Klingelhöferstraße 7 10785 Berlin Tel. +49 30 26 39 229-0 Fax +49 30 26 39 229-22 [email protected] www.stiftungzukunftberlin.eu Thesen zur Zukunft der Bezirke I. Die Stiftung Zukunft Berlin hat sich in einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Förderkreises mit den Bezirksbürgermeistern von Treptow-Köpenick und Spandau sowie unter Beteiligung des Staatssekretärs in der Senatsverwaltung für Finanzen, Klaus Feiler, mit den Aufgaben und der derzeitigen Situation der Bezirke befasst. II. In der Vergangenheit wurden die Ausgestaltung der Arbeit der Bezirke und das Verhältnis zur Senatsebene (Hauptverwaltung) nur als Teil einer Aufgabenkritik gesehen. Demgemäß wurde nur danach gefragt, ◦ ob die Aufgaben überhaupt, teilweise oder gar nicht (mehr) von dem Bezirk wahrgenommen werden und/oder ◦ ob die Art der Aufgabenwahrnehmung sachgerecht und wirtschaftlich sinnvoll sei. Das greift aber zu kurz. Denn mit einer Reduzierung der Aufgaben der Bezirke wären die bestehenden strukturellen und konzeptionellen Defizite im Berliner Verwaltungs- und Organisationsgefüge nicht gelöst. III. Vielmehr muss ein geeignetes Zielbild für Berlin – als Stadt und Bundesland –, mit den vielfältigen Funktionen und Aufgaben entwickelt und gesellschaftlich sowie politisch und administrativ verankert werden. IV. Das Thema „Zukunft der Bezirke“ ist ein weites Feld. Die folgenden exemplarischen Thesen sollen nachvollziehbar widerspiegeln, welche Schritte und Aufgaben u. a. wesentlich sind. Die wachsende Stadt erfordert Flexibilität innerhalb und abseits bestehender Verwaltungs- und Politikstrukturen. Begründung: Die ökonomische, politische und demographische Entwicklung Berlins verläuft entgegen den Prognosen rasanter und nachhaltiger. Mit den klassischen „Instrumenten“ wie Geschäftsverteilung, Aufgaben- und Zuständigkeitsregelungen sowie Haushaltsrecht wird den dringenden Anforderungen und Maßnahmen nicht ausreichend begegnet werden können. 1 Initiative zur Zukunft der Bezirke Verantwortlicher für die Initiative: Wolfgang Branoner [email protected] Koordination: Ulrike Petzold Tel. +49 30 26 39 229-10 [email protected] Damit Berlin ein lebenswerter und damit attraktiver Ort bleibt, muss das Spannungsverhältnis zwischen internationalem Auftrag / Bedeutung einerseits und Kiez-Gefühl andererseits ständig neu ausbalanciert werden! Begründung: Berlin hat inzwischen viele Funktionen übernommen oder wurde in Aufgaben und Positionen versetzt: ◦ Nahtstelle zwischen Ost und West ◦ Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ◦ Internationaler Hub für den politischen Diskurs und Strategien ◦ Ziel außergewöhnlicher touristischer Interessen ◦ Ort für Kreativität und Zentrum der Startup-Szene in Deutschland ◦ Berlin als internationale Plattform / Bühne ◦ Berlin ist aber auch Wohnort für 3,6 Millionen Menschen, mit starkem Zuwachs und dringendem Bedarf an Wohnungen sowie sozialer und technischer Infrastruktur. ◦ Berlin besteht aus sehr unterschiedlichen Bezirken, jeder Bezirk besteht aus sehr unterschiedlichen Kiezen. Womit identifizieren sich die Bürgerinnen und Bürger? Aus diesem Kanon unterschiedlicher Aufgaben und Positionen und sich daraus ergebender Erwartungen und Befürchtungen muss es eine differenzierte Begründung von Politik und Gesellschaft geben. Ansonsten läuft Berlin Gefahr, die mit der Aufzählung verbundenen Chancen zu verspielen. Berlin braucht ein klares Zielbild für die Rollen von Senat und Bezirken. Begründung: Gegenwärtig gibt es kein klares Zielbild für Berlin. Mal sind wir Hauptstadt, mal sind wir Kiez. Mal erheben wir den Anspruch führende Metropole zu sein, z. B. Startups und Mode, mal trauen wir uns nicht einen Diskurs zu führen über die Chancen und Risiken einer Olympia-Bewerbung. Das bedeutet, dass ein Zielbild unter Einbeziehung des genannten „Kanons“ entwickelt werden muss. Innerhalb dieses Zielbildes sind auch die Abhängigkeiten und Prioritäten zu beschreiben. Innerhalb der Ziele des Landes (die klar herausgearbeitet werden müssen) müssen die Bezirke eigene Leitvorstellungen entwickeln. Ein Zielbild gibt Orientierung und dient als Kompass für die realistischen Einschätzungen der Situation durch jeden von uns, und damit auch von allen Verwaltungseinheiten. Die sich daraus ergebende Pluralität führt zum kreativen Wettbewerb der Ideen. 2 Wir brauchen eine neue Mitmachkultur (Senat und Bezirk) und die Anerkennung neuer Wege zum Ziel. Begründung: Leider wird sich viel zu oft auf bestehende (Un-)Zuständigkeiten, Verfahren und Prozesse zurückgezogen. Statt eines Wettbewerbs um Ideen und Konzepte, statt einer zielorientierten Umsetzung von Maßnahmen auf der Grundlage klarer Vereinbarungen werden Ressourcen, d. h. Zeit, Menschen und Finanzen, in Abstimmungsprozessen gebunden. Wir brauchen eine „Mitmach-Kultur“ und wir brauchen eine „Anerkennungs-Kultur“, in der auch die Bezirke als der erste Ansprechpartner vor Ort ausdrücklich mit einbezogen sind. Ideenwettbewerbe zur Ausgestaltung von Verwaltungshandeln oder Organisationen sowie über Kooperationsformen zwischen den Bezirken können innovative und zukunftsfähige Lösungen generieren helfen, die dann ggf. berlinweit genutzt werden können. Es muss stärkere Anreize geben, eine gewünschte Entwicklung (Wohnungsneubau, Gewerbe- / Industrieansiedlung) auch seitens der Bezirke zu forcieren. Im Ergebnis: Senat und Bezirke sollen stärker gemeinsam an der Entwicklung der Stadt arbeiten. Finanzen: den Bezirken finanzielle Verantwortung übertragen (auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung). Begründung: Auf der Grundlage beschriebener und verabredeter Aufgaben und Zuständigkeiten müssen die Bezirke die finanziellen Ressourcen erhalten und eigenverantwortlich einsetzen. Dabei sind weitere Modelle von positiven Anreizen finanzieller Art zu prüfen. Angesichts des rasanten Wachstums Berlins sowie des gerade des im Bereich der Infrastruktur bestehenden Nachholbedarfs ist über alternative Finanzierungsmodelle nachzudenken. Der Beschluss der Koalition, einen Investitionsfonds aufzulegen, ist richtig und sollte weiterentwickelt werden. Bei den sozialen Transferleistungen ist darauf zu achten, dass den Bezirken finanzieller Handlungsspielraum in ihren Haushalten bestehen bleibt. Innerhalb der künftigen „Zielvereinbarungen“ zwischen der Landes- und der Bezirksebene muss das berücksichtigt werden. Die Digitalisierung der Wirtschaft und des persönlichen Lebensumfeldes darf nicht an der Verwaltung Halt machen. Eine „digitale Teilung“ – hier Gesellschaft und Unternehmen, dort die Verwaltung – darf es nicht geben. Begründung: Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Verwaltung, die Veränderungen in der Dienstleistungserwartung von Bürgern und Unternehmen sowie die Verbesserung des Verwaltungshandelns und der Organisation generell erfordert eine Strategie und Umsetzung der Digitalisierung in der Berliner Verwaltung. Außerdem: Smart City darf kein Schlagwort nur für andere sein; Smart Administration muss ein integraler Bestandteil sein. 3 Die Aufgabenverteilung zwischen Land und Bezirken muss von der Maxime geleitet werden: Wirtschaftlichkeit sowie Bürger- und Kundenfreundlichkeit der Leistungserbringung ist entscheidend, nicht deren Allokation. Begründung: Es muss das eindeutige Bekenntnis zu leistungsfähigen Bezirken mit bekräftigt werden und die Bereitschaft, Vertrauen zu entwickeln und ihnen die Aufgaben am Ort tatsächlich zu übertragen. Bezirke sollten mehr können dürfen als Auszahlstelle für Sozialleistungen zu sein. Angesichts der dringend anzugehenden Aufgaben sowie der skizzierten Entwicklungsdynamik ist ein umfassender Verwaltungsreformprozess derzeit nicht zielführend. Vielmehr sollte die knappe Zeit dafür investiert werden, den beschriebenen Prozess anzugehen. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es massive Änderungen in der Aufgabenverteilung und -wahrnehmung der Bezirke. Hier gilt es in einem ersten Schritt zu analysieren, was sich bewährt hat und was sich nicht bewährt hat: ◦ Schaffung der Berliner Bäder Betriebe an Stelle der Bezirksbäder ◦ Etablierung der regional-bezogenen Kita-Eigenbetriebe ◦ Abschaffung der bezirklichen Krankenhäuser ◦ Schaffung des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins – VÖBB als Gemeinschaftsprojekt der 12 Berliner Bezirke, der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) und der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur Aus den gesammelten Erfahrungen können weitere Vorgehensmodelle hin zu gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung entwickelt und Aufgaben identifiziert werden. Eine stärkere Zusammenarbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg muss zu einer tatsächlichen Verbesserung in der Leistungserstellung und Aufgabenerledigung führen. Die Steuerung und Umsetzung der Aufgaben und Maßnahmen wird durch geeignete Controllinginstrumente überwacht. Begründung: ◦ Anreizsysteme stärken das Commitment der Beteiligten zur Erfüllung der verabredeten Ziele und Aufgaben. Sie sind keine Einbahnstraße, sondern dienen auch zu transparenten Rückmeldungen bei organisatorischen oder anderen Mängeln. ◦ Steuerungsmodelle ermöglichen die Umsetzung der verabredeten Ziele und Aufgaben; sie bedeuten auch die Aufnahme von Rückmeldungen zur etwaigen Nachsteuerung bei Fehlentwicklungen. ◦ Erledigungsmodelle dienen der eindeutigen und transparenten Klärung, wer für welche Aufgaben verantwortlich ist. ◦ Die Rolle der Bezirksbürgermeister als Verantwortliche, einschließlich Kontrollund Entscheidungsfunktionen, ist innerhalb des Bezirksamtes zu stärken 4 Bei allen Leistungen, die das Land Berlin erbringt, sollen zukünftig Qualität und Wirtschaftlichkeit nach den anerkannten Kriterien des Qualitätsmanagements evaluiert werden! Begründung: Evaluation ist in der öffentlichen Verwaltung immer noch ein Fremdwort. Daher werden auch so viele politische Debatten ohne fundierte Daten geführt. Stattdessen herrschen Unterstellungen und Vermutungen vor. Typische Beispiele sind die Leistungserbringung in der Jugendhilfe sowie die Frage, ob eine Leistung besser zentral oder dezentral erbracht werden kann. Damit ist nicht gemeint, dass für die Evaluation ein riesiger Verwaltungsapparat aufgebaut werden soll. Stattdessen soll bei allem Neuen oder bei jedem Projekt von vornherein festgelegt werden: Was sind die Ziele und woran wird gemessen, ob sie erreicht worden sind? AG Bezirk der Zukunft, 19. Mai 2015 Hartmut Bäumer, Regierungspräsident a. D. Wolfgang Branoner, Senator a. D., Stiftung Zukunft Berlin, verantwortlich für AG „Bezirk der Zukunft“ Geschäftsführer SNPC GmbH Thomas Doll, Geschäftsführer TREUCON Immobilienfonds Verwaltung GmbH Staatssekretär Klaus Feiler, Senatsverwaltung für Finanzen Bezirksbürgermeister Oliver Igel (Treptow-Köpenick von Berlin) Michael Jasper, Geschäftsführer Dussmann Beteiligungs- und Managementgesellschaft mbH Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (Spandau von Berlin) Dr. Werner Knetsch, Geschäftsführer TIMES Consulting & Commerce GmbH Jörg-Olaf Liebetrau, Geschäftsführer jobs in time medical GMBH Friedrich Munsberg, Vorstandsvorsitzender Dexia Kommunalbank Deutschland AG Ulrike Petzold, Geschäftsführerin Stiftung Zukunft Berlin Konrad Pochhammer, Geschäftsführer RSM Verhülsdonk GmbH Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer VKU Verband kommunaler Unternehmen, Landrat a. D. Hardy Schmitz, Geschäftsführung WISTA-MANAGEMENT GMBH Sascha Schwarz, Projektmanager SNPC GmbH Jürgen Werner, Direktor Förderkreis Stiftung Zukunft Berlin 5
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