Dem Abgrund so nah - FeuerWerke Verlag

Dem Abgrund so nah
Jessica Koch
Leseprobe
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Prolog
Atlanta 1990
Er beobachtete Jacob schon eine ganze Weile. Jacob wohnte in der
Nachbarschaft und zu seinem Entsetzen bemerkte Aiden zum
wiederholten Male, wie er sich von ihm angezogen fühlte. Die
Sommersonne malte abstrakte Muster in sein glänzendes Haar, das glatt
an seinem Kopf anlag. Die nackten Beine steckten in kurzen Shorts, an
den Füßen trug er abgetragene Turnschuhe und auch das T-Shirt hatte
schon bessere Tage gesehen.
Im Grunde liebte er seine Frau. Von einer Zweckheirat konnte gar keine
Rede sein. Er hatte sie gesehen und sich verliebt. Die Tatsache, dass sie
sofort schwanger wurde und bereit gewesen war, ihr Leben in
Deutschland aufzugeben und zu ihm nach Atlanta zu ziehen, hatte ihn
beflügelt. Vielleicht hatte er sich auch selbst belogen, als er sich
einredete, für sie seine Vorliebe für Männer komplett aufgeben zu
können. Anfangs war es leicht gewesen, aber über die Jahre hatte ihn
immer häufiger diese Sehnsucht gepackt. Wie jetzt, als er Jacob sah. Er
wusste, er durfte seinem Verlangen nicht nachgeben. Es wäre falsch und
unmoralisch gewesen. Zumal seine Frau bereits mit dem zweiten Kind
schwanger war. Ein Junge würde es werden, die Ärzte rechneten in den
nächsten zwei Wochen mit der Geburt.
Sie hatten sich hier eine wundervolle Heimat aufgebaut. Ländlich, in
einem kleinen Holzhaus mit großem Anwesen. Sein erstgeborener Sohn
brachte hervorragende Leistungen in der Schule, war strebsam und ein
vielversprechendes Talent im Sport. Er hoffte, dass eines Tages etwas
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aus ihm werden würde. Etwas Besseres, als aus ihm selbst geworden
war. Denn er hatte in der Vergangenheit zu viele Fehler gemacht; zu
viele Dinge getan, die man nicht tun durfte. Er wusste auch, dass es eine
Gratwanderung war; das heile Familienleben war oft mehr Schein als
Sein, die kleinste Erschütterung würde alles in sich zusammenfallen
lassen wie ein Kartenhaus. Er würde zurückfallen in die alten Muster, in
seine Leidenschaft, die es nicht geben durfte. Jeden Tag betete er zu
Gott, dass diese Erschütterung ausbleiben möge.
Sein Blick wanderte wieder zu Jacob. Dieser war aufgestanden und kam
die Straße hinunter direkt auf ihn zu. Jeden Tag ging Jacob hier entlang
und jeden Tag spielte er mit dem Gedanken, ihn anzusprechen. Aber was
hätte er sagen sollen?
Im Geiste hatte er ihn schon hundertmal zu sich nach Hause eingeladen,
und Jacob war dieser Aufforderung nur zu gerne nachgekommen. Sie
waren zusammen ins Schlafzimmer gegangen, und Jacob hatte sich von
ihm ans Bett fesseln lassen. Freiwillig natürlich. So etwas machte man
nur in gegenseitigem Einverständnis. Das wusste er. Aber was machte
man, wenn der andere sich partout weigerte?
Seufzend unterbrach er diesen Gedankengang und beobachtete Jacobs
federnden Schritt, die Anmut seiner Bewegungen und fragte sich
sehnsüchtig, ob Jacob ihn wohl lieben könnte. Trotz des enormen
Altersunterschiedes, der die beiden trennte.
Jacob ging in dieselbe Klasse wie sein Sohn. Jacob war zehn Jahre alt.
Die Dämmerung hatte längst eingesetzt, als er sich endlich von der
Veranda lösen konnte und ins Haus ging. Es roch nach Braten und Wein.
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Er liebte es, wenn seine Frau kochte. Sie war eine herausragende
Köchin, und sie ließ sich trotz der fortgeschrittenen Schwangerschaft
nicht davon abhalten. Heute war es irgendwie unruhig im Haus. Sein
Sohn weinte!
„Was ist denn los?“, rief er die Treppe hinauf.
Seine Frau stand oben am Geländer und hielt ihren Sohn im Arm, der
sich immer wieder mit dem Ärmel über das tränennasse Gesicht
wischte.
„Rex ist weg“, antwortete seine Frau. „Er hat sich den ganzen Tag nicht
blicken lassen. Ich hab Danny gesagt, er muss jetzt aufhören mit dem
Suchen und bis morgen warten, aber er will nicht hören! Es ist einfach
zu dunkel draußen, ich kann ihn nicht mehr hinauslassen.“
„Nur noch ganz kurz“, bettelte der kleine, strohblonde Junge.
Sie hielt verzweifelt mit einer Hand ihren immensen Bauch, mit der
anderen ihren Sohn im Arm.
„Nein!“, donnerte der Vater in einem Ton, der keine Widerrede duldete.
„Der Köter kommt schon wieder. Ansonsten kannst du morgen suchen.
Jetzt essen wir zu Abend.“
Es ging alles viel zu schnell.
Mit einem Ruck riss sich Danny von seiner Mutter los und stürmte die
Treppe hinab. Sie schaffte es nicht, ihn rechtzeitig loszulassen, und kam
ins Straucheln. Der riesige Bauch sorgte dafür, dass sie schlussendlich
das Gleichgewicht verlor. Stufe für Stufe stürzte sie die Treppe hinab
und schlug mit dem Rücken hart auf den Fliesen der Diele auf. Reglos
und zusammengekrümmt wie ein Embryo lag sie da.
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„Honey!“, brüllte der Vater und eilte auf seine Frau zu. Der Junge
schrie, als er die Blutlache bemerkte, die sich langsam auf dem Boden
ausbreitete.
„Ruf sofort einen Krankenwagen!“, herrschte er seinen Sohn an. Doch
dieser war unfähig, sich zu rühren, und starrte nur wie gelähmt auf seine
Mutter.
Draußen bellte ein Hund.
***
Ein herzzerreißendes Jaulen ließ Danny zusammenzucken.
Rex, schoss es ihm durch den Kopf. Unter tausend anderen hätte er
seinen Hund erkannt. Besorgt blickte er sich im dunklen Zimmer um,
konnte aber nichts sehen. Ein schrilles Winseln ertönte von draußen.
Schnell stürzte der Junge an sein Fenster und blickte in den schwach
erleuchteten Garten. Schemenhaft konnte er seinen Vater ausmachen. Er
schwankte wie ein Betrunkener. Mit einem dicken Stock schlug er
immer wieder auf den Boden ...
„Nein!“, schrie Danny entsetzt, als ihm bewusst wurde, was da geschah.
„Nein!" Mit beiden Fäusten hämmerte er gegen die Scheibe. Niemand
beachtete ihn. Blind vor Tränen rannte er die Treppe hinunter, zur
Haustür hinaus.
„Lass Rex in Ruhe!“, kreischte er.
„Der verdammte Köter ist schuld. Seinetwegen ist mein Sohn tot!“ Kurz
hielt der Vater in der Bewegung inne und blickte seinen Sohn voller Wut
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an. „Und deinetwegen!“
Schluchzend sank der Junge auf die Knie. Der Hund rührte sich nicht
mehr.
[…]
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1994
Aiden lehnte an der geöffneten Fahrertür seines Chryslers, die Ellbogen
auf das Autodach gestützt, und starrte auf das alte Herrenhaus mit den
kitschigen Eisenschnörkeln an den Fenstern. Wenn Danny in fünf
Minuten nicht auftauchte, würde er hochgehen und ihn holen. Er war
extra mitten in der Nacht losgefahren, um schon am Vormittag hier zu
sein. Das Letzte, was Aiden nun gebrauchen konnte, war der
pedantische Vater des Mädchens, der ihm vorwarf, dass es seine eigene
Schuld war, dass sein Sohn sich in Frankreich versteckt hielt. Die
Andeutungen am Telefon hatten ihm schon gereicht. Für wen hielt sich
dieser Typ eigentlich? Rief bei ihm an, um ihm zu erzählen, dass sein
missratener Bastard bei ihm aufgetaucht war, und erklärte ihm im
gleichen Atemzug, dass der Junge es nicht böse gemeint hatte, von
zuhause wegzulaufen. Irgendetwas habe Danny ganz furchtbar
aufgewühlt und durcheinandergebracht, deswegen brauche er nun ganz
viel Zuwendung und Verständnis und könne gerne noch bis zum
Wochenende bleiben, um in Ruhe seine Gedanken zu sortieren. Danny
sei ja so ein anständiger und höflicher Junge. Die ganze Palette musste
er sich anhören. Aiden hatte sich echt bemühen müssen, nicht über den
Telefonhörer zu kotzen. Langsam hatte er die Schnauze gestrichen voll
davon, seinen hochanständigen Sohn permanent aus anderen Ländern
abholen zu müssen. Selbstverständlich war er nach dem Gespräch gleich
losgefahren. Es kam nicht in Frage, Danny noch länger bei diesem
Hanswurst zu lassen, der ihn noch mehr verhätschelte, als er es ohnehin
schon war.
Diesmal kam er um eine gehörige Lektion nicht herum. Eine andere
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Sprache schien der Junge nicht zu verstehen. Einfach abzuhauen, um
sich mit Mädchen zu treffen – das war der Gipfel der Unverschämtheit.
Nicht, dass Aiden eifersüchtig gewesen wäre. Diese Zeiten hatte er
hinter sich gelassen. Nun war er nur noch wütend. Mehr als das. Aiden
hatte das Gefühl, jeden Moment zu zerbersten. Fast drei Wochen lang
hatten sie Danny gesucht und ihm hinterhertelefoniert. Nur mit Mühe
hatte Aiden seine Frau davon abhalten können, die Bullen einzuschalten.
Er konnte keine Polizei im Haus gebrauchen – es war schlimm genug,
dass das Jugendamt ihn im Visier hatte.
Gerade als er sich von der Autotür lösen wollte, sah er Danny aus dem
Haus kommen – einen Rucksack auf der Schulter und diese nervige
Göre im Schlepptau. Ihre schlanken, viel zu langen Beine steckten in
hautengen Bluejeans. Die kurze, taillierte Jacke betonte ihre Figur.
Aufreizend warf sie ihre dunklen Haare zurück, als sie direkt auf ihn
zukam. Aiden musste sich ein überhebliches Lächeln verkneifen. Sie trat
vor ihn und sah ihm direkt in die Augen, während sie ihm die Hand
hinstreckte.
„Dominique“, stellte sie sich vor. Für einen Moment verwirrte ihn ihr
anklagender Blick. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und
ergriff, ohne zu grüßen, ihre Hand. Viel fester, als nötig gewesen wäre,
drückte er zu. Sie ließ sich nichts davon anmerken. Stattdessen schob sie
ihm mit den Fingern ein Stück Papier in die Handfläche. Aiden
widerstand der Versuchung, den Zettel kommentarlos vor ihrer Nase zu
zerreißen. Seine Geduld war genug strapaziert worden, er hatte keine
Lust auf irgendwelchen Kinderkram. Hauptsächlich, um den beiden
genau das zu demonstrieren, ging er auf Danny zu und gab ihm wortlos
eine Ohrfeige. Sein Sohn reagierte nicht darauf, aber Dominique schrie
auf und stellte sich vor ihn. Entrüstet stemmte sie die Hände in die
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Hüften und keifte los: „Hören Sie verdammt noch mal auf, ihn zu
schlagen!“
Ihr Akzent klang so lächerlich, dass Aiden sich beherrschen musste, sie
nicht auszulachen. Glaubte sie wirklich, Danny verteidigen zu können?
Das war ja schon fast rührend. Aber er war nicht in der Stimmung für
Gefühlsduseleien.
„Jetzt pass mal auf, Mädel“, erklärte er, „ich weiß ja nicht, wie das bei
euch zuhause ist. Möglicherweise erlaubt dir Papa Schlumpf alles. Bei
uns hingegen weht ein anderer Wind. Danny ist abgehauen, und so ein
Verhalten lasse ich nicht durchgehen.“ Verärgert griff er an Dominique
vorbei, packte Danny am Kragen und zerrte ihn zu sich heran. Das
Mädchen umklammerte seinen Arm und versuchte, Aidens Hand von
Dannys Pullover zu lösen. Diese Handlung steigerte Aidens Wut um ein
Vielfaches. Niemand mischte sich in seine Erziehung ein! Noch einmal
schlug er Danny mit der flachen Hand ins Gesicht. Es reizte ihn
plötzlich, seinen Sohn vor dem Mädchen zu schlagen. Die Vorstellung,
wie demütigend das für Danny sein musste, gefiel ihm. Möglicherweise
traute er sich dann nicht mehr, ihr unter die Augen zu treten. Erneut
holte er aus. Wieder stellte sich diese ungezogene Göre zwischen sie.
„Geh mir aus dem Weg!“, schrie Aiden sie an und hob drohend die
Hand.
Danny trat hinter Dominique hervor, kam auf ihn zu und sagte warnend:
„Denk nicht einmal dran!“ Seine Stimme klang eisig. Dann ignorierte er
seinen Vater einfach, drehte sich zu seiner Freundin um und flüsterte ihr
etwas ins Ohr. Bestimmt irgendeine sentimentale Scheiße. Was auch
sonst. Etwas Vernünftiges hatte sein Sohn selten zu sagen.
Sie gab ihm einen Kuss auf den Mund und hob ihren linken Arm: „Für
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immer!“
Jetzt fing die kleine Schlampe auch noch an zu heulen. Genervt griff er
erneut nach seinem Sohn und zerrte ihn zum Wagen. Danny hob
ebenfalls seinen linken Arm und wiederholte ihre unsinnigen Worte.
Dann drehte er sich um und stieg ins Auto. Aiden nutzte die
Gelegenheit, um ihm von hinten ins Genick zu schlagen.
„Und vergiss niemals unser Gespräch!“, schrie Dominique plötzlich.
„Dein Alter ist der Gestörte! Du bist normal! Vergiss das niemals!“
Aiden traute seine Ohren nicht. Hatte das verdammte Flittchen das eben
wirklich gesagt? Vielleicht sollte er sich mal kurz mit ihr beschäftigen?
Aber sie begann schon, leichtfüßig rückwärts von ihm wegzuspringen.
Er musste sich damit begnügen, laut zu lachen. Es klang nicht so
selbstbewusst wie sonst.
„Lachen Sie ruhig!“, brüllte sie zu ihm hinüber. „Lachen Sie sich selbst
aus! Gestört und feige. Das ist echt lächerlich!“ Sie rannte weg. Vor der
geöffneten Haustür blieb sie noch einmal kurz stehen. „Vergiss das
niemals, Danny!“, wiederholte sie und schlug die Tür von innen zu.
Aiden schnaubte.
Durchatmen, Aiden, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Er musste
kurz draußen stehen bleiben, zumindest ein bisschen runterkommen.
Wenn er jetzt zu Danny ins Auto stieg, dann würde dieser das unter
Garantie
nicht
überleben.
Das
wäre
kein
kluger
Schachzug.
Wahrscheinlich war genau das geplant und das Gör saß mit gezückter
Kamera hinter irgendeinem Fenster. Er musste es schaffen, seine
Aggression so weit zu zügeln, dass er mit Danny bis nach Hause fahren
konnte, bevor er sich an ihm abreagierte.
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Der Zettel, der noch immer zwischen seinen Fingern steckte, fiel ihm
wieder ein. Über dem Autodach faltete er ihn auseinander und warf
einen Blick darauf. Seine Körpertemperatur fiel plötzlich rapide ab und
sein Herz stolperte bedrohlich. Er las die Worte noch einmal:
Ich weiß Bescheid!!
Wenn Sie ihn noch ein einziges Mal anfassen,
werde ich davon erfahren und dann rufe ich die Polizei!
PS: Kinderschändern geht es im Knast ganz dreckig!!!
Ihm wurde schlecht. Fast hätte er sich übergeben, so sehr drehte es ihm
den Magen um. Sein Hemd war klatschnass geschwitzt. Kalter Schweiß,
der ihm überall aus den Poren trat.
Sie weiß es! Verdammte Scheiße, sie weiß es!
Aiden hielt sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu und
hyperventilierte minutenlang in seine hohle Hand.
Dieser verfluchte Bastard. Er hatte es ihr erzählt! Seine Gedanken
fingen an zu rasen. Was sollte er der Polizei sagen? Es sind nur Kinder,
die sich einen Scherz erlauben wollen, um dem armen Vater eins
auszuwischen … So etwas in der Art. Sie konnten ihm nichts anhängen.
Marina wusste von nichts, zumindest konnte er sie davon überzeugen,
nichts zu wissen. Sie hatten keine Beweise, es stand Aussage gegen
Aussage.
Du hast ihn geschlagen, du Idiot. Und zwar so, dass man es sehen kann!
Und wenn schon … Er konnte die gleiche Ausrede benutzen, die er auch
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seiner Frau ständig servierte: Die Verletzungen stammten vom
Kickboxen. Aiden hatte die Vorteile von Dannys Sport schon lange
erkannt.
Kampfsport macht aber keine sichtbaren Striemen auf dem Rücken ...
Aiden kratzte sich so heftig den Bart, dass seine Haut brannte.
Danny stieg aus dem Wagen und sah ihn fragend an. „Schlagen wir hier
Wurzeln oder fahren wir zurück?“
„Halts Maul!“ Aiden merkte selbst, dass er wie ein Wahnsinniger schrie.
„Halt sofort deine verschissene Schnauze oder du stirbst auf der Stelle.“
„Alles klar.“ Danny hob beschwichtigend die Hände in die Luft. „War ja
nur eine Frage. Lass dir ruhig Zeit, ich warte im Wagen.“
Durchatmen, Aiden! Danny weiß nichts davon.
Da war er sich sicher, sonst hätte sein Sohn es nicht gewagt, ihn jetzt
anzusprechen. Wenn es zwischen den beiden nicht abgesprochen war,
dann war es halb so wild. Er durfte Danny nur keine Möglichkeit geben,
noch mal mit diesem Gör zu sprechen. Briefe konnte man abfangen.
Aber wie sollte er ihn am Telefonieren hindern? Oder am Weglaufen?
Schlag ihn tot! Oder schlag ihn so grün und blau, dass er sich nicht
mehr traut, auch nur einen Mucks zu machen.
Aiden zwang sich zum Nachdenken. Dominique würde nicht die Polizei
rufen. Wenn sie das tun wollte, hätte sie es längst getan. Zudem fasste er
Danny ja ohnehin nicht mehr an, also gab es nichts, was er ihr künftig
würde berichten können. Mit zitternden Fingern öffnete er sein
Sturmfeuerzeug. Er hielt erst den Zettel in die Flamme und dann seine
Zigarette. Sein Puls wurde merklich ruhiger. Alles, was er tun musste,
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war strategisch vorzugehen. Vielleicht war es das Klügste, den Bastard
nicht zu verprügeln. Es würde Gras über die Sache wachsen. Schließlich
waren es nur Teenager. Eine Schlampe wie Dominique hatte
erfahrungsgemäß in wenigen Tagen den nächsten Lover und schon war
Danny vergessen. Zudem hatte er schon lange vorgehabt, freundlicher
zu Danny zu sein. Das war doch eine prima Gelegenheit, den guten
Vorsatz endlich umzusetzen. Auch wenn er es rein aus Eigennutz tat.
Aiden warf seine Zigarette in Papa Schlumpfs spießigen Vorgarten.
Nein, seine Sorgen waren unbegründet. Zwar musste er nun etwas
aufpassen, aber mehr auch nicht. Panik war fehl am Platz. Es war nicht
nötig, zu seiner Schwester in die USA zu flüchten.
Erleichtert stieg er ins Auto. Danny hatte seinen Kopf an die Scheibe
gelehnt und starrte aus dem Fenster. Aiden sagte nichts. Er zündete sich
die nächste Zigarette an und fuhr schweigend nach Deutschland zurück.
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„Dem Abgrund so nah“ erscheint im Sommer 2016. Wenn du über den
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