Wo ist die Kuh „Elsa“?

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Tier
BAUERNBLATT l 25. Juli 2015 ■
Ortungssystem erspart langwierige Suche von Einzeltieren
Wo ist die Kuh „Elsa“?
Mit zunehmender Automatisierung der Milcherzeugung beansprucht das Auffinden von Einzeltieren in Großgruppen viel Arbeitszeit des Herdenmanagers. Um dies
zu erleichtern, wurden verschiedene Indoor-Ortungssysteme entwickelt. In der Markteinführung befinden sich aktive Systeme mit batteriebetriebenen Sendern am Tier,
die ständig Positionssignale an ein
Empfängernetzwerk funken. Als
Alternative zu diesen aktiven Ortungssystemen wurde ein neues
Verfahren zur Indoor-Positionsbestimmung mit passiven SAWTranspondern im Rahmen eines
von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Verbundprojektes entwickelt und im praktischen Einsatz Ein Gegengewicht richtet das Halsband so aus, dass auf jeder Körperseite ein
getestet.
Ortungstransponder im Nacken der Kuh sitzt.
Fotos: Dr. Steffen Pache
Das neue Ortungssystem für Rinder basiert auf dem SAW-Prinzip
(surface acoustic wave – akustische
Oberflächenwellen). Es besteht aus
SAW-Transpondern am Halsband
der Tiere, aus mehreren, an das Stalllayout angepassten Leseeinheiten
mit speziell für den Einsatzzweck optimierten Antennen sowie einem
Prozessrechner zur Darstellung, Verwaltung und weiteren Verarbeitung
der Positionsdaten für das Herdenmanagement.
Die SAW-Technologie unterscheidet sich in Aufbau und Funktion
grundsätzlich von Niederfrequenzsystemen. SAW-Transponder sind
passive Bauteile und können bei minimaler Sendeleistung im 2,4-GHzISM-Band bei größeren Lesereichweiten und bei deutlich kürzerer Aktivierungszeit sich schnell bewegende Objekte identifizieren. Im Gegensatz zu aktiven, batteriegestützten
Transpondern bedarf es zur Identifizierung von passiven SAW-Transpondern keiner Schwellenergie. Die
Lesereichweite kann nahezu beliebig durch den Faktor Zeit erhöht
werden. Je größer die Entfernung
zwischen SAW-Transponder und Leseeinheit ist, desto schwächer ist das
Antwortsignal, es ist jedoch stets vorhanden. Zudem können aus dem
Antwortsignal weitere Zustandsgrößen des SAW-Chips wie Temperatur,
Druck, Entfernung und Geschwindigkeit detektiert werden. Eine große Robustheit gegenüber Umwelteinflüssen wie mechanischer Belastung, Verschmutzung, Kälte und ho-
tungsraum wurde ein innovatives
Verfahren zur Pulkerkennung entwickelt. Die Erprobung des ersten
Funktionsmusters eines SAW-Ortungssystems mit einer mechanisch
schwenkbaren Antenne erfolgte in
verschiedenen Simulationsversuch
mit zwölf Transpondern und ermöglichte es, die Transponder mit einer
mittleren Rate von 80 % dem korrekten Ort zuzuordnen. Die Spannweite der richtigen Lokalisation lag
bei 51,7 % bis 95,4 % mit einer Wiederholbarkeit von 92 %.
Anschließend wurde das entwickelte Tierortungssystem in einem
2 x2-reihigen Liegeboxenlaufstall
für 120 Milchkühe, unterteilt in vier
Gruppen, erprobt. Eine Leseeinheit
wurde über dem Fressgang einer
Gruppe in 5 m Höhe an der Dachkonstruktion befestigt. Die zu überwachende Stallfläche hat eine
Grundfläche von 13,20 m x 14,60 m
und umfasst 22 Liegeboxen, zwei
Laufgänge sowie den
Futtertisch. Als Leseeinheit wurde eine mechanisch geschwenkte Antenne mit einem weiterentwickelten
FMCWHybridreader (frequencymodulated continuous
wave) eingesetzt. Die
Stallfläche wurde permanent mäanderförmig in
zirka 100 s abgescannt,
und die Ortungskoordinaten wurden zeitaufgeDie Transponder sind robust und funktionieren in löst in einer Datenbank
hinterlegt.
rauer Umgebung.
hen Temperaturen lässt die SAWTransponder auch in rauer Umgebung zuverlässig funktionieren.
Durch die Hardwarecodierung des
SAW-Chips ist der Code dauerhaft
fälschungssicher. Das System ist resistent gegen elektromagnetische Felder und aufgrund der sehr geringen
Sendeleistung von unter 100 mW
selbst nur für eine geringe elektromagnetische Belastung verantwortlich. SAW-Transponder benötigen
keine dem Verbrauch unterliegende, regelmäßig auszutauschende
Energiequelle. Der miniaturisierte,
robuste Aufbau des SAW-Inlays erlaubt eine fast unbegrenzte Betriebsdauer.
SAW-Transponder
zeichnen sich durch ein sehr geringes Gewicht aus, enthalten keine
umweltgefährdenden Schwermetalle und sind recycelbar.
Für die gleichzeitige räumliche
Identifizierung von mehreren SAWTranspondern in einem Beobach-
Die der Gruppe zugeordneten 29
Kühe wurden mit einem Halsband
mit jeweils zwei SAW-Transpondern
mit gleichem Code ausgestattet. Ein
Gegengewicht sollte das Halsband
so ausrichten, dass auf jeder Körperseite ein SAW-Transponder im Nacken der Kuh zu erwarten war. Zur
Validierung des Ortungssystems
wurde im Auswertungszeitraum das
Tierverhalten der Gruppe mittels Videotechnik aufgezeichnet und die
Lokalisation von Fokustieren bestimmt.
Während der ausgewählten Zeitspanne von acht Stunden war es
möglich, alle 29 Kühe im Beobachtungsfeld zu orten. Die gleichzeitige
Lokalisation der Tiere variierte zwischen fünf bis 21 Kühen je Zyklus.
Dies zeigt, dass eine pulkfähige Lokalisation mit dem SAW-Ortungssystem erreicht wird. Die Nichterkennung vereinzelter Tiere ist darauf zurückzuführen, dass das Beobachtungsfeld nicht den kompletten
Stallbereich umfasst und die Kühe
den Beobachtungsbereich verlassen
konnten beziehungsweise einige
SAW-Transponder zum Beispiel
durch verdrehte Halsbänder nicht
lesbar waren.
Beispielhaft wurde für die Kuh mit
der Transpondernummer 03-42-52
der Ortungsverlauf analysiert. Innerhalb von 60 min wurden für das Tier
mit einer Zeitauflösung von etwa
2 min insgesamt 29 Raum-Zeit-Koordinaten registriert. Während dieser
Zeit wurde der Aufenthaltsort der
Kuh im Bereich von drei Liegeboxen
lokalisiert. Das theoretisch für den
Landwirt ausgegebene Suchfeld würde für diese Kuh 5,0 m x 3,75 m betragen. Zum Auffinden von Kühen in
der Gruppe ist diese Ortsangabe mit
der Ausgabe von Rasterfeldern mit
der Grundfläche einer Liegebox
(1,25 m x 2,50 m) zunächst ausreichend.
Die praktische Erprobung eines
weiterentwickelten Funktionsmusters des Ortungssystems mit spezieller Leseeinheit in Form einer elektronisch schwenkbaren Antenne ist im
Aufbau.
Caroline Klutke
Dr. Steffen Pache
Landesamt für Umwelt,
Landwirtschaft und Geologie,
Sachsen
Tel.: 03 42 22 46-22 22
[email protected]