Münchner Merkur

Münchner Merkur Nr. 192, Wochenende, 22./23. August 2015
Journal
Münchner Merkur
Aus dem Sumpf
Eine Bayerin züchtet eine der seltenen Wasserhund-Rassen. > Seite 3
Das Wochenend-Magazin des Münchner Merkur
Wenn
Schüler
abheben
So arbeiten Bayerns Fluglehrer
Anderen den Traum
vom Fliegen zu erfüllen,
muss einfach Freude
bereiten. Doch Fluglehrer tragen auch
viel Verantwortung
und brauchen mitunter
gute Nerven.
VON CHRISTINE
WALDHAUSER-KÜNLEN
Schwänzen und Schwätzen?
Kommt bei ihren Schülern
nicht vor. Die sind pünktlichst zum Unterricht da und
büffeln stundenlang ganz
freiwillig! Nur, um endlich
am Steuerknüppel sitzen und
abheben zu können. Ja, Fluglehrer haben gegenüber ihren
Kollegen in den Klassenräumen dieser Welt sicherlich
den cooleren Job! Wer vom
Fliegen träumt und den
Traum dann leben kann, hat
das große Los gezogen, oder?
Hans Eberhard lacht. Der
pensionierte Luftfahrtingenieur arbeitet mit Begeisterung daran, anderen Menschen den größten Wunsch
zu erfüllen: Der Pilot aus der
Nähe von Erding verhilft ihnen zum Motorflugschein.
Frauen bedächtiger,
Männer übermütiger
Um lehren zu dürfen, muss
man allerdings erst einmal
selbst viel lernen: Die Ausbildung zum Fluglehrer umfasst
125 Stunden Theorie und 30
Stunden Training im Flugzeug. Kostenpunkt: mindestens 10 000 Euro! Am Ende
wartet eine Prüfung. Die ist
bei Hans Eberhard 20 Jahre
her – der 68-Jährige verbringt
längst mehr Zeit in seiner Piper Arrow IV und auf Flugplätzen als dahoam in Bockhorn-Grünbach: Er unterrichtet u.a. im Fliegerclub Erding sowie an zwei kommerziellen Flugschulen. „Ich fliege 500 Stunden pro Jahr zwischen Nordkap und Afrika“,
freut sich der Oberbayer. Natürlich würden die Schüler
von seiner langjährigen Erfahrung profitieren. „Da fliegt
man automatisch präziser
und gefahrenbewusster“.
Mittlerweile hat Hans Eberhard um die 200 Schüler betreut. Interessant: „Frauen
steuern bedächtiger und risikobewusster, Männer handeln manchmal übermütiger
nach dem Motto: ,Das pro-
bier’ ich jetzt einfach mal, obwohl ich es gar nicht kann‘“.
Mit ganz anderen Einschätzungen ärgert sich Stephanie
Haas als Ausbildungsleiterin
für Motorsegler und Segelflug im Verein Albatros Gammelsdorf herum. Da streifen
die 33-Jährige, sie hat immerhin schon 20 Schüler „flügge“ gemacht, die fragenden
Blicke mancher Herren:
„Und wann kommt endlich
der Pilot?“
Zwischen Airbus
und Segelflieger
„Bei Frauen wird dreimal geschaut, was wir draufhaben.
Und wenn wir mal nicht so
schön gelandet sind, weiß es
gleich der ganze Flugplatz“,
bedauert die Pilotin, die
hauptberuflich einen Airbus
320 steuert. Klar, dass die
Damenwelt da mit größerem
Ehrgeiz und Leistungswillen
reagiere. Zumal es ein Handicap gebe: „Mädchen haben
ein anderes, schlechteres
räumliches Vorstellungsvermögen – da heißt es mehr
üben!“
Was muss ein Segelflug-Fluglehrer alles „draufhaben“?
Die Vorausbildung auf dem
hinteren Sitz umfasst 20
Starts mitsamt einer theoretischen und praktischen Vorauswahlprüfung.
Dann
kommt der Hauptlehrgang,
der sich über ca. ein halbes
Jahr erstreckt und zu guter
Letzt unterrichtet der Lehrer
noch einmal einige Monate
unter Aufsicht als sog. Fluglehreranwärter, bis er endgültig zum Fluglehrer wird. Einsteigen und einfach losfliegen? Darf der Schüler als angehender „Lehrmeister“ jedoch nicht.
Der Prüfer macht
absichtlich Fehler
Während der Ausbildung
lernt der Kandidat sich mit
verschiedenen Fluglehreraufgaben vertraut zu machen:
Bereits am Vorabend des
Flugtags schaut er auf die
Wetterkarte, holt Infos über
den technischen Zustand der
Ausbildungsflugzeuge
und
den Übungsstand seiner
Flugschüler ein. Zudem bereitet er das morgendliche
Briefing vor, unterrichtet
Theorie und hilft bei der Organisation des Flugbetriebs
mit. Er kümmert sich auch
um die Flugzeuge, schaut,
dass sie ordnungsgemäß einund ausgeräumt werden,
FLUGLEHRER GESUCHT .............................................
EINKOMMEN NICHT GESICHERT
Da war er selbst noch in Ausbildung: Simon Grant (re.).
KN
>> Fluglehrer werden gesucht: „Zwar gibt es noch keinen
ausgesprochenen Mangel, aber wir sind auf dem Weg dorthin“, erzählt Ausbilder Hans Eberhard aus der Nähe von Erding. Gründe: Aufwendige Ausbildung und Kosten. Kann
man davon leben? Ja und nein: Wer in einem Verein unterrichtet, nicht, wer für eine kommerzielle Flugschule arbeitet, schon. Der Unterricht in einem Segel-Flugverein
kommt auf rund 15 Euro, in einer Flugschule ca. 150 Euro.
INTERESSANTE LINKS
>> www.lvbayern.de; www.lsv-albatros.de; www.flugplatzohlstadt.de; www.fstc.de; www.fliegerclub-erding.de
macht die Vorflugkontrolle
und organisiert den Startaufbau. Aber er darf nicht immer
selbst an Bord gehen: Angehende Lehrer beaufsichtigen
vom Boden aus im Funkkontakt alleinfliegende Flugschüler, weisen die Fortgeschritte-
Auch den Start an Seil und Winde lehren Fluglehrer den angehenden Segelfliegern.
KN
nen und Lizenzpiloten in
neue Flugzeugmuster ein und
bilden auch Windenfahrer,
sie braucht es, um Segelflieger in die Höhe zu ziehen,
aus. Der Tag ist für sie längst
noch nicht zu Ende: Abends
wird der Ausbildungsfortschritt jedes Flugschülers
zum Nachweis seines Ausbildungsstands dokumentiert,
so dass ein Kollege im
Übungsprogramm
nahtlos
weitermachen kann.
Wie läuft die Prüfung selbst
ab? „Ein Prüfer vom Luftamt
Südbayern saß auf dem Platz
des Flugschülers und machte
absichtlich Fehler: Diese
musste ich erkennen und eingreifen“, schmunzelt Simon
Grant. Der 34-Jährige segelt
seit 19 Jahren vom Flugplatz
Ohlstadt weg übers Oberland
und hat bis dato 18 Schüler
unter seine Fittiche genom-
men. „Flugsport soll Spaß
machen und keinen Stress erzeugen“, lächelt er. „Doch
manche Schüler sind übermotiviert und steigen mit einem Messer zwischen den
Zähnen ein. Die muss ich
schon mal einbremsen“, verrät der Physiotherapeut. Warum opfert er seine Freizeit
dafür? Macht es nicht mehr
Spaß, allein die Ruhe über
den Wolken zu genießen, ohne jeden „Schritt“ haarklein
erklären zu müssen? Der
Murnauer
schüttelt
den
Kopf: „Abgesehen davon,
dass man mehr versteckte
Fehlerquellen sieht und Probleme und Gefahren erkennt,
weiß ich aus der Zeit als
Flugschüler, wie viel es ausmacht, wenn ein Lehrer mit
Leidenschaft unterrichtet. Es
geht nicht darum, etwas zu
machen, um ihn zufrieden zu
stellen, sondern das Gesagte
später auch allein umsetzen
zu können“.
Stichwort: allein: Einfach
rechts ranfahren geht im Flieger nicht, „irgendwo“ landen
hingegen schon. So erging es
Stephanie Haas und einer
15-Jährigen Schülerin bei einem Flug nach Cham, als
plötzlich die Thermik ausging und sie auf einer Wiese
„strandeten“. „Wir waren die
Attraktion und wurden fotografiert, weil die Leut’ nicht
glauben konnten, dass zwei
so junge Madl im Cockpit sitzen“. Ja, Segelflieger suchen
es sich nicht immer freiwillig
aus, wo sie runterkommen:
Als eine Verkettung unglücklicher Zufälle beschreibt Simon Grant die wenigen Minuten, als ein Fliegerkollege
und er auf dem heimischen
Flugplatz landen mussten –
gleichzeitig und nebeneinander. „Wir haben uns via Funk
genau abgesprochen, dass am
Ende alles gut gegangen ist“.
Den Schüler immer im Blick:
Airbus-Pilotin Stephanie
Haas unterrichtet angehende Segelflieger vom hinteren
PRIVAT
Pilotensitz aus.
INHALT
Seil reißt beim
ersten Alleinflug
Klar,
Fliegen-Lehren
ist
nichts für schwache Nerven!
So wird die Außenlandung –
fern jeder Asphaltpiste – auch
von angehenden Motorflugpiloten geübt. Ebenso wie der
Ausfall vom Motor, gerade
weil er laut Hans Eberhard
am seltensten passiert. Aber
auch diese Flugzeugtypen
seien segelfähig und könnten
auf einem Feld aufsetzen.
„Alle Schüler werden so gut
ausgebildet, dass sie für sämtliche Eventualitäten gerüstet
sind“, beruhigt auch Stephanie Haas. Selbst wenn einem
Schützling auf seinem ersten
Alleinflug – auch so ein seltener Zufall – beim Hinaufziehen des Segelfliegers die Seilwinde reißt. Ihr stockte vor
Schreck der Atem. Und
konnte ein paar Minuten später wieder entspannen: Der
Schüler hatte eine absolut
lehrbuchmäßige
Landung
hingelegt...
LEBEN
Schwerelos im Dreirad
Wie eine Chiemgauerin trotz
Querschnittslähmung Gleitschirm fliegt
> Seite 2
JUGENDBÜCHER
Die Kraft der Fantasie
Wir stellen spannende Ferienbücher vor.
> Seite 5
IMPRESSUM
Verantwortliche Leitung
Matthias Busch
[email protected]
Tel: 089/5306-412
Fax: 089/5306-8657
Propellerflugzeuge sind nach einem Motorausfall segelfähig, eine Not-Landung kann so glimpflich verlaufen.