Lohn- und Sozialdumping- bekämpfung

Lohn- und
Sozialdumpingbekämpfung
19.11.2015
Gottfried Kaspar
1
Welches Problem war zu lösen?
Öffnung des Arbeitsmarktes für Osteuropa
mit 1.5.2011



Schutz des inländischen Arbeitsmarktes
Schutz vor ausländischen Betrieben mit Niedriglöhnen
Verbot der Ausländerdiskriminierung durch EU-Recht
19.11.2015
Gottfried Kaspar
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Verschärfungen betr. Lohn- und
Sozialdumping ab 1.1.2015
 Ausweitung der Lohnkontrolle
 Überarbeitung der Verwaltungsstrafbestimmungen
 Schaffung einer gesetzlichen Bestimmung zur
Information des Arbeitnehmers über eine sein
Arbeitsverhältnis betreffende Anzeige
 Festlegung besonderer Zeitpunkte, zu denen die
Verjährungsfristen im Bereich der Unterentlohnung zu
laufen beginnen
19.11.2015
Gottfried Kaspar
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Verjährung
Rechtslage bis 31.12.2014
 Verfolgungsverjährung: 1 Jahr ab
Beseitigung des rechtswidrigen
Zustandes
 Rsp VwGH: Ende der unterentlohnten
Beschäftigung wirkt fristauslösend!
 Auf die Nachzahlung der Entgeltdifferenz
kommt es nicht an
 Strafbarkeitsverjährung: 3 Jahre
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Verjährung
Rechtslage ab 1.1.2015
 Verfolgungsverjährung: 3 Jahre
 Strafbarkeitsverjährung: 5 Jahre
 Beide Fristen beginnen mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Entgelts
zu laufen.
 Bei einer Unterentlohnung über mehrere Lohnzahlungszeiträume ist letztes Entgelt
maßgeblich.
 Liegen mehrere Delikte vor, ist die Verjährung für jedes Delikt zu prüfen.
 Sonderzahlungen: Unterentlohnung liegt nur vor, wenn der Arbeitgeber
sie nicht bis 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres (vollständig)leistet.
Sie stellt ein eigenes Delikt dar, daher ist die Verjährung gesondert zu
prüfen.
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Strafbestimmungen – Nichtübermittlung
(§ 7i Abs 1 AVRAG)
Wer die erforderlichen Unterlagen nicht übermittelt,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der
Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit
Geldstrafe
• von 500 Euro bis 5 000 Euro,
• im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis
10 000 Euro
zu bestrafen.
19.11.2015
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Strafbestimmungen – Zutrittsverweigerung
(§ 7i Abs 2 AVRAG)
Wer den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen und
auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie den
Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer und das damit
verbundene Befahren von Wegen oder die Erteilung von
Auskünften verweigert oder die Kontrolle sonst erschwert
oder behindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist
von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von
• 1 000 Euro bis 10 000 Euro,
• im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro
zu bestrafen.
19.11.2015
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Strafbestimmungen – Verweigerung
der Einsichtnahme (§ 7i Abs 2a AVRAG)
Wer die Einsichtnahme in die Unterlagen verweigert,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist für jeden
Arbeitnehmer von der Bezirksverwaltungsbehörde mit
einer Geldstrafe von
• 1 000 Euro bis 10 000 Euro,
• im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis
20 000 Euro
zu bestrafen.
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Strafbestimmungen – Unterentlohnung
(§ 7i Abs 5 AVRAG)
 Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder
beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz,
Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter
Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen
die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu
leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der
Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen.
 Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere
Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige
Verwaltungsübertretung vor.
19.11.2015
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Strafbestimmungen – Unterentlohnung
(§ 7i Abs 5 AVRAG)
 Auf Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag beruhende
Überzahlungen bei den nach Gesetz, Verordnung oder
Kollektivvertrag gebührenden Entgeltbestandteilen sind auf
allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum
anzurechnen.
 Hinsichtlich Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende
Arbeitnehmer liegt eine Verwaltungsübertretung nur dann vor,
wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht
vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen
Kalenderjahres leistet.
19.11.2015
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Strafbestimmungen – Unterentlohnung
(§ 7i Abs 5 AVRAG)
Sind von der Unterentlohnung
höchstens drei Arbeitnehmer
betroffen, beträgt die Geldstrafe für
jeden Arbeitnehmer
 1 000 Euro bis 10 000 Euro,
 im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro,
sind mehr als drei Arbeitnehmer
betroffen, für jeden Arbeitnehmer
 2 000 Euro bis 20 000 Euro,
 im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.
19.11.2015
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Strafbefreiungsgründe:
Tätige Reue (§ 7i Abs 5a AVRAG)
Die Strafbarkeit ist nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber vor
einer Erhebung der Abgabenbehörde, KV-Träger oder BUAK
die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem
Arbeitnehmer nach den österreichischen Rechtsvorschriften
gebührenden Entgelt nachweislich leistet.
• Vollständige Nachzahlung vor Erhebung ist
entscheidend
• Ausmaß des Verschuldens ist irrelevant
• Strafbefreiung auch im Wiederholungsfall
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Strafbefreiungsgründe
(§ 7i Abs 6 AVRAG)
Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass
1.
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem
tatsächlich geleisteten und dem nach den österreichischen
Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der
Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet, und
2.
die Unterschreitung des maßgeblichen Entgelts unter Beachtung
der jeweiligen Einstufungskriterien gering ist – Anhebung der
Grenze von 3% auf 10% - oder
3.
das Verschulden des Arbeitgebers oder des zur Vertretung nach
außen Berufenen (§ 9 Abs. 1 VStG) oder des verantwortlichen
Beauftragten (§ 9 Abs. 2 oder 3 VStG) leichte Fahrlässigkeit nicht
übersteigt,
hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen.
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Strafbefreiungsgründe
(§ 7i Abs 6 AVRAG)
Ebenso ist von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach den
österreichischen Rechtsvorschriften gebührende Entgelt vor der Aufforderung
durch die Bezirksverwaltungsbehörde nachweislich leistet und
• die Unterschreitung des maßgeblichen Entgelts unter Beachtung der
jeweiligen Einstufungskriterien gering ist – Anhebung der Grenze von
3% auf 10% - oder
• das Verschulden des Arbeitgebers oder des zur Vertretung nach
außen Berufenen (§ 9 Abs. 1 VStG) oder des verantwortlichen
Beauftragten (§ 9 Abs. 2 oder 3 VStG) leichte Fahrlässigkeit nicht
übersteigt.
Weist der Arbeitgeber der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er die Differenz
zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem nach den österreichischen
Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der
Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.
19.11.2015
Gottfried Kaspar
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Strafrechtlich Verantwortlicher
 Strafrechtlich verantwortlich sind nur natürliche Personen.
 Arbeitgeber, jeder einzelne Geschäftsführer,…
 Es kann aber auch ein verantwortlich Beauftragter bestellt werden.
Voraussetzungen der Bestellung:
 Anordnungsbefugnis
 Schriftliche Mitteilung an die OÖGKK
Denkbar sind:
 Geschäftsführer
 Personalchef
 Leiter der Lohnverrechnung
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Information der Arbeitnehmer
 Der von der Unterentlohnung betroffene Arbeitnehmer ist vom
Krankenversicherungsträger bereits zu informieren, wenn der
Arbeitgeber bei der Bezirksverwaltungsbehörde angezeigt wird.
 Inhalt der Information:
19.11.2015
Gottfried Kaspar

Tatsache, dass eine Anzeige gemacht wurde

Zuständige Bezirksverwaltungsbehörde

Anführung des Tatzeitraumes – keine näheren
Angaben zu Unterentlohnung
Handlungsoptionen für die
Dienstgeber
aktives Personalmanagement
Sicherstellung hoher fachlicher Qualität im
Personalwesen
Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten
Dokumentation z.B. Einstufungen inkl. Vordienstzeiten
Klärung der Kollektivverträge
Achtung auf Nichtleistungslöhne (Urlaub,
Krankenstand, etc.)
19.11.2015
Gottfried Kaspar
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Handlungsoptionen für die
Dienstgeber
Arbeitszeitmodelle, Überstunden, Zeitausgleich
schriftliche Pauschalvereinbarungen, Deckungsprüfung
zum Jahresende
Stellungnahme Kollektivvertrags-Parteien bei strittigen
Rechtsfragen
externe Beratung z.B. durch Steuerberater, OÖGKK
19.11.2015
Gottfried Kaspar
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Zahlen & Fakten
Rechtskräftige Bescheide wegen Unterentlohnung
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Zeitraum 1.5.2011-31.8.2015
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Verteilung nach Branchen
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Zeitraum 1.5.2011-31.8.2015
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Gerichtliche Entscheidungen
19.11.2015
Gottfried Kaspar
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Zur Geringfügigkeit von Unterentlohnungen
(§ 7i Abs. 6 AVRAG; VwGH 10.06.2015, 2013/11/0121)
Sachverhalt:
Gegenständlich hat der Arbeitgeber 34 Arbeitnehmer über unterschiedliche Zeiträume
(12 Tage bis 17 Monate) zwischen Mai 2011 und September 2012 unterentlohnt, indem
er diesen nicht den ihnen nach dem jeweiligen Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn
bezahlt hat. Das Ausmaß der Unterentlohnung hat zwischen 1,1 % und 26,5 %
betragen. Die Differenzbeträge wurden nachweislich nicht geleistet.
Entscheidungsgründe:
Auch prozentuell niedrige Unterentlohnungen können nur dann als gering eingestuft
werden (und damit bei Vorliegen noch weiterer Voraussetzungen zu einem Absehen
von einer Strafe führen), wenn sie durch eine kurze Dauer und niedrige absolute
Geldbeträge gekennzeichnet sind. Selbst Unterentlohnungen von 1,1 % bis 4,2 %
können dann nicht mehr als gering eingestuft werden, wenn sie sich über einen
Zeitraum von zumindest 2 Monaten, in der Mehrzahl der Fälle jedoch über 17 Monate
erstrecken.
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Seite:
22
Keine Anwendung der LohndumpingBestimmungen auf Privatpersonen
LVwG Niederösterreich 30.9.2014, LVwG-BN-13-0116
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der ein Haus mit drei
Wohneinheiten errichtet wurde. Der Beschwerdeführer war Bauherr und im gegenständlichen
Zeitraum nicht Inhaber eines Unternehmens oder Inhaber einer Gewerbeberechtigung. Das
Bauwerk wurde von ihm als Privatperson errichtet. Bei einer Kontrolle durch Organe der
Finanzpolizei wurde ein nepalesischer Staatsbürger arbeitend angetroffen, der nicht zur
Sozialversicherung gemeldet und auch nicht im Besitz einer arbeitsmarktrechtlichen
Bewilligung war. In der Folge wurden über den „privaten Arbeitgeber“ neben Strafen nach
dem AuslBG und dem ASVG auch eine Geldstrafe wegen Übertretung des § 7i Abs 3 AVRAG
verhängt.
Das LVwG NÖ kommt im Fall des gegenständlich nicht unternehmerisch agierenden
Beschwerdeführers zum Ergebnis, dass die Strafbestimmung des § 7i Abs. 3 AVRAG keine
Anwendung findet, wobei es keine Relevanz hat, dass Bestrafungen nach dem ASVG und
dem AuslBG aufgrund des gleichen Sachverhaltes erfolgt sind.
Hinweis: Die ordentliche Revision an den VwGH wurde zugelassen, weil zur Frage der
Anwendbarkeit des § 7i Abs 3 im Falle einer Beschäftigung einer Person durch eine
Privatperson keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Seite:
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Keine Anwendung der LohndumpingBestimmungen auf Privatpersonen
LVwG Niederösterreich 30.9.2014, LVwG-BN-13-0116
Entscheidungsgründe:
Dem Lohn- und Sozialdumping – Bekämpfungsgesetz wurden ua mit dem Ziel der Sicherung
eines fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs zwischen den Unternehmen die Bestimmungen der
§§ 7d bis 7m AVRAG samt Überschriften in das AVRAG eingefügt.
Zur Auslegung der Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ ist auf das kollektive
Arbeitsrecht abzustellen, also auf die Normen des Arbeitsverfassungsrechtes. Gemäß § 36
ArbVG sind Arbeitnehmer iSd II. Teiles alle im Rahmen eines Betriebes beschäftigte
Personen.
Im vorliegenden Fall hat sich zweifelsfrei ergeben, dass der Beschwerdeführer keinen Betrieb
im Sinne des ArbVG geführt hat.
Die zentrale Norm des § 7e Abs 4 AVRAG stellt auf eine Einbeziehung der Kollektivvertragspartner zur Ermittlung des zustehenden Grundlohnes ab. Bei begründenden
Einwänden des Arbeitgebers sind die KV-Partner anzuhören. Schon davon ausgehend kann
die Strafnorm des §7i Abs 3 AVRAG nicht auf Arbeitgeber außerhalb eines betrieblichen
Unternehmens Anwendung finden.
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Seite:
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Unterlassene Lohnzahlung wegen Insolvenz – KEIN
Lohndumping
LVwG Vorarlberg 26.1.2015m LVwG-1-501/R3-2014
Sachverhalt:
Hat ein Arbeitgeber am 1.7.2013 einen Konkursantrag gestellt und darin
ausgeführt, dass er seit 27.5.2013 zahlungsunfähig sei und deshalb die Gehälter
seiner fünf Arbeitnehmer im Mai und Juni nicht mehr hätte bezahlen können,
kommt eine Bestrafung wegen Lohndumping nach § 7i AVRAG nicht in Betracht.
Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Nichtleistung der Monatslöhne
Mai und Juni 2013 und der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit kann nicht von
vornherein ausgeschlossen werden, weshalb im Zweifel zugunsten des
Arbeitgebers das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu
beheben und diesbezüglich das Strafverfahren einzustellen war. (Revision nicht
zugelassen)
Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung
eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem
Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine
Verwaltungsübertretung bildet.
19.11.2015
Gottfried Kaspar
Seite:
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Gottfried Kaspar
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