Lücken und Tücken von Bauprojekten aus

Lücken und Tücken von Bauprojekten aus Unternehmersicht – Praxisfälle mit Naturwerkstein
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Lücken und Tücken von Bauprojekten aus Unternehmersicht –
Praxisfälle mit Naturwerkstein
Marc Aßmann
11.1
Einführung
Lücken und Tücken in der Bauabwicklung, wer kennt sie nicht? Dieser Beitrag soll helfen, eine
strukturierte Ablauforganisation aufzuzeigen, die mögliche Fehlerquellen reduziert und in der
täglichen Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann. Auf Grund der Komplexität des Themenfeldes
kann dieser Beitrag nicht abschließend sein. Der Verfasser konzentriert sich auf Fehlerquellen in
Unternehmen, die ihm in seiner täglichen Praxis als Sachverständiger und Baubetriebsberater vielfach
begegnen. Anhand von Praxisbeispielen aus dem Leistungsbereich Naturwerkstein wird dem Leser
mögliches Potenzial aufgezeigt, welches helfen soll, teure Fehler zu vermeiden. Fehler von heute
morgen zu vermeiden, ist eine große Chance!
11.2
Vorvertragliche Phase
Die Vorvertragliche Phase unterteilt sich in die Akquisephase, Anfragephase, Angebotsphase und in
die Vertragsphase.
Akquisephase
Es wird vorausgesetzt, dass die Zielgruppe und die Geschäftsfelder vom Unternehmen definiert
wurden. Ist dies der Fall, kommt es zu einer Kontaktaufnahme, z. B. auf einer Fachmesse mit einem
Interessenten. Hierbei sind die ersten fünf Minuten entscheidend – ist man sich sympathisch bzw.
bietet man Geschäftsfelder, welche die Aufmerksamkeit des Interessenten erregen? Wenn ja, dann
werden nach dem Anlegen der Geschäftspartner-Stammdaten im EDV-System die Verkaufschancen
eingeschätzt, z. B. können wir den Anforderungen entsprechen, fallen die Aufgaben in unsere
Kernkompetenzen, gibt es Alleinstellungsmerkmale, die uns favorisieren etc. Wichtig ist es,
analytisch an diese Aufgabenstellung heranzugehen.
Fällt die Entscheidung, den Interessenten als Kunden zu gewinnen, heißt es im nächsten Schritt,
Informationen vom potenziellen Geschäftspartner einzuholen. Zusätzlich empfiehlt es sich, eine
Wirtschaftsauskunft zu erwerben. Ist der zukünftige Kunde versicherbar, muss eingeschätzt werden,
ob die Höhe der Versicherungssumme für das Auftragsvolumen reicht und wie viel Kapital hinter
diesem Unternehmen steht.
Merke
Von Absichtserklärungen lassen sich keine Gehälter und Lieferanten bezahlen.
Fallen die Prüfungen alle positiv aus, dann geht es los. Gibt es konkrete Projekte, wo der
Unternehmer in der Planungs- oder Ausschreibungsphase sein Fachwissen einbringen kann? Stehen
die Zeit- und damit Kostenaufwände hierfür im Verhältnis zu dem avisierten Auftragsvolumen? Und
zu guter Letzt – wo und wann muss der Unternehmer bei öffentlichen Auftraggebern seinen
Teilnehmerantrag stellen?
Anfragephase
Die Anfrage eines potenziellen Auftraggebers liegt vor. Nach dem Anlegen des Anfrageordners und
der Projektstammdaten empfiehlt es sich, zuerst die Vergabeart zu prüfen. Wenn die Anfrage von
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einem privaten Auftraggeber vorliegt (z. B. Wirtschaftsunternehmen, Privatperson etc.), ist die aus
der Akquisephase erstellte Wirtschaftsauskunft zu aktualisieren. Reicht die Bonität für das avisierte
Auftragsvolumen nicht aus, sollte eine Anfrage mit einer Vorauszahlungsregelung gestellt werden.
Will der Bauherr eine Vorauszahlung nicht leisten, sollte eine Ausarbeitung des Angebotes erspart
und die Anfragephase mit dem Status „Abbruch“ abgeschlossen werden.
Merke
Es ist immer noch günstiger aus dem Fenster zu schauen, als einen schwer verdienten
Geldkoffer einem nicht zahlungsfähigen Kunden zu überlassen.
Bei Bonität erfolgt die Anfrageselektion. Fragen zur passenden Projektgröße, zum Leisten einer
Vorfinanzierung, zur Verfügbarkeit und Auslastung eigener Kapazitäten, der Lieferanten und
Nachunternehmer, den Risiken im Bauverfahren sowie den Projektrisiken müssen gestellt und
beantwortet werden. Nur so ist es möglich zu schlussfolgern, ob das Projekt eine ausreichende
Rendite abwerfen kann.
Mit der Analyse der beabsichtigten Vertragsbedingungen werden die projektspezifischen Risiken
aufgedeckt. Kann und will man sich im Auftragsfalle vertraglich an diese binden? Wenn ja, dann
werden die Projektkapazitäten eingeschätzt und intern/extern daraufhin abgestimmt, ob diese zum
Projektstart und während der Projektdauer zur Verfügung stehen.
Aus diesem Konglomerat der Fragestellungen filtern sich diese Projekte heraus, für die das
Unternehmen als Bieter ein konkretes Angebot erarbeiten will.
Merke
Es gilt die Qualität und nicht die Quantität der ausgewählten Anfragen!
Angebotsphase
Im ersten Schritt werden die Anfrageunterlagen auf Vollständigkeit geprüft. Fehlende Unterlagen sind
in einer technischen Anfrage an den Bauherrn abzufordern. Nur mit vollständigen Unterlagen lässt
sich ein seriöses Angebot erarbeiten. Liegen alle Informationen vor, werden in kaufmännischer und
technischer Hinsicht alle Anfrageunterlagen geprüft. Gibt es keine Einwände, erfolgt die Selektion
und Anfrage der Leistungspositionen für eventuelle Lieferanten und ggf. Nachunternehmer. Soll der
zukünftige Vertrag als Pauschalvertrag geschlossen werden, so muss vor Angebotsabgabe eine
Mengen- und Massenprüfung der ausgeschriebenen Mengenvordersätze erfolgen, um Sicherheit des
ausgeschriebenen Leistungssolls zu erzielen.
Merke
Mengen- und Massensicherheit beim Pauschalpreisvertrag ist primär, da die rechtliche
Zumutbarkeitsgrenze bei +/- 20 % der Gesamtauftragssumme liegt!
Parallel zu den Bieteranfragen wird mit der Kalkulation der Eigenleistungen begonnen. Hierbei
werden für die Kostenart Lohn projektspezifische Vorgabewerte angesetzt, deren Basis auf den
Aufwandswerten der Nachkalkulation von vergleichbaren Leistungen beruht. Nach Bestimmung der
Einzelkosten der Teilleistungen (EkT) werden die Baustellengemeinkosten (BGK) in einem separaten
und projektspezifischen BGK-Leistungsverzeichnis ermittelt, um diese dann als Umlagefaktor auf die
EkT zu verteilen. Die daraus resultierenden Herstellkosten (HK) werden mit dem Umlagebetrag aus
den Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) sowie aus Wagnis und Gewinn (W+G) beaufschlagt und
bilden in ihrer Summe den Netto-Angebotspreis für eine angebotene Leistungsposition im
Leistungsverzeichnis. 1
Merke
1
Eine transparente und nachvollziehbare Preisermittlungsgrundlage (Urkalkulation) bildet
die Grundlage für eine konfliktärmere Projektabwicklung.
vgl. Aßmann, Marc: Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei Mehrkostenansprüchen im Bauwesen, Kap. 11.2 DENAK 2012
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Die Anfrageunterlagen dürfen üblicherweise nicht von einem Bieter geändert werden. Treten für den
Bieter Widersprüche in den Unterlagen auf, so hat er diese in der technischen Anfrage an den
Ausschreibenden aufzuzeigen und um Aufklärung zu bitten. Nur so ist es dem Bauherrn überhaupt
möglich, die Angebote der verschiedenen Bieter miteinander zu vergleichen.
Merke
Anfrageunterlagen werden nie vom Unternehmer geändert, bei Widersprüchen wird um
Aufklärung gebeten bzw. das Projekt mit Abbruch beendet!
Bei der Preisfindung ist der Marktpreis – aber im Besonderen die eigene Preisuntergrenze – zu
berücksichtigen. Nach der Angebotsabgabe an den Bauherrn kommt es bei öffentlichen
Ausschreibungen zu einer Submission (Eröffnungstermin), bei der jeder Bieter teilnehmen darf. Das
Submissionsprotokoll darf vom Bieter abgefordert werden und gibt ihm Aufschluss darüber, welche
Wettbewerber beteiligt waren und in welchem Verhältnis sein Preis zu diesen liegt.
Merke
Submissionen spiegeln den Wettbewerb wider und helfen beim Benchmarking.
Mit jedem Angebot sollte der anbietende Unternehmer auch immer eine Bindefrist – wenn nicht vom
Bauherrn vorgegeben – angeben. Nur so lässt sich verhindern, dass plötzlich mehrere Aufträge an
den Unternehmer erteilt werden, die diesen bei der Leistungsabwicklung vor Probleme stellen. Will
der Bauherr die Bindefrist verlängert wissen, dann ist durch den Unternehmer zu prüfen, ob er diesem
Antrag stattgeben will. Wenn nicht, ist sein Angebot abgelaufen und es besteht keine vorvertragliche
Verpflichtung mehr. Anderenfalls sind die ggf. daraus resultierenden Verzögerungen mit den eigenen
Kapazitäten und denen von Lieferanten bzw. Nachunternehmern einvernehmlich abzustimmen.
Oftmals wird zwar die Bindefrist nach oben (zum Bauherrn) verlängert, aber nicht nach unten
(Lieferanten/Nachunternehmer) abgestimmt. Letzteres ist allerdings zwingend Voraussetzung dafür,
dass keine ungewollten Projektrisiken – primär in monetärer Hinsicht – entstehen.
Merke
Es gibt keine Angebote ohne Bindefrist (Gültigkeitsdauer). Angebote vom Lieferanten bzw.
Nachunternehmer die mit „freibleibend“ bzw. „unverbindlich“ deklariert werden, sind vom
Unternehmer auszuschließen, da sie keine Verbindlichkeit hinsichtlich Angebotspreisen,
Start und Ausführungsdauer haben.
Vertragsphase
Diese Phase beginnt beim öffentlichen Bauherrn im Bedarfsfall mit einem Aufklärungsgespräch. Hier
werden inhaltliche Fragen an den Unternehmer aufgeklärt, z. B. ob inhaltlich alles verstanden wurde,
ob die Angebotsendsumme auskömmlich ist etc. Beim privaten Bauherrn ist dieses
Aufklärungsgespräch ein Verhandlungsverfahren. Im Gegensatz zum öffentlichen Bauherrn darf hier
der private Bauherr auch vertragliche Konditionen oder Leistungen kürzen, abändern oder auch
zusätzliche Leistungen ergänzen.
Erfolgt die Auftragserteilung als Ergebnis des Aufklärungs- bzw. Verhandlungsverfahrens ohne
Abänderungen, so bestätigt der Unternehmer, der jetzt zum Auftragnehmer wird, durch eine
Empfangsbestätigung – im BGB Annahmeerklärung – den Auftragseingang dem Bauherrn, der jetzt
zum Auftraggeber wird. Wurden Änderungen im Vertrag aufgenommen, die nicht im Angebot bzw.
im Aufklärungs- bzw. Verhandlungsverfahren vereinbart wurden, so kann der Bieter eine
Auftragsbestätigung mit seinen Konditionen als Annahmeerklärung zusenden. Wird diese
Auftragsbestätigung in der üblichen Frist von 14 Kalendertagen nicht vom Auftraggeber gerügt, so ist
dies als kaufmännische Bestätigung und stillschweigende Annahme zu deuten. Erfolgt allerdings eine
Rüge, besteht für die strittigen Punkte keine vertraglich für beide Seiten verbindliche Vereinbarung.
Hier sollte umgehend Abhilfe geschaffen werden, um keine Unstimmigkeiten in die
Leistungsabwicklung zu verlagern.
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Merke
Wird das Angebot ohne Einschränkung beauftragt, erfolgt eine Annahmeerklärung, bei
Änderungswünschen gibt es eine Auftragsbestätigung!
Wenn der Auftrag unter Dach und Fach ist, können die Vertragsleistungen der Lieferanten und ggf.
Nachunternehmer selektiert und beauftragt werden. Die Projektakte wird nunmehr gewöhnlich vom
Kalkulator an den Fachbauleiter mit einem Übergabeprotokoll überreicht. Im Besonderen ist darauf
zu achten, dass die Erfahrungswerte und Annahmen aus der vorvertraglichen Phase vollständig
übergeben werden.
Merke
Eine sorgfältige Übergabe zwischen den Mitarbeitern erhöht die Projektchancen und
reduziert die Projektrisiken.
11.3
Ausführungsphase
Die Ausführungsphase unterteilt sich in die Projektvorbereitung, die Vorbereitung und die
Abwicklung der Baumaßnahme.
Projektvorbereitung
Nach der Übergabe der Projektakte an den Fachbauleiter übergibt er die zu disponierenden
Leistungen an den Arbeitsvorbereiter und teilt dem Auftraggeber in einem Schreiben den
Leistungsbeginn mit. Der Arbeitsvorbereiter prüft beispielsweise, ob alle Ausführungsunterlagen vom
Auftraggeber zur Ausführung freigegeben sind. Fehlt eine Freigabe, so handelt es sich um einen
Vorabzug-Status.
Merke
Ausführungsunterlagen ohne Freigabevermerk vom Auftraggeber haben einen VorabzugStatus und erfüllen nicht das notwendige Leistungssoll.
Weiterhin wird die vertraglich vereinbarte Bauaufgabe hinsichtlich Unklarheiten oder Bedenken
gegen die geplante Ausführung geprüft und bei Bedarf mit einer technischen Anfrage an den
Auftraggeber zur Klärung übermittelt. Sind alle Punkte inhaltlich geklärt, trifft das beauftragte
Unternehmen die für sich wirtschaftlichste Verfahrensweise. Wurden Planungsleistungen, wie z. B.
die Werkstatt- und Montageplanung (W+M-Planung) als Leistungssoll beauftragt, werden diese auf
Basis der freigegebenen Ausführungsplanung gezeichnet und zum Prüf- und Genehmigungsverfahren
beim Auftraggeber eingereicht.
Beispiel Wird im Leistungsbereich Naturwerkstein eine W+M-Planung in Auftrag gegeben, so sind
die Werkpläne zu zeichnen und müssen alle Informationen für die Herstellung, die
Kennzeichnung, den Ort und die Maße jedes einzelnen Werksteins gemäß DIN EN 126702002-03 enthalten. Als Grundlage der Werkpläne gelten die Ausführungszeichnungen, die
gemäß § 3 Abs. 1 VOB/B freigegeben sein müssen und alle Maße, Orte,
Oberflächenausführungen und Verankerungssysteme enthalten.
Nach erteilter Freigabe durch den Auftraggeber erfolgen die notwendigen Dispositionen, wie
Materialbestellungen aus den W+M-Planungsunterlagen. Es liegen nunmehr auch die tatsächlichen
Planungsgrundlagen für die zu erstellenden Mengen- und Massenberechnungen der
Leistungspositionen vor. Eventuelle Verschiebungen in den ausgeschriebenen Mengenvordersätzen
sind ggf. mit einer Anpassung des Vertragsextraktes verbunden. Auf Basis der tatsächlichen
Mengenvordersätze werden der Bauablaufplan sowie die Arbeitspläne entwickelt und dem
Fachbauleiter als Entscheidungsvorlage präsentiert.
Merke
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Das tatsächliche Leistungssoll ergibt sich durch freigegebene Unterlagen. Bauen erfordert
Pläne, da anderenfalls das Leistungssoll unbestimmt ist.
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Vorbereitung der Baumaßnahme
Nachdem die Projektvorbereitung abgeschlossen ist, erfolgt die Prüfung vom Fachbauleiter, ob der
Baugrund am Objekt auch den vertraglich vereinbarten Vorgaben entspricht. Abweichungen der
örtlichen Gegebenheiten bzw. der Vorunternehmerleistungen sind umgehend schriftlich dem
Auftraggeber in einer Bedenkenanzeige mitzuteilen. Um Klärung der Sachlage muss gebeten werden.
Entweder werden die Mängel aus der Auftraggebersphäre abgestellt oder die Planungsgrundlagen
werden von ihm angepasst. Der Auftraggeber muss also seinen Willen bekunden, welche Lösung er
vorgibt. Die sich daraus ergebenen Terminverzögerungen gehen zu Lasten des Verursachers. Daher
ist es für den Unternehmer sehr ratsam, den Vorgang zu dokumentieren und daraus resultierende
Mehrkosten ordnungsgemäß anzuzeigen.
Beispiel Bei der Bestandsaufnahme wird festgestellt, dass die Vorleistungen des Rohbauers
fehlerhaft sind. Eine Sichtbetonsäule weicht von ihrer Grundrisslage ab. Wenn dieser
Umstand nicht durch eine Bedenkenanzeige sowie ggf. Anpassung der W+M-Planung
geklärt wird, die geplante Bodenbelagsfuge nicht mehr auf die Mittelachse der Säule trifft,
stellt dies eine vertragswidrige Leistung dar. Dies kann bis zum Rückbau des Bodenbelages
führen, da der Auftraggeber auf eine vertragskonforme Prüfung der Vorleistung bestehen
darf.
Für das Leistungssoll hat der Fachbauleiter seine Baustellenplanung und -einrichtung vorzunehmen.
Dafür erfolgt bei der Baustellenbesichtigung die Erkundung, ob die Ver- und Entsorgungsleitungen
aus der Planungsvorgabe des Auftraggebers vorhanden sind und die allgemeine Baustellensituation
den Beschreibungen des Vertragsextraktes entspricht. Auf Grund der räumlichen Vorgaben des
Auftraggebers plant der Auftragnehmer seine Baustelleneinrichtungsplanung für die gemäß seiner
Leistungserbringung notwendigen Flächen der Stoffe, Geräte, Maschinen, Zwischenlager und
Unterkünfte. Für Beantragungen notwendiger öffentlicher Genehmigungen hat er die betreffende
Behörde zu kontaktieren, die von ihm genehmigungsrelevanten Unterlagen zusammenzustellen und in
einem schriftlichen Antrag bei der Behörde zur Freigabe einzureichen. Wird die Genehmigung nicht
erteilt, so hat er entsprechende Nachbesserungen gemäß Ablehnungsvermerk vorzunehmen und
nochmalig einzureichen. Das Genehmigungsschreiben ist auf der Baustelle zur Einsichtnahme zu
hinterlegen sowie deren Umsetzung und Einhaltung durch den Fachbauleiter sicherzustellen.
Nach der notwendigen Freigabe der Baustelleneinrichtungsplanung durch den Auftraggeber erfolgt
die Umsetzung und Einrichtung der Baustelle durch den Auftragnehmer.
Eine Auftragskalkulation kann nach Wunsch des Auftraggebers im verschlossenen Umschlag als
Preisermittlungsgrundlage – in der Praxis auch als Urkalkulation bezeichnet – bei diesem zur
gemeinsamen Einsichtnahme hinterlegt werden. Parallel zur Baustelleneinrichtungsplanung wird auf
Basis der Auftragskalkulation die Arbeitskalkulation abgeleitet. Die Kalkulationsannahmen werden
anhand der Erkenntnisse aus der Arbeitsvorbereitungsphase präzisiert und dem aktuellen
Kenntnisstand angepasst. Die verhandelten und beauftragten Preise der Lieferanten und
Nachunternehmer werden in die Arbeitskalkulation abschließend eingepflegt. Dieser Stand wird als
Arbeitskalkulation 00 fixiert und dient als Grundlage für die Soll-Ist-Vergleiche in der
Leistungsabwicklung. Bei Vertragsabweichungen ist dieser Status entsprechend mit 01, 02, 03 etc.
fortzuschreiben. Diese Ablaufprozedur empfiehlt sich für alle Planungsleistungen, die
Bauablaufplanung sowie das allgemeine Berichtswesen in der Sphäre des Unternehmers.
Merke
Mit Versionsnummern lassen sich Veränderungen gut nachvollziehen.
Vor Beginn der Bauleistungen ist noch eine Dokumentation als Beweissicherung ratsam. Der
Vorzustand wird mittels Fotodokumentation erfasst, archiviert und dem Auftraggeber zur
Kenntnisnahme übermittelt. Die Beweissicherung kann durch interne oder externe Personen
aufgenommen werden.
Merke
Mit einer Beweissicherung entgeht man späteren Interpretationen des Vorzustandes.
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Nun existieren alle Zielvorgaben aus Kosten, Terminen, Leistungen und Qualitäten, die von allen
Projektbeteiligten als roter Faden umzusetzen sind.
Abwicklung der Baumaßnahme
Das Arbeitspaket aus der Arbeitsvorbereitung wird nunmehr in einem Übergabeprotokoll an den
Fachbauleiter übergeben. Dieser studiert die Unterlagen eingehend, damit er die geplante Bauaufgabe
allen Projektbeteiligten richtig kommunizieren kann und zeigt mit einem Schreiben den Beginn der
Bauausführung dem Auftraggeber an. Interne und externe Besprechungstermine sind vorzubereiten,
abzuhalten, zu protokollieren, offene Punkte abzuarbeiten sowie zu überwachen und unerledigte
Punkte zu mahnen. Der Fachbauleiter ist weiterhin für die ordnungsgemäße Umsetzung der
Zielvorgaben des Unternehmens zuständig.
Merke
Wer schreibt – der bleibt! Im Streitfall helfen nur Nachweise und keine Argumente.
Erfolgen Wareneingänge auf der Baustelle, so sind diese gemäß der vertraglich vereinbarten
Beschaffenheit zu prüfen und bei Abweichungen vertragskonform zu ersetzen. Kommt es zu
ungewollten Abweichungen vom Leistungssoll, sind die Abweichungen im Berichtswesen zu erfassen
und die sich daraus ergebenden Risiken monetär zu bewerten.
Beispiel Alle Hersteller von Bauprodukten müssen seit 01.07.2013 die Europäische
Bauproduktverordnung (EU-BauPVO) einhalten. Ein türkischer Natursteinlieferant
produziert einbaufertige Naturwerksteinplatten für eine vorgehängte hinterlüftete
Fassadenbekleidung in Deutschland und deklariert bei der Überprüfung und Bewertung der
Leistungsbeständigkeit das Überwachungssystem 4 in seiner Leistungserklärung. In
Deutschland gilt hierfür eine länderspezifische Vorgabe, wonach die Überprüfung mit
System 3 zu erfolgen hat. Dem Besteller bleibt hier nur die Möglichkeit, schon mit der
Auftragserteilung die geforderten Nachweise mit seinem türkischen Lieferanten zu
vereinbaren bzw. mittels einer notifizierten Stelle zusätzlich erbringen zu lassen.
Bei besonders kritischen Bauphasen (z. B. neue Bauverfahren) empfehlen sich gesonderte
Terminvereinbarungen mit den betroffenen Personen vor Ort. Die Ausführung der Leistungen erfolgt
somit unter der Prüfung aller Beteiligten, wird ordnungsgemäß dokumentiert und schließt spätere
Widersprüche oder Unklarheiten aus. Ausführungsmängel werden bei den regelmäßigen
Qualitätskontrollen intern vom Fachbauleiter erfasst, dokumentiert, zur Abstellung eingeplant,
abgestellt und, wenn dem Auftraggeber bekannt, ordnungsgemäß bei diesem als erledigt gemeldet.
Merke
Leistungen an verdeckten Bauteilen sind später sehr schwer prüfbar.
Werden bei der Bauausführung zusätzliche oder geänderte Leistungen vom Auftraggeber gewünscht,
so fordert der Unternehmer die dafür notwendige Planung, die Leistungsbeschreibung sowie das
Leistungsverzeichnis zur ordnungsgemäßen Angebotsunterbreitung bei seinem Auftraggeber ab.
Merke
Erstellt der Unternehmer ein sogenanntes „Nachtragsangebot“, dann übernimmt er hierfür
auch das Planungsrisiko!
Kommt es zu Störungseinflüssen bei der Projektabwicklung, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten
hat, und treten durch diese Störungen finanzielle Nachteile für ihn auf, so ist jede Störung im
Einzelnen sorgfältig dem Auftraggeber in einer Behinderungsanzeige schriftlich mitzuteilen. Auf
Grund der höchstrichterlichen Rechtsprechung werden hohe Anforderungen an die Dokumentation
gestellt. Es empfiehlt sich, diese Aufgaben nicht durch den Fachbauleiter als Zusatzbelastung
erbringen zu lassen, sondern hierfür speziell ausgebildetes zusätzliches Personal bzw. externe
Baubetriebsberater schon in der Entstehungsphase der Störungen einzuschalten. Nach Wegfall jeder
Störung hat der Auftragnehmer den Behinderungstatbestand mit einem gesonderten Schreiben wieder
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ordnungsgemäß abzumelden. Nur so behalten alle Projektbeteiligten einen Überblick über Eintritt,
Dauer, Ende und Grund einer jeden Störung.
Merke
Aus Bauablaufstörungen können erhebliche finanzielle Belastungen erwachsen!
Die vertraglich vereinbarten und ausgeführten Leistungen können nun in Abschlagsrechnungen in
kumulierter Form dem Auftraggeber zugestellt werden. Dies erfolgt vorrangig nach den Zeichnungen
gemäß DIN 18299 ATV Abschnitt 5 Abrechnung der VOB/C. Hierfür werden die freigegebenen
Ausführungsunterlagen unter Berücksichtigung des ausgeführten Leistungsstandes verwendet.
Merke
Die Abrechnung erfolgt grundsätzlich nach Plänen, nur in Ausnahmefällen mit Aufmaß!
Regiestundenleistungen sind vor der Ausführung dem Auftraggeber anzuzeigen, durch diesen zur
Ausführung freizugeben und gesondert in Rechnung zu stellen. Häufig betreffen die Regiestunden
keine Bauleistungen, sondern Nebenleistungen z. B. Transporte, Wartezeiten, Reinigung etc.
Merke
Regiestunden, die keine Bauleistungen sind, reduzieren die Schlussrechnungssumme und
die Sicherheitsleistung während der Mängelanspruchsphase.
Bevor eine Abschlagsrechnung an den Auftraggeber übermittelt wird, sollten vorher die Lieferscheine
der beauftragten Lieferanten und die Messurkunden der Nachunternehmer vorliegen, geprüft und mit
den Vertragspartnern einvernehmlich abgestimmt werden. Dies hat den Vorteil, dass auch diese
Leistungsstände gegenüber dem Auftraggeber zeitnah abgerechnet werden und die
Vorfinanzierungskosten der Baustelle im Rahmen der Liquiditätsplanung liegen.
Merke Die Vorfinanzierung einer Baumaßnahme reduziert bis zur Schlusszahlung die Liquidität
eines Unternehmens.
11.4
Beendigung der Maßnahme
Unter die Beendigung der Maßnahme fallen die Abnahme, die Messurkunde mit der
Schlussrechnung, die Nachkalkulation und abschließend die Mängelanspruchsphase.
Abnahme der Vertragsleistung
Nach der Beendigung der vertraglichen Leistungen wird dies in einer Fertigstellungsanzeige dem
Auftraggeber mitgeteilt und ein Abnahmetermin vereinbart. Parallel werden die Aufzeichnungen der
vertraglich vereinbarten Punkte (z. B. Prüfzeugnisse, Technische Merkblätter, Wartungshinweise,
Protokolle Fremdüberwachung etc.) in einem Dokumentationsordner zusammengestellt und die
Übergabe an den Auftraggeber mittels eines Protokolls dokumentiert. Die Abnahmebegehung ist
durch den Auftraggeber durchzuführen. Werden Mängel oder Restleistungen festgestellt, so kann bei
wesentlichen Mängeln der Auftraggeber die Abnahme verweigern. Bis zur Abnahme hat der
Auftragnehmer seine Leistungen als mangelfrei nachzuweisen. Liegen Mängel vor, die durch eine
Bedenkenanzeige vorher angezeigt und vom Auftraggeber entgegen dieser angeordnet worden sind,
handelt es sich um keine vertragswidrige und damit mangelbehaftete Leistung. Liegen berechtigte
Mängelanzeigen vor, so hat der Auftragnehmer alles für ihn Zumutbare zu tun, um die vertraglich
vereinbarte Beschaffenheit und damit die Mängelfreiheit herzustellen. Bei unterschiedlicher
Auffassung zu einem Mangel ist es ratsam, sich durch einen Fachanwalt für Bau- und
Architektenrecht sowie mit Sachverständigen für den betreffenden Leistungsbereich extern beraten zu
lassen.
Merke
Guter Rat ist teuer, kann aber großen Schaden verhindern!
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Wurde die Abnahme erteilt, erfolgt die Einweisung in das Bauwerk, die mittels eines
Übergabeprotokolls dokumentiert wird.
Messurkunde und Schlussrechnung
Die Messurkunde erfolgt üblicherweise auf Basis der Ausführungszeichnungen gemäß DIN 18299
ATV Abschnitt 5 Abrechnung der VOB/C. Vorher müssen allerdings die Ausführungsunterlagen mit
dem ggf. davon abweichend ausgeführten Leistungsstand aktualisiert werden. Die Bestandsunterlagen
enthalten somit die tatsächlichen Mengen und Massen der ausgeführten Leistungen, soweit diese mit
dem Auftraggeber abgestimmt sind.
Leistungen, die während der Bauzeit dem Grunde nach vom Auftraggeber beauftragt wurden, müssen
vor der Schlussrechnungslegung auch der Höhe nach beauftragt werden.
Merke
Es können nur Vertragsleistungen bezahlt werden – ohne Auftrag fehlt die Grundlage!
Bevor die Schlussrechnung an den Auftraggeber übermittelt wird, sollten alle Schlussrechnungen der
beauftragten Lieferanten und ggf. Nachunternehmer vorliegen, geprüft und mit dem Vertragspartner
abschließend geklärt sein. Andernfalls würde das Risiko erwachsen, dass Forderungen von
Vertragspartnern nicht mehr an den Auftraggeber weiterberechnet werden können.
Üblicherweise wird für eine Schlusszahlung ein längeres Zahlungsziel als für Abschlagszahlungen
vereinbart. Um die Vorfinanzierungskosten für den Unternehmer in Grenzen zu halten, empfiehlt
sich, vor der Schlussrechnungslegung ggf. noch eine Abschlagsrechnung an den Auftraggeber zu
stellen. Voraussetzung ist allerdings, dass noch Restleistungen auf der Baustelle zu erbringen sind
und die Schlussrechnung erst nach dem Zahlungsziel der Abschlagsrechnung gestellt wird.
Anderenfalls kann der Auftraggeber die letzte Abschlagsrechnung zur Schlussrechnung hinzurechnen,
was wiederum das Zahlungsziel verlängert und die Vorfinanzierung des Unternehmers zusätzlich
belastet.
Merke
Eine hohe Schlussrechnungsforderung belastet die Liquidität eines Unternehmens.
Nachkalkulation
Mit den Informationen aus der Schlussrechnung stehen die Aufwandswerte der einzelnen Kostenarten
zur Verfügung. Mit Soll- und Ist- Vergleichen erhält man die Klarheit, ob die Zielvorgaben
eingehalten worden sind oder nicht. Abweichungen werden aufgedeckt und stehen für Analysen und
Einschätzungen, wie z. B. Übereinstimmung der Vorgabewerte für die Lohnleistungen,
Schulungsbedarf, Lieferanten-/Nachunternehmerbewertung etc. zur Verfügung. Die Ergebnisse
daraus werden bei vergleichbaren Projekten in der Preisbildung zukünftig berücksichtigt werden
müssen.
Merke
Wer seine Preisuntergrenze nicht kennt, kann nicht seriös kalkulieren!
Mängelanspruchsphase
Während der vertraglich vereinbarten Mängelanspruchsphase, z. B. laut Vertrag 5 Jahre, hat der
Auftraggeber einen Anspruch auf Mängelbeseitigung. Er muss hierfür nachweisen, dass der Mangel
bzw. der daraus resultierende Schaden auf eine vertragswidrige Leistungsausführung des
Auftragnehmers zurückzuführen ist. Basiert der Mangel bzw. Schaden auf der Tatsache, dass eine
diesbezügliche Bedenkenanzeige während der Leistungsausführung durch den Auftraggeber als
gegenstandslos deklariert angeordnet wurde, dann besteht hier kein Mängelbeseitigungsanspruch
gegenüber dem Auftragnehmer.
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Ist die Mängelanzeige berechtigt, so kann dem Auftragnehmer seine Dokumentation des Vor-,
Zwischen- und Endstandes seiner vertraglichen Leistungen bei der Aufklärung der
Entstehungsgeschichte helfen. Handelt es sich um komplexe Mängelbehauptungen vom
Auftraggeber, so ist es ratsam, sich durch einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie von
Sachverständigen für den betreffenden Leistungsbereich extern beraten zu lassen.
9.1
Fazit
Der vorliegende Aufsatz soll dem Unternehmer zeigen, welche Chancen er bei einer strukturierten
Ablauforganisation während der Projektabwicklung einer Baumaßnahme hat. Damit die Struktur von
den Mitarbeitern gelebt wird, empfiehlt sich für das Unternehmen, sein Geschäftsprozessmodell und
seine Arbeitsabläufe in grafischer Form mit Business Process Modelling Notation (BPMN)
darzustellen. Dies hat den Vorteil, dass die Prozessmodellierung, z. B. mit Swimlanes und BPMNSymbolen alle Geschäftsprozesse aufweist; wann, wer und wie ein Prozess geprüft, abgebrochen oder
weiter bearbeitet wird. Nachfolgend eine Darstellung für eine Preisanfrage.
Literatur
[1]
BGB, Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002
(BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 28. August
2013 | 3458 geändert worden ist
[2]
DIN EN 12670:2002-03, Naturstein Terminologie, Deutsche Fassung EN 12670:2001
[3]
DENAK 2012 - Naturwerkstein-Forum , Deutsche Naturstein Akademie, Medienbüro Robert
Mächtel Uttenreuth 2012
[4]
VHB, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Vergabe- und
Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes, Ausgabe 2008, Stand August 2012,
<http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/B/vergabe-und-vertragshandbuch-fuer-diebaumassnahmen-des-bundes-vhb-2008.html>, Abruf vom 23.02.2014
[5]
VOB, DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.), Vergabe- und Vertragsordnung für
Bauleistungen, Ausgabe 2012, Berlin: Beuth, 2012
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