Konversatorium Strafrecht IV Vermögensdelikte 4. Stunde Viviana Thompson Lehrstuhl Prof. Dr. Schuster Prüfungsschema des Diebstahls, § 242 StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Tatobjekt: fremde bewegliche Sache b) Tathandlung: Wegnahme 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestandes b) Zueignungsabsicht c) Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung d) Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Strafzumessung, § 243 StGB Prüfung der Strafzumessungsregel des § 243 StGB …IV. Strafzumessung, § 243 StGB 1. Objektive Voraussetzungen 2. Subjektive Voraussetzungen = Quasi-Vorsatz / vorsatzähnliches Bewusstsein 3. Ausschluss der Indizwirkung, § 243 Abs. 2 StGB a) Objektive Indizwirkung ausgeschlossen (Frage, ob die Sache tatsächlich geringwertig ist – ca. 25/50 €) b) Subjektive Indizwirkung ausgeschlossen (Frage, ob der Täter nur eine geringwertige Sache entwenden wollte) [4. Ausschluss der Indizwirkung aus anderen Gründen (Einzelfallentscheidung, wenn Täter Sache für geringwertig hält oder Sache objektiv geringwertig ist)] Das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB (1) • Gebäude = Ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest, wenn auch allein durch die eigene Schwere, verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von/das Betreten durch Menschen gestattet und Unbefugte abwehren soll. • Geschäftsräume = sind Räumlichkeiten, die dazu bestimmt sind, für eine gewissen Dauer zum Betrieb von Geschäften gewerblicher, geschäftlicher, beruflicher, künstlerischer oder wissenschaftlicher Art zu dienen • Diensträume = sind Räume, in denen öffentlich-rechtliche Geschäfte erledigt werden, die wenigstens mittelbar im öffentlichen Interesse liegen (Behörden, Schulen, Universitäten, Kirchen, Bahnhofshallen usw.) • Umschlossener Raum (Oberbegriff, untern den auch die anderen Räumlichkeiten subsumiert werden können) = ist ein Raumgebilde, das – zumindest auch – zum Betreten durch Menschen bestimmt und mit mindestens teilweise künstlichen Vorrichtungen versehen ist, die das Eindringen von Unbefugten abwehren sollen und tatsächlich ein Hindernis bilden, das ein solches Eindringen nicht unerheblich erschwert • Einbrechen = ist das gewaltsame Öffnen einer dem Zutritt entgegenstehenden Umschließung von außen; diese braucht nicht in ihrer Substanz verletzt zu werden • Einsteigen = ist jedes Hineingelangen in den Raum durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung unter Überwindung von Hindernissen, die den Zugang nicht unerheblich erschweren Das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB (2) • Falscher Schlüssel = Falsch ist der Schlüssel, wenn er von dem Berechtigten überhaupt nicht oder zur Tatzeit nicht mehr zum Öffnen des konkreten Schlosses bestimmt ist und der Berechtigte dies durch einen nach außen erkennbaren Akt (Entwidmung) zum Ausdruckgebracht hat – falsch ist demnach: Der gestohlene oder abhanden gekommene Schlüssel (Ausnahme: der Berechtigte hat dies noch nicht bemerkt) Zweitschlüssel • Andere Werkzeuge = Diese anderen Werkzeuge können von beliebiger Art sein, sie müssen vom Täter aber in der Weise angewandt werden, dass der Mechanismus des Verschlusses ordnungswidrig in Bewegung gesetzt wird • Eindringen = setzt voraus, dass der Körper des Täters (mindestens zum Teil) gegen den erkennbaren oder zu vermutenden Willen des Hausrechtsinhabers in den Raum gebracht wird • Sich-Verborgenhalten = Jedes Verstecken in dem Raum in einer Weise, die den Täter den Blicken arglos Eintretender entzieht. Dabei ist es unerheblich, wie der Täter in den Raum gelangt ist, ob legal oder illegal. Auch kommt es nicht darauf an, um welche Tageszeit es sich handelt. Aber: Die Tathandlung muss zur Ausführung der Tat begangen werden, d.h. nach Tätervorstellung das Mittel zur Begehung des Diebstahls sein. Das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB • verschlossenes Behältnis Behältnis = als ein Behältnis wird ein Raumgebilde angesehen, das zur Aufnahme von Sachen und deren Umschließung dient, nicht aber dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden verschlossen = ist das Behältnis, wenn sein Inhalt mittels einer technischen Schließeinrichtung oder auf andere Weise gegen einen unmittelbaren ordnungswidrigen Zugriff von außen gesichert ist • andere Schutzvorrichtung = sind alle sonstigen Vorkehrungen und technischen Mittel, die dazu bestimmt und geeignet sind, Sachen gegen Wegnahme zu schützen, den ungehinderten Zugriff auf sie auszuschließen und ihre Wegnahme zumindest zu erschweren. Zweck der Vorrichtung muss – zumindest auch – die Sicherung von Sachen gegen Wegnahme sein (Bsp.: Schloss, Kette, Drahtseil etc.) Das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB • gewerbsmäßig (subjektives Merkmal) = gewerbsmäßig handelt, wem es darauf ankommt, sich aus der wiederholten Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu schaffen. Gewerbsmäßiges Handeln kann auch bei nur einmaliger Tatbegehung vorliegen. Problem: „Versuch“ des Regelbeispiels → es ist umstritten, ob bereits die Teilverwirklichung des Regelbeispiels den verschärften Strafrahmen des § 243 StGB eröffnet: • e.A. (Rspr.): „Versuch eines Regelbeispiels“ gibt es, so dass schon bei Beginn des Erschwerungsgrundes die Strafschärfung des § 243 StGB ausgelöst wird Regelbeispiele sind tatbestandsähnlich, denn sie verkörpern einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten Unrechts- oder Schuldgehalt kein Wesensunterschied zwischen Regelbeispielen und Qualifikationstatbeständen, ob der Gesetzgeber diese in der einen oder anderen Form ausgestaltet, ist nur eine Frage der formalen Gesetzestechnik § 242 Abs. 2 StGB bezieht sich auch auf § 243 StGB • a.A. (h.L.): den „Versuch eines Regelbeispiels“ gibt es schon begrifflich nicht, so dass der Strafrahmen des § 243 StGB nicht durch eine Teilverwirklichung eines Regelbeispiels verwirklicht wird bei den Regelbeispielen des § 243 StGB handelt es sich nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern um Strafzumessungsregeln – diese spielen eben nur bei der Strafzumessung eine Rolle entsprechend dem Wortlaut des § 243 Abs. 2 StGB („Tat“) ist ein Regelbeispiel nur bei tatsächlicher Verwirklichung eines Erschwerungsgrundes gegeben – die Gegenansicht verstößt deshalb gegen das Analogieverbot (§ 22 StGB setzt die Verwirklichung eines Tatbestandes voraus) Prüfungsschema §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Wohnungseinbruchsdiebstahl) I. Tatbestand 1. Grundtatbestand a) Objektiver Tatbestand • • fremde bewegliche Sache Wegnahme b) Subjektiver Tatbestand • • • • Vorsatz Zueignungsabsicht Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung 2. Qualifikationsmerkmale a) Objektiver Tatbestand • Wohnung = abgeschlossener und überdachter Raum, der Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen, also nicht Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenräume • Einbrechen/Einsteigen/Eindringen mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen Werkzeug/Sich in der Wohnung verborgen halten b) Subjektiver Tatbestand • Vorsatz • zur Ausführung der Tat II. Rechtswidrigkeit III. Schuld Überblick – Fall 2: Ein Fall aus/mit dem Lehrbuch 1. Tatkomplex: Lehrstuhlzimmer • §§ 242 Abs.1, 2, 22, 23 Abs.1, 243 Abs. 1 StGB ℗ Zueignungsabsicht: A will Buch zurückgeben ℗ Rücktritt durch Verzicht auf Entwenden des Rucksackinhalts? ℗ „Versuch des Regelbeispiels“ • §§ 303 Abs. 1, 33, 22, 23 Abs. 1 StGB • § 123 Abs. 1 StGB 2. Tatkomplex: Das offene Fenster • §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 StGB ℗ § 243 Abs. 2: sog. doppelte Geringwertigkeit (Irrtum des A über den Preis des Buches) • §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB • § 123 Abs. 1 StGB
© Copyright 2024 ExpyDoc