DHS-Fachkonferenz 2015, 12. bis 14 Oktober 2015, Münster Impulsbeitrag zum Forum: „Rückfall – Krankheit oder Charakterschwäche?“ Referent: Dr. phil. Michael Tremmel Titel: Versuch über die Verantwortung, gesund zu leben. Impulse aus der Sucht-Selbsthilfe, der biblischen Theologie und der Salutogenese. 1 Einleitung: Ich möchte mit meinem Beitrag auf den Zusammenhang von Krankheit und Schuld hinweisen und darauf, dass es einem Heilungsprozess dienlicher ist, weniger von Schuld als vielmehr von der Verantwortung für ein gelingendes Leben zu sprechen. Gliederung Blitzlicht zum Umgang mit dem Rückfall in der Sucht-Selbsthilfe Bibeltheologische Impulse für einen interdisziplinären Dialog Salutogenese: Was erhält uns gesund? Fazit 2 1 Das schwarze Schaf: Zum Umgang mit dem Rückfall in der Sucht-Selbsthilfe (SSH) Sie und ich – wir alle haben unsere Erfahrungen mit Rückfällen, bei anderen, im eigenen Leben. In der SSH können wir die ganze Bandbreite an Reaktionen beim Rückfall antreffen: Das reicht vom Vorwurf unverantwortlichen, schuldhaften Verhaltens und Ausgrenzung bis zur Unterstützung durch Einzelpersonen und die SSH-Gruppe, wobei die Unterstützung sicher überwiegt. Der Rückfall von Funktionstragenden in der SSH – z.B. von Gruppenleitungen, Geschäftsführungen, Vorständen – liegt etwas anders. Hier ist noch spürbarer, welch irrationale Dynamik das Tabu „Rückfall“ auslösen kann. Je höher jemand in der Hierarchie der „Ämter“ aufsteigt, desto mehr Vorbild und Verantwortlichkeit wird erwartet, und desto größer der Schuldvorwurf – beim Betroffenen selbst und innerhalb der SSH. Eine solche Stimmung gegenüber dem Rückfall wird als nicht hilfreich angesehen. Man will eigentlich gar nicht Schuld zuweisen oder bestrafen. Andererseits ist da diese Neigung, auf einen Rückfall mit Vorwürfen zu antworten – als wenn man es mit einem „gefallenen Engel“ oder dem „Versucher selbst“ zu tun habe – und der verdient es doch sicher, bestraft zu werden. Der Kreuzbund beschloss 2012 eine „Empfehlung zum Umgang mit Rückfällen von Vorstandsmitgliedern“. Ziel dieser Empfehlung ist es u.a. deutlich zu machen: dass ein Rückfall nicht zum Verlust des sozialen Status innerhalb der SSH führt (leider gibt es diesen Impuls zu disziplinieren: bspw. gibt es die Forderung nach sofortigem Rücktritt von allen Ämtern); dass der Rückfall eines Funktionstragenden SSH-Strukturen nicht destabilisiert. Ich erinnere eine Szene, als man den Text der Empfehlung diskutierte: Im Eifer der Auseinandersetzung kam ein Vorstand einem anderen mit der Faust gestikulierend über den Tisch entgegen … es wurde darum gerungen, was ein unverantwortlicher und was ein verantwortlicher Umgang mit dem Rückfall ist. Das Empfehlungspapier hat sich gelohnt: 3 Es gibt inzwischen Beispiele, in denen man sich an der RückfallEmpfehlung orientierte. Auf die Frage „Hat der Rückfall etwas mit Schuld zu tun?“ erhielt ich von Suchtkranken u.a. diese Antworten: „Natürlich geht es um Schuld und Verantwortung! Einem Frischling kann man das nicht sagen, weil er es (noch) nicht versteht. Einer, der schon langjährige Erfahrung mit der Abstinenz hat, versteht schon, was mit Schuld und Verantwortung gemeint ist, wenn es um die Gründe für einen Rückfall geht.“ „Im Vorgang des Trinkens hat einer keine Schuld; da gilt der Kontrollverlust; aber im nüchternen Zustand nach einem Glas zu greifen, da geht es um meine eigene Verantwortung (und Schuld). Ich spreche lieber von Verantwortung, die Suchtkranke sehr wohl haben und wahrnehmen können! Würde ich eigene Verantwortung verneinen, könnte ich selbst nichts gegen meine Sucht tun – und das ist ja gerade nicht der Fall.“ 2 Bibeltheologische Beiträge zu einem interdisziplinären Dialog Ich kann mir vorstellen und kann es nachvollziehen, wenn einigen unter Ihnen der Bezug auf die Bibel fremd vorkommt. Aber die Bibel ist nun einmal tief ins kollektive Bewusstsein eingegangen. Sie spielt häufig explizit oder implizit eine Rolle, wenn wir uns als Kranke oder Professionelle mit Krankheit, Gesundheit und Heilung auseinandersetzen. Die Bibel hat im Ersten und Zweiten Testament den Zusammenhang von Krankheit, Schuld und Verantwortung immer auch gesehen. „Auch“, das meint: dieser Zusammenhang ist nicht zwingend, doch naheliegend. Mit rund zweitausend Jahren Lebenserfahrung und Weisheit arbeiteten die Menschen der Bibel ihre Fragen zu „Gesundheit, Krankheit und Heilung“ durch. Sie behandelten dabei auch die Themen „Krankheit und Schuld“, Rückfall1, Scham, Wille, Versöhnung und Vergebung und deuteten ihre Einsichten theologisch. Bei manchen plakativ-holzschnittartigen Äußerungen über Sucht und 1 Rückfall als „Abwendung von Gott“/als “verweigerte Umkehr“. 4 Rückfall in den Medien und der Politik denke ich: Die Bibel geht da anders vor: differenzierter, lebensnäher und versöhnlicher, kurz: heilsamer. a) Gesundheit ist ein bedingtes, zu ver-antwortendes Gut An das Volk Israel gerichtet sagt Gott: „Wenn du auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hörst und tust, was in seinen Augen gut ist … werde ich dir keine der Krankheiten schicken, die ich den Ägyptern geschickt habe.2 Denn ich bin der Herr, dein Arzt.“ (Ex 15,26) Dieser Text aus Exodus 15,26 ist eines der ersten Programme Öffentlicher Gesundheit (Public Health): Angesprochen wird nicht der Einzelne, sondern das Volk Israel. Gesundheit und Leben sind bedingte Güter; sie zu erhalten, fordert den Einsatz, den Beitrag aller. Zu einem gesunden Gemeinwesen kann das Volk nur werden, wenn es die Lebensordnung Gottes einhält. Das Leben im Sinne dieser Lebensordnung ver-antwortlich zu führen heißt: Gerechtigkeit im alltäglichen Zusammenleben gewährleisten – oder sich zumindest nach Kräften darum zu bemühen – und damit den Frieden untereinander.3 Eine Störung dieser Gerechtigkeit bedeutet, an ihr und ihren Folgen, nämlich Krankheit und Tod, schuldig werden – und zwar über Generationen hinweg, denn eine un-verantwortliche Lebensführung zieht Generationen in Mitleidenschaft. In demselben Buch Exodus findet sich dieses Gotteswort: „Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation“ (Ex 20,5).4 Dass dies nicht die ganze Wahrheit über Krankheit und Gesundheit ist, dass es nicht damit getan ist, fromm, gerecht und unschuldig zu leben, erfahren Hiob und Jesus; Hiob geht mit Gott ins Gericht und Jesus lenkt die Schuldfrage um auf die Verantwortung für das Gottesreich. 2 Plagen Ägyptens: Nilwasser wird zu Blut, es stinkt und wird ungenießbar; Fischsterben; Froschplage; Stechmückenplage; Ungezieferplage; schwere Seuchen; Ofenruß geht auf das Land nieder: Geschwüre und aufplatzende Blasen; verheerende Unwetter: Hagel; Heuschreckenplage; Plage durch Finsternis; Tod der Erstgeborenen. 3 Hier geht es nicht um (Sexual-)Moral, sondern um gesellschaftspolitische Sozialkritik der Propheten: Gegen Reiche und für Arme; gegen Machtmissbrauch und für Gerechtigkeit; gegen ungerechte Eigentumsverhältnisse; Schutz der Schwachen: Witwen, Waisen, Fremde etc; die Zehn Gebote. 4 Dies erinnert an das zu beobachtende Phänomen, dass Familien-Generationen mit Suchtproblemen ringen. 5 b) Hiob und Jesus und die vergebliche/müßige Frage nach der Schuld Der fromme und vor allem unschuldige Hiob muss erleiden, wie Gott und dessen Gegenspieler Wetten abschließen, um seinen Glauben zu testen. Der Satan überfällt Hiob mit Unglück und Krankheit, nur sein Leben darf er nicht antasten. Hiob kommt schließlich zu der Einsicht: Krankheit und Gesundheit sind nicht Angelegenheiten, die vor Gericht als Schuld oder Unschuld, verdient oder unverdient, verhandelbar wären! Seit Hiob gehört dies zumindest auch zum Verständnis von Krankheit und Gesundheit dazu. Dementsprechend verneint Jesus die Frage „Wer ist schuld?“: „Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so dass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.“ (Joh 9,3) Wichtig ist hier: Jesus weist die Schuldfrage, die sich mit derartigen Alternativen begnügen, zurück! Das Schema dieses „Entweder-Oder“ hält er für irreführend. Vor allem aber: Auf menschliche Not antwortet Gott mit Hilfe, nie mit Verdammung. Dementsprechend ist die Grundhaltung Jesu: „Ich verurteile dich nicht.“ (Joh 8,11). Denn: Das Wirken Gottes, das offenbar werden soll, fällt nicht vom Himmel, sondern wählt den weniger spektakulären, aber letztlich wirkungsvolleren Weg: über die menschliche, mitmenschliche Vermittlung. c) Der Wille, gesund zu werden Für Jesus gehört der Wille zur heilenden Kraft des Glaubens; der Wille ist ein Teil des Glaubens: „Was willst du, das ich dir tun soll? Er antwortete: Herr, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Du sollst wieder sehen. Dein Glaube hat dir geholfen.“ (Lk 18,41-42) Jesus geht keinem Kranken nach, sondern umgekehrt: die Kranken wenden sich an ihn. Dabei wird in den Heilungen der Wille gesund zu werden als Glaube bestätigt. Der Wille zur eigenen Heilung ist eine unverzichtbare, wesentliche Voraussetzung. Und zugleich verbietet es sich zu denken, geschweige denn zu sagen: Wenn du einen Rückfall 6 erleidest, dann war dein Wille, mit dem Konsum aufzuhören, nur nicht stark genug. d) Heilung durch Versöhnen und Vergeben Ich wage die These: Im Zweiten Testament geht es nicht um den Täter oder die Größe der Schuld. Es geht vielmehr um das eine: Dass wir uns der Vergebungsbereitschaft Gottes anschließen und einander Schuld vergeben, dass wir uns versöhnen. Das christliche Hauptgebet, das Vaterunser, sei dafür stellvertretend genannt, dort heißt es: „Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist“ (Lk 11,4); dabei muss es gar nicht im Engeren um Krankheit und Gesundheit gehen, sondern um Haltungen, das Bestreben, sein Leben – mit sich und anderen – versöhnt zu führen. Doch dass damit auch der Zusammenhang von Krankheit und Schuld bzw. un-verantwortlicher Lebensführung gemeint ist, ist naheliegend und so auch für die Suchterkrankung und ihre Folgen, einschließlich den Rückfall, bedeutsam. Sich versöhnen, einander vergeben – das erinnert an das Konzept der Zwölf-Schritte der Anonymen Alkoholiker, hier insbesondere die Schritte vier bis zehn. Sie zielen darauf ab, eigene Verfehlungen zu überprüfen, Schuld aufzuarbeiten und Beziehungen zu anderen auf eine neue Grundlage zu stellen. e) Abfall, Umkehr, Rückfall: Gott sprach zu Israel: „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen.“ (Dtn 30,15). Biblisch gesehen ist die Rückfälligkeit der Normalfall. Die Neigung zum Rückfall setzt nicht nur Einzelnen zu, sondern auch dem Volk Israel insgesamt. Propheten, die davor warnen und zur Umkehr aufrufen, geraten an den Rand der Verzweiflung oder darüber hinaus, weil Israel sich über dieses Bemühen nicht nur hinwegsetzt, sondern den lästigen „Suchthelferinnen und -helfern“ den Tod wünscht oder ihnen sogar das Leben nimmt. Trotzdem: die Bibel lässt sich von der Hoffnung nicht 7 abbringen und will unverdrossen das Bemühen unterstützen, nicht rückfällig zu werden. Sie geht dabei sogar soweit, die Krisen der Rückfälligkeit und des Scheiterns, der Krankheit und des Todes als Segen umzudeuten und in ein neues Licht zu rücken: Beispiele dafür sind die Gestalt des Schmerzensmannes im Propheten Jesaja (Jes 53) und die Geschichte Jesu. Die Sucht, der Rückfall, sie stehen nicht allein für ein Scheitern, sondern können auch als Krise und Chance genutzt werden, den eigenen Lebensweg anders als zuvor gedacht fortzusetzen. Worin besteht der Fluch, wann vor allem drohen Krankheit und Tod nach biblischem Verständnis? Es sind die Umstände, die den Menschen unfrei machen, die ihn versklaven; es sind die Verhältnisse, in denen Menschen die Kontrolle über ihr Leben verlieren. Diese Zustände sind aus der Suchterkrankung, einschließlich dem Prozess, der zum erneuten Konsum führt, und in den Dynamiken einer Sucht-Gesellschaft bekannt. Die Herausführung aus der Sklaverei Ägyptens bildet zusammen mit den Austreibungen der bösen Dämonen durch Jesus einen Kern biblischer Botschaft von Freiheit und befreiender Heilung. Welche Sucht-Dämonen, welche Sklavereien halten uns heute strukturell und individuell in Unfreiheit? Eine Äußerung Jürgen Habermas‘ gibt mir da zu denken: „Es gibt den Teufel nicht, aber der gefallene Erzengel treibt nach wie vor sein Unwesen“.5 Und ich ergänze: … er treibt sein Unwesen in einer vom Lobbyismus der Suchtmittelindustrien abhängigen Politik und Gesellschaft, – und in uns allen als einzelnen Personen. Unsere Antwort auf die Frage, wie wir gegen das krankmachende Böse vorgehen können, wird eine primär strukturell-präventive, eine gesellschaftspolitische Antwort sein, sein müssen – und darin eingebettet, davon mitbedingt auch eine persönliche. 5 Habermas, Jürgen (2001): Glauben und Wissen. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001. Laudatio: Jan Philipp Reemtsma. 1. Aufl. Frankfurt a.M. (Sonderdruck). (= Originalausgabe), 24. 8 Biblische Impulse können für eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik und für die Lebensführung des Einzelnen anregend sein: Die Bibel vermittelt Geschichten vom Leben im Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Schuld, Versuchung und Bewährung, Rückfall und Versöhnung; es geht um die Frage: Wie leben wir richtig (gesund)? Wie wählen wir das Leben? Auch der Einzelne ist gefordert, seinen Willen zu formen und in Freiheit zu ver-antworten, Verantwortung zu übernehmen – das ist nicht ohne Schuld (-Gefühle) zu haben. (Verantwortetes) Leben heißt auch: schuldig werden. Die biblische Heilungsstrategie dazu lautet: versöhnt euch mit euch selbst und mit anderen, vergebt einander. 3 Was erhält uns gesund? Aaron Antonovsky, ein Jude, fand und entwickelte das Konzept der Salutogenese, den Alternativentwurf zur Pathogenese. Statt zu fragen: Was macht uns krank, fragt Antonovsky: Was hält uns gesund? Antonovsky war säkularer Jude. Zugleich war er mit dem Schicksal der Juden hochidentifiziert. Und ich bin überzeugt: Das salutogenetische Denken enthält wichtige Impulse aus dem biblisch-jüdischen Denken über Gesundheit, Krankheit und Heilung: Gesundheit und Leben werden in ihrer Prozesshaftigkeit gesehen und von daher gedeutet; Gesundheit und Krankheit können vor diesem Hintergrund als Gesundheits-KrankheitsKontinuum gedacht werden mit seiner Tendenz zur Gesundheit; so erscheint Gesundheit als bedingte Heilsverheißung; sie versucht sich in der Dynamik zwischen Stressoren/ Protektoren durchzusetzen; die letztgenannten können durch geeignete Maßnahmen gefördert werden. Was hält uns gesund? So zu fragen, beendet das defizitorientierte Fragen nach der Schuld und sucht die Auseinandersetzung mit den Anteilen von Schuld und Scham, um daraus Heilungsimpulse zu gewinnen: Lässt sich die Krise des wiederholten Konsums dazu nutzen, den Prozess und die Funktion des erneuten Konsums und damit die Be9 dürfnisse und Ressourcen der betroffenen Person besprechbar zu machen? Wie stärken wir den Willen, damit er antworten kann auf die Frage: Was willst du? Es geht doch darum, das eigene Leben zu verstehen, es zu gestalten und es als sinnvoll zu erfahren (Kohärenz-Gefühl). Es erfordert Mut, über Schuld und Scham zu sprechen. Es braucht Mut zur Versöhnung/Vergebung (für sich – mit anderen); schädlich ist es, von „Charakterschwäche“ so zu sprechen, wie es hier im Forum-Titel gemeint ist: Es wertet die Person ab und diffamiert zudem allgemein die Schwäche.6 Demgegenüber ergibt sich eine eigenartige Verbrüderung mit der Schwäche, wenn Paulus seine Defizit- und Krankheitserfahrung von seiner Glaubenseinsicht her deutet, dass die Kraft Gottes sich in der Schwachheit erweist (2Kor 12,9). Schuld und Scham helfen uns, uns in der Frage nach unserer Verantwortung als erwachsene Menschen zu orientieren. Schuld und Scham gehören untrennbar zum Leben; mit ihrer Hilfe können wir die soziale Kompetenz ausbilden, uns zu versöhnen, einander zu vergeben (Erik H. Erikson: Schuld und Scham als unverzichtbare entwicklungspsychologische Komponenten für eine gesunde Entwicklung der Identität im Kindesalter; Viktor Frankl: Es gibt kein Leben ohne die tragische Trias. Leben bedeutet danach: Wir werden leiden, wir werden schuldig werden und wir werden sterben.). Berater und Beraterinnen und Menschen in der SSH sollten sich jeglicher Beschuldigung und Beschämung enthalten. Es bedarf der Hilfe, über die Auseinandersetzung mit Schuld und Scham zur Verantwortung des erneuten Suchtmittelkonsums zu finden. Was ist verhältnispräventiv zu tun, damit es für Suchtkranke zur leichteren Entscheidung wird, Abstinenz beizubehalten? (Verhältnisprävention als Teilstrategie der Gesundheitsförderung). 6 Diesen Begriff alternativ dem Begriff der Krankheit gegenüberzustellen birgt die Gefahr, Schwäche an sich und insbesondere die Schwäche als psychopathologisches Phänomen zu diffamieren (Charakterschwäche = Schwächen der Persönlichkeitsentwicklung = Persönlichkeitsstörung). 10 4 Fazit Sucht und wiederholter Konsum nach einer Abstinenz – eine Krankheit? – Sicher! Und zwar im Sinne des Sucht-Dreiecks, im Sinne der Sozialmedizin und im Sinne des Sozialrechts. Schuld – sicher! Sie ist die eine Seite unserer Verantwortung und Vergebung. Soweit mein Beitrag. Dank für Ihr Zuhören! Dr. phil. Michael Tremmel 11
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