Toxikologie für Chemiker Teil 5 Drogen in der forensischen Toxikologie Jan G. Hengstler IfADo Dortmund Übersicht: Abhängigkeit und Toleranz durch Drogen Physische Abhängigkeit Psychische Abhängigkeit Toleranz Opioide (Heroin) +++ +++ +++ Alkohol +++ ++ ++ Cocain + +++ (+) Amphetamine (+) ++ +++ Cannabis 0 + (+) Halluzinogene (LSD, Mescalin) 0 + +++ Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme a. Erstkonsum Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme b. Intermittierender Drogenkonsum → Sensitisierung Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme c. Chronischer Drogenkonsum → Down effect Affektive Reaktion nach Drogeneinnahme d. Abstinenz nach chronischem Drogenkonsum → Vulnerabilität Das nozizeptive System Hinterhorn Das nozizeptive System Hinterhorn Das nozizeptive System Hinterhorn Umschaltung Das nozizeptive System Hinterhorn Das nozizeptive System Hinterhorn Das nozizeptive System Hinterhorn Analgetisches Wirkprinzip der Opioide Opioid Rezeptoren Hinterhorn Analgetisches Wirkprinzip der Opioide Opioid Rezeptoren Hinterhorn - Hemmung der Umschaltung Und Weiterleitung Opioidrezeptoren und vermittelte Wirkungen µ-Rezeptor: Entzug zentral: Analgesie Euphorie → Abhängigkeit Miosis (N. oculomotorius) Atemdepression Antitussiv Erbrechen (früh), Antiemese(spät) peripher: Obstipation (Ringmuskulatur) Harnverhaltung (M. sphincer vesicae) δ-Rezeptor: Analgesie κ-Rezeptor: Analgesie Sedation Dysphorie Überempfindlichkeit Dysphorie, Unruhe Lichtempfindlichkeit Hyperventilation Hustenreiz Erbrechen Durchfall Medikamente zur Milderung: →Clonidin (α2-Blocker) →Tricyclische Antidepressiva (Doxepin) → Methadon Bedeutung von Opiaten als Drogen - Als Rauschmittel und Medikament seit 3000 v.u.Z. in Gebrauch - Herstellung aus unreifen Fruchtkapseln des Schlafmohns (Rohopium) - 1803: Isolierung von Morphin durch den Apotheker Adam Sertürner (Paderborn) - 1874: Synthese von Heroin - Heroin entspricht Morphin mit zwei zusätzlichen Acetatgruppen → höhere Lipophilie → gelangt ganz rasch in Gehirn → „flush-Effekt“→ hohes Suchtpotential - ca. 800 Todefälle im Jahr in Deutschland (insgesamt ca. 2 000 Drogentote; insgesamt ca. 300 000 Abhängige von harten Drogen in Deutschland) - Ganz überwiegend in Großstädten Vergiftung mit Heroin: - Koma - Miosis - Reduzierte Atmung Therapie: Drogentod durch Heroin: toxisches (hämorrhagisches) Lungenödem → Blutiger Schleim aus Mund und Nase - Freihalten der Atemwege - O2-nasal - Morphinanatagonisten: Naloxon (im, iv) Naltrexon (im, iv, oral) Metabolismus von Heroin Forensisch-toxikologischer Nachweis: - Möglich in Blut, Urin, Speichel und Haaren - Zum Screeing: Immunoassay - Zur Bestätigung: GC/MS - Heroin selbst ist meist nicht mehr nachweisbar, weil es rasch zum Morphin deacetyliert wird Cocain Synapse Wirkung NT Vesikel mit Neurotransmittern; im Falle von Cocain relevant: NA und Dopamin Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Stimulus Cocain Synapse Wirkung NT Vesikel mit Neurotransmittern; im Falle von Cocain relevant: NA und Dopamin Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Stimulus Cocain Synapse Wirkung Vesikel mit Neurotransmittern; im Falle von Cocain relevant: NA und Dopamin NT NT Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Cocain Synapse Wirkung Innere Pumpe Äußere Pumpe NT NT NT NT Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Cocain Synapse Wirkung Innere Pumpe Äußere Pumpe NT NT NT Hemmung der äußeren Pumpe durch Cocain Mehr NA und Dopamin im synaptischen Spalt verfügbar NT Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Euphorie, Aktivitätssteigerung Bedeutung von Cocain als Droge - Schnupfen als Cocain-Hydrochlorid (→ Vasokonstriktion → Defekt der Nasenscheidewand) - Rauchen der freien Base („Crack“) - Kauen von Coca-Blättern in Bolivien - Ca. 50 Todesfälle durch Überdosierung in Deutschland im Jahr - Schmuggel von Cocain: „Bodypacker“ meist aus Kolumbien Überlebter Fall von „Bodypacking“: Das Cocain war in 8 Lagen Verpackungsmaterial eingewickelt Todesfall eines 22-jährigen Drogenkurriers: Im Magen wurden bei der Sektion 23 (!) Drogenpäckchen gefunden. Akute Vergiftung: ● ventrikuläre Tachyarrhythmien ● Krampfanfälle mit Blockierung der Atmung Metabolism von Cocain Forensischtoxikologischer Nachweis: - möglich in Blut, Urin, Speichel und Haaren - Zum Screeing: Immunoassay - Zur Bestätigung: GC/MS - Hauptsächlich wird Benzoylecognin nachgewiesen - Nachweis in Blut bis ca. 1 d, in Urin bis ca. 3 d, in Haaren ggf. bis zu 6 Monaten nach Konsum Amphetamine Synapse Wirkung: ähnlich wie Cocain; zusätzlich: Freisetzung aus Vesikeln Innere Pumpe Äußere Pumpe (Grund: Lipophilie) NT NT NT Hemmung der äußeren Pumpe durch Amphetamine Mehr NA und Dopamin im synaptischen Spalt verfügbar NT NT Postsynaptische Membran mit Rezeptoren Euphorie, Aktivitätssteigerung Bedeutung von Amphetaminen als Drogen - Amphetamin: „speed“, oral - Methamphetamin: „crystal, ice“, oral oder intranasal Designerdrogen - 1MDMA: urspr. „Ecstasy“ - Inzwischen wurde - Verbreitung in der „Techno-Szene“ (Tanzveranstaltungen) - Mindestens 500 000 Konsumenten - Todesfälle in Deutschland: ca. 10 - Gefahr bei Tanzveranstaltungen: Dehydrierung 1bereits 1914 durch Firma Merck als Schlankheitsmittel patentiert die Bezeichnung „Ecstasy auch auf verwandte Substanzen ausgeweitet, z.B. auf MDA (Methylendioxyamphetamin) Forensisch-toxikologischer Nachweis: - Zum Screeing: Immunoassay - Zur Bestätigung (meist im Blut): GC/MS - Nachweisbarkeit in Blut bis 1 d, in Urin bis ca. 3 d nach Konsum möglich Cannabis Cannabis: Tetrahydrocannabinol Wirkung - Zwei Cannabinoidrezeptoren sind bekannt: CB1 und CB2 - CB1-Rezeptor → G-Proteine → Hemmung Adenylylcyclase - Entspannung, Abrücken von Alltagsproblemen, leuchtende Farben, leicht gerötete Augen Cannabis Haschisch: Harz aus den Blüten, Oral, z.B. in Kuchen gemischt Marihuana: getrocknete Blätter und Blüten, meist Zigaretten Beigemischt („joint“) - Bei oraler Aufnahme wird für gleiche Wirkung etwa die 3-fache Menge an THC benötigt wie beim Rauchen Metabolismus von Tetrahydrocanabinol Forensischtoxikologischer Nachweis: → Nachweis zeitnaher Konsum - möglich in Blut, Urin, Speichel und Haaren - Zum Screeing: Immunoassay - Zur Bestätigung: GC/MS → Nachweis zeitnaher Konsum → Noch Tage nach Konsum nachweisbar Polychlorierte Dioxine Beispiel: Seveso 10.07.1976: Explosion in Firma Icmesa (u.a. Herstellung des Desinfektionsmittels Hexachlorophen) Ca. 2 kg TCDD (Dioxin) treten aus; der Staub schlägt sich auf 11 umliegende Ortschaften nieder nach 2 Tagen: Sterben von Kleintieren nach 5 Tagen: Chlorakne bei Kindern Grundstruktur der Dioxine - Die unterschiedlichen Dioxine unterscheiden sich durch ihr Chlorierungsmuster →Kongenere - Am toxischsten ist das Kongener mit Chlorierung in den Positionen 2, 3, 7 und 8 →2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin (TCDD): die toxischste Verbindung der Chlorchemie Vorkommen - Entstehung bei Verbrennungsprozessen in Gegenwart von Chlor (Müllverbrennung, Heizung) - Nebenprodukte bei chemischer Produktion, z.B. Herbizide, PCBs Aufnahme - Milch, Fleisch, Fisch - Kaum in pflanzlichen Produkten - Muttermilch enthält 20-fach mehr Dioxine als Kuhmilch Eigenschaften - Hohe Fettlöslichkeit → gute Resorption aus Magen/Darm-Trakt (50-80%) → Speicherung im Fettgewebe - Biologische Halbwertszeit: 5 - 11 Jahre → Akkumulation Toxizitätsäquivalenz-Faktor (TEQ) - Toxizität von 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin: TEQ=1 - Alle anderen Kongenere haben einen niedrigeren TEQ - nur ca. 1/6 der menschlichen Exposition: 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin (Rest: andere Kongenere) Bei Verdacht auf Vergiftung mit Dioxinen - TCDDs im Blutfett bestimmen - Vergleich mit Normwerten, die als TEQ ausgedrückt werden. Wirkungen auf den Menschen Dominierend: Chlorakne Weiterhin: - Immunsuppression - Leberschäden; Enzyminduktion in der Leber - Polyneuropathie (Schwäche Beine) - Depression/Kopfschmerz - Teratogen und Fehlgeburten Kanzerogen? - Leberkrebs in Nagern (nicht gentoxisches Karzinogen) - Im Menschen: kontrovers (möglicherweise leichte Erhöhung hämatopoetisches System, Leber, Lunge; aber auch: leichte Erniedrigung von Brustkrebs (Grund: antiestrogene Wirkung) TCDD-Äquivalente (TEQ) Altersabhängigkeit des Gehalts an 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxinÄquivalenten (TEQ) im menschlichen Körperfett Chlorakne durch Dioxine Agent Orange - Von den USA als Kampfstoff im Vietnamkrieg eingesetzt (Entlaubungsmittel: enthält 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure und 2,4,5,-Trichlorphenoxyessigsäure sowie Dioxine als Verunreinigung) - Folgen bei Zivilbevölkerung und Veteranen: Chlorakne, Polyneuropathie und Fehlgeburten [nicht zu verwechseln mit „agent blue“: Arsenhaltiger Kampfstoff zur Vernichtung der Reisernte] Interspeziesunterschiede TCDD Akute orale LD50 von TCDD in verschiedenen Tierspezies ~Mensch Enzyminduktion und weitere Dioxinwirkungen vermittelt durch den Ah-Rezeptor (AHR) AHR-Responsives Element Enzym AHR (aktiv) AHR P P TCDD AHR P HSP90 P43 AHR P HSP90 AHR (inaktiv) ARNT P mRNA
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