Anstöße zum Buch Exodus

„Anstöße zum Buch Exodus“
Bibelstelle:
Autor:
Ex 16, 11-31
Dr. med. Bernd Diekhoff
Facharzt für Innere Medizin, Mitglied des Katholikenrates
Osnabrück
Es ist Sonntag – 4. Advent – bald ist Weihnachten. Ich habe den Text Exodus 16, 11-31 gerade noch
einmal gelesen. Die Worte haben mich in den letzten Wochen etwas mehr begleitet, weil ich ja
dazu schreiben soll, was der Inhalt für mein Leben als Christ bedeutet. Alles unter dem Leitwort:
„Damit sie zu Atem komme!“ Ein Freund, mit dem ich über das Thema sprach, konterte mit dem
Satz: „Da reiten die Katholen wieder auf ihrem Sonntag rum!“ Heute Nachmittag, wo eine Bekannte in netter Familienrunde sagte, dass sie am Sonntag, dem 03.01.2016, den ganzen Tag am
verkaufsoffenen Sonntag arbeiten müsse, dachte ich, ich reite gerne und vielleicht jetzt umso
mehr auf dem Sonntag herum.
Die Frau ist machtlos. Sie arbeitet im Einzelhandel und ist froh um ihren Arbeitsplatz. Das Stadtmarketing schreibt es vor – keine Chance etwas zu verändern. Ich habe mit ihr darüber gesprochen, was wäre, wenn der Sonntag wieder ein „richtiger“ Sonntag wäre. Sie fing an zu strahlen bei
der Vorstellung und ihre Kindheitserinnerungen aus Hildesheim kamen zur Sprache. Als am Samstag um 12:00 Uhr die Sirenen der Stadt heulten als Probealarm. Aber mit dem Hinweis für alle,
jetzt ändert sich etwas im Lebensrhythmus. Bald ist Sonntag – und das ist gut so. Ein gutes Gefühl,
sonst wäre es wohl nicht so tief in der Erinnerung geblieben.
Dann kamen wir auf das Wort Zeit zu sprechen. Es war mehr Zeit für die Familie – auch zweckfreie
Zeit –, weil man ja nichts machen MUSSTE. Man konnte einfach mehr DA sein, wo man hingehört.
Es gab dann noch ein bisschen Sozialkontrolle, damit keine zu große Geschäftigkeit in Haus und
Hof stattfand.
Und heute?! Heute ist fast alles gleich – mit der Tendenz steigend –, und wir haben uns schon daran gewöhnt. Unsere Kinder finden es normal und vermissen nichts – noch nicht? Ein Student, der
zur Zeit in Dänemark ist, findet es beim Weihnachtsurlaub schon komisch, dass die Supermärkte in
Deutschland nicht auch 7 Tage in der Woche von morgens bis abends geöffnet sind, so wie er es
von seinem Studienort kennt.
Als ich vor ein paar Jahren eine knappe Woche in New York war, habe ich es in Manhatten hautnah erlebt, was es bedeutet: „Eine Stadt schläft nicht“, kommt nicht zur Ruhe, viele Geschäfte sind
7 x 24 Stunden in der Woche geöffnet.
Im Text steht: „Am siebten Tag gingen trotzdem einige von dem Volk hinaus, um zu sammeln, fanden aber nichts“ (Ex 16,27). Ich habe das Gefühl, dass es heute eine Art Zielvorgabe gibt, dass man
auch am siebten Tag möglichst alles vorfinden kann, was man zu brauchen glaubt. Beim einen ist
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es das Stadtmarketing, das die Vorgabe gibt, beim anderen sind es irgendwelche Menschen im
Hintergrund.
Die meisten von uns spüren und wissen auch, das ist nicht gut so, aber vertrösten sich mit ihrer
Machtlosigkeit.
Die Bibel sagt sehr eindeutig:
„[…], der HERR hat euch den Sabbat gegeben; […]
Jeder bleibe, wo er ist. Am siebten Tag verlasse niemand seinen Platz.“ (Ex 16,29)
Kann ich an dem mir aufgedrückten „Herdentrieb“ etwas ändern? – schwer! Aber ich kann bei mir
anfangen, ich kann mein Verhalten ändern. Und das fängt dann z.B. auch damit an, dass ich sonntags keine Brötchen mehr hole – als kleiner stiller Protest; und dass ich mich zu dem „Warum“ bekenne und es kommuniziere.
Das geht weiter über das Bemühen, meine/unsere Sonntagskultur zu pflegen und zu festigen, wie
zum Beispiel zur Kirche zu gehen, – und hier nicht zu schnell sich Entschuldigungen hingeben, warum es heute nicht geht. Das heißt auch, einen regelmäßigen Spaziergang einzubauen und Zeit
zum Spielen zu haben, einfach Zeit, um aufzutanken.
Ich habe das Lied von Rudi Carell im Kopf – etwas verändert:
„Wann wird‘s mal wieder richtig SONNTAG?
Ein Sonntag wie er früher einmal war ...!“
Der andere Inhalt aus dem Text ist für mich noch wichtiger: Hier geht es um das Vertrauen, dass
GOTT genau weiß, was wir zum Leben brauchen, und dass wir es bekommen werden. Dieses Vertrauen täglich immer neu und mehr einzuüben, ist heute elementar. Gerade in dem Spannungsfeld
der Menschwerdung Gottes in der Krippe bis zum Kreuz und zu der Erfahrung des auferstandenen
Christus auf dem Weg nach Emmaus zeigt sich Gottes Liebe und Nähe zu uns.
Für das Leben tagein tagaus kristallisiert es sich in dem Satz von Karl Rahner für mich sehr ermutigend:
„Die Tugend des Alltags ist die Hoffnung,
in der man das Mögliche tut und das Unmögliche Gott zutraut.“
[2]