dein schönes Wesen, Dir zu gestehn, zu schwörn, ich liebe dich. 33 ZETTEL Ich glaube, meine Dame, dazu haben sie wenig Grund. Obwohl, Liebe und Verstand gehen heutzutage selten Hand in Hand. Umso bedauerlicher, dass niemand auf den Gedanken kommt, sie zu verkuppeln. Na, ich kann ganz schön witzig sein, wenns drauf ankommt. TITANIA Du bist genauso weise, wie du schön bist. ZETTEL Überhaupt nicht; aber wenn ich genug Verstand hätte, um aus diesem Wald herauszukommen, würde es mir helfen. TITANIA Nichts soll aus diesem Wald hinaus dich treiben. Gefällts dir, oder nicht, du wirst hier bleiben. Ich bin ein Geist von nicht geringem Stand; Ein langer Sommer herrscht in meinem Land; Ich liebe dich; deswegen geh mit mir. Ich geb dir Elfen und sie dienen dir. Sie soll'n dir Perlen aus der Tiefe bringen, Und dich auf Blumen in den Schlummer singen. Will dich von irdischem Gewicht befrein, Du sollst so lustig wie ein Luftgeist sein. Senfsamen! Motte! Spinnweb! Bohnenblüte! Auftritt Senfsamen, Motte, Spinnweb, Bohnenblüte. Bohnenblüte Fertig. SPINNWEB Ich auch. MOTTE Ich auch. SENFSAMEN Ich auch. ALLE Was solln wir tun? TITANIA Seid lieb und aufmerksam zu diesem Herrn. Hüpft um ihn rum und tanzt zu seinen Füßen, Mit Aprikosen wolln wir ihn begrüßen, Bringt grüne Feigen, rote Beeren, Wein, Und stehlt der Biene süßen Honigseim, 34 Macht Kerzen aus dem Wachs von ihrem Bein, Entzündet sie an eines Glühwurms Schein, Und leuchtet ihm damit ins Bett hinein. Rupft Faltern Flügel aus für ihn allein, Als Fächer dienen sie bei Mondenschein. Verneigt euch Elfen, lasst ihn glücklich sein. BOHNENBLÜTE Komm mit uns, Sterblicher! Spinnweb Komm! MOTTE Komm! Senfsamen Komm! ZETTEL Ich bitte Euer Gnaden herzlichst um Verzeihung; darf ich um Euer Gnaden Namen bitten? SPINNWEB Spinnweb. ZETTEL Für nähere Bekanntschaft wäre ich Ihnen sehr verbunden, lieber Herr Spinnweb. Wenn ich mir in den Finger schneide, werde ich so frei sein, Sie zu gebrauchen. Ihr Name, Monsieur? BOHNENBLÜTE Bohnenblüte. ZETTEL Bitte empfehlen Sie mich Madame Hülse, Ihrer Mutter, und Monsieur Schote, ihrem Vater. Herr Bohnenblüte, auch mit Ihnen hoffe ich, näher bekannt zu werden. Ihr Name, mein Herr, wenn ich bitten darf. SENFSAMEN Senfsamen. ZETTEL Lieber Herr Senfsamen, ich weiß nur zu gut, was Sie erdulden müssen. Jener feige, riesenhafte Ochsenfleisch hat manchen Herrn Ihres Hauses verschlungen. Sie dürfen mir glauben, Ihre Verwandtschaft hat mir oft Tränen in die Augen getrieben. Ich erhoffe mir nähere Bekanntschaft, Monsieur Senfsamen. TITANIA Kommt, dient ihm, führt ihn in den tiefsten Strauch. Der feuchte Mond begleitet eure Reise. 35 Und wenn er weint, weint jede Blume auch, Weil jemand sich verging in roher Weise. Des Liebsten Zunge fesselt. Bringt ihn leise. 6. Szene Oberon OBERON Ich frag mich, ob Titania wohl erwacht ist. Und was als erstes ihr ins Auge fiel, Dass sie es bis zum Wahnsinn lieben muss. Puck tritt auf. Da kommt mein Bote. Nun, du schlimmer Geist? Was bringt die Nacht dem Wald für Abenteuer? PUCK Die Königin liebt jetzt ein Ungeheuer. Ganz nah bei ihrer schattigen Rotunde, Es war gerade ihre Schlafensstunde, Versammelten sich Tölpel aus Athen, Die dort sonst ihrem Broterwerb nachgehn. Sie hatten vor, ein Stück einzustudieren, Um es bei Theseus' Hochzeit aufzuführen. Der größte Plattkopf unter den Gesellen, Im Stück sollt’ er den Pyramus darstellen, Verließ die Szene, stand im Busch bereit, Ich nutzte schamlos die Gelegenheit, Und hab ihn mit ’nem Eselskopf versehn. Da hört er seine Thisbe nach ihm flehn. Mein Komiker tritt auf, sie sehen ihn, Und so wie Gänse, die den Jäger fliehn, Wie Dohlenschwärme, wenn die Schüsse pfeifen, Sich kreischend trennen und die Flucht ergreifen, Am Himmel flattern, außer sich vor Schreck, So panisch rennen diese Kerle weg. Sie stolpern, stürzen, der fällt über den, Sie schreien „Mord!“ und „Hilfe!“ nach Athen. Aus Furcht sind ihre Sinne so benommen, Dass tote Dinge einen Geist bekommen: Gestrüpp und Dornen zerrn an ihren Sachen, An Hüten, Ärmeln, Hosenbeine krachen. 36 In ihrer Angst treib ich sie weiter fort. Der deformierte Pyramus bleibt dort. In dem Moment erwacht Titania. Und als ihr Liebster steht ein Esel da. OBERON Na bitte, mehr war wirklich nicht zu hoffen. Doch hast du auch den zweiten Mann getroffen, Und ihn mit unsrem Liebessaft bedacht? PUCK Ich fand ihn schlafend, das ist längst vollbracht. Und bei ihm lag das Mädchen aus Athen. Die kann er, wird er wach, nicht übersehen. OBERON Halt dich versteckt; da kommt er schon heran. PUCK Das Mädchen ist es, aber nicht der Mann. Aufritt Demetrius und Hermia. DEMETRIUS Ich liebe dich, und du, du spuckst darauf. Heb deinen Hass für deine Feinde auf. HERMIA Ich sollte schlimmre Worte für dich suchen. Ich fürchte, ich hab Grund, dich zu verfluchen. Erschlugst du mir Lysander, als er schlief, Und watest in dem Blute schon so tief, Dann töte mich doch auch. Die Sonne selbst war nicht so treu zum Tag Wie er zu mir. Und als ich schlafend lag Soll er entflohen sein? Das wäre doch, Als bohrte durch die Erde man ein Loch Durch das der Mond sich zwängt zur Mittagssonne, Um dort die Antipoden zu verärgern. Du hast ihn umgebracht, gib es nur zu. Ein Mörder ist so tot und grau wie du. DEMETRIUS Nein, ein Ermordeter, so fühl ich mich, Ins Herz gestochen, roh und wissentlich. Und du, die Mörderin, strahlst klar und rein, Wie Venus dort in ihrem hellen Schein. 37 HERMIA Was redest du? Wo ist Lysander? Sprich! Gib ihn mir wieder, Freund, ich bitte dich. DEMETRIUS Die Leiche? Reserviert für meine Hunde. HERMIA Weg, Köter! Weg! Ich gehe noch zugrunde An diesem Aas! Hast du ihn totgeschlagen? Du sollst den Namen Mensch nie wieder tragen! Sei ehrlich, sag die Wahrheit, hast du den, Den du am Tag nicht wagtest anzusehn, Getötet, als er schlief? O welcher Mut! Der Wurm, die Natter kanns genauso gut. Ja! Natter! Doppelzüngig, so wie du, Du Schlange, stach nie eine Natter zu. DEMETRIUS Du klammerst dich an einen Wahn vor Wut. Ich bin nicht schuldig an Lysanders Blut. Er lebt, nach allem, was ich sagen kann. HERMIA Dann sag mir, wie’s ihm geht, ich fleh dich an! DEMETRIUS Und was bekomme ich, wenn ich das tue? HERMIA Dafür lass ich dich lebenslang in Ruhe. Verhasst ist mir auf immer dein Gesicht. Leb wohl. Ob er nun tot ist oder nicht. Ab. DEMETRIUS Auf diese Art wird’ ich sie nur vertreiben. Ich will hier lieber eine Weile bleiben. Auch wird der Kummer immer mehr gesteigert, Wird ihm des Schlafes Linderung verweigert. Deswegen will ich mich hier niederlegen. Vielleicht bringt er auch mir ein bisschen Segen. OBERON Was hast du da getan? Hast dich geirrt! Die falschen Augen mit dem Saft verwirrt! Dein Missgriff hat den treuen Mann verdreht. Der Falsche ist’s, der jetzt um Liebe fleht. 38 PUCK So ist das Leben, ist mal einer treu, Betrügen sich Millionen ohne Scheu. OBERON Streif durch den Wald noch schneller als der Wind, Und suche Helena, das schöne Kind. Sie ist vor Liebe krank und ohne Mut. Sie seufzt zuviel, das schadet ihrem Blut. Denk dir was aus und bring sie her zu mir Und eh sie kommt, verwünsch ich diesen hier. PUCK Ich eil, ich eil, sieh wie ich eil, Viel schneller noch als des Tartaren Pfeil. Ab. OBERON Blume mit dem Purpurschein Amors Pfeil drang in dich ein Sink ins Auge tief hinein. Wird sein Mädchen ihn befrein, Wird es ihm so herrlich sein, Wie die Venus, hell und rein. Wirst du wach, so ist sie dein. Wird die Retterin dir sein. Auftritt Puck PUCK Hauptmann unsrer Elfenschar, Du wirst Helen’ gleich gewahr. Der von mir verkannte Mann Bettelt sie um Liebe an. Schaun wir zu, was sich entspinnt? Gott, wie dumm die Menschen sind. OBERON Geh beiseite. Von dem Krach Wird Demetrius noch wach. PUCK Wenn dann zwei um eine werben, Ist der Spaß fast schon zum sterben. Und der größte Spaß entsteht, Wenn sich etwas falschrum dreht. Lysander und Helena treten auf. 39 LYSANDER Weswegen glaubst du, sollt’ ich dich verhöhnen? Denkst du, die Seufzer sind nur eine List? Sieh, wenn ich schwöre, weine ich und Tränen Beweisen dir, dass es die Wahrheit ist. Wieso verärgert dich all das aufs Neue, Ist es doch nur ein Zeichen meiner Treue? HELENA Nur zu, dein falsches Spiel wird schlimm und schlimmer. Schwur gegen Schwur, welch hoffnungsloser Streit! Dein Schwur galt Hermia, er galt für immer. Und jetzt gibst du sie auf? Wieg Eid um Eid. Versprechen, die sich doppeln, wiegen nicht. Sie haben wie dein Reden kein Gewicht. LYSANDER Ich täuschte mich, als ich mein Wort ihr gab. HELENA Und umsomehr, lässt du jetzt von ihr ab. LYSANDER Demetrius liebt sie, dich liebt er nicht. DEMETRIUS O Helen, Göttin, Nymphe, schön und reich! Was kommt, Geliebte, deinen Augen gleich? Kristall ist trüb. Wie deine Lippen beben, Zwei pralle Kirschen, die zu meinen streben. Der weiße Schnee von Taurus' steiler Wand, Wird schwarz wie eine Krähe durch die Hand, Die du erhebst. O dieses Weiß, so rein, Ein Kuss nur und ich werde selig sein. HELENA O Schmach, O Hölle! Warum macht ihr das? Mich zu verletzen, macht das solchen Spaß? Das ist barbarisch, das ist schlechter Stil! Was mutet ihr mir zu, was für ein Spiel? Ich weiß, dass ihr mich hasst, reicht das nicht aus? Warum macht ihr noch Hohn und Spott daraus? Wärt Männer ihr, statt nur so auszusehn, Dann wüsstet ihr mit Frauen umzugehn. Stattdessen schwört und schwärmt ihr ohne Maß, Und das mit einem Herzen voller Hass. Ihr seid Rivalen und liebt Hermia; 40 Und als Rivalen schmäht ihr Helena. Da habt ihr euch was Tolles vorgenommen: Verspotten, quälen, bis die Tränen kommen, Gefühllos seid ihr! Kein normaler Mann Tut einer armen Seele so was an Und hat dann auch noch seine Freude dran. LYSANDER Demetrius, du bist nicht sachlich, sei’s. Denn du liebst Hermia, weißt, dass ich es weiß. So biete ich, als toleranter Mann, Dir meinen Teil an Hermias Liebe an. Lass deinen Teil an Helens Liebe mir. Ich liebe sie, mein Leben schenk ich ihr. HELENA Das sind die allerschlimmsten Schwätzer hier. DEMETRIUS Nein, Hermia will ich nicht, behalt sie lieber, Wenn ich sie liebte, ist das längst vorüber. Mein Herz hat sie auch nur als Gast beehrt, Und ist bereits zu Helen heimgekehrt, Um dort zu bleiben. LYSANDER Helena, hör weg! DEMETRIUS Und du zieh meinen Schwur nicht durch den Dreck, Sonst musst du es vielleicht noch bitter büßen. Da kommt dein Liebchen; geh, es zu begrüßen. Auftritt Hermia. HERMIA Die Nacht, in der der Augen Kraft vergeht, Macht, dass das Ohr den feinsten Laut versteht. Da, wo das Auge sich bescheiden muss, Entsteht dem Ohr ein doppelter Genuss. Nicht weil ich sah, Lysander, fand ich dich Mein Ohr, ich bin ihm dankbar, führte mich. Warum bist du gegangen, als ich schlief? LYSANDER Der sollte bleiben, den die Liebe rief? HERMIA Und welche Liebe hätte solche Macht? 41 LYSANDER Lysanders Liebe, die sein Herz entfacht, Die schöne Helen, die die Nacht erhellt, Noch strahlender als dieses Himmelszelt. Weswegen kommst du? Wenn ich dich verlasse, So ist das der Beweis, dass ich dich hasse. HERMIA Du sprichst nicht, wie du denkst! Es kann nicht sein. HELENA Schau an, sie stimmt in die Verschwörung ein! Zu dritt sind sie im Bunde gegen mich, Und mir zum Hohne amüsiern sie sich. Gemeine Hermia! Undankbares Stück! Hast du mit denen dich vereint, verschworen, Mich mit solch bösem Spott zu quälen? Ist alles das, was wir uns anvertrauten, Die Mädchenschwüre, die geteilten Stunden, Als wir die Flüchtigkeit der Zeit verwünschten, Weil sie uns trennte, ist das schon vergessen? Die Unschuld, als wir Kinder warn, die Schulzeit? Wir, Hermia, voll göttlichem Geschick, Erschufen mit zwei Nadeln eine Blume, Nach einem Bild, auf einem Kissen sitzend, Im gleichen Ton das gleiche Liedchen singend, Als wären Hände, Seiten, Stimmen, Seelen Ganz eins. So wuchsen wir zusammen auf, Wie Zwillingskirschen, scheinbar zwar getrennt, Und doch vereint in dieser Trennung, Zwei süße Beeren, einem Stiel entwachsen; So, mit zwei Körpern, doch mit einem Herz; Und du willst unsre Liebe nun zerreißen, Verbündest Dich mit Männern, stellst mich bloß? Das ist nicht schön, das tut ein Mädchen nicht; Das ist Verrat am eigenen Geschlecht, Wenn auch nur ich allein den Spott erleide. HERMIA Worüber sprichst du, ich versteh kein Wort. Ich spotte nicht, doch du verspottest mich. HELENA Hast du Lysander nicht bestellt, voll Spott Mich zu verfolgen, mein Gesicht zu rühmen? Und auch Demetrius, der dich nur liebt, 42 Und mich noch eben mit dem Fuß wegstieß, Dazu gebracht, mich Göttin, Nymphe, himmlisch, Sein Glück zu nennen? Warum sagt er das, Wenn er mich hasst? Und warum schwört Lysander Nun deiner Liebe ab, die ihn beseelt, Und fängt tatsächlich an, mir nachzulaufen, Wenn nicht auf deinen Wunsch und Auftrag hin. Bin ich schon nicht begünstigt so wie du, Mit Liebe überhäuft und so beglückt, Nein, elend, denn ich liebe ungeliebt: Dein Mitleid sollt es wecken, nicht Verachtung. HERMIA Ich weiß nicht, was du damit sagen willst. HELENA Ja, ja, macht weiter. Zeigt mir ernste Mienen, Und schneidet Fratzen hinter meinem Rücken, Lacht euch ins Fäustchen, amüsiert euch, los! Gelingt der Witz, macht er bestimmt Geschichte. Wärt ihr mit Anstand, Feingefühl gesegnet, Ihr würdet mich so nie zum Thema machen. Adieu. Wahrscheinlich bin ich selber schuld. Ich sterbe besser, oder bleibe weg. LYSANDER O Helena, bleib hier und hör mich an; Mein Herz, mein Leben, meine Helena! HELENA Ja, wunderbar. HERMIA Lass sie in Ruhe, Süßer. DEMETRIUS Hilft ihre Bitte nicht, kann ich dich zwingen. LYSANDER Mich zwingen? Und womit? Mit Bettelei? Dein Drohen ist so kraftlos wie ihr Flehn. Ich liebe, Helen, dich, bei meinem Leben; Und setze dieses Leben jetzt aufs Spiel Im Kampf mit dem, der sagt, ich lieb dich nicht. DEMETRIUS Ich sag’, ich lieb dich mehr, als er es kann. LYSANDER Wenn du das glaubst, beweis es, komm, fang an. 43 DEMETRIUS Schnell, komm! HERMIA Lysander, was bedeutet das? LYSANDER Weg, du Mongolin! DEMETRIUS Nein, er tut nur so, Als risse er sich los, und wollt’ mir folgen, Und kommt doch nicht. Du bist gezähmt, Mann. Geh! LYSANDER Du Katze, Klette, Missgeburt, lass los! Sonst schüttle ich dich ab wie eine Schlange. HERMIA Warum bist du so roh? Warum so anders, Mein Liebster? LYSANDER Liebster? Weg, Tartarin, weg! Weg, eklige Arznei, verhasstes Gift! HERMIA Du machst nur Spaß? HELENA Ja, klar; genau wie du. LYSANDER Demetrius, ich halte mein Versprechen. DEMETRIUS Ich hätte es gern schriftlich, denn ich sehe, Ein schwaches Band hält dich; ich glaub' dir nicht. LYSANDER Was! Soll ich sie verletzen, schlagen, töten? Ich hasse sie, doch wird’ ich ihr nicht wehtun. HERMIA Was könnte mir mehr wehtun als dein Hass? Mich hassen! Und warum? Weh mir! Geliebter! Bin ich nicht Hermia? Bist du nicht Lysander? Ich bin so schön, wie ich es immer war. Heut Nacht noch warst du bei mir und heut Nacht Wars, als du gingst. Dann hast du mich, o Gott, Im Ernst verlassen? 44 LYSANDER Ja, bei meinem Leben. Und wollte dich auch niemals wieder sehn. Drum lass das Hoffen, Fragen und das Zweifeln. Du kannst ganz sicher sein, es ist kein Scherz. Ich hasse dich und liebe Helena. HERMIA Weh mir! – Du falsche Freundin, Ungeziefer, Du Liebesdiebin! Bist du nachts gekommen, Um meines Liebsten Herz zu stehlen? HELENA Prächtig! Hast du denn keine Scham und keine Scheu? Kein bisschen Anstand? Wie? Was hast du vor? Willst du mich reizen, bis ich mich vergesse? Pfui, pfui, du Heuchlerin, du Püppchen du! HERMIA Wie? Püppchen! Ach, in diese Richtung läufts. Ich glaub’, sie ließ ihn unsere Statur Vergleichen, wies auf ihre Größe hin; Mit ihrem Wuchs, mit ihrem hagren Wuchs. Mit ihrer Höhe hat sie ihn beeindruckt. Und stehst du jetzt so hoch in seiner Gunst, Weil ich so klitzeklein und unten bin? Wie klein, du angemalter Maibaum, sag, Wie klitzeklein? Ich bin noch nicht so klein, Um dir nicht deine Augen auszukratzen. HELENA Ihr zwei, auch wenn ihr mich verspottet, bitte, Nehmt mich in Schutz vor ihr. Ich bin nicht so, Ich habe kein Talent für solchen Zank. Ich bin ein echtes Mädchen, ich bin feig. Ich kann mich gegen sie nicht wehrn. Glaubt nicht, Weil sie ein bisschen kleiner ist als ich, Ich nähm es mit ihr auf. HERMIA Schon wieder kleiner. HELENA Ach Hermia, sei doch nicht so bös zu mir. Ich war doch immer deine beste Freundin. Ich hab dir nichts getan, dich nie betrogen. 45 Nur hab ich, dass Demetrius mich schätzt, Von eurer Flucht in diesen Wald erzählt. Er folgte dir, aus Liebe folgt' ich ihm; Doch er hat mich beschimpft und mir gedroht, Er würd mich schlagen, treten, wenn nicht töten. Und wenn du mich jetzt ruhig gehen lässt, Dann trag ich meine Torheit wieder heim, Und folge euch nicht weiter. Lasst mich gehen. Ihr seht, wie harmlos und wie dumm ich bin. HERMIA Dann geh schon, geh! Wer hindert dich daran? HELENA Mein dummes Herz; ich lass es hier zurück. HERMIA Wo? Bei Lysander? HELENA Bei Demetrius. LYSANDER Bleib ruhig, Helena; sie tut dir nichts. DEMETRIUS Spiel dich nicht auf, mein Freund, sie braucht dich nicht. HELENA Naja, in Rage ist sie scharf und tückisch. Schon in der Schule war sie eine Hexe. Auch wenn sie klein ist, neigt sie zur Gewalt. HERMIA Ich höre immer ‚klein’, nur immer ‚klein’! Macht endlich, dass sie aufhört, mich zu kränken! Lasst mich an sie heran. LYSANDER Geh, weg, du Zwerg; Du Minimum, du halber Stummel du, Du Knopf, du Nuss. DEMETRIUS Du bist zu übereifrig, Zugunsten der, die deinen Dienst nicht will. Lass sie in Ruh; sprich nicht von Helena; Nimm nicht Partei für sie; und hast du vor, Die kleinste Spur von Liebe ihr zu zeigen, Wirst dus bereun. 46 LYSANDER Jetzt hält sie mich nicht mehr. Jetzt folg, wenn du es wagst, zu prüfen, wer, Du oder ich, mehr Recht an Helen’ hat. DEMETRIUS Dir folgen? Nein, ich halte Schritt mit dir. Demetrius und Lysander ab. HERMIA Du, Freundin, bist an diesem Wirrwarr schuld. Nein, lauf nicht weg. HELENA Ich trau Dir nicht, ich nicht! Ich habe zuviel Angst um mein Gesicht. Sind deine Nägel spitzer auch als meine, Hab ich zum Rennen doch die längren Beine. Ab. HERMIA Ich bin erstaunt, und Antwort hab ich keine. Ab. OBERON Das ist dein Leichtsinn. Ständig irrst du dich, Wenn du den Unsinn nicht mit Absicht machst. PUCK Nein, glaub mir, Herr der Nacht, ich irrte mich. Ich dachte doch, der eine sei der Mann. Er hatte doch Athener Kleider an. Und soweit bin ich ohne Schuld, denn jener, Den ich betropfte, war doch ein Athener. Und deshalb tut es mir auch gar nicht leid, Ich habe meinen Spaß an ihrem Streit. OBERON Du siehst, dass man zum Kampf sich fertig macht. Drum, Robin, schnell, verdunkele die Nacht. Bedecke das gestirnte Himmelszelt Mit Nebeln schwarz wie aus der Unterwelt. Und führ die beiden Kämpfer kreuz und quer, Dass sie sich niemals treffen, hin und her. Schimpf mit der Zunge von Demetrius, So reiz’ Lysander bis zum Überdruss. Dann höhn' und spotte wieder wie Lysander, Und treib’ sie immer weiter auseinander, 47 Bis dass der todesgleiche Schlaf sie lähmt, Und bleiern ihre irren Sinne zähmt. Dies Kraut nimm für Lysander, denn sein Saft, Fließt er ins Auge, hat die Eigenschaft, Den Irrtum, der es blendet, aufzuheben, Ihm den gewohnten Blick zurückzugeben. Erwachen sie, scheint ihnen dieser Hohn Nur wie ein Traum, wie fruchtlose Vision. Und nach Athen solln sich die Liebsten wenden, Ihr Bund soll erst mit ihrem Tode enden. Solange du das tust, was ich befohlen, Will ich zur Königin, den Knaben holen. Dann will ich ihren Blick vom Rausch befrein, Das Biest kommt weg und es wird Frieden sein. PUCK Mein Elfenherr, wir müssen uns beeilen, Nächtliche Drachen wolln die Wolken teilen; Dort scheint bereits der helle Morgenstern, Sein Glanz treibt jeden Geist von nah und fern Zum Friedhof heim, all die verdammten Seelen, Die nachts aus Gräben sich und Fluten stehlen, Verkriechen sich in die verfaulten Betten, Um voller Scham sich vor dem Tag zu retten. Verstecken wolln sie sich vor seinem Schein, Der schwarzgebrauten Nacht Gesellen sein. OBERON Doch wir sind Geister anderer Natur: Aurora spielt mit mir auf Feld und Flur, Ich such als Jäger meine Abenteuer, Wenn Strahlen aus dem Osten voller Feuer, In Neptuns Reich wie heiße Glut zerfließen, Um Gold ins grüne Salz der Flut zu gießen. Wie dem auch sei, mach schnell und trödle nicht, Dann schaffen wir es noch vorm Tageslicht. Oberon ab. PUCK Auf und ab, auf und ab, Alle führ’ ich auf und ab. Fürchtet euch in Wald und Stadt, Kobold, führ sie auf und ab. Da kommt einer. Auftritt Lysander. 48 LYSANDER Los komm, wo hast Du dich versteckt, Demetrius? PUCK Hier bin ich, zieh dein Schwert, du taube Nuss! LYSANDER Ich will gleich bei dir sein! PUCK Dann folge mir Auf ebnen Grund. Lysander ab, Demetrius tritt auf. DEMETRIUS Lysander, bist du hier? Du Memme! Feigling! Hast du dich verdrückt? Los, sprich! In welchem Busch! Heraus, gezückt! PUCK Du Kläffer, bellst du jetzt die Sterne an? Den Büschen teilst du mit, du seist ein Mann, Und kommst doch nicht? Komm Bürschchen, komm geschwind, Ich schlag dich mit der Rute, feiges Kind, Ein Schwert bist du nicht wert. DEMETRIUS Ah, bist du da? PUCK Folg’ meinem Ruf! Der Heldenplatz ist nah! Puck und Demetrius ab. Auftritt Lysander. LYSANDER Er läuft mir weg und lockt mich weiter fort, Und wenn ich komme, ist er nicht mehr dort. Der Schuft hat leichtre Sohlen wohl als ich, Ich rannte schnell, doch schneller floh er mich, Dann fiel ich hin, weil was im Wege lag. Und will jetzt ausruhn. Komm, du milder Tag, Zeigt sich dein erstes graues Licht nur schwach, Straf’ ich Demetrius für diese Schmach. Puck und Demetrius treten auf. PUCK Ho, ho, ho! Komm her, du feige Sau! 49 DEMETRIUS Dann warte, wenn du’s wagst; ich weiß genau, Du rennst im Zickzack weg und bleibst nicht stehen Du wagst es nicht, mir ins Gesicht zu sehen. Wo bist du jetzt? PUCK Komm hierher; ich bin hier! DEMETRIUS Nein, nein, du täuschst mich nicht. Das zahlst du mir, Seh ich dich je beim Licht des Tages wieder. Geh’ deines Wegs, Erschöpfung zwingt mich nieder, Der Länge nach fall ich ins kalte Bett, Bei Tagesanbruch mach ich’s wieder wett. Auftritt Helena. HELENA O lange Nacht, willst du denn nie vergehn? Scheint mir zum Trost, ihr Lichter aus dem Osten, So dass zurück ich finde nach Athen, Wo niemand sich vergnügt auf meine Kosten. Und Schlaf, der manches Mal von Schmerz befreit, Entziehe mich mir selbst für kurze Zeit. PUCK Sinds nur drei? Fehlt eins hier, Zwei von jeder Art macht vier. Schau, sie kommt, ganz bedrückt, Amor wär von ihr entzückt: Armes Kind, ist ganz verrückt. Auftritt Hermia HERMIA Noch nie so müd, noch nie so voller Weh, Von Tau durchnässt, von Dornen ganz zerrissen, Ich weiß nicht, ob ich krieche oder geh, Die Beine wollen nichts mehr von mir wissen. Ich will hier ruhen, bis der Tag anbricht. Herr, kommt’s zum Kampf, verlass Lysander nicht. PUCK Auf dem Grund Schlaf gesund; Dass die Kraft Von dem Saft 50 Dem Geliebten Klarheit schafft. Wirst du wach, Werde schwach Nur bei der, Die vorher Dir versprach die Jungfernschaft; Wie das alte Sprichwort lehrt, Jeder kriegt, was ihm gehört, Beim Erwachen wird’s gewährt. Grete kriegt Hans; Alles bleibt ganz. Der Reiter kriegt sein Pferd zurück, und alles wird gut sein. Ab. 7. Szene Lysander, Demetrius, Helena, Hermia. Titania, Zettel, Bohnenblüte, Spinnweb, Motte und Senfsamen treten auf; Oberon TITANIA Komm, setz dich auf dies Blumenbett mit mir; Ich streichle dir die weichen, samtnen Wangen, Den Kopf schmück ich mit Moschusrosen dir, Die Ohren küss ich, diese schönen, langen. ZETTEL Wo ist Bohnenblüte? BOHNENBLÜTE Hier. ZETTEL Kratz mir den Kopf, Bohnenblüte. Wo ist Gentleman Spinnweb? SPINNWEB Hier. ZETTEL Sie, Spinnweb, lieber Gentleman, nehmen Sie ihre Waffen zur Hand und töten sie mir eine Hummel mit roten Hüften oben auf einer Distel; und, Gentleman, bringen Sie mir den Honigsack. Strengen Sie Sich an und vor allem, passen Sie auf, dass der Honigsack nicht platzt. Es täte mir leid, wenn sie von einem Honigsack überflutet würden. Wo ist Gentleman Senfsamen? SENFSAMEN Hier. 51 ZETTEL Reichen Sie mir die Kralle, Gentleman Senfsamen. Und bitte, hören Sie auf zu knicksen, lieber Gentleman. SENFSAMEN Was wünschen Sie? ZETTEL Gar nichts, aber helfen Sie Kavallerist Spinnweb beim Kratzen. Ich muss zum Friseur, Gentleman; mir scheint, ich bin erstaunlich haarig ums Gesicht herum; und ich bin ein so empfindlicher Esel, wenn mich nur ein Haar kitzelt, muss ich kratzen. TITANIA Vielleicht ersehnst du dir Musik, mein Liebster? ZETTEL Ich hab ein ziemlich gutes Ohr für Musik. Wir brauchen was zum Hämmern, wo man draufschlagen kann. TITANIA Und hast du denn auch Lust zu essen, Spatz? ZETTEL Ehrlich gesagt, ja, eine Fuhre Futter. Euren guten, trocknen Hafer könnte ich jetzt mampfen. Ich verspüre große Lust auf ein Fuder Heu. Gutes Heu, süßes Heu, da geht nichts drüber. TITANIA Ich habe einen kühnen Elf, er weiß, Wie man dem Eichhorn frische Nüsse stiehlt. ZETTEL Ich hätte lieber eine Handvoll oder zwei von den trockenen Erbsen. Aber bitte, deine Leute solln mich nicht mehr stören. Es kommt so eine Intervention von Schlaf über mich. TITANIA So schlaf, ich will die Arme um dich schlingen. Fort Elfen, lauft nach allen Seiten fort. Elfen ab. So schmiegt das süße Geißblatt zärtlich sich An wilden Wein. So sanft umrankt das Efeu Die Borkenfinger einer starken Ulme. Wie ich dich liebe! Wie ich dich begehre! Auftritt Puck. OBERON Willkommen Robin! Siehst du dieses Bild? Ihr Wahn fängt an, mein Mitleid zu erregen. 52 Ich traf sie tief im Wald, wie sie sich mühte, Geschenke für den fiesen Kerl zu finden, Und ich begann, sie übel zu beschimpfen: Sie flocht ihm rund um die behaarten Schläfen Ein Diadem von duftend frischen Blumen; Der viele Tau, der sonst wie runde Perlen Die Knospen glitzernd schmückt, stand nun Wie Tränen in den Augen dieser Blümchen. Als ich zum Schein mich mehr und mehr empörte, Und sie mich demütig um Nachsicht bat, Verlangte ich von ihr das fremde Kind; Sie gab es mir sofort und sandte Elfen, Die es in mein Versteck im Feenland trugen. Nun habe ich den Knaben, und ich will Sie von dem hassenswerten Bild befrein. Du, lieber Puck, nimm diesen fremden Kopf Von dem Athener Bauernschädel ab. Erwacht er dann mit all den anderen, Soll er wie sie nach Hause sich begeben, Und in den Zwischenfällen dieser Nacht Nichts als die Plage eines Traumes sehn. Doch erst will ich die Königin erlösen. Sei nun, wie du vorher warst; Sieh nun, wie du vorher sahst. Über Amors Blumensaft Siegt Dianas Knospenkraft. Nun, Königin; wach auf, Titania. TITANIA Mein Oberon! Was war es, was ich sah! Es ließ ein Esel mich um Liebe flehen. OBERON Da liegt dein Liebster. TITANIA Wie ist das geschehen? O wie ich es jetzt hasse, dies Gesicht. OBERON Still. Robin, nimm den Kopf von diesem Mann. Titania, ruf Musik; ein todesgleicher Bann Soll allen fünf die Sinne nun betäuben. TITANIA Kommt Elfen, macht Musik, berauscht ihr Ohr. 53 PUCK Wenn du erwachst, dann glotze wie zuvor. OBERON Komm, Königin, im Tanz wolln wir uns wiegen, So dass die Erde bebt, auf der sie liegen. Nun bist du wieder mein, und ich bin dein, Und morgen Mitternacht bei Mondenschein, Wolln tanzend wir auf Theseus' Hochzeit sein, Und seinem Haus Erfolg und Glück verleihn. Dort sollen auch die treuen Paare sein, Und so wie Theseus ihre Liebsten frein. PUCK Elfenkönig, hör den Ton, Eine Lerche zwitschert schon. OBERON Lass uns also, Königin Schweigend mit den Schatten ziehn. Schneller drehn wir unsre Kreise Als der Mond auf seiner Reise. TITANIA Ja, mein Herr; auf unsrer Bahn, Sagst du mir, wie's dazu kam, Dass man heute Nacht im Schlaf Unter Sterblichen mich traf. Oberon, Titania, Puck und Elfen ab. Hippolyta, Egeus, Philostrat und Gefolge treten auf. THESEUS Geh einer los, er soll den Förster suchen; Denn unsre Maiandacht ist jetzt beendet, Schon kommt der neue Tag, und meine Liebe Soll die Musik von meinen Hunden hören. Lasst sie im Tale laufen; lasst sie frei. Beeil dich, sage ich, und such den Förster. Ein Bedienter ab. Wie wollen, Königin, zum Berg hinauf, Um dort zu hören, wie Gebell und Echo Sich zu verwirrender Musik vereinen. HIPPOLYTA Mit Herkules und Cadmus war ich damals Im Wald von Kreta, wo sie einen Bären 54 Mit Spartas Hunden hetzten; ich vernahm Noch nie solch ein Geheul, nicht nur die Wälder: Die Luft, die Seen und alles Land ringsum Vereinte sich zu einem Schrei; der Lärm Betörte wie Musik, wie süße Drohung. THESEUS Auch meine Hunde sind aus Spartas Zucht, Dieselben Lefzen, gelbes Fell, und Köpfe Mit Ohren, die den Tau vom Grase streifen. Krummbeinig, bauchig wie Thessaliens Stiere; Nicht schnell zur Jagd, doch klingt ihr Bellen klar Wie Glocken. Mehr Musik war nie zu hören, Wenn Hörner kraftvoll zur Verfolgung bliesen, In Kreta, Sparta oder in Thessalien. Hör selbst. Doch still, welch Nymphen liegen hier? EGEUS Das ist doch meine Tochter, die hier schläft. Und hier Lysander, hier Demetrius. Und Helena, des alten Nedars Tochter. Erstaunlich, dass sie hier zusammen liegen. THESEUS Sie gingen sicher früh hinaus, den Mai Zu grüßen, hatten wohl von uns gehört, Und kamen her zu Ehren unsrer Feier. Da fällt mir ein, ist heute nicht der Tag, An dem sich Hermia entscheiden sollte? EGEUS So ist es, Herr. THESEUS Die Jäger solln mit Hörnerklang sie wecken. Nun, guten Tag. Sankt Valentin war längst, Und diese Vögel paaren sich erst jetzt? LYSANDER Verzeiht, mein Herr. THESEUS Steht bitte alle auf. Ich weiß, ihr seid erbitterte Rivalen; Woher kommt diese Eintracht in die Welt, Die Hass erlaubt, so fern von Eifersucht Beim Hass zu schlafen, Feindschaft nicht zu fürchten. 55 LYSANDER Mein Herr, ich will dir antworten, verwirrt, Noch halb im Schlaf, halb wach, nur hab ich selbst Nicht die geringste Ahnung, was geschah. Doch glaube ich – denn lügen will ich nicht, Und jetzt fällt es mir ein, ja, es war so – Ich kam mit Hermia hierher, wir wollten Athen verlassen und an einem Ort, Wo uns Athens Gesetz nicht mehr erreicht – EGEUS Genug, genug, mein Fürst, es ist genug; Ich fordre Recht, das Recht auf seinen Kopf. Sie waren auf der Flucht, Demetrius, Sie wollten weg, und dich und mich betrügen: Dich um die Frau, und mich um mein Versprechen, Um mein Versprechen, dass sie dein sein soll. DEMETRIUS Mein Herr, die schöne Helen sagte mir, Dass ihre Flucht in diesen Wald sie führt. Und ich, ich folgte ihnen voller Wut, Und Helena, in Liebe, folgte mir. Jedoch durch irgendeine Macht, nur welche?, Kommt mir die Liebe, die ich Hermia schwor Und die geschmolzen ist wie nasser Schnee, Jetzt wie ein abgelegtes Spielzeug vor, An der mein Herz in Kindertagen hing. Und alle Hoffnung, Sehnsucht meines Herzens, Das Ziel und das Vergnügen meiner Augen, Ist einzig Helena. Mit ihr, das weißt du, War ich verlobt, bevor ich Hermia sah. Doch wie ein Kranker mied ich diese Speise. Gesund, bin ich zu ihr zurückgekehrt. Jetzt sehn ich mich nach ihr, begehre sie, Jetzt lieb ich sie und bin ihr ewig treu. THESEUS Zum Glück, ihr Lieben, habt ihr euch getroffen. Wir wolln bald mehr von der Geschichte hören. Ich setz mich, Egeus, über dich hinweg. Im Tempel solln auch diese Paare heut Zugleich mit uns auf ewig sich verbinden. Und da der Morgen schon zum Teil verstrich, Wird die geplante Jagd jetzt abgeblasen. 56 Fort mit uns nach Athen; dreifach zu zweit, Begehen wir das Fest in Herrlichkeit. Komm, Hippolyta. Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge ab. DEMETRIUS Die Dinge scheinen klein und undeutlich Wie ferne Berge, die zu Wolken werden. HERMIA Mir ist, als säh ich mit getrennten Augen, Als wäre alles doppelt. HELENA Mir ist auch so. Ich fand Demetrius wie ein Juwel, Wie mein und doch nicht mein. LYSANDER Seid ihr sicher, Dass wir wach sind? Denn es kommt mir vor, Wir schlafen noch, wir träumen. Ist es wahr? Hier stand der Fürst und bat uns, ihm zu folgen? HERMIA Ja, und mein Vater. HELENA Und Hippolyta. LYSANDER Und er befahl, dass wir zum Tempel folgen. DEMETRIUS Na also, wir sind wach. Gehn wir ihm nach. Und auf dem Weg erzähl’n wir uns die Träume. Ab. ZETTEL Wenn mein Stichwort kommt, ruft mich, und ich werde antworten. Mein nächstes ist: „Du schönster Pyramus“. He! Hallo! Peter Squenz! Flaut, Blasebalgflicker! Schnauz, Kesselflicker! Schlucker! Guter Gott! Schleichen sich davon, und lassen mich schlafen! Ich hatte eine sehr seltene Erscheinung. Ich hatte einen Traum, es geht über Menschenverstand, zu sagen, was für ein Traum das war. Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er sich daran macht, diesen Traum zu deuten. Mir war, ich war, kein Mensch kann sagen, was. Mir war, ich war und mir war, ich hatte, aber der Mensch ist nur ein hirnverbranntes Aas wenn er versucht zu sagen, was ich dachte, was ich hatte. Des Menschen Auge hats nicht gehört, des Menschen Ohr hats nicht gesehn, des Menschen Hand kann 57 es nicht schmecken, seine Zunge kanns nicht greifen, und sein Herz kann nicht erzählen, was mein Traum war. Ich muss Peter Squenz dazu kriegen, eine Ballade über diesen Traum zu schreiben. Sie soll Zettels Traum heißen, weil ich der traumhafte Zettel bin; und ich will sie singen gegen Ende eines Stückes vor dem Herzog. Oder vielleicht, um es noch anmutiger zu machen, sollte ich sie singen am Ende des Todes. 8. Szene Squenz, Flaut, Schnauz, Schlucker SQUENZ Wart ihr schon bei ihm zu Hause? Vielleicht ist er inzwischen da? SCHLUCKER Es hat niemand was von ihm gehört. Ohne Zweifel ist er transponiert. FLAUT Wenn er nicht kommt, dann ist das Stück gelaufen. Ohne ihn gehts nicht, oder? SQUENZ Das ist unmöglich. Es gibt keinen Mann in ganz Athen, der den Pyramus so hinlegen kann, wie er. FLAUT Nein, er hat einfach den größten Kopf von allen Handwerkern in Athen. SQUENZ Ja, und die beste Figur und das richtige Organ für einen Liebhaber. FLAUT Du musst Stimme sagen, Organ ist unanständig. Schnock tritt auf. SCHNOCK Meisters, der Herzog kommt eben vom Tempel; und außerdem haben noch zwei oder drei Damen und Herren mehr geheiratet. Wenn wir jetzt gespielt hätten, wären wir alle gemachte Männer. FLAUT O Zettel, o Zettel! Der wär ein gemachter Mann. Das wär gar nicht anders gegangen. Wenn der Herzog seinen Pyramus gesehen hätte, und ihn nicht fürstlich belohnt hätte, will ich gehängt sein. Und er hätte es verdient: Man hätte ihn geliebt für den Pyramus, oder gar nichts. Zettel tritt auf. 58 ZETTEL Wo sind diese Burschen? Wo stecken die Herzchen? SQUENZ Zettel! Wahnsinn! Bist du’s? ZETTEL Meisters, ich kann euch von Wundern erzählen. Aber fragt mich nicht was. Wenn ich es euch sage, bin ich kein ehrlicher Athener. Ich will euch alles erzählen, genau wie es passiert ist. SQUENZ Lass hören, mein Zettel. ZETTEL Kein Wort von mir. Nur soviel will ich euch sagen: der Herzog hat gespeist. Packt eure Sachen zusammen; gute Schnüre an die Bärte, neue Senkel an die Schuhe; Treffpunkt: der Palast. Jeder schaut nochmal in seine Rolle, denn, kurz und breit, unser Stück ist in der Auswahl. Wie auch immer, Thisbe soll saubere Wäsche anziehen; und der, der den Löwen spielt, soll sich nicht die Nägel schneiden, sie sollen rausstehen, wegen der Klauen. Und liebe Schauspieler, esst bitte keine Zwiebeln mehr und keinen Knoblauch, damit wir nicht aus dem Hals riechen und sie nicht sagen können: Die Komödie stinkt uns. Soweit. Jetzt lauft. Los, lauft! 9. Szene Theseus, Hippolyta, Philostrat HIPPOLYTA Wie seltsam diese Liebenden erzählen. THESEUS Ja, seltsam, aber wahr? Ich glaube nicht An diese Fabeln, diese Elfenmärchen. Verrückten und Verliebten glüht das Hirn, Es blüht die Phantasie, und sie erkennen Mehr als der kühlere Verstand begreift. Der Irre, der Verliebte und der Dichter Bestehen ganz und gar aus Einbildung. Der sieht mehr Teufel, als die Hölle fasst; Er ist verrückt. Der Liebende, auch irre, Erkennt die Göttin in der Hottentottin. Des Dichters Auge schweift in schönem Wahnsinn Hinunter auf die Erde, hoch zum Himmel. Und wie die Phantasie dem Form verleiht, Was sie erfindet, gibt des Dichters Feder 59 Den Dingen Form und jede Seifenblase Hat somit einen Ort und einen Namen. So trickreich ist die starke Phantasie, Dass sie, wenn sie nach Freudigem sich sehnt, Sich selbst den Boten dieser Freude schafft. Und nachts geschiehts, dass uns die Angst befällt, Und man den Busch für einen Bären hält. HIPPOLYTA Doch die Geschichte dieser Nacht, und wie Ihr aller Geist zugleich verwandelt war, Das zeugt von mehr als Phantasiegebilden. Und wächst und wird zu etwas von Bestand Und bleibt doch immer fremd und wunderbar. Lysander, Demetrius, Hermia und Helena treten auf. THESEUS Hier kommen die Verliebten, unbeschwert. Glück, Freunde, Glück, und täglich neue Liebe Begleite eure Herzen. LYSANDER Glücklicher Sei du auf deinem Weg, an Tisch und Bett. THESEUS Jetzt kommt. Was gibt’s an Spielen und an Tänzen, Damit die Stunden, die uns nach dem Mahl Vom Bett noch trennen, wie im Flug vergehn? Wo ist der Lenker unsrer Festlichkeiten? Ist etwas vorbereitet? Gibts kein Schauspiel, Dass die Tortur der leeren Stunden lindert? Ruft Philostrat! PHILOSTRAT Hier bin ich, großer Theseus. THESEUS Was hast du anzubieten für den Abend An Masken, an Musik? Wie täuschen wir Die träge Zeit, wenn nicht durch ein Vergnügen? PHILOSTRAT Hier ist die Liste der vorhandnen Spiele. Entscheide, Hoheit, was du sehen willst. Gibt ihm ein Blatt. 60 THESEUS “Der Kampf mit den Zentauren, vorgetragen Zur Harfe von Eunuchen aus Athen.“ Das nicht. Das Lied vom Ruhm des Herkules Kennt meine Braut natürlich schon von mir. “Die Orgie der berauschten Bacchien, wie sie Voll Wut den Sänger Thrakiens zerreißen.“ Das alte Stück. Das spielten sie ja schon, Als ich aus Theben wiederkam, als Sieger. “Die dreifachen drei Musen, trauernd um Die jüngst am Bettelstab verstorb’ne Bildung.“ Das ist Satire, scharf und ziemlich kritisch, Zu einer Hochzeitsfeier passt das nicht. “Ein quälend kurzes Spiel von Pyramus Und Thisbe. Äußerst spaßige Tragödie.“ Ein Spaß und tragisch? Quälend, und doch kurz? Das ist ja heißes Eis und schwarzer Schnee. Wie bringt man diesen Zwieklang denn in Einklang? PHILOSTRAT Das Stück, mein Fürst, ist kaum zehn Worte lang; Das ist so kurz, wie ich kein andres kenne. Doch um zehn Worte, Fürst, ist es zu lang. Das macht es quälend, denn im ganzen Stück Stimmt nicht ein Wort und keiner der Akteure. Und tragisch ist es, weil, mein hoher Fürst, Der Pyramus darin sich selbst ersticht. Als ich die Probe sah, ich geb es zu, Da heulte ich, doch lustigere Tränen Vergießt das lauteste Gelächter nicht. THESEUS Und was für Leute spielen? PHILOSTRAT Athener Arbeiter mit schweren Händen, Für die Verstand bisher ein Fremdwort war, Und die sich jetzt das Hirn zermartert haben, Mit diesem Stück zu deinem Hochzeitsfest. THESEUS Dann wollen wir es hören. PHILOSTRAT Nein, mein Fürst, Das Stück ist nichts für dich, ich habs gehört, Und es ist gar nichts, nichts, nicht das Geringste. 61 Es sei denn, du hast Spaß an ihrem Eifer, Sich äußerst anzustrengen und zu quälen Um dich zu amüsiern. THESEUS Ich will es hören. Denn niemals kann etwas misslungen sein, Was aus Bescheidenheit und Pflicht erwächst. Geh, bringe sie hierher. Nehmt bitte Platz. Philostrat ab HIPPOLYTA Ich seh nicht gern die Schlichtheit überfordert, Und die Ergebenheit im Dienst verschlissen. THESEUS So etwas, Liebste, wirst du hier nicht sehen. HIPPOLYTA Er sagte, dass sie überhaupt nichts können. THESEUS Wie freundlich dann, für dieses Nichts zu danken, Vergnügt die Fehler ihnen nachzusehen. Was arme Schlichtheit nicht vermag, der Edelmut Nimmts Wollen für das Können. Die Liebe wie die Einfalt kann gern schweigen. Sie wird im Wenigsten am meisten zeigen. Philostrat tritt auf. PHILOSTRAT Wenn es dir recht ist: Der Prolog ist da. THESEUS Herein mit ihm. Squenz tritt als Prolog auf. PROLOG Wenn wir missfallen, ist es uns zu eigen. Dass ihr begreift, wir wollen nicht missfallen Weil wir das wollen. Unsre Kunst zu zeigen Ist Anfang und auch Ende von uns allen. Sei euch gesagt, dass wir die Zeit vergeuden. Wolln wir verhindern, dass das Spiel euch freut Ist unser wahrer Antrieb. Eure Freuden, Dafür sind wir nicht hier, dass ihrs bereut, 62 Sind unsre Spieler da; seid ihnen hold. Ihr sollt verstehn, was ihr verstehen wollt. THESEUS Diesen Burschen schert weder Punkt noch Komma. LYSANDER Er hat seinen Prolog geschmissen, wie ein wildes Fohlen seinen Reiter; er konnte sich nicht halten. HIPPOLYTA In der Tat, er hat auf seinem Prolog gespielt wie ein Kind auf der Blockflöte. Töne, aber ohne Beherrschung. THESEUS Seine Rede war wie eine verwickelte Kette; nichts zerrissen, aber alles durcheinander. Wer ist der Nächste? Angeführt von einem Trompeter, treten wie in einer Pantomime Pyramus und Thisby, Wand, Mondschein und Löwe auf. PROLOG Edle, vielleicht erstaunt euch dieses Spiel. Am Ende stellt die Wahrheit alles richtig. Der Mann ist Pyramus, wers wissen will; Die schöne Frau ist Thisbe, das ist wichtig. Der Mann mit Lehm und rauem Mörtel heißt Wand, böse Wand, die die Verliebten trennt; Und an Wands Spalte stehn die Armen meist, Und flüstern. Staunt nicht, wenn ihr das nicht kennt. Der Mann mit Dornbusch, Hund, Laternenlicht Stellt Mondschein dar. Deswegen müsst ihr wissen Bei Mondschein schämten sich die beiden nicht, An Brutus Grab zu stehn, und sich zu küssen. Dies grässlich Tier, das Löwe wird genannt, Hat Thisbe, die zuerst kam in der Nacht, Verscheucht, das heißt, hat furchtsam sie gemacht; Sie floh, der Mantel rutschte ihr herunter, Mit blutgem Maul nahm ihn der Löw’ beim Kragen. Nun kommt schon Pyramus, verliebt und munter, Und findet Thisbes Mantel totgeschlagen. Drauf hat er sich das Schwert, das schuldge Messer Voll Mut in seine blutge Brust gepresst. Und Thisbe, im Gebüsch schon blass und blässer, Zog raus sein Schwert und starb. Den ganzen Rest Lasst Löwe, Mondschein, Wand und Liebespaar Ausführlich euch berichten, so wie’s war. Prolog, Pyramus und Thisbe, Löwe und Mondschein gehen ab. 63 THESEUS Ich frag mich, ob der Löwe sprechen wird. DEMETRIUS Keine Frage, mein Herr, wenn es so viele Esel tun. WAND In diesem selben Stück kommt es zustand, Dass ich, mit Namen Schnauz bin eine Wand. Und diese alte Wand, das seht ihr noch, Hat in sich eine Spalte oder Loch, Durch das die beiden, Pyramus und Thisbern, Ganz oft und heimlich miteinander wispern. Lehm, Mörtel, Putz und Steine zeigen klar, Dass ich die Wand bin; es ist wirklich wahr; Und dies hier ist von rechts und links die Spalte, Durch die das scheue Paar sich unterhalte. THESEUS Kann man verlangen, dass Lehm und Putz besser sprechen? DEMETRIUS Das ist die witzigste Spalte, die ich je hab reden hören. Zettel tritt auf. THESEUS Pyramus nähert sich der Wand. Ruhe. ZETTEL O grimmge Nacht! O Nacht, so schwarz wie je! O Nacht, die immer ist, wenn Tag nicht ist. O Nacht, o Nacht, o weh, o weh, o weh! Ob meine Thisbe ihren Schwur vergisst? Und du, o Wand, o süße, liebe Wand, Die zwischen unser Väter Häuser steht; Du Wand, o Wand, o süße, liebe Wand, Zeig mir den Spalt, durch den mein Blick durchgeht. Wand hält seine Finger hoch Dank, gute Wand. Jupiter lohn’ es dir. Was sehe ich? Nicht Thisbe sehe ich. O böse Wand, nicht Wonne zeigst du mir. Verfluchte Wand, wie hintergehst du mich. THESEUS Die Wand, meine ich, sollte, da sie lebendig ist, zurückfluchen. 64 PYRAMUS Nein wirklich, mein Herr, das sollte sie nicht. ‚Hintergehst du mich’, ist Thisbes Stichwort. Sie muss jetzt auftreten, und ich muss sie durch die Wand erspähen. Sie werden sehen, es wird genauso kommen, wie ich gesagt habe. Da kommt sie. Thisbe tritt auf. THISBE O Wand, wie oft hab ich hier seufzen müssen, Weil mein schön Pyramus dort drüben lebt. Wie oft schon musst ich deine Steine küssen, Die Steine, die mit Haar und Lehm verklebt. PYRAMUS Ich seh ein Stimm. Ich gehe jetzt ans Loch, Damit ich Thisbes Anblick hören kann. Thisbe! THISBE Bist du’s, mein Lieb, ich denke doch. PYRAMUS Denk, was du willst. Ich bin’s, dein lieber Mann. Und treu wie seiner Hero der Limander. THISBE Und ich wie Helena dem Alexander. PYRAMUS Der Morpheus war Eurydike nicht treuer. THISBE Wie Morpheus ihr, so bist du mir so teuer. PYRAMUS O küss mich durch der schlimmen Mauer Ritz. THISBE Ich küss nicht deinen Mund, nur diesen Schlitz. PYRAMUS Willst du an Brunos Grab mich treffen schnelle? THISBE Ob lebend oder tot, ich bin zur Stelle. Pyramus und Thisbe ab. WAND Als Wand hab ich erfüllet meinen Zweck. Und darum geht die Wand jetzt einfach weg. Ab. 65 THESEUS Die Wand ist weg und die Moral hinüber. DEMETRIUS Kein Wunder, mein Fürst, wenn die Wände Ohren haben. HIPPOLYTA Das ist das dümmste Zeug, das ich je gehört habe. THESEUS Auch wenn es das Beste wäre, wär es nichts als ein Schatten. Und das Schlechteste ist nicht schlechter, man braucht nur Phantasie. HIPPOLYTA In dem Fall muss es deine Phantasie sein, denn sie haben keine. THESEUS Wenn wir sie nicht für schlechter halten, als sie sich selbst, dann sind sie recht ordentliche Männer. Hier kommen zwei edle Tiere, ein Mann und ein Löwe. Löwe und Mondschein treten auf. LÖWE Ihr Damen, deren Herz die kleinste Maus, Die übern Boden kriecht, mit Angst erfüllt, Ihr zittert jetzt vielleicht und rennt hinaus, Wenn hier in wilder Wut ein Löwe brüllt. Drum wisset, dass ich Schnock, der Schreiner bin, Kein fürchterlicher Löw, und nicht Löwin; Denn würd’ ich mich als Löwe herbegeben, Es wäre doch sehr schade um mein Leben. THESEUS Eine Bestie ohne Biss, aber mit Gewissen. DEMETRIUS Das beste an Bestie, mein Herr, was ich bisher gesehen habe. LYSANDER Dieser Löwe ist ein wahrer Fuchs an Tapferkeit. THESEUS Stimmt; und eine Gans an Klugheit. DEMETRIUS Das nicht, mein Herr; denn seine Klugheit trägt den Sieg über seine Tapferkeit davon, und der Fuchs trägt die Gans davon. THESEUS Seine Klugheit, da bin ich mir sicher, kann nicht den Sieg über seine 66 Tapferkeit davontragen, weil die Gans nicht den Fuchs davontragen kann. Gut. Überlassen wir das seiner Klugheit und hören wir dem Mond zu. MOND Die Lampe hier ist des gehörnten Mondes Schein – DEMETRIUS Er sollte die Hörner am Kopf tragen. THESEUS Er ist keine Sichel, seine Hörner sind unsichtbar in der Scheibe. MOND Die Lampe hier ist des gehörnten Mondes Schein; Ich selber schein der Mann im Mond zu sein. THESEUS Das ist nun der größte Irrtum; man sollte den Mann in die Laterne stecken, wie kann er sonst der Mann im Mond sein? DEMETRIUS Er traut sich nicht hinein wegen der Kerze; sehen Sie, sie blakt ihn schon an. HIPPOLYTA Ich bin dieses Mondes müde. Wenn er doch wechselte. THESEUS Er ist kein großes Licht, das bedeutet, er nimmt ab. Aber aus Höflichkeit müssen wir, wenn wir es aushalten, die Zeit abwarten. LYSANDER Mach weiter, Mond. MOND Alles, was ich zu sagen habe, ist, euch zu sagen, dass die Laterne der Mond ist; ich der Mann im Mond; dieser Dornbusch mein Dornbusch; und dieser Hund mein Hund. DEMETRIUS Alle Sachen sollten in der Laterne sein, weil sie alle im Mond sind. Doch still; Thisbe kommt. Thisbe tritt auf. THISBE Dies hier ist Brunos Grab. Wo ist mein Lieb? LÖWE brüllt. THISBE O – Ab. DEMETRIUS Gut gebrüllt, Löwe. 67 THESEUS Gut gelaufen, Thisbe. HIPPOLYTA Gut geschienen, Mond. Wirklich, der Mond scheint mit Anmut. Der Löwe zerfetzt den Mantel. Ab THESEUS Gut gemaust, Löwe. DEMETRIUS Und dann kam Pyramus. LYSANDER Und da verschwand der Löwe. PYRAMUS O Mond, hab Dank für deinen Sonnenstrahl; Hab Dank, o Mond, dass du jetzt scheinst so schön Denn durch dein Licht, so golden und so fahl, Wird’ ich sogleich die treue Thisbe sehn. Doch halt, O Graus! Wie siehts hier aus? Wie gehts mir armen Ritter? Seht, Augen! – Nein, Es kann nicht sein. O süßer Schatz – wie bitter! Dein Mantel gut Befleckt mit Blut? Naht euch, ihr Furien, jetzt! Ihr Parzen drei, Reißts Garn entzwei Und meuchelt, mordet, metzt. THESEUS Diese Leidenschaft und der Tod eines lieben Freundes können einen Mann schon traurig aussehen lassen. HIPPOLYTA Ich weiß nicht, aber der Mann tut mir leid. ZETTEL Warum, Natur, hast Löwen du gebaut, Dass dieser mir die Liebste deflorier? Sie ist – nein war – die allerschönste Braut, Die freudig lebte, liebte, lachte mir. Tränen, hervor! Raus, Schwert, durchbohr Die Warz dem Pyramo. Die linke, ja! 68 Wos Herz hüpft da. Erdolcht sich. So sterb ich, so, so, so. Jetzt bin ich tot. Aus ist die Not. Mein Seel wird nicht verderben. Zunge, lisch aus. Mond, geh hinaus. Mond ab. Nur sterben, sterben, sterben. Stirbt. DEMETRIUS Er ist gestorben wie eine Eins. LYSANDER Er ist weniger als eine Eins, Mann; denn er ist tot; er ist eine Null. THESEUS Mit Hilfe eines Arztes könnte er sich wieder erholen, und sich doch noch als Eins erweisen. HIPPOLYTA Warum ist der Mond weggegangen, bevor Thisbe zurückkommt, und ihren Liebsten findet? Auftritt Thisbe. THESEUS Sie wird ihn bei Sternenlicht finden. Da kommt sie, und ihr Jammer beendet das Stück. HIPPOLYTA Bei so einem Pyramus reicht ein kleiner Jammer. Ich hoffe, sie macht es kurz. LYSANDER Sie hat ihn schon erspäht mit ihren süßen Augen. DEMETRIUS Und klagt folgendermaßen: THISBE Du schläfst, mein Schatz? Wie, tot, mein Spatz? Lass, Pyramus, dich wecken! Sprich, sprich. Ganz stumm? Tot, tot! Warum? Ein Grab muss dich bedecken. Dein Lilienmund, Die Wangen rund, 69 Die Kirschennase auch, Dahin, dahin; Nun klagt um ihn; Sein Aug’ war grün wie Lauch. O Schwestern drei, So kommt herbei, Mit milchigweißer Hand; Taucht sie in Blut, Zerschnitten gut, Habt ihr sein Lebensband. Zunge, kein Wort. Komm, Schwert, zum Mord, Befleck des Busens Schnee. Erdolcht sich. Lebt wohl, ihr Herrn, Thisbe stirbt gern. Ade, ade, ade. Stirbt. THESEUS Mondschein und Löwe sind übrig geblieben, um die Toten zu begraben. DEMETRIUS Ja, und Wand auch. ZETTEL Nein, ich versichere Ihnen: die Wand, die ihre Väter getrennt hat, ist gefallen. Beliebt es Ihnen jetzt, den Epilog zu sehen, oder wollt ihr einen Bergamasker Tanz hören von zweien aus unserer Truppe? THESEUS Keinen Epilog, bitte. Euer Stück braucht keine Entschuldigung. Nur keine Entschuldigung; wenn alle Schauspieler tot sind, braucht man keinem Vorwürfe zu machen. Und wenn der, der es geschrieben hat, den Pyramus gespielt und sich an Thisbes Strumpfband aufgehängt hätte, wäre es eine schöne Tragödie gewesen. Und das war es auch, wirklich, und sehr bemerkenswert dargestellt. Aber jetzt euren Bergamasker. Den Epilog lasst in Ruhe. Ein Tanz. Der zwölfte Schlag der Mitternacht verhallt. Zu Bett, Verliebte; fast ist Geisterstunde. Ich fürchte, wir verschlafen sonst den Morgen, Zu lange warn wir wach in dieser Nacht. Verkürzt hat dieses platte, plumpe Spiel Den schweren Schritt der Zeit. Ins Bett, ihr Liebsten. 70 Wir feiern dieses Fest noch vierzehn Tage, Mit neuem Spaß und nächtlichem Gelage. Ab. Auftritt Puck PUCK Hungrig brüllt der Löwe nun, Und der Wolf beheult den Mond. Schnarchend kann der Bauer ruhn, Für sein Tagewerk belohnt. Wenn im Herd die Glut verglimmt, Und das Käuzchen klagend schreit, Denkt der Kranke, ders vernimmt, Schaudernd an sein Leichenkleid. Jetzt ist jene Zeit der Nacht, Wo die Gräber offen stehen, Wo sich jeder Geist aufmacht, Um im Friedhof umzugehen. Und wir Elfen und wir Feen Die wir Hekate geleiten, Und, der Sonne zu entgehn, Wie ein Traum durchs Dunkel gleiten, Sind jetzt munter. Keine Maus Störe dies geweihte Haus. Mich hat man hierher bestellt, Ich feg den Staub aus dieser Welt. Oberon, Titania und ihr Gefolge treten auf. OBERON Gebt dem Haus gedämpftes Licht Von der schlafestrunknen Glut. Jeder Elf und Feenwicht Hüpfe wie’s der Vogel tut Zu dem Liedchen mit mir mit, Singt und tanzt im Trippelschritt. TITANIA Lass es uns zuerst probieren, Dass die Töne jubilieren; Hand in Hand wolln wir es singen, Diesem Ort den Segen bringen. Angeführt von Oberon, singen und tanzen die Elfen. 71 OBERON Bis dem hellen Tag sie weichen Solln die Feen durchs Haus hier streichen. Gehn zu jedem Brautbett hin, Segnen sie und segnen ihn. Was entsteht aus ihrem Bund Werde glücklich und gesund. So soll jedes von den Paaren In der Liebe Treue wahren. Ohne Fehler der Natur, Sei ihr Nachwuchs edel nur. Hasenscharte, Muttermal, Und was sonst der Eltern Qual, Jedes Zeichen böser Art, Bleibe ihrem Stamm erspart. Tropfen süßen Wiesentaus Sprengen wir durchs ganze Haus. Jede Kammer sei geweiht, Für heut Nacht und alle Zeit. Wer hier wohnt, dem sei beschieden Sanfter Schlaf und tiefer Frieden. Hüpft davon und wartet nicht, Trefft mich vor dem Tageslicht. Alle ab, bis auf Puck. PUCK Wenn wir Schatten euch gekränkt, Wär es besser, wenn ihr denkt, Dass ein Schlummer euch umfing, Als dies alles vor sich ging. Und dies kleine Spiel, das kaum Mehr bedeutet als ein Traum, Liebe Leute, tadelts nicht, Euer Zuspruch ist uns Pflicht. Und, so wahr man Puck mich nennt, Haben wir das Glück, am End’ Eurem Zischen zu entgehen, Sollt ihr bald was Bessres sehen. Sonst könnt ihr mich Lügner nennen. Gute Nacht. Eh wir uns trennen, Rührt eure Hände, habt den Mut, Und Robin macht den Schaden gut. Ab. 72
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