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Abzug der deutschen Truppen von Schier‘ am 11. Juni 1945. Foto: ARCHIEF BAUKE HENSTRA, NL (Leeuwarder Courant)
Die deutsche Besatzung der Niederlande endete vor 70 Jahren auf kuriose Weise.
Erst am 11. Juni 1945 war auch das letzte Stück der Niederlande von Deutschen befreit.
In der Niederländischen Zeitung „Leeuwarder Courant“ (Westfriesland) erschien am 30.04.2015
darüber ein Bericht unter dem Titel „Schier(monnikoog) in der Hand deutscher Henker“.
Auf Schiermonnikoog begann der Krieg eigentlich erst am 15. April 1945, als 125 Mitglieder von SD
(Sicherheitsdienst) und SS auf die Insel flohen. Es muss ein bizarrer Anblick gewesen sein, als an
diesem Sonntag vier Boote an der Anlegestelle der Insel festmachten. Die Niederlande war mit Hilfe
der Kanadier befreit worden. Für die SS-Mitglieder war der Rückzug nach Deutschland abgeschnitten.
Sie beschlagnahmten Schiffe, die sie auf die Insel brachten. Von dort hofften sie auf eine Möglichkeit,
nach Borkum zu kommen.
Es war eine bunte Gesellschaft die da an Land ging: Kriegsverbrecher, Kollaborateure und noch eine
Handvoll Frauen. Die Neuankömmlinge auf Schiermonnikoog (zu deutsch „Insel der grauen Mönche“)
waren bis an die Zähne bewaffnet und hatten Koffer voll gestohlenem Gut bei sich, darunter Geld
und Juwelen. Hinzu kamen einige Hunde, vierzig Fahrräder und vier Autos, eines davon ein schicker
Mercedes mit offenem Verdeck. Sechs Wochen hielten sie die Insel im Griff.
Den höchsten Rang hatte der SS-Hauptsturmführer Thomas Thomson, der in Gelderland als „Henker
von Veluwe“ bekannt war. Er hatte unzählige niederländische Landsleute verhört und grausam
misshandelt. Auch Robert Friedrich Lehnhoff war, kurz bevor die Kanadier am 13. April Groningen
erreichten, mit seinen Leuten vom SD geflohen. Er hatte dort ein grausames Regiment geführt und
viele der Gefangenen immer wieder gefoltert. Sie wurden bewusstlos geschlagen, wieder zu
Bewusstsein gebracht und erneut bewusstlos geschlagen auch „Waterboarding“ war eine bliebte
Methode um die gefangenen zum Reden zu bringen und Lehnhoff soll geäußert haben, wie sinnvoll
es doch wäre, dass der Teppich in seinem Groninger Domizil „Scholtenhuis“ eine rote Farbe habe,
dadurch würde das viele Blut nicht so auffallen.
Bis dahin war der Krieg für die 648 Inselbewohner weit weg gewesen. Die insgesamt 600 Mann
starken, deutschen Besatzungstruppen konnten sich durch einige Artilleriestellungen und
Radarstationen auf der Insel halten. Die Beziehungen zu den Einheimischen waren angespannt und
ein Teil der Insel wurde zur Verbotenen Zone erklärt.
Als Anfang Mai die Nachricht vom Selbstmord Adolf Hitlers eintraf, reagierten die Truppen geschockt.
Die Niederlande ist inzwischen Befreit. Die Einwohner sehen die Flaggen an den Kirchtürmen auf
dem Festland. Aber die Deutschen lassen auf Schier kein Feiern zu.
Die Kanadier machten keine Anstalten, auch Schiermonnikoog zu befreien. Darauf angesprochen
meinten sie „Es ist gut gewesen. Wir vergießen kein Blut mehr für die Kerle auf Schiermonnikoog.
Lasst sie im Meer verrecken.“ Da die Alliierten nichts mehr unternahmen, nahmen die Niederländer
das Heft selbst in die Hand. Herman Kloppenburg (31) aus Winschoten setzte mehrfach nach
Schiermonikoog über. Er konnte gebrochen deutsch und ihm gelang es schließlich, SD und SS dazu zu
bewegen, sich zu ergeben. Am 31. Mai wurde eine Gruppe unter großem Polizeiaufgebot und mit
Kanadiern der Field Security abgeführt. Robert Lehnhoff wurde nach Groningen gebracht, wo man
ihn noch nicht vergessen hatte. Er hat Groningen nie wieder verlassen. Am 24. Juli 1950 wurde
Lehnhoff in der Kaserne von Groningen hingerichtet.
Schiermonnikoog musste noch bis zum 11. Juni 1945 warten, bis die deutsche Garnison vollständig
von der Insel geholt wurde. Gegen Mittag wurden sie eingeschifft und auch das letzte Stück der
Niederlande war befreit.