1 Abitur Latein (Bayern) Musterabitur Teil A: Übersetzung Politiker

Abitur Latein (Bayern)
Musterabitur
Teil A: Übersetzung
Politiker sollen dem Gemeinwohl, nicht Einzelinteressen dienen! (Cicero)
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Qui rei publicae praefuturi sunt, duo Platonis praecepta teneant: unum, ut utilitatem
civium sic tueantur, ut, quaecumque agunt, ad eam referant – obliti commodorum
suorum; alterum, ut totum corpus rei publicae curent, ne, dum partem aliquam
tuentur, reliquas deserant. Ut enim tutela1, sic procuratio rei publicae ad eorum
utilitatem, qui commissi sunt, non ad eorum, quibus commissa est, gerenda est. Qui
autem parti civium consulunt, partem neglegunt, rem perniciosissimam in civitatem
inducunt.
Hinc apud Athenienses magnae discordiae ortae sunt, in nostra re publica non solum
seditiones, sed etiam pestifera bella civilia. Quae gravis et fortis civis et in re publica
principatu dignus fugiet atque oderit tradetque se totum rei publicae neque opes aut
potentiam consectabitur totamque eam sic tuebitur, ut omnibus consulat. Nec vero
criminibus falsis in odium aut invidiam quemquam vocabit.
Et omnino ita iustitiae honestatique adhaerescet, ut, dum2 ea conservet, graviter
offendat3 mortemque oppetat potius, quam deserat illa, quae dixi.
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Nec vero audiendi sunt, qui graviter inimicis irascendum putabunt. Nihil enim
laudabilius, nihil magno et praeclaro viro dignius placabilitate atque clementia.
(172 lateinische Wörter)
1 tutela, -ae
2 dum
3 offendere
hier: Vormundschaft
hier: solange nur
hier: Anstoß erregen
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Teil B: Aufgabenteil
Teil I
Bearbeiten Sie von den folgenden fünf Aufgabenstellungen vier Aufgaben nach eigener Wahl. Erreichbar sind je 4 Bewertungseinheiten.
1.
Welche Stilmittel erkennen Sie im folgenden Ausschnitt aus dem Übersetzungstext? Geben Sie zwei Stilmittel mit den entsprechenden lateinischen Belegstellen
an.
Ut enim tutela, sic procuratio rei publicae ad eorum utilitatem, qui commissi
sunt, non ad eorum, quibus commissa est, gerenda est. Qui autem parti civium
consulunt, partem neglegunt, rem perniciosissimam in civitatem inducunt.
2.
Stellen Sie vier lateinische Verben zum Wortfeld „sich kümmern, sich sorgen“
zusammen. Der Übersetzungstext bietet Ihnen Anhaltspunkte.
3.
Geben Sie in knappen Worten wieder, was man unter dem philosophischen Begriff eudaimonia versteht.
4.
Wählen Sie aus den nachstehenden Begriffen die vier aus, mit denen sich das
folgende metrische Schema charakterisieren lässt.
– ∪ ∪ / – – / – – / – ∪ ∪ || – ∪ ∪ / – ∪
Bukolische Dihärese, Daktylus, Hephthemimeres, Hexameter, Iambus, Pentameter, Spondeus, Tetrameter
5.
Ordnen Sie die historischen Ereignisse der Regierung des jeweiligen Kaisers zu,
indem Sie auf Ihrem Arbeitsblatt zum jeweiligen Buchstaben die entsprechende
Ziffer schreiben (z. B. G → 5).
A) Nero
1. Kreuzigung Jesu
B) Hadrian
2. Varusschlacht
C) Augustus
3. Brand von Rom
D) Titus
4. Einweihung des Kolosseums
E) Tiberius
F) Diokletian
Teil II
Bearbeiten Sie von den folgenden sechs Aufgabenstellungen drei Aufgaben nach
eigener Wahl. Erreichbar sind je 6 Bewertungseinheiten.
6.
„Satire ist immer unbescheiden (K. Tucholsky)“.
Belegen Sie diese Aussage aus Ihrer Kenntnis von Petrons Satyrica.
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Lösungen
Teil A: Übersetzung
Leute (ergänzt), die den Staat leiten sollen (praefuturi sunt: Coniugatio periphrastica
activa), mögen sich an zwei Grundsätze Platons halten: Erstens, dass sie den Nutzen
für die Bürger so im Blick haben, dass sie, was auch immer sie tun, auf ihn beziehen
– ohne an den eigenen Vorteil zu denken; zweitens, dass sie sich um den ganzen
Staatskörper kümmern, um nicht, während sie für einen Teil sorgen, den Rest aus
dem Auge zu verlieren. Nämlich wie eine Vormundschaft, so ist die Fürsorge für den
Staat zum Nutzen derjenigen, die anvertraut sind, nicht aber derjenigen, denen er anvertraut ist, zu gestalten. Leute aber, die nur (ergänzt) für einen Teil der Bürgerschaft
sorgen, einen Teil vernachlässigen, bringen schlimmstes Verderben in den Staat.
Hieraus entstanden in Athen (wörtlich: bei den Athenern) große Zwistigkeiten, in
unserem Staat nicht nur aufrührerische Bewegungen, sondern auch unheilvolle Bürgerkriege. Solche (wörtlich: diese) wird ein ernsthafter, tatkräftiger und der ersten
Stelle im Staat würdiger Mitbürger vermeiden, ablehnen, sich ganz dem Staat widmen und nicht nach Reichtum und Macht streben, vielmehr (ergänzt) sich um ihn
(den Staat) in seiner Gesamtheit (für totam: insgesamt) so kümmern, dass er für alle
sorgt. Und er wird wahrlich niemanden durch falsche Anschuldigungen verhasst
machen oder in Verruf bringen.
Und er wird sich überhaupt so der Gerechtigkeit und Ehrenhaftigkeit verschreiben
(für adhaerescet: anhängen), dass er, solange er diese nur unversehrt (ergänzt) bewahren kann, eher schweren Anstoß (graviter: im Lateinischen Adverb) erregen und
den Tod akzeptieren würde, als dass er jene Grundsätze (ergänzt), welche ich beschrieben habe, aufgäbe.
Nicht freilich darf man auf diejenigen (ergänzt) hören, welche glauben (im Lateinischen Futur), dass man Feinden ernsthaft zürnen müsse. Nichts nämlich ist lobenswerter, nichts eines großen und bedeutenden Mannes würdiger als eine versöhnliche
und milde Wesensart (für placabilitate atque clementia: Versöhnlichkeit und Milde;
hier liegt ein Ablativus comparationis vor, ein Ablativ des Vergleichs).
Cicero, De officiis 1, 85 ff.
Teil B: Aufgabenteil
Teil I
1.
Vergleich: ut enim tutela, sic procuratio …
Antithese: ad eorum … non ad eorum …
2.
consulere, curare, providere, tueri
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3.
Das griechische Wort eudaimonia bedeutet „Glück“. In der antiken Philosophie
ist dieses „Glück“ Ziel einer richtigen Lebensführung, wie sie nach den Maximen verschiedener Philosophenschulen in unterschiedlicher Weise anempfohlen
wird. Im Lateinischen steht für eudaimonia die Bezeichnung vita beata, vgl. die
Schrift Senecas De vita beata.
4.
Bukolische Dihärese, Daktylus, Hexameter, Spondeus
5.
E 1, C 2, A 3, D 4
Teil II
r 6.
r
r
Sie können bei Ihrer Argumentation davon ausgehen, dass die Satyrica Petrons
weder in ihrer literarischen Qualität noch in ihrer Wirkung auf den Leser „unbescheiden“ sind.
„Bescheiden“ könnte eine Satire sein, wenn sie ohne Glanz und literarischen
Anspruch daherkäme oder wenn sie nicht auf eindringliche Wirkung auf den Adressaten aus wäre. Beides gilt für Petrons Satyrica nicht: Die von Petron geschriebene menippeische Satire, die aus einer Verbindung von Vers- und Prosapassagen besteht, ist voller literarischer Glanzstücke, sie spielt auf ironische
Weise gekonnt mit verschiedenen Gattungen, man denke nur an die Novelle der
„Witwe von Ephesus“ oder an die Travestie eines Epos in der Darstellung der
„Zerstörung Trojas“ durch den Dichter Eumolpus.
Auch Wirkung auf den Leser kann man den Satyrica nicht absprechen: Wie unnachahmlich drastisch und köstlich in der Cena Trimalchionis der Gastgeber
Trimalchio und seine Gäste, lauter Freigelassene, dargestellt sind, wie die sklavische Herkunft dieser halbgebildeten Menschen sich in übermäßigem Prunk zu
verstecken sucht, ist für den Leser sowohl literarischer Hochgenuss als auch eine
lehrreiche soziologische Studie einer wichtigen sozialen Gruppe der Kaiserzeit.
So gesehen, sind die Satyrica Petrons durchaus „unbescheiden“.
7.
Die Darstellung auf der Bühne beginnt um neun Uhr (alle nove). Es empfiehlt
sich, zwei oder drei Stunden vor Beginn einzutreten, um die besseren Plätze zu
bekommen (per occupare i posti migliori). Beginnt das Orchester zu spielen,
zünden alle Zuschauer eine Kerze an (una candela).
8.
Die Götter sind nach dieser Textpassage (De legibus 2, 15) die Herren und Lenker der Welt (dominos esse omnium rerum ac moderatores), alles Geschehen ist
ihrem Urteil und Willen unterworfen (eorum geri iudicio ac numine). Die Welt
stellt sich also als ganz und gar von Göttern durchwaltet dar. Weiterhin stehen
die Götter in enger Beziehung zu den Menschen, um die sie sich intensiv kümmern (optime de genere hominum mereri), von denen sie andererseits als Antwort rechtes Handeln (qualis quisque sit, quid agat, quid in se admittat) und
fromme Verehrung (qua pietate colat religiones) erwarten, wobei sie „die From9