40 Tier BAUERNBLATT l 13. Juni 2015 ■ Erfolgreich füttern Ständiger Zugang zu Futter sichert hohe Aufnahmen Es leuchtet ein, dass Kühe per se viel fressen müssen, denn ohne eine ausreichende Nährstoffaufnahme sind auch keine entsprechende Leistung und Gesundheit möglich. Um aber hohe Futteraufnahmen gewährleisten zu können, müssen Kühe möglichst häufig animiert werden, den Futtertisch aufzusuchen, zum einen durch aromatisches, kaltes und wohlschmeckendes Futter, zum anderen durch eine möglichst ständige Erreichbarkeit der Futterration. Ein ausreichend häufiges Futternachschieben ist hierfür zwingend notwendig. Fressverhalten und Futtervorlage Ergebnisse aus Futterkamp zum Fressverhalten von Milchkühen zeigen drei Hauptfresszeiten bei laktierenden Kühen (Futterschalenbesuche). Diese sind vormittags zwischen 6 und 10 Uhr, nachmittags – aber deutlich abgeschwächt – zwischen 13 und 15 Uhr und abends zwischen 17 und 20 Uhr (Übersicht 1). Dabei sind stets die aufgenommenen Futtermengen bei der abendlichen Aktivität am größten. Des Weiteren zeigt sich eine sehr große Wiederholbarkeit zwischen Hohe Futteraufnahmen sind nur bei einer ständigen Erreichbarkeit des Futters möglich. den Tagen. Das verwundert nicht, da das Fressverhalten der Tiere eng an das jeweilige Bewirtschaftungsregime gekoppelt ist. So erhalten die Tiere täglich zweimal zu bestimmten Zeiten – um 6 und um 17 Uhr – frisches Futter vorgelegt, haben aber (fast) immer ausreichend Futter vorhanden (Ad-libitum-Fütterung). Gerade Letzteres ist für die Kühe sehr wichtig. Jede Kuh sollte jederzeit (nur Melkzeiten ausgenommen) die Möglichkeit haben, ausreichend und ungehindert Futter aufnehmen zu können. Vor diesem Hintergrund ist ein häufiges Futternachschieben bedeutsam. Umso wichtiger wird dieses, wenn das Tier-Fressplatz-Verhältnis mehr als eins zu eins beträgt. Rangniedere müssen auch ans Futter Junge Kühe haben nicht nur ein geringeres Futteraufnahmevermögen (etwa 80 bis 85 %) im Vergleich Übersicht 1: Tagesrhythmus des Fressverhaltens: Anzahl sämtlicher Futterschalenbesuche bei den insgesamt 36 Fressschalen (Quelle: Daten Futterkamp, 2011) Fressaktivität: Besuch an allen Futterschalen 800 700 600 500 400 300 200 100 0 16.08.2011 20.08.2011 30.08.2011 16.09.2011 MW der 4 Tage zu ihren älteren Stallgefährtinnen, sondern suchen auch wesentlich häufiger den Futtertisch auf. Besonders auffällig ist dieses im ersten Laktationsdrittel. Sie haben ein anderes Fress- und auch Bewegungsverhalten als ältere Kühe, sind allgemein eher unruhiger, bedingt dadurch, dass sie viel stärker den Rangkämpfen ausgesetzt sind und weil viele Dinge im Stall noch vergleichsweise neu für sie sind. Kühe sind und bleiben Fluchttiere, die zwar einerseits recht friedlich sind, andererseits aber auch aggressiv sein können, Letzteres vor allem dann, wenn Konkurrenzsituationen auftreten. Dieses ist hauptsächlich im Zusammenhang mit Futter, Liegeplatz und Bewegungsraum der Fall. Wenn solche Gegebenheiten nur begrenzt verfügbar oder sogar im Mangel sind, dann werden eher die ranghohen Tiere die knappen Ressourcen ungehindert aufsuchen, während die Rangniederen, und das sind vor allem die Jungkühe, von dort verdrängt werden beziehungsweise gar nicht erst dorthin gelangen. So zeigten Untersuchungen von Bouissou et al. (2001), dass selbst bei einer Ad-libitum-Fütterung die Rangniederen weniger fraßen und eine geringere Zunahme hatten als ranghohe Tiere. Die Erklärung dafür könnte darin liegen, dass Kühe Herdentiere sind, die gerne gewisse Tätigkeiten gleichzeitig, also in der Gruppe, ausüben wollen, und dazu gehört zweifelsohne eine gemeinsame Futteraufnahme. Am eindrucksvollsten zeigt sich dieses Verhalten auf der Weide. Ein eingeschränktes Tier-Fressplatz-Verhältnis verhindert das gemeinschaftliche Fressen und erhöht die Anzahl sozialer Auseinandersetzungen zwischen den Tieren. Dieses führt insbesondere bei rangniederen Tieren zu kürzeren Verzehrszeiten und erhöht die Unruhe beim Fressen. Aus Gründen eines reduzierten Konkurrenzdrucks wäre ein Fressplatzangebot von eins zu eins (TierFressplatz-Verhältnis) daher empfehlenswert. Beim Einsatz von totalen Mischrationen lässt sich dieses Verhältnis sicher auch auf 1,5 zu eins erweitern, vorausgesetzt, der Stall bietet genügend Bewegungsfreiheit und keine Hindernisse beim Aufsuchen des Futtertisches sowie stets frisches Futter am Futtertisch. Tier ■ BAUERNBLATT l 13. Juni 2015 tungen (Übersicht 3) und geringere Futterreste damit verbunden sein. Auch ein tendenziell etwas weiteres Tier-Fressplatz-Verhältnis wird sich durch ein häufigeres Futternachschieben nicht so nachteilig auf die Futteraufnahme einzelner Tiere – vor allem rangniederer – auswirken, wenn jedes Tier stets ausreichend Futter am Futtertisch vorfindet. Letztlich wird das Fressverhalten immer nach frischer Futtervorlage am intensivsten sein. Videoaufzeichnungen von Mayer (2008) bestätigen, dass in der ersten Stunde nach der Futtervor- Übersicht 2: Menge der insgesamt von allen Tieren aufgenommenen Futtermenge 500 450 16.8.2011 20.8.2011 30.8.2011 16.9.2011 MW der 4 Tage 400 350 300 250 200 ANZEIGE 150 100 50 Flache Futterablage und Futternachschieben Je flacher die Futterration auf dem Futtertisch abgelegt werden kann, umso weniger stark neigt sie zum Nacherwärmen. Eine ständige Erreichbarkeit des Futters muss natürlich gewährleistet werden. Auch können die Kühe dabei dann nicht so große Mengen dieses Futters anpusten. Das gilt insbesondere in der warmen Jahreszeit. Auf diese Art und Weise bleibt das Futterinsgesamtaromatischerundhygienischer. Das dürfte letztlich zu höheren Futteraufnahmen, auch in Kombination mit einer eventuell dadurch verbesserten Pansengesundheit aufgrund der gleichmäßigeren Pansenverhältnisse führen. Weiterhin wird ein Selektionsverhalten vermindert. Letztlich sollten höhere Milchleis- lage deutlich mehr Futtermenge aufgenommen wird als in jeder nachfolgenden Stunde. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich die meisten Tiere Übersicht 3: Futteraufnahme und Milchleistung in Abhängig- etwa 10 min nach der Futtervorlage oder nach dem Heranschieben des keit von der Häufigkeit des Futternachschiebens Futters am Futtertisch einfanden. Bei (Versuch in Tschechien; Mayer 2008) den Versuchen war das Futter bereits 90 min nach der Vorlage beziehungs40 weise dem Nachschieben außerhalb 38 der Erreichbarkeit für die Tiere, was ohne ein Nachschieben des Futters zu 36 einer Verringerung der Futteraufnah34 me führen würde. Futteraufnahme, kg TM/Tier und Tag Versuchsgruppe 1 und 2 Ein ständiges Vorhandensein von 32 Milchmenge, kg/Tier und Tag Versuchsgruppe 1 (n=30-38) frischem, aromatischem Futter bringt Milchmenge, kg/Tier und Tag Versuchsgruppe 2 (n=12-19) 30 letztlich mehr Ruhe in den Stall, da es kein beziehungsweise ein deutlich 28 geringeres Gedränge am Futtertisch 26 und weniger Rivalitäten gibt. Das natürliche (Fress-)Verhalten 24 der Tiere kann durch mehrfaches 22 Nachschieben deutlich besser ausgelebt werden. 20 kg TM beziehungsweise kg Milch 0 12 x 10 x Ein ständiges Vorhandensein von frischem, aromatischem Futter bringt mehr Ruhe in den Stall. 8x 6x 4x 4x 6x 8x 10 x 12 x Anzahl des Futternachschiebens FAZIT Ein gutes Verständnis der Sozialbeziehungen unserer Rinder und deren Verhaltensmuster lassen uns besser begreifen, mit welchen Managementmaßnahmen wir tiergerechter und damit auch wirtschaftlich erfolgreicher sein können. Gesunde Kühe, die in ihrem Sozialverhalten nicht ständig behindert werden, sind letztlich die Voraussetzung für das betriebswirtschaftliche Überleben. Häufiges Futternachschieben animiert die Kühe zum Fressen. Fotos: Dr. Katrin Mahlkow-Nerge Dr. Katrin Mahlkow-Nerge Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 81-90 09 49 [email protected] 41
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