2 / 2015 STIFTUNG FÜR TIERSCHUTZ UND ETHIK •Brennpunkt: Das Enthornen von Kühen •Tierkommunikation: Mit Tieren sprechen •1. August: Tipps gegen Angst Impressum Zeitschrift der ProTier – Stiftung für Tierschutz und Ethik, Zürich Ehemals « Schweizerische Gesellschaft für Tierschutz / ProTier » Nr. 2, Juni 2015 44. Jahrgang Erscheint 4 x jährlich Abonnement : Gönner erhalten die Zeitschrift kostenlos. Jahresabonnement CHF25.– Einzelnummer CHF7.– Redaktion : Nathalie Dubois (nd) Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Weiterverwendung der Artikel und Bilder nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Die Beiträge decken sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion. Inhalt Tierische Panik wegen Feuerwerk 4 Serie Tier-Ethik: Die «Gehörnten» sind immer die Tiere 7 Kühe – enthornt und entwürdigt 8 Interview mit Bergbauer Armin Capaul / IG Hornkuh 11 ProTier aktiv! Petition fair-fish: Tierschutz für Crevetten 13 Serie Tier und Recht: Enthornen von Rindern ist Tierquälerei 14 Buchtipps: «Plädoyer für die Tiere» von Matthieu Ricard und «Die Biene, die sprechen konnte» von Al MacCuish 15 ProTier hilft! SOS Tier & Mensch 16 ProTier hilft! Voliere Mythenquai Zürich – ein Wunsch geht in Erfüllung 18 Tierkommunikation: Mit Tieren sprechen 20 Werden Sie Gönnerin, Gönner von ProTier 24 Tierische Panik wegen Feuerwerk Kühe – enthornt und entwürdigt Titelbild : Horn-Kuh Foto © clipdealer.com / lakeemotion Layout : Feldner Druck AG, 8618 Oetwil a.S. Konzept und Design: Urs Widmer / provista Umsetzung: Anita Estermann / aedesign.ch Druck : Staffel Medien AG, 8045 Zürich 4 ProTier hilft! SOS Tier & Mensch PROTIER – STIFTUNG FÜR TIERSCHUTZ UND ETHIK Alfred Escher-Strasse 76 CH-8002 Zürich Telefon : 044 201 25 03 Telefax : 044 201 26 23 PC-Konto : 60-455782-5 E-Mail : [email protected] Web:www.protier.ch www.facebook.com/ Stiftung.ProTier 2 8 ProTier hilft! Voliere Mythenquai Zürich – ein Wunsch geht in Erfüllung 16 18 Tierkommunikation: Mit Tieren sprechen 20 ProTier 2 / 15 Editorial Liebe Tierfreundinnen und Tierfreunde Ebenfalls zum Unterschreiben ans Herz legen möchten wir Ihnen die Petition von fair-fish – so sollen auch Crevetten endlich dem Tierschutzgesetz unterstellt werden. Seite 13. Bald steht der 1. August vor der Tür. Auch dieses Jahr wird er wohl wieder mit lautem Geböller und Feuerwerk gefeiert. Was für manche Menschen ein ausgelassenes Vergnügen ist, bedeutet für Tiere den blanken Horror. Viele Heim- aber auch Wildtiere verfallen in Angst und Panik ob der lauten Knallerei. Wie Sie etwas gegen die Angst Ihres Tieres tun und ihm helfen können, den National feiertag weniger angstvoll zu überstehen, zeigt Ihnen der Artikel auf Seite 4 – 6. Foto © Th. Haug D er Sommer hat Einzug gehalten. Mensch und Tier zieht es nach draussen. Nun sieht man auch wieder Kühe auf den saftigen Sommerweiden. Ich mag mich, obwohl sie längst in der traurigen Überzahl sind, immer noch nicht an den Anblick hornloser Kühe gewöhnen. Verstümmelt und irgendwie dümmlich sehen sie aus. Das Leid, das man ihnen darüber hinaus mit dem Enthornen antut, ist aber nicht sichtbar. Mehr über das fragwürdige Enthornen und die begrüssenswerte «Hornkuh-Initiative» ab Seite 8. Jeder, der selber ein Haustier hält, kennt wohl die Situation; man will nur das Beste für sein geliebtes Tier, ist aber manchmal verunsichert, ob eine Entscheidung die richtige ist. Wer hat sich nicht schon gewünscht, dass sein Tier sprechen und einem mitteilen könnte, wie es selber für sich entscheiden würde. Die Tierkommunikation ist eine solche Möglichkeit, mit dem Tier zu «sprechen». Diese nicht alltägliche Form des Austausches mit dem Tier wird mitunter kontrovers diskutiert. Lesen Sie ab Seite 20, wo die Möglichkeit, aber auch die Grenzen einer seriösen Tierkommunikation liegen. ProTier hilft! Dank Ihrer Spendenunterstützung konnten wir dort helfen, wo Tiere Hilfe brauchen. So haben wir ermöglicht, dass Pfüüdi, Ronny und Nia in Notsituationen medizinisch optimal versorgt wurden. Ihre HalterInnen hätten die Kosten unmöglich alleine tragen können. Die tapferen Patienten sind nun Dank des Fonds «SOS Tier & Mensch» wieder ganz gesund. Ihre Geschichten finden Sie auf Seite 16 und 17. Aus eins mach zwei – oder mehr. ProTier hat der Voliere Mythenquai in Zürich den Umbau eines Käfigs für die gefiederten Findlinge ermöglicht. Die Auffangstation brauchte unbedingt eine flexiblere Lösung und mehr Platz. Vor allem jetzt in der Hochsaison, wo wieder laufend Jungvögel abgegeben werden. Doch ist jeder Jungvogel am Boden auch wirklich in Not? Wann man helfen sollte und was dabei zu beachten ist, zeigen wir auf Seite 19. Ich wünsche Ihnen, liebe Tierfreund innen und Tierfreunde, recht schöne Sommertage. Nathalie Dubois, Geschäftsführerin Besuchen Sie ProTier auf Facebook! Und teilen Sie unsere Beiträge mit Ihren Freunden & Bekannten! Verfolgen Sie die Aktivitäten von ProTier – wir freuen uns auf Sie. www.facebook.com/Stiftung.ProTier ProTier 2 / 15 3 Tierische Panik wegen Feuerwerk Angst ist eine angeborene Reaktion, doch durch traumatisierende Lernerfahrung kann sie sich schnell verstärken. Foto © Gerold Vierl / pixelio.de Wenn der Himmel am 1. August von buntem Feuerwerk erleuchtet wird, freut sich der Mensch. Vielen Hunden, Katzen oder Pferden, aber auch Wildtieren macht die Knallerei jedoch Angst. Pro Tier zeigt auf, mit welchen Massnahmen unsere tierischen Freunde die Ruhe bewahren. Von Helen Weiss L autes Knallen, zischende Feuer werksraketen, Lichtblitze am Himmel. Woran viele Menschen ihren Spass haben, kann Vierbeinern einen gehörigen Schreck einjagen. «Feuerwerk, aber auch Gewitter oder Motorenlärm haben etwas gemeinsam: Sie sind laut und ohne Vorhersagbarkeit. Das Tier empfindet deshalb einen Sicherheitsverlust», weiss Eva Zaugg, Verhaltenstrainerin und Inhaberin von «seinmithund – Verhaltenstraining für Menschen mit Hund» in Biel. Tier nicht allein lassen Zwar kann das Tier durch ein Verhaltenstraining möglichst schon in jungen Jahren lernen, Erfahrungen des 4 Kontrollverlusts zu vermeiden und Alternativverhalten aufzubauen. Zu beachten gilt es jedoch, dass sich die Reaktion auf angeborene Ängste nur in Grenzen verringern lässt. Deshalb ist es wichtig, das Tier in seinem Angstzustand oder in der Panik wirkungsvoll auffangen zu können. Weit verbreitet ist der Rat, den Vierbeiner in einer solchen Gefühlsphase zu ignorieren, um ihn nicht zusätzlich in seinem Verhalten zu bestätigen. «Das ist eine schlechte und dem Tier gegenüber unfaire Massnahme», betont Eva Zaugg. «Tierhaltende dürfen und sollen alles tun, was dem Tier zur Entspannung verhilft.» Claudia Goetz-Vitelli, Verhaltenstherapeutin für Hunde und Inhaberin der Praxis «Hunde-Glück» in Neuendorf SO, betont jedoch, wie wichtig es ist, als Mensch Ruhe zu bewahren und nicht mit dem Tier mitzuleiden. «Man sollte sich seine Sorge nicht anmerken lassen, denn damit gibt man dem Tier zu verstehen, dass tatsächlich etwas nicht in Ordnung und seine Angst berechtigt ist. Keinesfalls sollte das Tier deshalb zu Körperkontakt gezwungen werden. Am wichtigsten sind die soziale Begleitung und die behutsame Unterstützung durch die Bezugsperson – das Tier darf deshalb in einer solchen Situation nicht allein gelassen werden.» Klassische Musik zur Beruhigung Um einen möglichst geschützten Rahmen zu schaffen, kann man als Halterin oder Halter zudem vor dem 1. August einige Vorkehrungen treffen. Alle Tiere sollten – frühzeitig, je ProTier 2 / 15 Zum Schutz der Wildtiere: Keine Raketen in Waldnähe abfeuern! Nicht nur Heim- und Nutztiere leiden an Silvester oder am Bundesfeiertag unter den menschlichen Festivitäten. Auch Wildtieren macht lautes Feuerwerk Angst: Das feine Gehör der Tiere rea giert auf plötzlichen Lärm besonders schmerzhaft. Singvögel und Wildtiere sind dem Krach zudem schutzlos ausgeliefert. Deshalb rät ProTier – Stiftung für Tierschutz und Ethik, darauf zu verzichten, in Waldnähe Raketen abzufeuern. Auch Parkanlagen oder Friedhöfe in Städten sind Rückzugsorte für Wildtiere. Für sie ist die Gefahr gross, dass sie in der Panik die Orientierung verlieren und beispielsweise auf die Strasse laufen. Ausserdem zehren Stress und Angst massiv an den Kraftreserven der Tiere. Zu beachten gilt auch, dass sich in den für die 1.-August-Feuer aufgeschichteten Holzhaufen unzählige Kleintiere, wie etwa Igel oder Eidechsen, einnisten und dadurch ein klägliches Ende finden. Das gesammelte Holz sollte deshalb erst am 1. August auf- oder umgeschichtet und allenfalls mit einem Schutzzaun versehen werden. Das laute Knallen und die Lichtblitze von Feuerwerk lösen bei zahlreichen Tieren enormen Stress aus. Foto © Matthias Riesenberg / pixelio.de haben», gibt Goetz-Vitelli einen weiteren Ratschlag. Dies sollte jedoch schon vorgängig in ganz normalen Situationen praktiziert werden, sonst wirkt die Musik eher bedrohlich auf das Tier. Zur Unterstützung bieten sich zudem individuell angepasste Hilfsmittel an: Bachblüten Stress- oder Angst-Shirts Die Dosierung und die Mischung sind bei jedem Tier individuell, grundsätzlich eignet sich zur Behandlung einige Tage im Voraus jedoch Aspen (Espe). Die Beratung durch eine Fachperson ist bei einer Behandlung von Vorteil. Im Akutfall helfen Notfalltropfen zusätzlich. Bachblüten und fertige Mischungen sind in ausgewählten Apotheken erhältlich. Die speziellen T-Shirts üben einen sanften, konstanten Druck auf Akupressurpunkte aus, können Angst lindern und das Verhaltenstraining begleitend unterstützen. Die Tiere müssen aber schon im Voraus an die T-Shirts gewöhnt werden, sonst werden diese zu einem weiteren Stressfaktor. Stress- oder Angst-Shirts sind im Tierfachhandel erhältlich. Homöopathie nachdem schon einige Tage im Vor aus – drinnen untergebracht werden, also auch Nager in Freigehegen oder Vögel in Volieren. Bei Katzen gehören auch Freigänger ins Haus, und Pferde sind in der Box sicher zu platzieren. Hunde sollten beim Spaziergang nicht von der Leine gelassen werden, zudem ist die abendliche Gassirunde vor der Knallerei zu absolvieren. Grundsätzlich hilft es, im Haus oder im Stall die Läden und Fenster zu schliessen. «Klassische Musik, nicht zu laut abgespielt, kann ebenfalls eine beruhigende Wirkung ProTier 2 / 15 der kommunizieren können und die direkt Emotionen und Stimmungen beeinflussen. Die Anwendung künstlicher Pheromone erfolgt über einen längeren Zeitraum und signalisiert dem Tier Sicherheit und Entspannung. Die Pheromontherapie muss in jedem Fall mit einer Verhaltenstherapie kombiniert werden, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Foto © kaemte / pixelio.de In der Homöopathie wird ein zu den psychischen und physischen Symptomen des Patienten passendes Mittel ausgewählt, das aber nur bei einer Anwendung über einen längeren Zeitraum optimal wirkt. Wenn man sein ängstliches Tier behandeln möchte, sucht man deshalb am besten eine ausgewiesene Tierheilpraktikerin auf. Pheromontherapie Pheromone sind Botenstoffe, mit denen Individuen einer Art untereinan- Tiere brauchen zum Teil tagelang, um sich vom Schrecken zu erholen. 5 Geräusche-CD Geräusche-CDs zu Gewitter, Feuer werk oder Schüssen können als Thera piehilfe verwendet werden. Hunde, Katzen, Pferde und Vögel können dabei stufenweise und behutsam an die sie verängstigende Lautwelt gewöhnt werden, so dass sie den Lärm nicht mehr als feindlich oder bedrohlich empfinden. Geräusche-CDs sind im Tierfachhandel oder im Internet erhältlich. Besser nicht sedieren Vom Sedieren des Vierbeiners während Silvester oder 1. August raten beide Fachfrauen ab: «Das Tier wird dadurch zwar körperlich ruhiger, es verspürt aber immer noch dieselbe Angst und weiss nicht, was mit ihm geschieht», erklärt Goetz-Vitelli. «Deshalb kann das Sedieren die Angstzustände sogar verstärken.» Ist das Tier sehr geräuschempfindlich und reagiert panisch auf Feuerwerk, weicht man dem Problem deshalb am besten aus und fährt mit dem Tier ins nahe Ausland oder auf eine abgelegene Alp. ■ Gegen Angst: Möchten Sie ihr Tier mit Alternativmethoden unterstützen? Weiterführende Adressen: TIERHEILPRAKTIKERINNEN UND -PRAKTIKER THPV, Tierheilpraktiker Verband Schweiz Berninastrasse 47, 8057 Zürich, Telefon 043 960 20 00 E-Mail [email protected], www.tierheilpraktiker-verband.ch TIERHOMÖOPATHIE Homöopathieverband Schweiz HVS Leimeren 8, 3210 Kerzers, Telefon 031 755 60 44 E-Mail [email protected], www.hvs.ch VERHALTENSTHERAPIE Schweizerische tierärztliche Vereinigung für Verhaltensmedizin www.stvv.ch TIERPSYCHOLOGINNEN UND -PSYCHOLOGEN Berufsverband Diplomierter Tierpsychologischer Beraterinnen und Berater VIETA www.vieta.ch Foto © thundershirt.com Sogenannte Angst- oder Stress-Shirts können helfen, die Angst zu lindern, da sie einen sanften, konstanten Druck auf Akupressurpunkte ausüben. 6 ProTier 2 / 15 Serie Tier-Ethik Die «Gehörnten» sind immer die Tiere Kühe gehören zur Schweiz wie das Matterhorn. Kein anderes Tier prägt die Wahrnehmung unseres Landes in der Öffentlichkeit so sehr wie die Kuh. Die Schweiz, voller friedlich grasender Kühe vor imposanter Bergkulisse – so präsentiert sich unser Land gern in der Werbung. Von Dr. Christoph Ammann, Stiftungsrat ProTier T atsächlich sieht, wer mit dem Zug durch die Landschaft fährt, immer noch viele Kühe. Aber anders als die Kuh auf den Plakaten hat das real existierende Rindvieh meistens keine Hörner mehr. Nur noch jede vierte Kuh in der Schweiz hat Hörner auf dem Kopf. Schön ist das nicht, da sind sich alle einig. Aber im Unterschied zu anderen Eingriffen an Tieren – etwa dem Kupieren von Schwänzen bei Hunden – ist das Enthornen auch keine blosse «Schönheitsoperation», sondern ein Eingriff, der mit dem Wohl der betroffenen Tiere begründet wird. Das Enthornen sei nämlich nötig, um Verletzungen von Tieren und Mensch in Laufställen vorzubeugen. Ironischerweise macht also gerade die aus Tierschutzsicht zu bevorzugende Freilaufhaltung das Enthornen angeblich nötig. Das Enthornen ist quasi der Preis, den die Tiere zu entrichten haben für das Mehr an Lebensqualität, das ihnen ein Laufstall bietet. Was bedeutet das Enthornen für die Tiere? Um hier ethisch etwas klarer zu sehen, muss zuerst betrachtet werden, worin denn dieser Preis besteht. Auf jeden Fall ist der Eingriff mit Stress und Schmerzen für das Tier verbunden. Selbst wenn er, wie gesetzlich vorgeschrieben, unter Betäubung geschieht, ist postoperativ mit Schmerzen und beeinträchtigtem Wohlbefinden zu rechnen. Zu den unmittelbar mit dem operativen Eingriff verbundenen Schmerzen kommen die Folgen für das weitere Leben der Kuh hinzu. Hier stellt sich ProTier 2 / 15 die Frage, wie tiefgehend das Leben einer Kuh durch das Fehlen von Hörnern beeinträchtigt ist. Diese Frage ist schwieriger zu beantworten. Klar ist, dass Hörner unter anderem für das Sozialverhalten von Kühen eine wichtige Funktion haben. Die Hornlosigkeit ist also auch unter diesem Aspekt nicht auf ein ästhetisches Problem zu reduzieren. Das primäre Problem ist also nicht, dass eine Kuh ohne Hörner nicht mehr wie eine richtige Kuh aussieht, sondern dass die Hörner ein wesentlicher Bestandteil dessen sind, was für Kühe ein gutes Leben ausmacht. Hier kommt der Gesichtspunkt der Tierwürde ins Spiel. Wirtschaftliche Interessen statt Tierwohl Offensichtlich ist, dass das Enthornen einen Eingriff in die körperliche Integrität des Tiers darstellt. Dies allein stellt aber weder rechtlich noch ethisch einen Verstoss gegen die Würde des Tiers dar. Aber im Falle des Enthornens ist wichtig zu sehen, dass die Gründe, die die Praxis zwingend machen, nur scheinbar die Interessen des Tiers sind. Vielmehr sind es die Nutzungsinteressen des Menschen, die hier vorgeben, was mit den Tieren gemacht wird. Aus ethischer Sicht scheint mir an dieser Stelle die entscheidende Crux des Enthornens zu liegen: Ginge es «nur» um die mit dem Eingriff verbundenen Schmerzen, so wären diese vielleicht in Kauf zu nehmen, wenn tatsächlich pro Tier, d.h. zum Wohl des Tiers, gehandelt würde. Dies ist aber nicht der Fall: Vielmehr besteht die «Notwendigkeit», die Tiere vor sich selber bzw. ihren Artgenossen zu «schützen», ja nur aufgrund der Tatsache, dass der Mensch diese Tiere auf engem Raum halten will. Die vermeintliche Notwendigkeit, die den Eingriff nötig macht, ist also menschengemacht, und der ins Feld geführte Sachzwang entpuppt sich letztlich als rein ökonomischer Natur. Weil es aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht zumutbar erscheint, Tieren mehr Raum zu bieten, ist es nötig, sie zu enthornen, damit sie sich nicht gegenseitig verletzen. Es braucht nicht besonders viel ethisches Gespür, um diese zweifelhafte Logik zu durchschauen, bei der die Enthornten in Wahrheit die Gehörnten sind. Es ist die Logik eines lediglich vorgeschobenen Schutzes, der vorgibt, am Wohl der Tiere orientiert zu sein, aber den Tieren in Wahrheit nur so viel an Achtung zukommen lässt, wie es unser Eigennutz zulässt. ■ Porträt Dr. Ch. Ammann Dr. Christoph Ammann ist Oberassistent am Institut für Sozialethik der Universität Zürich. Sein gegenwärtiger Forschungsschwerpunkt ist Tierethik. Er ist Mitglied der Tierversuchskommission des Kantons Zürich, verheiratet und Vater von drei kleinen Kindern. 7 Kühe – enthornt und entwürdigt Kälber werden enthornt, indem die Hornansätze unter Betäubung ausgebrannt werden. Foto © KAGfreiland Rund 73 % aller Schweizer Milchkühe sind mittlerweile hornlos. In Laufställen liegt der Anteil der enthornten Tiere sogar bei 90 %. Damit sollen vor allem Unfälle vermieden werden. Gegner des Enthornens sehen darin aber eine Verstümmelung der Kreatur. Von Helen Weiss A uf den ersten Blick ist für den Menschen nicht erkennbar, welch strenge Rangordnung in einer Kuhgruppe herrscht – denn wie alle Herdentiere erkämpfen sich Kühe ihre Stellung. Die Hierarchie wird dann auch mal mit den Hörnern klargestellt, was ein Verletzungsrisiko birgt. Immer mehr Landwirte gehen daher auf Nummer sicher und enthornen ihre Milchkühe bereits im Kälbchenalter. Wie viele Kälber heute enthornt werden, kann nur geschätzt werden, da keine Meldepflicht besteht. Sicher ist jedoch, dass ein Grossteil der Kälber, die in die Zucht gehen – in der Schweiz also etwa 100'000 8 bis 200'000 –, enthornt wird. Den Tieren werden im Alter von wenigen Wochen die Hornansätze mit Brennstäben ausgebrannt. «Eine repräsentative Umfrage von KAGfreiland hat ergeben, dass nur rund ein Viertel der 600'000 Milchkühe in der Schweiz Hörner tragen», weiss Pascal Girod, Leiter des Projekts «Horn auf!» bei KAGfreiland. Die Nutztierschutzorganisation setzt sich mit ihrer Kampagne seit 2010 dafür ein, dass Bauern für den Mehraufwand bei der Haltung behornter Kühe entschädigt werden. Wichtiges Kommunikationsmittel Dafür engagiert sich auch Landwirt Armin Capaul: Unterstützt von zahlreichen Organisationen, macht er sich seit drei Jahren für ein Bonussystem stark, das Bauern, die ihren Kühen die Hörner lassen, mit einem Beitrag von einem Franken pro Kuh und Tag für ihr Engagement belohnt. Da der Bundesrat für die Idee des «Hörnerfrankens» bislang kein Gehör hatte, entschloss sich die neu gegründete IG Hornkuh letzten September, die «Hornkuh-Initiative» zu starten (siehe Interview mit Armin Capaul ab Seite 11). Argumente gegen das Enthornen gibt es einige: «Es ist nicht Ordnung, die Hörner routinemässig zu entfernen, nur weil sie nicht in die üblichen Laufställe passen. Es wäre wichtig, in Zukunft die Laufställe und die ProTier 2 / 15 Nur mit örtlicher Betäubung Die gängige Methode des Enthornens bei Kälbern ist das Ausbrennen der Hornanlage. Dabei verwendet man ein elektrisches oder mit Gas beheiztes Heissluftgerät, ähnlich einem Lötkolben. Dieses wird etwa zehn Sekunden lang auf die Hornanlage aufgedrückt. Seit 1995 dürfen laut Tierschutzgesetz Schmerz verursachende Eingriffe nur unter lokaler oder allgemeiner Betäubung und von einem Tierarzt durchgeführt werden. Seit 2006 besteht gemäss der Tierarzneimittelverordnung jedoch die Möglichkeit, dass der Tierhalter bei seinen Kälbern eine Frühkastration (bis zum Alter von zwei Wochen) und die Frühenthornung (bis zum Alter von drei Wochen) selbst durchführen kann. Dafür müssen ein Theorie- und ein Praxiskurs absolviert und die ersten sechs Behandlungen unter Aufsicht des Bestandestierarztes durchgeführt werden. Erwachsene Kühe mit voll ausgebildeten Hörnern dürfen hingegen nur von Tierärzten enthornt werden. Das Enthornen ist ein Beispiel, wie der Mensch das Tier auf ein Haltungs system zurechtstutzt, statt das Haltungssystem dem Tier anzupassen. Foto © KAGfreiland Stalleinrichtungen grosszügiger zu bauen, dann müsste man nicht mehr enthornen», erklärt Anet Spengler vom Departement für Nutztierwissenschaften beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im aargauischen Frick. Kühe brauchten ihre Hörner bei der Klärung der Rangordnung selten als Waffe, sondern vielmehr als Drohinstrument. «Mit dem Enthornen nimmt man den Kühen ein Ausdrucksmittel», ist sie Foto © Helen Weiss Behornte Kühe lassen sich auch in Laufställen halten. ProTier 2 /15 überzeugt. Zudem hat das Horn auch Einfluss auf den Organismus der Kuh. Fakt ist, dass sich die Hörner beim Wiederkäuen erwärmen. Der gut durchblutete, von Nerven durchzogene Hornzapfen ist hohl und mit der Stirnhöhle, den Nasenhöhlen und der Mundhöhle verbunden. Das Horn steht somit – insbesondere beim Wiederkäuen – in Verbindung mit der Verdauungstätigkeit der Kuh. Verformte Kuhschädel Wie Kühe ohne Hörner zurechtkommen, ist wissenschaftlich noch zu wenig erforscht. Laut Anet Spengler hat jedoch eine Bachelorarbeit vom FiBL sowie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) aufgezeigt, dass sich die Schädel von enthornten Kälbern während des Wachstums verformen. Die Messungen an 230 Schädeln von weiblichen Tieren ergaben, dass die obere Linie des Stirnbeins bei Rindern mit Hörnern eine flache oder gewellte Form aufweist. Hornlose hingegen haben häufiger zugespitzte, erhöhte Stirnbeinformen. Zudem sind die Schädel von Rindern mit Hörnern signifikant breiter, und ihr Augenabstand ist grösser. Der tierische Organismus reagiert mit dem veränderten Stirn- 9 Das Horn ist für Kühe ein wichtiges Ausdrucksmittel. Daneben hat es auch einen Einfluss auf die Verdauung der Kuh. Fotos © KAGfreiland beinwachstum aktiv auf das Entfernen der Hornanlagen. Spardruck in der Landwirtschaft Während Demeter das einzige BioLabel in der Schweiz ist, bei dem die Haltung enthornter Kühe verboten ist, ist bei KAGfreiland das Enthornen bei Kälbern nicht verboten. «Es werden jedoch keine neuen Bauern mit enthornten Kühen bei KAGfreiland aufgenommen», sagt Pascal Girod. Ausserdem dürfen Produkte enthornter Kühe nicht unter dem KAG-Label vermarktet werden. Beim Dachverband Bio Suisse ist die Enthornung erlaubt. Dem Bauern steht es frei, ob er seine Kühe mit oder Horn halten will. «Es gibt Argumente dafür und dagegen», sagt Stephan Jaun, Leiter Unternehmenskommunikation bei Bio Suisse. Die Forderung nach Unversehrtheit der Tiere sei berechtigt. «Der Tierhalter muss aber in seinem Entscheid auch das Verletzungsrisiko bei Hornstössen gegen ihn und andere Tiere in den gegebenen Strukturen berücksichtigen.» Gerade der Spardruck ist oft ausschlaggebend für das Enthornen der Kühe. Mit dem Aufkommen der Laufstallhaltung vor 30 Jahren hat sich die Problematik um das Kuhhorn verschärft. Kühe mit Hörnern haben eine grössere Individualdistanz unter Artgenossinnen. Laufställe für behornte Kühe müssen deshalb grosszügiger 10 gebaut werden und dürfen keine Engpässe aufweisen. Bei der herkömmlichen Anbindehaltung wird die Rangordnung auf der Weide geklärt, wo genügend Ausweichmöglichkeiten bestehen und es kaum zu Verletzungen kommt. Bei diesem System steigt jedoch die Gefahr für den Menschen: Beim Anbinden befindet er sich mit dem Kopf in gefährlicher Nähe der Hörner. Vorgeschobene «Sicherheitsgründe» Neben dem wirtschaftlichen Aspekt ist daher oft auch der angeblich notwendige Schutz der Tierhalter ein Grund für das Enthornen. «Es passieren immer wieder Unfälle durch Hornstösse», erklärt Beat Burkhalter von der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) in Schöftland AG. Er rät den Landwirten aus Sicherheitsgründen zur Enthornung. «Auch ich finde eine Kuh mit Hörnern schöner und akzeptiere, dass einige Landwirte ihre Tiere nicht enthornen wollen. Trotzdem kann ich es nicht befürworten.» Laut BUL ist bei den jährlich 80 tödlichen Unfällen in der Landwirtschaft die häufigste Ursache jedoch nicht etwa ein Hornstoss, sondern der falsche Umgang mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen, gefolgt von der Waldarbeit, Sturz und Fall sowie Gasunfällen. Nur gerade 15 Prozent aller Unfälle in der Landwirtschaft haben etwas mit Tieren zu tun; davon wiederum 5 Prozent mit Hornstössen. «Kühe mit Hörnern stellen zwar ein gewisses Risiko für die Landwirte dar. Die Zahlen zeigen aber deutlich, dass es vergleichsweise klein ist», meint Nathalie Dubois, Geschäftsführerin von ProTier / Stiftung für Tierschutz und Ethik. Das Enthornen der Kühe primär aus Sicherheitsgründen zu fordern, sei deshalb ethisch nicht zu rechtfertigen. Dubois: «Mehr Respekt und Achtung den Kühen und ihrem (physischen) Wesen gegenüber ist dringend nötig.» ■ Hörner sind wichtig für die Kuh. Sie sind durchblutet und mit Nervenfasern durchzogen. Hörner wachsen lebenslang. ProTier 2 / 15 Enthornungs-Debatte Interview Interview mit Armin Capaul / IG Hornkuh Die IG Hornkuh will mit der «Hornkuh-Initiative» Kühen und Ziegen eine Stimme geben und braucht dazu 100'000 Unterschriften. ProTier: Warum setzt du dich so vehement für die Kuhhörner ein? Armin Capaul: Es tut mir weh, all die enthornten und damit auch entwürdigten Tiere zu sehen. Es geht mir einfach darum, dass Hornkühe nicht ganz «aussterben». Wenn nichts geschieht, erinnern sich kommende Generationen nicht mehr daran, dass Hörner zu den Kühen gehören. PT: Welche Nachteile entstehen für eine enthornte Kuh? Capaul: Sehr viele: Die Hörner sind durchblutet, durch das Entfernen werden die Tiere verstümmelt. Enthornte Kühe sind in der Kommunikation mit ihren Artgenossinnen eingeschränkt. Normalerweise reicht eine kurze Richtungsanweisung oder Berührung der Hörner, um die Rangordnung zu festigen. Enthornte Kühe stürzen sich oft mit dem Kopf in den Bauchraum von anderenTieren, das kann Verletzungen zur Folge haben, welche man äusserlich nicht erkennt. Das Enthornen hat weiter Einfluss auf die Verdauung der Tiere. Methangas, welches beim Wiederkäuen entsteht, sammelt sich in den Hörnern Armin Capaul, Bergbauer. Fotos © IG Hornkuh und wird über sie abgeleitet. Bei Kühen ohne Hörner steigt das Gas in die Stirnhöhle und kann dort nicht abgebaut werden. Dies verursacht bei den Kühen Phantomschmerzen, und die Milchqualität wird schlechter. Die Hörner dienen überdies auch dem Wärmeaustausch und tragen bei Hitze zur Abkühlung der Tiere bei. Die Hörner sind ein wichtiges Kommunikationsmittel für die Kühe. PT: Wird der finanzielle Anreiz die Bauern langfristig dazu bringen, die Kühe nicht mehr zu enthornen? Capaul: Meiner Erfahrung nach sind Bauern gerne bereit, für Geld Konzessionen zu machen. Finanzielle Anreize funktionieren immer. Es braucht diesen Anreiz und langfristig ein Umdenken. PT: Werden in der Landwirtschaft auch andere Tiere, z.B. Ziegen, enthornt? Capaul: Ja, Ziegen werden ebenfalls mit der gleichen fadenscheinigen Begründung enthornt. Für die weissen Saaneziegen zum Beispiel wurde «Hornkuh-Initiative» – geben auch Sie Kühen und Ziegen eine Stimme! Wer mit seiner Unterschrift mithelfen will, kann den Unterschriftenbogen downloaden: www.hornkuh.ch oder telefonisch bestellen: Telefon 032 493 30 25 ProTier 2 /15 11 Enthornungs-Debatte sogar ein zweites Zuchtbuch geschaffen, damit auch horntragende Tiere eingetragen werden können. PT: Kommt die Initiative zustande? Capaul: Es ist schwierig, die Unterschriften zusammenzubringen. Ich brauche Hilfe und Unterstützung. Interview Die IG Hornkuh ist eine kleine Gemeinschaft. Viele Organisationen unterstützen uns ideell und moralisch. Das hilft aber für das Zusammenbringen der Unterschriften wenig. Tatsache ist, wenn ich die Unterschriften zusammenbringe, werde ich ernst genommen. Wenn ich es nicht schaffe, werde ich ausgelacht. Es geht mir nicht um meine Person, sondern um die Sache: Das Horn gehört zur Kuh! Könnte diese frei wählen, würde sie nicht auf ihre Hörner verzichten. ■ Illustrierter Ratgeber: «Die Bedeutung der Hörner für die Kuh» Brauchen Kühe Hörner? Tierforscherin Anet Spengler Neff, Tierärztin Béatrice Hurni und Landwirt Ricco Streiff haben zusammen mit biodynamischen Bäuerinnen und Bauern Grundlagenkenntnisse und Beobachtungen zu Entwicklung und Funktion der Kuhhörner gesammelt und in einem reich illustrierten Ratgeber die Frage beleuchtet, ob Kühe Hörner brauchen oder nicht. FIBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau)-Merkblatt, 16 Seiten «Die Bedeutung der Hörner für die Kuh» online bestellen: https://www.fibl.org/de/shop/artikel/c/rindvieh/p/1662-kuhhorn.html Sponsorenlauf 2015 für ProTier Persönliches Ziel um einen Kilometer übertroffen Foto: C. Suess In der ProTier-Ausgabe Nr. 1/2015 berichtete ich über meinen bevorstehenden 12-Stunden-Lauf in Basel. Es war ein voller Erfolg, denn hochmotiviert durch die zahlreichen Sponsorinnen und Sponsoren übertraf ich mein persönliches Ziel noch um einen Kilometer. Für die gelaufenen 101 Kilometer sind stolze Fr. 2861.95 für ProTier zugunsten des Projekts «Katzenkastrationen» zusammengekommen. Ein herzliches Dankeschön an alle, die mich so grosszügig unterstützt und dazu verholfen haben, dass der «Lauf für die Katz» doch nicht für die Katze war. ■ 12 ProTier 2 / 15 aktiv! Petition fair-fish: Crevetten sind unter Tierschutz zu stellen Seit August 2014 befindet sich in Lu terbach SO die erste Crevettenzucht in der Pilotphase, weitere Zuchtanlagen sind in Seewen SO und Zuben TG geplant. Da Crevetten nicht unter das Tierschutzgesetz fallen, werden die Zuchten weder vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) noch von den kantonalen Veterinärämtern auf das Tierwohl geprüft. Damit das BLV diese Gesetzeslücke schliessen kann, braucht es laut Tierschutzgesetz (Art. 2) einen Auftrag vom Bundesrat. Darum fordert fair-fish den Bundesrat auf, sofort zu handeln und die Crevetten unter Tierschutz zu stellen. Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, hat fair-fish gemeinsam mit 19 weiteren Organisationen, darunter «Petition zur Aufnahme von Crevetten unter das Tierschutzgesetz» Unterschreiben auch Sie die «Petition zur Aufnahme von Crevetten unter das Tierschutzgesetz»! Online unterschreiben oder Petitionsbogen downloaden: www.fair-fish.ch/etwas-tun/petitionen/shrimp.html Sammelfrist: bis 31. August 2015 auch ProTier, im Februar 2015 eine Petition gestartet. Gleichzeitig erarbeitet fair-fish ein ethologisches (Verhaltens-)Profil der Crevetten. Dieses Profil liefert Eck- daten zur artgerechten Haltung und wird noch dieses Jahr veröffentlicht. Bis Mitte Mai 2015 hat fair-fish bereits 2'000 Unterschriften erhalten. (Ilona Reber, fair-fish) ■ Fotos: Marinephotobank.org ProTier 2 / 15 13 Serie Tier und Recht Enthornen von Rindern ist Tierquälerei Kühe sind ein beliebtes Motiv, sei es auf Milchverpackungen, auf Plakaten oder in der Fernsehwerbung – und fast immer präsentieren sie dabei stolz ihre Hörner. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus – denn den meisten Rindern werden die Hörner routinemässig entfernt. Schätzungen zufolge sind heute rund 70 Prozent der Schweizer Rinder hornlos. Für die Tiere bedeutet das Enthornen einen massiven Eingriff in ihre körperliche Integrität, der darüber hinaus schwerwiegende Auswirkungen auf zahlreiche natürliche Verhaltensweisen hat. Von Gieri Bolliger und Andreas Rüttimann Stiftung für das Tier im Recht (TIR) H örner sind für Rinder in vielerlei Hinsicht von grosser Bedeutung. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme bestehen sie nicht aus empfindungslosem Material wie etwa menschliche Fingernägel. Vielmehr handelt es sich um durchblutete und mit Nerven versorgte Organe, die Bestandteil des Rinderschädels sind. Darüber hinaus haben die Hörner eine wichtige Funktion als Kommunikationsinstrumente, die unter anderem für das Rangverhalten der Tiere eine entscheidende Rolle spielen. Geringes Verletzungs risiko bei guter Stall aufteilung Dennoch wird die Mehrheit der Rinder in der Schweiz enthornt. Üblicherweise werden den Tieren bereits im Kalbesalter die Hornanlagen ausgebrannt. Mitunter werden aber auch bei erwachsenen Kühen die Hörner mit einer Drahtsäge entfernt. Zumindest Methoden wie das Ätzen und das Verwenden von elastischen Ringen, wie sie im Ausland teilweise angewandt werden, sind in der Schweiz aber ausdrücklich verboten. Generell darf das Entfernen der Hörner nur durch fachkundige Personen und nur nach vorheriger Betäubung der Tiere erfolgen. Begründet wird der Eingriff meist damit, dass dadurch die Verletzungsgefahr sowohl für den Menschen als auch für die Tiere selbst verringert 14 werden soll. In Studien konnte allerdings nachgewiesen werden, dass sich das Verletzungsrisiko bei der Haltung von horntragenden Rindern in Laufstallbetrieben durch eine zweckmässige Konzipierung des Stalls und ein gutes Herdenmanagement minimieren lässt. Weil Unfälle also mit zumutbaren stallbaulichen Massnahmen weitestgehend vermieden werden können, ist das Entfernen der Hörner mit Sicherheitsargumenten nicht zu rechtfertigen. Hauptsächlich wirtschaftliche Gründe Tatsächlich hat das systematische Enthornen vor allem wirtschaftliche Gründe. Enthornte Rinder brauchen weniger Platz, weshalb mehr Tiere auf engerem Raum gehalten werden können. Die Verfolgung rein ökonomischer Interessen vermag einen derart gravierenden Eingriff in das Erscheinungsbild und die Fähigkeiten der Tiere jedoch nicht zu legitimieren. Enthornen widerspricht dem Tierschutzgesetz Insgesamt bedeutet das Entfernen der Hörner für die betroffenen Tiere eine eigentliche Verstümmelung sowie eine irreversible und daher lebenslange Belastung. Der Eingriff hat dabei nicht nur äusserliche Auswirkungen, sondern beeinflusst darüber hinaus auch das Sozialverhalten der Tiere massiv. Durch das Enthornen werden Rinder in ihrem artspezifischen Verhalten derart eingeschränkt, dass zahlreiche grundlegende Fähigkei- ten und Funktionen nur unter erheblicher Einschränkung oder überhaupt nicht mehr ausgelebt werden können. Dennoch wird das Entfernen der Hörner allgemein als zulässig erachtet. In einem ausführlichen Rechtsgutachten kommt die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) jedoch zum Schluss, dass das Enthornen von Rindern den Grundprinzipien des Tierschutzrechts klar widerspricht. Die – hauptsächlich ökonomischen – Interessen der Tiernutzer vermögen die Belastungen der Rinder bei Weitem nicht zu überwiegen. Damit stellt der Eingriff sowohl eine Missachtung der rechtlich geschützten Tierwürde als auch eine Misshandlung und somit eine Tierquälerei im Sinne des Tierschutzgesetzes dar. Vom Parlament beziehungsweise vom Bundesrat ist daher der Erlass eines ausdrücklichen Verbots dieser tierschutzwidrigen Praktik zu fordern. Weiter wäre es wichtig, dass der Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber die notwendigen Rahmenbedingungen für die Haltung horntragender Rinder in Form veränderter Rechtsgrundlagen schafft und dafür sorgt, dass die zuständigen Amtsstellen die Tierhalter umfassend über tiergerechte Haltungssysteme beraten. Die Haltungsbedingungen sind den Bedürfnissen und der körperlichen Konstitution der Tiere anzupassen – und nicht umgekehrt. Dies bedeutet unter anderem, dass ausschliesslich Stallsysteme empfohlen und gesetzlich vorgeschrieben werden sollten, die sich für unversehrte Rinder wirklich eignen. ■ ProTier 2 / 15 Buchtipps Umdenken zum Wohl der Tiere «Jeder Einzelne kann etwas tun, damit das Leiden der Tiere aufhört», so der eindringliche Appell des bekannten buddhistischen Mönchs und Bestsellerautors Matthieu Ricard. In seinem Buch «Plädoyer für die Tiere» zeigt er die Dringlichkeit für ein Umdenken und ein ethisch motiviertes Handeln auf, die ein weiteres Wegschauen angesichts von Artensterben und Massentierhaltung unmöglich machen. Der Autor erklärt die katastrophalen Konsequenzen der modernen Massentierhaltung. Er unterzieht die üblichen Ausreden für Fleischkonsum einer genauen Prüfung, ebenso wie den (Un-)Sinn von Einrichtungen wie Zoo und Zirkus. Ricard veranschaulicht, wie sich unsere Einstellung gegenüber Tieren im Laufe der Geschichte veränderte, wie Philosophie und Religionen dazu beitrugen und wie manipulativ uns Lebensmittelkonzerne heute hinters Licht führen. Und er appelliert an unser Mitgefühl, das nicht nur unsere Mitmenschen, sondern auch die Tiere benötigen. PLÄDOYER FÜR DIE TIERE Matthieu Ricard 432 Seiten ca. CHF 35.– ISBN: 978-3-485-02828-8 nymphenburger Verlag www.nymphenburger-verlag.de E-Mail: [email protected] Kindern die Bienenwelt erklärt Belle ist ein richtiges Stadtkind. Jeden Sommer fährt sie zu ihren Grosseltern aufs Land. Dieses Jahr erhält sie ein altes Fahrrad als Geschenk und macht einen Ausflug. Nach kurzer Zeit stürzt sie und schlägt ihr Kinn auf. Bestürzt stellt sie fest, dass sie sich verirrt hat. Sie ruft um Hilfe und bekommt Antwort von einer sprechenden Biene. Die beiden freunden sich an. Die Biene zeigt Belle die Pflanzen, welche den Schmerz in ihrem Knie lindern, und stellt ihr die Tiere des Waldes vor. Sie zeigt ihr den Bienenstock und erklärt, wie wichtig die Arbeit der Bienen ist. Belle ist tief beeindruckt, verbringt viel Zeit im Wald und hält alles in ihrem Tagebuch fest. Als sie nach dem schönen Sommer wieder nach Hause fährt, weiss sie, dass in der Natur alles seinen Platz hat und der Mensch ein Teil davon ist. Das Buch erklärt kindgerecht ökologische Zusammenhänge. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zeichnete das Bilderbuch als Umwelt-Buchtipp des Monats Juni aus. DIE BIENE, DIE SPRECHEN KONNTE Al MacCuish (Text) Rebecca Gibbon (Bild) 32 Seiten ca. CHF 24.90 ISBN: 978-3-280-03478-1 Orell Füssli Verlag www.ofv.ch/kinderbuch E-Mail: [email protected] Informationen, Aktivitäten, Petitionen … ProTier Aktuell Mehr Informationen über unsere Tätigkeit und unsere Aktionen finden Sie auf unserer Website: www.protier.ch ProTier 2 / 15 15 hilft! SOS Tier & Mensch Pfüüdi muss zum Zahnarzt «Es war früh in den Morgenstunden, als mich Pfüüdi weckte. In der Vermutung, dass er nach draussen wolle, stand ich auf und folgte dem mir so vertrauten Rufen. Aber etwas war anders. Pfüüdi stand nicht wie üblich vor der Haustüre, sondern kauerte geduckt, mit zuckenden Ohren vor seinem Fressnapf. Er verweigerte Nahrung und Wasser. Ich bemerkte, dass er sehr wohl Appetit auf sein Trockenfutter hatte, es aber nicht wie üblich mit seinen Zähnen greifen konnte. Ich war beunruhigt, Pfüüdi liess mich seine Schnauze nicht näher betrachten. Ich vereinbarte umgehend einen Termin beim Tierarzt. Dieser dia gnos t izierte eine massive Zahnfleischentzündung und verabreichte ihm Medikamente. Sie schlugen nur schwach an, Pfüüdi musste genauer untersucht werden. Bald stand fest, dass er ein grösseres Zahnproblem hatte, und eine Operation liess sich nicht verhindern. Pfüüdi wurden insgesamt sechs Zähne gezogen. Er verbrachte eine Nacht beim Tierarzt, dann durfte ich ihn nach Hause holen. Nach dem Eingriff ging es Pfüüdi schnell wieder besser. Kaum war er wieder in seiner gewohnten Umgebung, hielt ihn nichts mehr im Haus. Sein Appetit und seine Abenteuerlust waren schnell wieder da. Bei aller Tierliebe war ich leider SOS Tier & Mensch hilft in Notfällen Neben der Angst, dass das Tier vielleicht nicht mehr gesund wird und man es verliert, ist da auch immer die finanzielle Sorge: Wer soll das bezahlen? Seinem Tier wegen Mangels an Geld nicht helfen lassen zu können, ist ein unerträglicher Gedanke. Viele stürzen sich in Schulden oder betteln bei Verwandten und Be kannten das Geld zusammen. Oft reicht das so Zusammengekratzte aber nicht: Gerade wenn eine Operation nötig wird, können einem die Kosten schnell über den Kopf wachsen. Der Fonds «SOS Tier & Mensch» hilft in Härtefällen finanzschwachen Tierhaltern, damit ihre Tiere eine dringend notwendige medizinische Behandlung erhalten und eine Chance haben, wieder gesund zu werden. Wir klären die finanziellen Verhältnisse der Gesuchsteller jeweils sorgfältig ab und werden oftmals auch von Tierärzten unterstützt, die ebenfalls einen Teil der Kosten übernehmen. Fonds «SOS Tier & Mensch»: ProTier, Alfred Escher-Strasse 76 8002 Zürich, Telefon 044 201 25 03, E-Mail [email protected] nicht in der Lage, die Kosten selber zu tragen, und wandte mich an Pro Tier. Die schnelle und grosszügige Hilfe berührte mich sehr und erlaubte mir, die Tierarztrechnung zu begleichen. Für diese Hilfe in Not sind ich und mein Pfüüdi ProTier unendlich dankbar.» ■ «Manchmal hilft man Tieren, wenn man ihren Menschen hilft.» Unterstützen Sie bitte den Fonds «SOS Tier & Mensch» mit einer Spende. Verwenden Sie den Einzahlungsschein in der Heftmitte mit dem Vermerk «SOS Tier & Mensch». Herzlichen Dank! 16 ProTier 2 / 15 hilft! SOS Tier & Mensch Ronny – Start mit Schwierigkeiten «Ronny und seine Geschwisterchen wurden auf einem Bauernhof geboren. Doch als die Katzenmutter ihre Jungen wenige Tage nach der Geburt zur Besitzerin in die Wohnung trug, waren alle tot – bis auf Ronny. Wahrscheinlich zu tief im Heu geboren, waren sie erstickt. Die Katzenmutter sowie andere im Haus lebende Katzen und der Hund kümmerten sich fortan rührend um den Kleinen. Wir lernten Ronny kennen, als er 5 Wochen alt war. Wir alle waren von ihm begeistert und besuchten ihn regelmässig, bis er mit 10 Wochen zu uns kommen durfte. Er entwickelte sich vom anfangs scheuen, zurückhaltenden Büsi zum Schmusekaterli, der bei jeder Gelegenheit einem von uns zum Kuscheln in die Arme kroch. Nach einem Monat durfte er auch bereits die Umgebung auskundschaften. Eines Morgens, Ronny war 6 Monate alt, fiel mir auf, dass er mühsam herum schlich und sich gleich wieder hinlegte. Dann sah ich am Bauch eine tennisballgrosse Wölbung. Ich brachte Ronny gleich zum Tierarzt. Ronny hatte einen schweren Unfall, war offenbar irgendwo heruntergefallen. Beim Aufprall hatte es ihm die Bauchdecke 10 cm lang aufgeris- sen. Die Wölbung unten waren die Därme, die herausragten. Er bekam sofort Infusion und Antibiotikum zur Stabilisation. Mit der erforderlichen Operation musste wegen des starken Blut ergusses und des geschwächten Gewebes ein paar Tage zugewartet werden. Er brauchte absolute Ruhe und musste zur Überwachung in der Praxis bleiben. Nach sieben Tagen hatte er die Operation gut überstanden und sich so weit erholt, dass er wieder nach Hause kommen durfte. Wir alle waren überglücklich, unser Büsi wieder bei uns zu haben. Die entstandenen hohen Tierarztkosten waren eine enorme Belastung für unser Familienbudget. Deshalb wandten wir uns an die Stiftung ProTier, welche uns sofort eine Kostenbeteiligung zusprach. Das war für uns eine grosse Entlastung, und wir möchten uns herzlich dafür bedanken.» ■ Nia’s Leben hing an einem seidenen Faden Fotos: zvg «Unsere Katze Nia lief uns vor 2 Jahren zu. Wir schlossen sie schnell in unser Herz und nahmen sie auf. Nia war sehr neugierig und verspielt, sie liebte es, draussen herumzutollen und auf Bäume zu klettern. Meistens verbrachte sie die Nächte im Haus – eine dieser Nächte wurde ihr schliesslich zum Verhängnis. An einem Donnerstag im ProTier 2 / 15 September fanden wir sie regungslos in ihrem Bettchen. Als wir sie hochhoben, blutete sie aus der Schnauze. Nia wurde sofort zum Tierarzt gebracht. Die Diagnose war niederschmetternd. Offenbar war Nia von einem Auto angefahren worden, ihr Kiefer war gebrochen, ein Zahn fehlte, sie hatte innere Blutungen, der Schwanz war ausgerissen und ihre Hüfte gebrochen. Gemeinsam mit dem Tierarzt entschieden wir, der Kleinen eine Chance zu geben. Der Kiefer wurde operiert. Nachdem sie sich vom Eingriff einigermassen erholt hatte, wurde der Schwanz amputiert. Doch als Nia bereits auf dem Weg der Besserung war, gab es Komplikationen: Sie hatte ein Loch im Zwerchfell, die inneren Organe hatten sich verschoben und drückten teilweise auf die Lunge. Mit gemischten Gefühlen beschlossen wir, Nia erneut operieren zu lassen. Nia hat es geschafft! Heute ist sie wieder neugierig und so verspielt wie früher. Dank der grosszügigen Unterstützung von ProTier können wir auch die teuren Tierarztrechnungen finanzieren. Vielen Dank für die grosse Hilfe.» (zvg) ■ 17 hilft! Voliere Mythenquai Zürich – ein Wunsch geht in Erfüllung Beinahe jeder von uns hat schon einmal ein geschwächtes, verletztes oder entlaufenes Tier gefunden. Und jeder von uns will, dass diesem armen Wesen die schnellst- und bestmögliche Hilfe zuteil wird. Die Vogelpflegestation ist eine solche Anlaufstelle und kümmert sich um gefiederte «Findlinge» aller Art. Da für die Unterbringung der eingelieferten Vögel, Enten, Gänse usw. verschiedene Raumansprüche bestehen bzw. Käfiggrössen erforderlich sind, musste endlich eine flexible Lösung her. ProTier / Stiftung für Tierschutz und Ethik hat der Voliere professionell und unkompliziert unter die Flügel bzw. Arme gegriffen. Zwei bestehende schmale, grosse Käfige wurden durch den Einsatz von Wannen in einen variablen Käfig mit wahlweise zwei mittelgrossen, drei variablen oder vier kleineren Abteilen umgewandelt. Dieser bietet nun grössere Flexibilität in der Unterbringung der Schützlinge und wurde von diesen auch gleich begeistert in «Beschlag» genommen. (S. Steiger / Voliere Zürich) ■ ProTier hilft – Umbau in der Voliere Mythenquai Ein ganz herzliches Dankeschön an ProTier für dieses praktische und grosszügige Geschenk! ProTier-Crew beim Einbau der neuen flexiblen Unterteilungen. Die tierischen Bewohner sind bereits eingezogen. Fotos © Voliere Zürich Mehr Infos, Fotos und aktuelle Geschichten über die gefiederten Schützlinge der Voliere: www.voliere.ch oder auf Facebook: www.facebook.com/VoliereZuerich Voliere Mythenquai in Zürich – mit «Babyklappe» Die Vogelpflegestation der Voliere Mythenquai in Zürich ist die wichtigste Auffangstelle der Schweiz für erkrankte, verletzte oder aus dem Nest gestürzte Wildvögel. Sie nimmt an 365 Tagen im Jahr von 10.00 – 12.00 Uhr und von 14.00 – 16.00 Uhr gefiederte Notfallpatienten auf. Ausserhalb der Öffnungszeiten stehen zur Abgabe der Wildvögel zwei spezielle «Vogelbriefkästen» zur Verfügung. Dies ist wohl die älteste «Babyklappe» (siehe Bild rechts) der Schweiz. Besuchen Sie die Voliere doch einmal und überzeugen Sie sich vor Ort von der wichtigen Arbeit. Falls Sie eine dringend benötigte Spende machen möchten, stehen fantasievolle, von ProTier gesponserte Spendenkässeli bereit – die gefiederten Tiere bedanken sich. 18 ProTier 2 / 15 hilft! Brutzeit – gefährliche Zeit für Jungvögel Jungvögel nicht voreilig mitnehmen Befiederte Jungvögel sind meist nicht verlassen, obwohl sie noch nicht gut fliegen können. Die Eltern verstecken sich vor den Menschen, sind aber meist in der Nähe. Bitte nehmen Sie den Jungvogel nicht einfach mit. Wenn er sich an einer gefährlichen Stelle befindet (z.B. mitten auf der Strasse oder ungeschützt vor Katzen und Hunden), ist es besser, ihn auf einen Ast oder in ein Gebüsch in der Nähe zu setzen und aus sicherer Distanz zu beobachten, ob sich die Elternvögel zeigen. Er wird die Eltern mit Bettelrufen auf sich aufmerksam machen. Übrigens führt das Berühren der Jungvögel in einer solchen Notsituation nicht dazu, dass ihn die Altvögel verstossen. Wenn der Jungvogel noch nackt, wenig befiedert oder leicht verletzt ist, ist es sinnvoll, ihn in die Voliere oder eine Auffangstation zu bringen. Bei Brüchen oder schweren Verletzungen sollte das Tier ins Tierspital gebracht werden. Verunfallten Vogel gefunden – was tun? Manchmal liegt ein Vogel – ob aus dem Nest gefallen oder nach einer Kollision – nach dem ersten Schreck wie tot da, könnte aber nach kurzer Zeit wieder davonfliegen. Geben Sie deshalb dem Tier die Chance, in Ruhe wieder zu Bewusstsein zu kommen und sich zu erholen. Legen Sie den Vogel dazu in eine Kartonschachtel und stellen Sie diese (draussen) an einen ruhigen Ort. Lassen Sie die Schachtel offen und warten Sie beobachtend, aber mit etwas Distanz ab. Für den Fall, dass das Tier wirklich verletzt ist und nicht nach kurzer Zeit davonfliegt, hier eine Anleitung zum Basteln einer Transportbox. ■ ProTier 2 / 15 Der Notfall: So basteln Sie schnell eine Vogel-Transportbox Schritt 1: Nehmen Sie einen stabilen und sauberen Karton. Schritt 2: Versehen Sie die Transportbox mit einigen kleinen Luft löchern (am besten verwenden Sie dazu eine Schere) und achten Sie dabei darauf, dass es im Innern dunkel bleibt. Schritt 3: Polstern Sie den Karton gut mit Haushaltspapier oder Tüchern aus, damit das Tier während des Transports gut geschützt ist. Verwenden Sie bitte kein Heu oder Stroh. Bitte beachten Sie, dass vor allem nestjunge Vögel in einen gut ausgekleideten Karton verpackt werden sollten, da sie sonst auskühlen. Legen Sie eine handwarme Wärmeflasche unter das Papier. Sie können auch einen Latexhandschuh als Wärmequelle mit 40 o C warmem Wasser füllen und gut zuknoten. Schritt 4: Setzen Sie den oder die Notfallpatienten in die Transportbox. Schritt 5: Schliessen Sie den Karton. Verletzte Tiere beruhigen sich im Dunkeln. Sichern Sie den Deckel des Kartons mit einem Klebeband. Damit schützen Sie sich und Ihren Patienten bei der bevorstehenden Fahrt zum Tierarzt oder zur Vogelpflegestation. Schritt 6: Treten Sie die Fahrt sofort an und verzichten Sie für einmal auf Radio und Klima anlage. Ihr Patient wird‘s Ihnen danken! Fotos © Martin Siegenthaler 19 Tierkommunikation: Mit Tieren sprechen Wohl in jedem Tierhalter steckt der Wunsch, offene Fragen zwischen sich und seinem Tier zu klären. Die Möglichkeit, mit seinem Tier ein Gespräch zu führen, tönt verlockend. Doch das Thema «Tierkommunikation» polarisiert auch – viele halten das Ganze für esoterischen Humbug. Je nach Standpunkt fasziniert oder verunsichert die Möglichkeit, mit Tieren zu sprechen. Foto © Almut Bieber/pixelio.de Von Barbara Kerkmeer E s gibt viele Gründe, sich mit einer Tierkommunikatorin in Verbindung zu setzen. Im Zusammenleben von Mensch und Tier entstehen viele Missverständnisse, und der Wunsch, diese zu klären, ist gross. Die Vorstellung, dass man mit seinem Tier ein Gespräch führen kann, ist wunderbar und veranlasst immer mehr Menschen, diese Kommunikationsform auszuprobieren. Im Laufe meiner zehnjährigen Praxis als Tierkommunikatorin sind mir viele Tiere und Menschen begegnet. Tierkommunikation ist niemals oberflächlich, die Gespräche gehen schnell in die Tiefe. Sie berühren die Tierhalter im Innersten und lösen Gefühle aus, welche im Alltag oft verborgen bleiben. Tierkommunikation theoretisch zu erklären ist schwierig, man muss die Kommunikationsform erleben, um sich ein eigenes Bild zu machen. Drei Beispiele aus meiner Praxis sollen Ihnen die Möglichkeiten der Tierkommunikation näherbringen. 20 Blicke sagen mehr als 1000 Worte … mit diesen Angaben auf die Suche. Zwei Stunden später rief sie mich an, sie habe das Tier an einem Ort entsprechend meinen Angaben ganz in der Nähe gefunden. Überglücklich nahm sie ihre Katze mit nach Hause. Dennoch nahm die Geschichte leider kein Happy End. Der Stress durch den unfreiwilligen Ausflug war für das Tier zu gross, und es verstarb kurz darauf an Herzversagen. Foto: zvg Die entlaufene Katze Vor kurzem rief mich eine besorgte Katzenhalterin an. Ihre Katze war über die Ferien bei einem Freund einquartiert worden, und es war ihr gelungen, durch das Fenster zu entweichen. Die Anruferin war in grösster Sorge, da sich das Tier dort nicht auskannte und unmöglich den Heimweg finden konnte. Ich nahm mit dem Tier Verbindung auf, und es vermittelte mir ein Bild von einer Hecke, einem grossen Platz aus Kies und einem gelben, grösseren Haus. Die Anruferin machte sich Das verkrampfte Pferd Ein Pferdehalter rief mich an, da sein Tier lahm ging. Er war der Kommunikation gegenüber skeptisch und bat mich, das Tier zu fragen, wie es ihm geht, ohne mir mitzuteilen, dass das Tier lahmte. Ich trat mit dem Tier in Verbindung, und es vermittelte mir sofort Bilder, dass es vorne links lahm ging, das Problem aber vom Rücken aus komme. Die Muskulatur des Rückens war völlig versteift. Der Anrufer war zwar erstaunt, dass ich ihm sagen konnte, dass sein Pferd vorne links lahmt, meinte aber, der Rücken sei sicher nicht das Problem. ProTier 2 / 15 Was ist Tierkommunikation? Tierkommunikation ist ein Gespräch zwischen Mensch und Tier – als beseelte Wesen, auf telepathischer Ebene. Das Tier vermittelt der Tierkommunikatorin Bilder, Gefühle, psychische und physische Befindlichkeiten. Sie übersetzt die Eindrücke in die verbale Sprache und ermöglicht es dem Tierhalter, Fragen, Missverständnisse oder körperliche Beschwerden seines Tieres zu klären. Die Grundlage dieser universellen Sprache ist die Telepathie. Aus der griechischen Sprache abgeleitet heisst tele –> fern und Pathie –> Gefühl. Auch die menschliche Sprache basiert auf telepathischen Grundlagen. Jedem gesprochenen Wort liegt ein Gefühl, ein Bild oder ein Gedanke zugrunde. Diese Eindrücke werden verbal vermittelt. Der Mensch hat sich im Laufe der Zeit angewöhnt, verbal zu kommunizieren. Die Telepathie führt ein Schattendasein, ist jedoch in jedem von uns vorhanden und müsste nur bewusst geschult und gefördert werden. Nonverbale Verbindung zwischen Tier und Mensch. Foto © fotolia.de Als sich aber der Zustand nicht besserte, liess er einen Osteopathen kommen, welcher die «Diagnose» Rücken bestätigte. Nach einigen Behandlungen war das Pferd wieder fit. Die teetrinkende Ziege Ganz speziell war die Geschichte mit der Ziege Kitty. Die Halterin rief besorgt an, da Kitty nicht mehr fressen wollte und kein Medikament des Tierarztes geholfen habe. Ich verFoto: zvg Tiere kommunizieren mit uns auf ihre eigene Art. band mich mit Kitty, sie meinte nur: «Ich brauche Heidelbeerkräutertee zur Genesung!» Die Halterin war gerne bereit, den Tee zu kochen, was mit einigem Aufwand verbunden war, da Stall und Zuhause der Anruferin ziemlich weit auseinander lagen. Aber sie fuhr nach Hause, kochte den Tee und brachte ihn Kitty. Diese würdigte ihn keines Blickes und die Halterin rief mich ziemlich erzürnt an. Ich wusste auch keinen Rat, da ich von Kitty nichts anderes hörte. Natürlich kamen mir Zweifel und ich war sehr froh, als die Halterin am Abend anrief und mir mitteilte, Kitty habe den Tee in der Zwischenzeit getrunken und habe bereits wieder angefangen zu fressen. Kurz darauf war sie wieder kerngesund. Grenzen der Tierkommunikation Die Tierkommunikation ersetzt in keinem Fall den Tierarzt. Sie ermöglicht das Wahrnehmen der körperlichen und seelischen Befindlichkeit des Tieres, kann aber keine medizinische Diagnose stellen. Durch die Tierkommunikation besteht die Möglichkeit, Missverständnisse in der Erziehung von Tieren zu klären, die Arbeit muss aber vom Tierhalter selber geleistet werden. ProTier 2 / 15 21 Den Tieren eine Stimme geben Die Arbeit als Tierkommunikatorin hat mich letztlich zu meinen Aufgaben im Tierschutz geführt. Bei Pro Tier kann ich mich nebst meiner privaten Arbeit als Tierkommunikatorin im Rahmen von Projekten und Kampagnen konkret für Tiere in Not einsetzen und ihnen auch auf diese Weise eine Stimme geben. Dafür bin ich sehr dankbar. Jeder entscheidet letztlich selber, ob er an die aussergewöhnliche Möglichkeit der Tierkommunikation glauben will oder nicht. Unbestritten ist die Tatsache, dass in uns allen der Wunsch lebt, unsere Tiergefährten besser zu verstehen und in ihrem Sinn zu handeln. Vielleicht ist Sind Sie an einer Tierkommunikation interessiert? Barbara Kerkmeer, selber Tierhalterin, kann als Tierkommunikatorin auf eine 10-jährige Praxiserfahrung zurückgreifen. Sie berät und begleitet Sie gerne, wenn Sie an einer Kommunikation mit Ihrem Tier interessiert sind. Kontakt: Barbara Kerkmeer Höglerstrasse 32, 8600 Dübendorf Telefon 043 355 96 57 Mobile 079 510 73 15 E-Mail [email protected] manchmal der Wunsch der Vater des Gedankens – wenn dieser aber auf die solide Grundlage der telepathi- schen Kommunikation trifft, werden Wunder plötzlich wahr. ■ Lesenswerte Literatur zum Thema «Tierkommunikation» > Die grosse Gemeinschaft der Schöpfung von J. Allen Boone, Reichel Verlag, Regensburg > Gespräche mit Tieren und Tiere als sprechende Gefährten von Penelope Smith, Reichel Verlag, Regensburg > Tierstimmen I und II und Zoo Tiere Gedanken von Barbara Fenner, Editions à la carte Verlag, Zürich > Der siebte Sinn der Tiere von Rupert Sheldrake, Scherz Verlag, Bern Möchten Sie die Tierschutzarbeit von ProTier unterstützen? Sie können Gönnerin oder Gönner werden, eine Tierpatenschaft übernehmen oder mit einer gezielten Spende eines unserer Projekte unterstützen. ❱ ❱ Einzahlungsscheine finden Sie in der Heftmitte Mehr zu unseren Projekten auf unserer Website: www.protier.ch Haben Sie Fragen? Schreiben Sie uns per E-Mail: [email protected] oder rufen Sie uns an: Telefon 044 201 25 03 22 Foto © Rolf Thorp-Hansen ProTier 2 / 15 Aktuelles Aus für Affen- versuche im MaxPlanck-Institut? Stern TV zeigte im September 2014 schreckliche Bilder aus den Versuchslabors des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik inTübingen. Nicht ohne Folgen – nach zahlreichen Anzeigen liess der Direktor des Instituts mit einer Pressemitteilung verlauten, dass er künftig keine Tierversuche mehr an Affen durchführen wolle. Anlass des Berichts waren Undercover-Recherchen der «Soko Tierschutz», die das Leben der Versuchsaffen in den Laboren in Tübingen dokumentierten. Bilder von verhaltensauffälligen Affen, kranke Tiere, die sich erbra- chen. Affen, die sich gegen das sogenannte «Stangentraining» wehrten, schwer krankeTiere mit entzündeten Implantaten im Kopf oder ein Affe, welcher sediert in einen Versuchsstuhl gesetzt wurde. Verstörende Dokumente einer tierverachtenden Vorgehensweise im Namen der Wissenschaft. Die Bilder sorgten nach der stern TV-Berichterstattung deutschlandweit für Furore. Die Max-Planck-Gesellschaft wies die Anschuldigungen von sich und unterstellte Manipulation. Die Dokumente und Bilder hielten aber einer Überprüfung stand und mussten als Beweismaterial zugelassen werden. Das Versprechen des Direktors des Max-Planck-Insti- Foto © Soko Tierschutz tuts, keine weiteren Tierversuche an Affen durchzuführen, ist jedoch unglaubwürdig. Die bereits erteilten Affenversuchs-Genehmigungen in Tübingen gelten noch bis Juli 2019. Der Direktor wird bis dahin im Rentenalter sein. Für die Zeit danach wurden bereits neue Affenversuche angekündigt. Ein Ende der Versuche an Primaten am Max-PlanckInstitut ist demnach noch nicht definitiv beschlossen. (Stern) Der Bundesrat will Zirkussen weiterhin nicht verbieten, bestimmte Tierarten zu halten. Er beantragt dem Parlament, eine Motion zu diesem Thema abzulehnen. Aus seiner Sicht genügen die geltenden Tierschutzvorschriften. Ein Verbot für bestimmte Tiere fordert die Waadtländer GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley. Sie denkt insbesondere an Wildtiere wie Nashörner, Giraffen, Menschenaffen, Bären oder Pinguine, aber auch an schreckhafte domestizierte Tiere. Es gebe zahlreiche Arten, die in einem Wanderzirkus nicht ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten werden könnten, schreibt Chevalley. ProTier 2 / 15 Foto © Th. Haug Wildtiere im Zirkus sollen nicht verboten werden An die 30 Länder – darunter 16 EU-Mitgliedstaaten – hätten für Wanderzirkusse ein teilweises oder vollständiges Verbot erlassen, (Wild-)Tiere zu halten. In der Schweiz dagegen könnten Tiere sämtlicher Arten auf Tourneen mitgenommen werden, kritisiert die Natio nalrätin. Der Bundesrat hält eine tung von Zirkustieren seien in der Schweiz streng, betont der Bundesrat. So müssten Tiere, deren Gehege nur eine reduzierte Fläche umfasse, mindestens drei Mal täglich beschäftigt werden. Die Beschäftigung müsse für die Tierart geeignet sein und deren Bedürfnissen entsprechen. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass die Schweizer Zirkusse zunehmend darauf verzichteten, Tiere wie Nashörner, Bären oder gros se Raubkatzen auf Tournee mitzunehmen, weil es fast unmöglich sei, diese unterwegs so zu halten, dass die Vorschriften erfüllt seien. Über die Motion, die 20 Nationalrätinnen und Na tionalräte mitunterzeichnet haben, wird als Nächstes der Nationalrat befinden. Einschränkung aber nicht für notwendig, wie er Ende Mai in seiner veröffentlichten Antwort auf die Motion schreibt. Es bestünden keine objektiven Kriterien für ein Verbot einzelner Wildtierarten, argumentiert er. Ausserdem müsse jede Haltung das Wohl der Tiere berücksichtigen. Die Vorschriften für die Hal- (blickonline) 23 Die seriöse Planung und derAufbau unserer Tierschutzprojekte brauchen finanzielle Mittel – bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende! ProTier – Stiftung für Tierschutz und Ethik Alfred Escher-Strasse 76 CH-8002 Zürich Telefon 044 201 25 03 [email protected] www.protier.ch PRO Foto © Dieter / pixelio.de ✂ Werden Sie jetzt Gönnerin, Gönner von ProTier ! Gönnerbeitrag 2015 Einzel-Gönnerbeitrag (Minimalbetrag) CHF 40.– Paar-Gönnerbeitrag (Minimalbetrag) CHF 70.– Gönnerbeitrag für Jugendliche unter 16 Jahren CHF25.– Firmen-Gönnerbeitrag (Minimalbetrag) CHF 300.– Ich/wir unterstütze/-n ProTier – Stiftung für Tierschutz und Ethik mit einer Gönnerschaft. Herr Frau (Bitte in Blockschrift ausfüllen.) Name : Vorname : Strasse : Postleitzahl / Ort : E-Mail : Telefon : Ort, Datum : Unterschrift : (bei Minderjährigen Unterschrift des gesetzlichen Vertreters) Sie erhalten nach Eingang Ihrer Anmeldung eine Rechnung, bitte keine Vorauszahlungen tätigen. Jahrgang : 2/15
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