Konversatorium Strafrecht IV Vermögensdelikte

Konversatorium Strafrecht IV
Vermögensdelikte
8. Stunde
Viviana Thompson
Lehrstuhl Prof. Dr. Schuster
(Trick-)Diebstahl ↔ Sachbetrug
§ 242 StGB
§ 263 StGB
Fremdschädigungsdelikt
Selbstschädigungsdelikt
Wegnahme durch den Täter
Vermögensverfügung des Getäuschten („Weggabe“)
Bruch fremden Gewahrsams
Gewahrsamsübertragung des Getäuschten
Handeln gegen/ohne den Willen des Berechtigten
Willentliche Übertragung (freiwillig)
= Abgrenzung nach innerer Willensrichtung des Getäuschten/Opfers!
→ Vermögensverfügungsbewusstsein
Qualität des Vermögensverfügungsbewusstseins bei der Abgrenzung
von Sachbetrug und Trickdiebstahl (fehlende sinnliche Wahrnehmung)
e. A.: abstraktes/generelles Vermögensverfügungsbewusstsein ausreichend
 wird über einen (Gesamt-)Gegenstand verfügt, so bezieht sich das Bewusstsein der Verfügung auf
den gesamten Inhalt (z.B. eines Einkaufswagens)
 Verfügung ist bewusst, da Verfügender aufgrund der Täuschung davon ausgeht, alle Gegenstände
erfasst zu haben und deshalb nicht über die vermögensbeeinflussende Wirkung des eigenen Tuns,
sondern nur über die tatsächlichen Verhältnisse irrt
h.M.: konkretes Vermögensverfügungsbewusstsein notwendig
 hinsichtlich sinnlich nicht wahrgenommener Gegenstände ist eine bewusste
Gewahrsamsübertragung schon gedanklich ausgeschlossen
 ein genereller Verfügungswille läuft auf eine bloße Fiktion heraus
 beim Abkassieren von Waren wird der Verfügungswille durch das Eintippen/die Berechnung
bestimmter Preise für die vorgelegten Waren konkretisiert
 von dem Irrtum über die tatsächlichen Verhältnisse lässt sich eben nicht auf das Vorliegen einer
bewussten Verfügung schließen, der Getäuschte begreift Sinngehalt des eigenen Tuns gar nicht
 ansonsten Wertungswidersprüche: bei Gewaltanwendung zur Beutesicherung nach z.B. einem
„Vorbeischleusen“ an der Kasse könnte bei Annahme eines Betrugs nur nach § 240 StGB bestraft
werden und nicht, wie in sonstigen Fällen der Beutesicherung, nach § 252 StGB
Diebstahl in mittelbarer Täterschaft ↔ Dreiecksbetrug
a.A.: sog. Ermächtigungs-/Befugnistheorie
= Abstellen auf die rechtliche Ermächtigung zur Vermögensverfügung – Vermögensinhaber wird nur das
Verhalten des Getäuschten als Selbstschädigung zugerechnet, zu dem er den Gewahrsamsinhaber/-hüter
ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt hat; die faktische Vermögensnähe reicht für die Zurechnung nicht
aus
 Ansicht orientiert sich an zivilrechtlichen Grundsätzen, die aber im Abgrenzungsgereich der eher faktischen Begriffe von
Gewahrsam und Vermögensverfügung wenig hilfreich sind, da es beim Näheverhältnis nicht um etwas Rechtliches geht
 über den Umfang der Ermächtigung bietet sie keine präziseren Lösungen als die h.M.
 die Beschränkung der Zurechnung auf diejenigen Handlungen des Gewahrsamshüters, die von einer
Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind, ist mit dem Schutzzweck des § 263 StGB nicht zu vereinbaren (Vermögen als solches
geschützt)
[e.A.: sog. faktische Nähetheorie
 taugliches Abgrenzungskriterium zum Diebstahl in mittelbarer Täterschaft fehlt, da dieser ebenso voraussetzt, dass
Werkzeug zur Einwirkung auf das fremde Vermögen im Stande war
 rein tatsächliche Zugriffsmöglichkeit bietet keinen Grund, dem Vermögensinhaber die Schädigung zuzurechnen]
h.M.: sog. Lager-/Repräsentatentheorie
= Abstellen auf die faktische/tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit, die der Getäuschte hat – eine Zurechnung
erfolgt, wenn der Getäuschte tatsächlich über das fremde Vermögen verfügen kann und bereits vor der Tat im
Lager des Geschädigten als Beschützer oder Gehilfe steht (Einwirkungsmöglichkeit aus einem Obhutsverhältnis
zur Sache, weil er diese anvertraut bekommen hat)
Raub ↔ räuberische Erpressung
h.L.
wie § 242 und § 263 StGB stehen auch § 249 und §§ 253, 255 StGB in einem tatbestandlichen
Exklusivitätsverhältnis (Tatbestandslösung)
→ Abgrenzung nach der inneren Willensrichtung des Genötigten, d.h., hat das Opfer eine
Wahlmöglichkeit, dann keine Wegnahme, sieht das Opfer aber die Sache unabhängig von seiner
Mitwirkung dem Zugriff des Täters preisgegeben, liegt eine Wegnahme vor; bei §§ 253, 255 StGB bedarf
es (wie beim Selbstschädigungsdelikt des § 263 StGB) einer Vermögensverfügung
Argumente:
• systematisch: einheitliche Auslegung des Wegnahmebegriffs bei §§ 242, 249 und einheitliche Abgrenzung der
Fremd- und Selbstschädigungsdelikte
• wenn in jedem § 249 (als lex specialis) ein § 255 stecken würde, wäre § 249 überflüssig/funktionslos
Rspr./BGH
§ 249 und §§ 253, 255 StGB schließen sich nicht gegenseitig aus (keine tatbestandliche Exklusivität);
Wegnahme/Raub stellt sich vielmehr als lex specialis der Duldung dar, d.h., in jedem Raub steckt
tatbestandlich eine räuberische Erpressung (Konkurrenzlösung)
→ Abgrenzung allein nach dem äußeren Erscheinungsbild, d.h., gibt/überreicht das Opfer die Sache, liegt
eine Weggabe und damit kein Raub vor, wird die Sache dem Opfer entrissen, Wegnahme (+); bei §§ 253,
255 ist keine Vermögensverfügung erforderlich, jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen ist ausreichend
Argumente:
• Wortlaut des § 253 sieht keine Einschränkung vor (jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen)
• Strafbarkeitslücken werden dadurch vermieden, dass § 255 Auffangtatbestand gegenüber § 249 ist
Prüfungsschema § 252 StGB
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
• bei der Vortat („bei einem Diebstahl“)
• auf frischer Tat betroffen
• Qualifizierte Nötigungsmittel: Gewalt gegen eine Person oder Drohung
mit gegenwärtiger Leibes- oder Lebensgefahr
2. Subjektiver Tatbestand
• Vorsatz
• Besitzerhaltungsabsicht/Beutesicherungsabsicht
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Die Tatbestandsmerkmale des § 252 StGB
„auf frischer Tat betroffen“
= der Täter ist auf frischer Tat betroffen, wenn er bei oder alsbald nach Vollendung
der Wegnahme am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe wahrgenommen,
bemerkt oder angetroffen wird (notwendig ist ein enger räumlich-zeitlicher
Zusammenhang)
→ beachte aber: allein die fehlende Beendigung des Diebstahls genügt nicht für die
Annahme, die Tat sei noch frisch, da das Merkmal dann problematisch sein kann, wenn
zwischen der Wegnahme des Diebesgutes und der Gewaltanwendung eine lange Zeit
vergangen und eine große Entfernung überbrückt worden ist
→ Ist die Tat nach Beendigung des Diebstahls auch noch „frisch“?
(-) nach h.M.:
 Wortlaut des § 252 StGB: „bei einem Diebstahl“
 Einsatz von Nötigungsmitteln nach beendetem Diebstahl stellt eine neue, selbstständige Tat dar
Überblick Fall 6
1. Tatkomplex (Spiel im Elektronikladen)
• § 263 Abs. 1 StGB
℗ Zurechnung der Verfügung des Kassierers an Ladeninhaber (Abgrenzung
Dreiecksbetrug/mittelbare Täterschaft)?
℗ Abgrenzung Sachbetrug/Trickdiebstahl (sog. Vermögensverfügungsbewusstsein)
• § 242 Abs. 1 StGB
2. Tatkomplex (beim Nachbarn P)
• § 263 Abs. 1 StGB
℗ Zurechnung des Verhaltens des Q an P (Abgrenzung Dreiecksbetrug/mittelbare Täterschaft)?
℗ Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung
• § 242 Abs. 1 StGB
• § 252 StGB
℗ „Betroffensein“ auf frischer Tat?
• § 223 Abs. 1 StGB
• § 123 Abs. 1 StGB
℗ Vorliegen eines tatsächlichen Einverständnisses?