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Polen
Die Besteuerung von Anlagenerrichtungen
Martin Hummer
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Der deutsche Großanlagenbau in Polen
Die Nähe des polnischen Marktes zu Deutschland eröffnet deutschen Unternehmen ein
enormes Absatzpotential. Spätestens seit dem EU-Beitritt Polens am 1. Mai 2004 zählt
Polen mit zu den treibenden Wirtschaftskräften in Europa. Mit mehr als 33 Millionen Einwohnern bietet sich Polen als zusätzlicher Absatzmarkt für deutsche Unternehmen an. In
vielen Bereichen besteht noch Modernisierungsbedarf! Im Folgenden werden die für den
deutschen Maschinen- und Anlagenbau relevanten steuerlichen Rahmenbedingungen
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beleuchtet, unter Berücksichtigung des deutschen und des polnischen Abgabenrechts
und unter Berücksichtigung der Bestimmungen des deutsch-polnischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA-PL) sowie der Sozialversicherungs-Verordnung EG 883/2004.
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Bauausführungen und Montagen als Betriebsstätte
2.1 Der Betriebsstättenbegriff im polnischen Steuerrecht
Polnische Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften sind in Polen beschränkt steuerpflichtig. Als Betriebsstätten gelten nach Art. 20 Abs. 13 KStG auch Bauausführungen und
Montagen, die auf polnischem Territorium durchgeführt werden. Eine steuerliche Schonfrist ist im polnischen innerstaatlichen Steuerrecht nicht vorgesehen.
2.2 Bauausführungen und Montagen im deutsch-polnischen DBA
Das deutsch-polnische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-PL) vom 14. Mai 2003, das
seit 1.1.2005 wirksam ist, schränkt das Besteuerungsrecht des polnischen Fiskus ein. Das
DBA-PL wird durch ein Protokoll ergänzt.
Nach Art. 7 DBA-PL können Gewinne eines in Deutschland ansässigen Unternehmens
nur dann in Polen besteuert werden, wenn die Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausgeübt wird.
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Mag. Martin Hummer ist Steuerberater und zuständiger Teamleiter bei der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH, Linz.
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Die maßgeblichen Steuerrechtsvorschriften sind das Körperschaftsteuergesetz vom 15.2.1992, das
Einkommensteuergesetz vom 26.7.1991, das Umsatzsteuergesetz vom 11.3.2004 und das Sozialversicherungsgesetz vom 13.10.1998.
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Was unter dem Begriff „Betriebsstätte“ zu verstehen ist, definiert Art. 5 DBA-PL. Nach Art.
5 Abs. 3 des DBA-PL ist eine Bauausführung oder Montage nur dann eine Betriebsstätte,
wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet. Die Rz 17 des OECD-Kommentars schließt
reine Planungs- und Überwachungsleistungen ausdrücklich in den Anwendungsbereich
des Art. 5 Abs. 3 DBA-PL ein.
Wird diese Frist nicht erreicht, verbleibt das Besteuerungsrecht bei Deutschland. Wird die
Frist überschritten, dürfen die der Betriebsstätte zurechenbaren Gewinne in Polen besteuert werden und sind gemäß Art. 24 Abs. 1 lit a DBA-PL in Deutschland (unter Progressionsvorbehalt) steuerfrei zu stellen, wenn der Aktivitätsnachweis der Betriebsstätte nach lit
c erbracht werden kann.
Die in Art. 5 Abs. 3 DBA-PL vorgesehene 12-Monatsfrist beginnt mit den Arbeiten an Ort
und Stelle und endet mit der Übergabe der Anlage an den Kunden, dokumentiert durch ein
Baustellenschlussprotokoll. Im Zweifel gilt die Abreise des letzten mit der Anlagenerrichtung befassten Mitarbeiters als Schlusspunkt. Werden vom Generalunternehmer Subunternehmer beschäftigt, so werden die Zeiten, in der die Subunternehmer auf der Baustelle
arbeiten, dem Generalunternehmer zugerechnet. Ob der Subunternehmer selbst eine
Betriebsstätte begründet, richtet sich nach dem zwischen seinem Ansässigkeitsstaat und
Polen abgeschlossenen DBA.
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Betriebsstättenbesteuerung in Polen
3.1 Keine Liefergewinnbesteuerung
Ergibt sich nach den oben dargestellten Grundsätzen, dass die Bau- oder Montagetätigkeit eine Betriebsstätte in Polen begründet, ist zu klären, in welchem Umfang das mit der
Anlagenerrichtung erwirtschaftete Ergebnis dieser Betriebsstätte zuzurechnen ist.
Im Schlussprotokoll zu Art 7 DBA-PL wurde die Liefergewinnbesteuerung ausdrücklich
ausgeschlossen. Einer Bauausführung oder Montage dürfen danach nur solche Gewinne
zugerechnet werden, die ein Ergebnis dieser Tätigkeit selbst sind. Gewinne, aus der Lieferung von Waren im Zusammenhang mit oder unabhängig von dieser Tätigkeit durch die
Hauptbetriebsstätte oder eine andere Betriebsstätte des Unternehmens oder durch einen
Dritten sind dieser Bauausführung oder Monate nicht zuzurechnen.
Auch dürfen Einkünfte aus Entwicklungs-, Planungs-, Konstruktions- oder Forschungsarbeiten oder technischen Dienstleistungen, die in Deutschland im Zusammenhang mit einer
in Polen gelegenen Betriebsstätte ausgeübt bzw. erbracht werden, der polnischen Betriebsstätte nicht zugerechnet werden.
3.2 Steuerliche Gewinnermittlungsvorschriften
Das Ergebnis einer Betriebsstätte ist als Unterschied zwischen den von ihr erzielten Betriebseinnahmen und den damit in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben definiert.
Betriebsausgaben sind Aufwendungen zur Erzielung, zur Sicherung und zum Erhalt des
Einkommens. Das KStG nennt in Art. 15 einige nicht abzugsfähige Aufwendungen (z.B.
Strafen, Repräsentationsaufwendungen).
Das der Betriebsstätte zuzurechnende Ergebnis kann auf Basis einer steuerlichen Vorschriften entsprechenden Buchführung („Tax Accounting“) ermittelt werden. Aufgrund von
Belastungsnoten des Stammhauses an die Betriebsstätte wird das auf Basis einer Kos-
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tenschlüsselberechnung anhand der Auftragserfolgsrechnung ermittelte Ergebnis in der
Betriebsstätte angepasst. Konkret werden die Stammhausaufwendungen in die Betriebsstätte belastet und der Liefergewinn aus der Betriebsstätte eliminiert.
Es ist aber alternativ auch die Ergebnisermittlung auf Basis einer Auftragserfolgsrechnung
für das Projekt möglich, ohne dass in Polen eine Buchführung erfolgen würde. In diesem
Fall kommt in der Praxis der Betriebsstättendokumentation allerdings besondere Bedeutung zu.
Die auf diese Weise ermittelte Bemessungsgrundlage unterliegt der 19 %igen polnischen
Körperschaftsteuer. Eine darüber hinaus gehende Gemeindesteuer, Solidaritätssteuer
und der gleichen ist im polnischen Steuerrecht nicht vorgesehen. Die Möglichkeit einer
pauschalen Gewinnschätzung ist für Montagebetriebsstätten gesetzlich nicht vorgesehen.
Verluste können in Polen 5 Jahre vorgetragen werden. Jährlich können allerdings nur
max. 50% des Verlustes geltend gemacht werden. Ein Verlustrücktrag ist nicht möglich.
In Deutschland wird ein Betriebsstättengewinn aus der Bemessungsgrundlage im Rahmen
der Körperschaftsteuererklärung ausgenommen. Im Rahmen der KSt-Erklärung ist das
Betriebsstättenergebnis nach deutschen Ermittlungsvorschriften zu bestimmen.
Das Betriebsstättenergebnis wird in Polen nach der Completed Contract Methode realisiert, wie dies auch in Deutschland der Fall ist. In diesem Zusammenhang ist allerdings
darauf hinzuweisen, dass die zeitliche Dimension der Ergebnisrealisierung etwas strittig ist
und daher mit dem lokalen Berater abgestimmt werden müsste.
Monatlich sind bis 20. des Folgemonats Vorauszahlungen zu leisten. Allerdings sind keine
monatlichen Erklärungen einzureichen. Die monatliche Vorauszahlung wird berechnet als
Differenz zwischen dem bisherigen Einkommen von Beginn des Jahres und den bisher
bezahlten Vorauszahlungen. Allerdings ist auch eine vereinfachte Berechnung anhand
eines 1/12 der in der Vorjahreserklärung ausgewiesenen Steuerzahlung möglich, was
grundsätzlich zu bevorzugen ist. Die Jahreserklärung ist bis 31. März des Folgejahres
einzureichen.
Unterhält das deutsche Unternehmen in Polen mehrere Betriebsstätten erfolgt die Besteuerung auf Grundlage eines konsolidierten Ergebnisses, d.h. es findet ein Gewinn- und
Verlustausgleich zwischen den Betriebsstätten statt, indem diese in einer KSt-Erklärung
erfasst werden.
3.3 Eliminierung des Betriebsstätten-Ergebnisses in Deutschland
Zur Vermeidung doppelter Besteuerung können die der polnischen Betriebsstätte zuzurechnenden Ergebnisse gemäß Art. 24 Abs. 1 lit a DBA-PL aus der deutschen Besteuerungsgrundlage eliminiert werden. Dabei ist das aus der deutschen Besteuerung auszuscheidende Ergebnis nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften zu berechnen. Damit
wird in der Regel das in Polen zu versteuernde Ergebnis nicht mit jenem übereinstimmen,
das nach der Befreiungsmethode in Deutschland zu eliminieren ist. Nach Art. 24 Abs. 1 lit
c des DBA-PL ist ein Aktivitätsvorbehalt vorgesehen – es ist damit nachzuweisen, dass
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die Betriebsstätte in dem betreffenden Wirtschaftsjahr ihre Bruttoerträge aus aktiven Tätigkeiten iSd § 8 dtAStG erzielt.
3.4 Die Registrierung von Anlagenbau-Betriebsstätten
Die Registrierung einer Betriebsstätte ist prinzipiell auch erst nach Ablauf von 12 Monaten
möglich. Allerdings ist dringend zu empfehlen, davon Abstand zu nehmen, wenn der Auftrag zzgl. polnischer Umsatzsteuer abzurechnen ist. In der Schlussrechnung können nämlich die Reverse Charge Rechnungen nicht ohne weiteres abgezogen werden. Da aber die
Anwendbarkeit des Reverse Charge Verfahrens nicht immer eindeutig ist, sollte eine Betriebsstätte daher unverzüglich registriert werden, um gegebenenfalls von Beginn an die
korrekte Abrechnung zzgl. 23% polnischer Umsatzsteuer sicherzustellen.
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Quellensteuer auf Dienstleistungen
Nur Vergütungen für bestimmte Dienstleistungen (Beratung, Buchhaltung, Marktforschung, Rechtsberatung, Werbeleistungen, Managementleistungen und Controlling, Datenverarbeitung, Personalvermittlung, Garantien und Bürgschaften, u.ä.) an ausländische
Unternehmen ohne Betriebsstätte in Polen unterliegen grundsätzlich nach nationalem
polnischen Recht einer Quellensteuer von 20%. Für Montageleistungen bzw. für Werklieferungen ist hingegen bereits nach innerstaatlichem Recht keine Quellensteuer vorgesehen. Es ist zu empfehlen, die Quellensteuerthematik vorweg mit dem Auftraggeber abzustimmen und vertraglich zu regeln.
In Polen wird für einen Gewinntransfer von der Betriebsstätte an das Stammhaus keine
Gewinntransfersteuer (Branch Profit Tax) erhoben.
Für Kapitalgesellschaftsstrukturen gilt folgendes: Dividendenzahlungen an deutsche Kapitalgesellschaften unterliegen nach der ins polnische KStG implementierten MutterTochter-Richtlinie keiner Quellensteuer (19%), wenn eine Mindestbeteiligung von 10% und
eine Mindesthaltedauer von 2 Jahren gegeben sind. Zins- und Lizenzgebührenzahlungen
werden nach der Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie von der Quellensteuer (20%) befreit,
wenn eine unmittelbare Mindestbeteiligung von 25% und eine Mindesthaltedauer von 2
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Jahren bestehen.
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Umsatzsteuerliche Aspekte des Anlagenbaus in Polen
5.1 Definition der Werklieferung
Eine gesetzliche Definition der Werklieferung gibt es im polnischen UStG nicht. Montage
und Installation werden lediglich im Zusammenhang mit der Bestimmung des Leistungsortes genannt. Die Einordnung einer Werklieferung als „Lieferung“ oder als „Grundstücksleistung“ ist in Polen nicht einheitlich. Die Konsequenzen sind jedoch dieselben. In beiden
Fällen ist der Leistungsort in Polen gelegen („Ort an dem der Gegenstand montiert oder
installiert wird“ bzw. „Grundstücksort“) und es kommt das allgemeine Reverse Charge
Verfahren zur Anwendung.
Sind hingegen die Montagearbeiten technisch und wirtschaftlich unbedeutend und kommt
dem Zusammenbau somit keine eigenständige Bedeutung zu, so gilt die Lieferung bereits
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Das DBA-PL würde hingegen für Dividenden (5% bzw. 15%), für Zinsen und Lizenzgebühren (5%)
einen Quellensteuerabzug zulassen.
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mit Beginn der Beförderung oder Versendung zum Montageort als ausgeführt. In diesem
Fall liegt daher eine steuerfreie IG-Lieferung in Deutschland vor. Eine Montageüberwachung wird, wenn sie im Rahmen einer Werklieferung erfolgt, üblicherweise dieser zugeordnet. Je nach Vertragsgegenstand und Rechnungsausstellung kann diese aber auch als
eine Nebenleistung zu einer Maschinenlieferung qualifiziert werden, oder als eigenständige Hauptleistung.
5.2 Vereinfachungsmaßnahmen (Reverse Charge Verfahren)
5.2.1
Die Voraussetzungen
Die Voraussetzungen des Reverse-Charge-Verfahrens bei in Polen steuerpflichtigen
Grundstücksleistungen und Werklieferungen sind in Art. 17 UStG wie folgt geregelt:
Der Dienstleister bzw. Lieferant hat
•
keinen Sitz und keinen ständigen Ort der Tätigkeit in Polen und
•
ist zusätzlich in Polen nicht registriert.
Die Registrierung des leistenden Unternehmens schließt damit das Reverse Charge Verfahren aus.
Der Leistungsempfänger hat
•
seinen Sitz in Polen oder
•
seinen ständigen Ort der Tätigkeit in Polen, für den geleistet wird.
Ein ausländischer Leistungsempfänger, welcher in Polen zwar registriert, aber nicht ansässig ist,
kann daher die Steuerschuld nicht übernehmen.
Mit 1.10.2013 wurde der Tatbestand für Schrottlieferungen im Art. 17 Abs. 1 Punkt 7 UStG erweitert. Hingegen existiert in Polen kein Bauleistungs-Reverse Charge Verfahren, weil es diesbezüglich in der MwSt-Syst-RL keinen Harmonisierungsauftrag gibt.
Reverse Charge Rechnungen sind ohne Ausweis von Umsatzsteuer auszustellen. Auf den
Übergang der Steuerschuld ist hinzuweisen (Art. 19 UStG) und es ist die polnische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers anzugeben. Sind die Voraussetzungen
für das Reverse Charge Verfahren nicht gegeben, so ist zzgl. 23% polnischer Umsatzsteuer zu fakturieren.
5.2.2
Definition der umsatzsteuerlichen Betriebsstätte
Das polnische UStG liefert keine Definition des Betriebsstättenbegriffs. Aus diesem Grund
ist hierbei eine Orientierung an der Definition des EuGH notwendig. Danach ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, die über einen längeren Zeitraum zur Ausübung der Unternehmenstätigkeit dient. Personal- und Sachmittel müssen einen Mindestbestand und einen hinreichenden Grad der Beständigkeit aufweisen. Diese Voraussetzungen müssen im Einzelfall geprüft werden. Ertragsteuerliche Kriterien und insbesondere
die Betriebsstättendefinition des Doppelbesteuerungsabkommens sind prinzipiell ohne
Bedeutung für die Umsatzsteuer.
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Im Sinne der einschlägigen EuGH-Judikatur zum Begriff „feste Niederlassung“ im Sinn der
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Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (Rs. Berkholz und ARO Lease ) handelt es sich um eine
umsatzsteuerliche Betriebsstätte, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
•
eine feste Niederlassung;
•
ein Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln, der zur Leistungserbringung erforderlich ist;
•
die Einrichtung oder Anlage muss einen gewissen Grad an Beständigkeit aufweisen;
und
•
es muss eine Struktur vorherrschen, die eine autonome Erbringung der jeweiligen
Leistung ermöglicht.
Vor diesem Hintergrund begründen Bauausführungen oder Montagen grundsätzlich keine
umsatzsteuerlichen Betriebsstätten, da insbesondere die autonomen Voraussetzungen
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hierfür regelmäßig fehlen.
Nach unseren Erfahrungen tendieren die polnischen Finanzbehörden jedoch dennoch vor
allem bei DBA-Betriebsstätten aufgrund der Interpretation der Personal- und Sachmittel
sowie der autonomen Leistungserbringung zur Annahme eines ständigen Ortes der Tätigkeit.
In der Praxis kann sich eine Abstimmung der umsatzsteuerlichen Qualifikation und Fakturierung mit den zuständigen Behörden in Polen empfehlen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass leider die Auskünfte qualitativ sehr unterschiedlich sind. Eine systematische
Linie ist nicht immer erkennbar!
5.3 Entstehen der Steuerschuld, Voranmeldung und Veranlagung
Die Steuerschuld entsteht mit der Ausführung der Lieferung bzw. in dem Zeitpunkt in dem
die vereinbarte Dienstleistung erbracht wurde. Wird für die Lieferung oder Leistung eine
Rechnung erstellt, entsteht die Steuer im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung, jedoch
nicht später als 7 Tage nach Ausführung des Umsatzes. Liegt eine IG-Lieferung bzw. ein
IG-Erwerb vor, verlagert sich der Zeitpunkt der Steuerentstehung auf den 15. Tag des auf
die Ausführung der Lieferung folgenden Monats. Wird die Rechnung vor diesem Zeitpunkt
ausgestellt, ist dieser Zeitpunkt maßgebend.
Auch Anzahlungen unterliegen bereits der Umsatzsteuer. Die Steuerschuld entsteht im
Zeitpunkt der Vereinnahmung. Wird die Schlussrechnung gelegt, so sind darin die vor
Ausführung der Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen.
Umsatzsteuererklärungen sind monatlich bis spätestens 25. des Folgemonats abzugeben.
In Einzelfällen sind auch vierteljährliche Erklärungen möglich. Die Zahlung der Steuer4
EuGH 4.7.1985, Rs. 168/84.
EuGH 17.7.1997, Rs. C-190/95.
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Ursula Slapio, Günther Platzer, in Umsatzsteuer in der Europäischen Union, VDMA, 2. Auflage 2011,
Seite 137, 150.
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schuld hat ebenfalls bis zum 25. Tag nach Ende des Voranmeldungszeitraums zu erfolgen.
5.4 Steuersatz
Der Regelsteuersatz beträgt 23%. Für Werklieferungen und Werkleistungen kommt der
Regelsteuersatz zur Anwendung.
5.5 Rechnung
Umsatzsteuerrechnungen haben die üblichen Rechnungsbestandteile zu enthalten. Bei
der Erst- bzw. Zweitschrift sollte die Bezeichnung „Faktura VAT“ und „Oryginal“ bzw. „Kopia“ aufscheinen.
Sofern die Rechnung nicht in polnischen Zloty ausgestellt wird, sind der Steuerbetrag, die
Bemessungsgrundlage für die Steuer und der Bruttobetrag in polnische Zloty umzurechnen. Es ist dabei der am Vortag der Rechnungsausstellung gültige Umrechnungskurs der
polnischen Nationalbank zu verwenden.
Um den richtigen Umrechnungskurs bei der Fakturierung von Anzahlungsrechnungen
verwenden zu können empfiehlt es sich vorab Zahlungsanforderungen auszustellen und
erst nach der erfolgten Zahlung eine gemäß den polnischen Rechnungsvorschriften entsprechende Anzahlungsrechnung zu legen.
Sofern das Reverse Charge Verfahren zur Anwendung kommt, ist auf dieses in der Rechnung hinzuweisen. Es sind diesfalls die Rechnungsvorschriften von Deutschland maßgeblich. Dennoch kann es zweckdienlich sein, den Hinweis auf die Übernahme der Steuerschuld auf Polnisch anzuführen: „odwrotne obciazenie“ (Reverse Charge).
5.6 Eingangsleistungen
5.6.1
Zukäufe durch ansässigen Unternehmer
Da es in Polen keine gesonderten Vereinfachungsregelungen für Bauleistungen gibt, unterliegen sämtliche Montageleistungen sowie Werklieferungen, die von einem polnischen
Subunternehmer erbracht werden, der polnischen Umsatzsteuer.
Wird von einem mittels Betriebsstätte registrierten deutschen Generalunternehmer eine
Werklieferung oder sonstige Leistung beauftragt und unterliegt dieser Subunternehmer in
Polen keiner Registrierungspflicht, so unterliegt diese Leistung dem Reverse Charge in
Polen. Der deutsche Generalunternehmer hat diese Leistung bzw. Werklieferung in seiner
Umsatzsteuererklärung in Polen zu melden.
Sobald jedoch der Leistungsempfänger keinen Sitz oder eine Betriebsstätte in Polen hat,
sind Montageleistungen bzw. eine Werklieferung zzgl. 23% polnischer Umsatzsteuer abzurechnen. Der ausländische Subunternehmer muss auch dann zzgl. polnische Umsatzsteuer abrechnen, wenn der Auftraggeber lediglich über eine umsatzsteuerliche Registrierung verfügt, jedoch keine Betriebsstätte begründet. Dies führt dazu, dass sich ein auslän-
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discher Subunternehmer in Polen registrieren lassen muss, wenn sein Auftraggeber keine
Betriebsstätte begründet.
5.6.2
Direktlieferungen auf die Baustelle
Kauft der deutsche Unternehmer von einem anderen EU-Unternehmer Gegenstände zu
und werden diese aus dem EU-Ausland nach Polen gebracht, verwirklicht der deutsche
Unternehmer in Polen einen IG-Erwerb. Der deutsche Unternehmer muss diesen Vorgang
sowohl in seiner polnischen Umsatzsteuererklärung als auch in der polnischen EingangsZM deklarieren.
5.7 Vorsteuererstattung
Registrierte Unternehmen können ihre Vorsteuern im Rahmen der Umsatzsteuererklärung
geltend machen. Für ausländische Unternehmen aus dem Gemeinschaftsgebiet, die in
Polen für umsatzsteuerliche Zwecke nicht registriert sind, gibt es die Möglichkeit eines
Vorsteuervergütungsverfahrens. Der Antrag ist bis zum 30. September des Folgejahres in
elektronischer Form im Ansässigkeitsstaat Deutschland einzureichen.
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Arbeitnehmerbesteuerung in Polen
6.1 Löhne und Gehälter im deutsch-polnischen DBA
Im Regelfall wird im Zuge von Maschinen- und Anlagenlieferungen auch Personal aus
dem deutschen Stammhaus zur polnischen Baustelle entsandt. Die Aufteilung des Besteuerungsrechtes an Einkünften aus unselbständiger Arbeit ist in Art. 15 DBA-PL geregelt. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden:
•
Wird aufgrund der Dauer der Bau- oder Montageausführung eine Betriebsstätte iSd
Art. 5 DBA-PL begründet und werden die Vergütungen der Arbeitnehmer von dieser
Betriebsstätte getragen, so unterliegen die Lohneinkünfte der entsandten Mitarbeiter
nach Art. 15 Abs. 2 lit c DBA-PL mit Tätigkeitsbeginn der polnischen Einkommensteuer.
•
Wird durch die Bauausführung die 12-Monatsfrist nicht überschritten und daher keine
polnische Betriebsstätte begründet, richtet sich das Besteuerungsrecht an den
Lohneinkünften nach der Aufenthaltsdauer des Mitarbeiters in Polen. Hält sich der
einzelne Arbeitnehmer länger als 183 Tage während eines kalenderjahrunabhängigen
12-Monatszeitraums in Polen auf, hat Polen nach Art. 15 Abs. 2 lit a DBA-PL das Besteuerungsrecht an den Löhnen und Gehältern.
•
Werden die Vergütungen von einem polnischen Arbeitgeber oder für einen polnischen
Arbeitgeber gezahlt, besteht ebenfalls unabhängig von der 183-Tagefrist ab dem ersten Einsatztag hinsichtlich der polnischen Tätigkeitseinkünfte ein Besteuerungsrecht
von Polen.
Bei einer Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen Unternehmen von
mehr als drei Monaten (auch jahresübergreifend für sachlich zusammenhängende Tätigkeiten) spricht eine widerlegbare Anscheinsvermutung dafür, dass das aufnehmende Unternehmen mangels Einbindung des Arbeitnehmers als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Nachdem auch Polen einen wirtschaftlichen Arbeitgeber annimmt hat bei der
internationalen, konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung von mehr als 3 Monaten Polen
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ein Besteuerungsrecht und Deutschland stellt auf Basis eines Besteuerungsnachweises
korrespondierend steuerfrei.
Deutschland ist gemäß Art. 24 Abs. 1 lit a DBA-PL zur Steuerfreistellung verpflichtet, sofern die tatsächliche Besteuerung der Bezüge in Polen (dem Grunde und der Höhe nach)
nachgewiesen wird (§ 50d Abs. 8 EStG). Kann die Besteuerung in Polen nicht nachgewiesen werden, verbleibt das Besteuerungsrecht bei Deutschland.
In Deutschland sollte geprüft werden, ob unterjährig im Falle einer Steuerpflicht in Polen
vom Lohnsteuerabzug abgesehen werden kann. Der Nachweis der Besteuerung sollte in
Deutschland zum Lohnkonto genommen werden. Aufgrund des Progressionsvorbehalts ist
allerdings in Deutschland jedenfalls eine Jahreserklärung einzureichen.
Art. 15 Abs. 3 DBA-PL sieht bei der internationalen, gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung vor, dass die 183-Tage-Klausel nicht gilt und hat den Wechsel auf die Anrechnungsmethode (Art. 24 Abs. 1 lit b, bb) zur Folge. Eine Arbeitnehmerüberlassung ist eine
„Passivleistung“, sodass diese von einer Werklieferung oder Werkleistung, welche eine
„Aktivleistung“ darstellt, abzugrenzen ist.
6.2 Besteuerung von Arbeitnehmern in Polen
Steuerpflichtige Mitarbeiter sind in Polen anzumelden. Im Falle eines polnischen Besteuerungsrechts sind selbst Steuervorauszahlungen bis 20. des Folgemonats in Höhe von
18% des steuerpflichtigen Bezugs zu leisten. Die (deutschen) Sozialversicherungsbeiträge
sind – mit Ausnahme des Unfallversicherungsbeitrags – bei der Steuerbemessungsgrundlage abzugsfähig. Der Unfallversicherungsbeitrag wird in Polen vollständig vom Arbeitgeber getragen und ist deshalb nicht bei der Steuerbemessungsgrundlage des Arbeitnehmers abzugsfähig.
Bis 31. März des Folgejahres ist verpflichtend eine Jahreserklärung einzureichen. Der
progressive Staffeltarif beträgt im Jahr 2015:
Steuerpflichtiges Einkommen (PLN)
Bis 3.091
Steuersatz (%)
0
3.091 bis 85.528
18
Über 85.528
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Der Arbeitnehmeranteil der deutschen Sozialversicherung kann seit 1.1.2009 von der EStBemessungsgrundlage abgezogen werden.
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7.
Sozialabgaben
Grundsätzlich besteht in Polen SV-Pflicht. Davon gibt es nach der EG VO 883/2004 folgende Ausnahmen, wonach die ausschließliche SV-Pflicht in Deutschland sichergestellt
werden kann:
•
Entsendung bis 2 Jahre, oder
•
Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten, oder
•
Ausnahmegenehmigung.
Bis zu 2 Jahren ist eine Entsendung möglich. Nach einer Unterbrechung von 2 Monaten
kann eine neue Entsendung beginnen. Dauert der Aufenthalt in Polen (ununterbrochen)
länger als 2 Jahre ist eine Ausnahmegenehmigung möglich, die grundsätzlich bis zu 5
Jahren gewährt wird. Es besteht aber kein Rechtsanspruch auf eine Ausnahmegenehmigung. In allen Fällen der Weitergeltung deutscher SV-Vorschriften ist eine A1 Bescheinigung beim zuständigen deutschen SV-Träger einzuholen.
8.
Registrierungs- und Abwicklungskosten
Die Kosten einer steuerlichen Registrierung in Polen betragen erfahrungsgemäß ca. 1.000
– 1.500 EUR. Eine handelsrechtliche Registrierung ist nicht erforderlich. Für die Registrierung, aber auch die Vollabwicklung (geschätzt ca. 20.000 EUR p.a.) kann ein aktuelles
Angebot bei einem polnischen Berater eingeholt werden.
9.
Vertragsgestaltung
Die Anlagenbauverträge sollten rechtzeitig auf die steuerlichen Implikationen überprüft
werden. Eine steuerliche Expertise zur Beurteilung der Steuerbelastungen und –risiken im
Angebotsstadium ist sinnvoll.
10. Bauherrenhaftung
Der Bauherr haftet mitunter solidarisch für die Vergütung der vom Generalunternehmer
beauftragten Subunternehmer. Die Bauherrnhaftung ist im polnischen Zivilgesetzbuch
geregelt. Nach Art. 6471 § 5 des Zivilgesetzbuches (ZGB; polnisch: Kodeks Cywilny) kann
der Bauherr unter bestimmten Voraussetzungen für die Zahlung der Vergütung an den
Subunternehmer herangezogen werden.
Damit diese Bestimmung zur Anwendung kommt, ist allerdings vorausgesetzt, dass dem
Bauherrn das begründete Vertragsverhältnis zwischen dem Generalunternehmer und dem
jeweiligen Subunternehmer offen gelegt wird und dieser seine Zustimmung erteilt. Diese
Zustimmung kann auch durch Stillschweigen erfolgen. Wenn der Bauherr demnach nicht
innerhalb von 14 Tagen dem ihm vom Generalunternehmer vorgelegten Vertrag schriftlich
ausdrücklich widerspricht, so gilt dieses "Stillschweigen" als Zustimmung, und der Bauherr
tritt in die Haftung mit ein. Dies hat zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt, der Bauherr und
der Generalunternehmer solidarisch für die Vergütung der vom Generalunternehmer beauftragten Subunternehmer haften.
Wird das oben beschriebene formale Prozedere (14 Tage Frist nach Vorlage des Vertrages) nicht eingehalten, da beispielsweise seitens des Generalunternehmer nicht alle SubVDMA-Newsletter Polen, Ausgabe Juni 2015
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unternehmerverträge offen gelegt wurden, so kann der Bauherr nicht zur Haftung herangezogen werden.
Im Streitfalle ist es für den Generalunternehmer daher entscheidend, dass er belegen
kann, dass seinerseits sämtliche Verträge dem Bauherrn offen gelegt wurden und der
Bauherr angemessen Zeit (14 Tage) hatte, diese in Augenschein zu nehmen.
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