Die fünf wichtigsten Fragen zur Bargeldversorgung

Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 23.06.2015
Die fünf wichtigsten Fragen zur Bargeldversorgung in
Griechenland
1. Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler sollen ...
1. sich die Funktionen von Geld in modernen Volkswirtschaften sowie
die Vorgehensweise bei der Bereitstellung von Bargeld in der Europäischen Währungsunion erschließen.
2. die Ursachen und Folgen des derzeitigen Kapitalabflusses in Griechenland herausarbeiten.
3. die dem Geschehen zugrunde liegende Dilemmastruktur analysieren.
2. Aufgaben
1.
Benennen Sie die zentralen Funktionen von Geld in modernen Volkswirtschaften.
2.
Beschreiben Sie den arbeitsteiligen Prozess der Bargeldbereitstellung in der
Europäischen Währungsunion. Ermitteln Sie die Aufgaben der verschiedenen
Akteure.
3.
Erklären Sie den Begriff des Kapitalabflusses. Erschließen Sie sich hierzu die
aktuell in Griechenland zu beobachtenden Prozesse sowie deren Ursachen.
4.
Erläutern Sie anhand des vorliegenden Beispiels die Bedeutung von Vertrauen für die Funktionsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Überprüfen Sie, inwieweit
im vorliegenden Fall von einem Vertrauensverlust gesprochen werden kann.
5.
Analysieren Sie die zugrunde liegende Dilemmastruktur, indem Sie den Konflikt zwischen den individuellen und gemeinschaftlichen Zielsetzungen in
Griechenland erörtern. Arbeiten Sie hierzu heraus, inwieweit das Abheben
großer Geldbeträge aus Sicht des einzelnen Sparers als rational, aus Sicht der
Volkswirtschaft jedoch als kontraproduktiv zu bewerten ist.
6.
Erörtern Sie die Zielsetzung von Ela-Krediten durch die Europäische Zentralbank (EZB). Setzen Sie sich mit der aktuellen Diskussion um deren Legitimität
im Falle Griechenlands auseinander.
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Die fünf wichtigsten Fragen zur Bargeldversorgung in Griechenland
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Griechenlands Schicksal dürfte […] noch ein paar Tage länger ungewiss bleiben. Und
es hängt auch von der EZB ab: Die Zentralbank hält die griechischen Geschäftsbanken
schon seit Monaten mit Notkrediten, der sogenannten Emergency loan assistance
(Ela), am Leben. Der dramatische Kapitalabfluss aus Griechenland zwingt die EZB
derzeit fast täglich, den Ela-Kreditrahmen zu erhöhen. Mittwoch vergangener Woche
stockte die Notenbank die Ela-Kredite um 1,1 Milliarden Euro auf insgesamt 84,1
Milliarden Euro auf. Dies ist die letzte Zahl, die veröffentlicht wurde. Danach gab die
EZB nur noch die Erhöhung der Notkredite bekannt, nannte jedoch keine Beträge
mehr.
Die Ela-Versorgung ist umstritten. Eigentlich seien diese Kredite nur für Banken
gedacht, die kurzfristig vom Kapitalmarkt abgeschnitten sind, warnte die Chefin der
EU-Bankenabwicklungsbehörde, Elke König, jüngst im Handelsblatt. Die
griechischen Banken hätten aber schon seit Monaten keinen Zugang zum
Kapitalmarkt mehr. In dieser Situation sei die „Grenze zwischen Ela und
Konkursverschleppung fließend“ geworden, so König. Das Argument wurde in der
deutschen Politik inzwischen aufgegriffen. Am Montag warnte der Vizechef der CDU
CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Friedrich, vor „Konkursverschleppung“ bei den
griechischen Banken. Ruth Berschens.
1. Warum braucht das Land derzeit so viel Bargeld?
Die Sparer fürchten einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Bei der
Einführung einer neuen Währung könnten die Bankguthaben umgestellt werden, was
höchstwahrscheinlich mit Wertverlusten verbunden wäre. Denn die neue Währung
würde abwerten. Um diesem Risiko aus dem Weg zu gehen, heben die Sparer ihre
Guthaben ab und horten das Geld oder überweisen es ins Ausland. Seit dem
Regierungswechsel in Griechenland im Januar hat der Bargeldumlauf bereits deutlich
zugenommen. Im Januar lag er bei 26 Milliarden Euro - im April waren es bereits 48
Milliarden Euro. Nun hat sich das Problem dramatisch verstärkt: Allein in der
vergangenen Woche hoben Sparer mehr als sechs Milliarden Euro ab .
2. Gehen den Geldhäusern die Cash-Reserven aus?
Dafür gibt es keine Anzeichen. Die hohe Bargeldnachfrage ist für die Notenbank aber
vor allem ein logistisches Problem, sagt eine informierte Person dem Handelsblatt.
Dieses Mal sei die Situation indes nicht so angespannt wie 2012 rund um die
griechische Parlamentswahl. Damals räumten die Sparer ihre Konten, und es hieß, das
griechische Militär habe in riesigen Transportmaschinen vom Typ Hercules
millionenfach 50- und 100-Euro-Scheine ins Land gebracht. Tatsächlich sei das Geld
aber mit Lufthansa Cargo transportiert worden, so ein Insider. Wegen der damaligen
Krise verfüge die griechische Notenbank über hohe Bargeldreserven. Mehr Bargeld
könne sie aber auch jederzeit im Euro-System anfordern.
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3. Druckt die Notenbank in Athen selbst Euro-Scheine?
Die griechische Notenbank druckt ein festes Kontingent an Zehn-Euro-Banknoten in
einer eigenen Druckerei in Chalandri bei Athen. Innerhalb des Euro-Systems ist der
Druck der Scheine zwischen den Notenbanken der Mitgliedsländer aufgeteilt. Die
Deutsche Bundesbank beispielsweise muss derzeit 20- und 50-Euro-Scheine
produzieren und hat dafür Aufträge vergeben. Dass die griechische Notenbank eine
eigene Druckerei hat, hilft wenig gegen mögliche Bargeldengpässe im Land. Die
Kapazität dort soll gering sein. Als in der Vergangenheit Spekulationen über eine neue
griechische Währung aufkamen, hieß es: Die Druckerei würde drei Jahre brauchen,
um diese zu drucken.
4. Wer liefert weitere Banknoten, wenn der Cash-Bedarf steigt?
Da die Zentralbanken im Euro-Raum unterschiedliche Banknoten drucken, müssen
diese im Währungsgebiet verteilt werden. Nur mit den Zehn-Euro-Scheinen aus der
eigenen Druckerpresse käme die griechische Notenbank genauso wenig aus wie die
Deutsche Bundesbank, die nur 20- und 50-Euro-Scheine druckt. Deshalb gibt es
ständig Geldtransporte zwischen den Notenbanken des Euro-Systems. Sie richten sich
nach dem Bedarf. Nach Griechenland kommen sie meist per Flugzeug. Man könne
davon ausgehen, dass derzeit mehr Bargeld nach Griechenland transportiert wird als
üblich, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person dem Handelsblatt.
5. Wie ist die Geldversorgung im Euro-System geregelt?
Die Europäische Zentralbank (EZB) ermittelt den Bargeldbedarf für ein Jahr. Die
nationalen Notenbanken müssen die Banknoten dann entsprechend ihrem Anteil am
EZB-Eigenkapital bei Druckereien in Auftrag geben. Die Bundesbank schreibt ihre
Druckaufträge aus - andere Notenbanken wie die griechische haben eigene
Druckereien. Das hergestellte Bargeld wird dann entsprechend der zu erwartenden
Nachfrage auf die jeweiligen Notenbanken verteilt. Wenn es irgendwo zu Engpässen
kommt, werden Überschussbestände herangezogen. Diese bilden sich bei den
Notenbanken, wenn die prognostizierte Nachfrage kleiner ist als die tatsächliche.
Quelle: Berschens, R./jam, Handelsblatt, Nr. 117, 23.06.2015, 1
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