Podhajsky - Hippo - Logos Schriften über das Pferd

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sport Dressursport in Großbritannien
Das Beste zweier Welten
Nur wenigen ist bewusst, dass die britische Dressurreiterei, die derzeit international größte Erfolge feiert,
österreichische – oder besser: Wiener – Wurzeln hat. Wie britische Horsemanship und die Tradition
der Spanischen Hofreitschule zueinander fanden, skizzieren Dr. Thomas Druml und MMag. Gertrud Grilz-Seger.
G
le Aufmerksamkeit. Der deutschsprachigen
Rezeption ist jedoch eine Entwicklung entgangen, die Jahrzehnte langsam wachsen
und reifen konnte, und deren Früchte wir
bei den Spielen 2012 beobachten dürfen –
der Weg der Briten zur Dressurnation, ein
Weg, der in Wien seinen Anfang nahm.
Horse and Hound
Die Inselbewohner kennzeichnete immer
schon ein spezielles, unkompliziertes und
unkonventionelles Gespür für Pferde –
Pferderennen, Fuchsjagden, Pony Club,
Polo, Mounted Games und vieles andere
mehr stand im Mittelpunkt gesellschaftlicher Gepflogenheiten, in denen das Reiten
eine zentrale Stellung einnahm. Dressurreiten hingegen war bei den Briten verpönt,
galt sogar als Tierquälerei. Die Beteiligung
der Briten am internationalen Pferdesport
vor dem Zweiten Weltkrieg war groß, die
britischen Offiziere widmeten sich allerdings ausschließlich dem Jagdspringen und
der Military.
Erst ab 1952, als Frauen und Unteroffiziere bei den Olympischen Spielen zugelassen wurden, erfolgte eine Entmilitarisierung innerhalb der Vierecke. Und gerade
in dieser Phase des Umdenkens waren es
Frauen, die sich in Großbritannien in die
Dressursättel schwangen, um eine neue
Ära einzuleiten, vielleicht auch, weil sie es
müde waren, weiter über Hecken und Zäune zu springen, so wie die Pionierin Lorna
Johnstone (1902–1990).
Die 1950er Jahre waren nicht nur eine
Umbruchphase im internationalen Sport,
auch in Österreich begann ein neues Leben, eine Suche nach einer neuen Identität.
Die Lipizzaner der Spanischen Reitschule,
foto: barbara schnell
erade in der Reiterei wirken nationale Prägungen jahrzehntelang
nach, und obwohl die Olympischen
Spiele und Weltreiterspiele anfänglich dazu
gedacht waren, die einzelnen Reitweisen
einander anzugleichen, setzte sich international ein etwas abgewandelter „German
style“ durch. Im Dunstkreis dieser Entwicklung wurde und wird viel geschrieben,
recherchiert und dokumentiert – und so
findet sich unter den „deutschen Klassikern“ wie Otto Lörke, Rainer Klimke und
Willi Schultheis auch der Begriff der „Wiener Schule“. Selbstverständlich hat dieser
etwas mit der „Spanischen“ zu tun, und
ehemalige Bereiter und Oberbereiter der
ehrwürdigen Institution wie Georg Wahl,
Ernst Hoyos oder Arthur Kottas-Heldenberg erlangten durch die Platzierungen
und Siege ihrer Schülerinnen internationa-
Die britischen DressurreiterInnen – im Bild Charlotte Dujardin auf Valgero – gelten als Favoriten bei den Olympischen Spielen, Österreich darf ein kleinwenig am Ruhm mitnaschen.
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foto: Archiv Druml
Alois Podhajsky und Neapolitano Africa im Rampenlicht anlässlich seines Auftrittes
in der White City, London 1949 (Podhajsky, Der Lipizzaner im Bild, 1968)
in den Märztagen des Jahres 1945, kurz vor Ende des Zweiten
Weltkrieges, aus der Stadt Wien vor den Russen in Sicherheit gebracht, fristeten in Oberösterreich ein Dasein im Exil.
Diese schwierige Situation wurde durch die Rückführung der
„Hostauer Lipizzaner“ im Mai 1945 weiter verschärft, und
Oberst Alois Podhajsky, seit 1939 Kommandant bzw. Leiter
der Spanischen Reitschule und seit Mai 1945 auch Leiter des
„vereinigten Lipizzanergestüts in Österreich“, hatte alle Hände voll zu tun, um die hungrigen Pferdemäuler zu stopfen. In
diesen Hungerjahren veranstaltete Podhajsky Vorführungen
vor allem für die alliierten Truppen und die österreichische
Politik – er hatte die Macht der Öffentlichkeitsarbeit erkannt
und nutzte seine bescheidenen Mittel, um den Lipizzaner den
Menschen im Bewusstsein zu halten. Als sich im Jahr 1947 der
Pferdebestand durch die Restitution an Italien und Jugoslawien verringerte und die Versorgungslage besser wurde, zog
der in Mostar geborene Reitmeister aus, um die Welt zu erobern: Der Olympiateilnehmer nahm 1948 erstmals seit zehn
Jahren wieder private Reitschüler auf, zeigte sich bei internationalen Bewerben und startete die ersten Auslandstourneen.
Bis 1955 sollten über 40 Gastspiele in zwölf Ländern und auf
zwei Kontinenten stattfinden – der Lipizzaner wurde zum
Symbol, und Podhajsky zum „Botschafter“ der jungen Zweiten Republik Österreich.
Podhajsky als „Vorreiter“
Die Briten, seit jeher ein pferdenärrisches Volk, hatten in der
unmittelbaren Nachkriegszeit ein eher distanziertes Verhältnis zu den ehemaligen Gegnern. Dass die Liebe zum Pferd
aber Brücken schlagen kann, ist eine Weisheit, die sich quer
durch die Geschichte der Menschheit zieht und die sich im
Jahr 1948 bei den Olympischen Spielen in London wieder
einmal bestätigte. Podhajsky war mit seinem Privatpferd Teja
angetreten, um wieder im Dressurgeschehen vorne mitzumischen – doch es kam anders. Achter Platz in der Einzelwertung – dieses Resultat erschütterte den Bewahrer der Reitkunst tief bis in seine Grundfesten. Auch Zeitungsreporter
und Experten waren von diesem Ergebnis schockiert. Die
British Horse Society reagierte prompt und lud den Oberst
sogleich am folgenden Tag ein, um mit seinem Lipizzanerhengst Neapolitano Africa eine Einzelvorstellung zu geben –
und Podhajsky packte seine ganze Energie und sein gesamtes
Können in diesen kurzen Augenblick. Die Zuschauer- 
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sport Dressursport in Großbritannien
Podhajsky und seine Schüler
Unterricht durch Podhajsky
Lehre Podhajsky
weitervermittelt
foto: Archiv Druml
Pluto Theodorosta und sein
Reiter bei der Royal Horse
Show 1950 in Dublin
(Podhajsky, Der Lipizzaner
im Bild, 1968)
foto: Archiv Druml
Loma Johnstone
Brenda Williams
foto: Archiv Druml
Robert Hall
menge explodierte vor Begeisterung, die
Presse lobte, und Podhajsky gab nochmals
eine kurzfristige „Showeinlage“ nach dem
Springbewerb.
Von da an wurde der Leiter der Spanischen Hofreitschule „Vorreiter“ bei den
britischen Pferde-Großveranstaltungen.
Seine Auftritte beim internationalen Turnier in der White City (19.–29. Juli 1949) in
London und ein Jahr später bei der Royal
Horse Show in Dublin erregten große Aufmerksamkeit. Als 1953 das Gastspiel der
Spanischen Reitschule in London stattfand, und sich die junge Queen Elisabeth II
in den hirschledernen Sattel des legendären Schulhengstes Podhajskys, Pluto Theodorosta, schwang, war der Bann gebrochen.
Podhajsky löste mit den Lipizzanern der
Spanischen Reitschule in Großbritannien
eine Welle der Dressurbegeisterung aus,
und der Oberst wurde von Schülerinnen
belagert. Angesichts dieses großen Interesses griff er mitunter zu unkonventionellen
Mitteln und unterrichtete auch per Post –
die erhalten gebliebenen Briefwechsel sind
Zeugnisse der Reitkultur im 20. Jahrhundert und reihen sich in die Tradition ein,
die Antoine de Pluvinel begründete, der
sein Reitlehrbuch „L’instruction du roy“ in
Dialogform abgefasst hatte.
Britischer Dressursport
Michael Bullen
foto: www.arnd.nl
Joanna Hall
foto: www.arnd.nl
Arthur Kottas Heldenberg
foto: Archiv Bachinger
Jenny Loriston Clarke
foto: Archiv Druml
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Ernst Bachinger (mit Prinzessin Anne und deren
Ehemann Mark Phillips)
Franz Rochwansky
Brenda Williams sollte die erste Olympiateilnehmerin unter Podhajskys britischen
Schülerinnen werden. Sie startete 1956 mit
ihrem Vollblüter Pilgrim in Stockholm und
vier Jahre darauf mit dem kleinen Connemara-Halbblutwallach Little Model in Rom.
1961 war die Sensation perfekt – bei den
„inoffiziellen“ europäischen Meisterschaften in Aachen kämpfte sich das unorthodoxe Paar auf den dritten Platz vor, hinter
dem damals schönsten Pferd, dem Achal
Tekkiner Absenth unter Sergej Filatow, und
Joseph Neckermann mit Asbach.
Eine andere Podhajsky-Schülerin, die
auch durch sein 1973 erschienenes Buch
„Der Reitlehrer“ bekannt wurde, war Lorna Johnstone. Mit 70 Jahren qualifizierte
sie sich bei den Olympischen Spielen 1972
in München für den „ride-off“, und sie
wird seitdem als älteste Reiterin bei Olympischen Spielen gefeiert. Lorna Johnstone
stieg noch bis zum 84. Lebensjahr in den
Sattel und erschütterte durch ihre Leistungen die reiterliche Männerwelt der 1970er
Jahre.
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1960 erschien die gebürtige Niederländerin Miss Joanna
Hall mit einem Lipizzaner – dem Hengst Conversano Caprice
– bei den Olympischen Spielen. Die britische Lady und ihr
Schimmel traten bei drei Olympischen Spielen an und lehrten die Reiter bei den Europameisterschaften das Fürchten
– das Hamburger Derby gewannen sie gleich dreimal. Ihr
Mann Robert Hall war Schüler an der Spanischen Reitschule unter Podhajsky und etablierte später in Fulmer (GBR)
einen renommierten Dressurstall mit Lipizzanern.
Doch der Wiener Alois Podhajsky wirkte nicht nur direkt,
viele seiner Schüler gaben ihr Wissen weiter und verhalfen einer weiteren Generation von britischen ReiterInnen
zum Erfolg. Einer von ihnen war der Vielseitigkeitsreiter
Michael Bullen, dessen Schwester Jennie Loriston-Clarke
mit Dutch Courage 1978 bei der WM in Goodwood Bronze
erritt und damit einen weiteren Beweis erbrachte, dass auch
Großbritannien international im Dressursport vorne mitmischen konnte. Sie wurde zunächst von ihrem Bruder, dann
vom Bereiter der Spanischen Franz Rochowansky und später
von Ernst Bachinger trainiert, der 1977 offizieller Trainer
des britischen Teams war. Auch Richard Davison, dekorierter britischer Dressurreiter und Funktionär, ging bei Arthur
Kottas-Heldenberg in die Schule.
Die „Wiener Schule“ war in Großbritannien langfristig
vertreten und bereitete den Nährboden für die heutige britische Dressurreiterei. Gleichzeitig waren die Bereiter in
einem gewissen Sinne unorthodox – förderten sie doch Pferde unterschiedlichster Provenienz und Eignung. Das kleine
Connemara-Halbblut Little Model (unter Brenda Williams),
das ehemalige Vielseitigkeitspferd Tramella (unter Diana
Mason), der Lipizzaner Hengst Conversano Caprice (unter Joanna Hall) erreichten unter ihrem Einfluss Grand-Prix-Reife
und erkämpften 1963 bei den Europäischen Meisterschaften
in Kopenhagen die erste Mannschaftsgoldmedaille der britischen Dressurreiterei. Und hier wurden zwei Einstellungen
aufs Positivste verschmolzen – die britische Pferdeverliebtheit und die alte, traditionsreiche Achtung vor dem Pferd
der Spanischen Hofreitschule in Wien, einer Institution, die
durch das Engagement eines genialen Oberbereiters in den
schwierigsten Jahren des 20. Jahrhunderts vor dem Versinken in die Bedeutungslosigkeit gerettet wurde.
Dr. Thomas Druml & MMag. Gertrud Grilz-Seger l
Gastspiele der Spanischen Reitschule
Jahr Gastspiele im Ausland
1945 März, Beginn des Exils in Oberösterreich
1948 Luzern, Thun
1949 Rom, Zürich, Genf
1950 Frankfurt, Hamburg, Amerika-Tournee
1951 Köln, Hamburg, Rotterdam, Kopenhagen
im Inland
Dornbirn
Graz, Salzburg
Klagenfurt, Salzburg,
Gmunden
1953 Dortmund, Aachen, Hannover, London, Passau Salzburg
1954 Spanien, Portugal, Dortmund
Salzburg
1955 1. Morgenarbeit wieder in Wien am 17. 10. 1955
1952 Paris, Brüssel, Stockholm, Malmö
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