3_Sachtextanalyse_Schlechte Grammtik

Sachtextanalyse: Schlechte Grammatik- Kein Job!
Bei dem vorliegenden Sachtext „Schlechte Grammatik – Kein Job“ handelt es sich um einen OnlineArtikel des Spiegels aus dem Jahr 2012, der von dem US- Amerikaner Kyle Wiens verfasst wurde.
Wiens vertritt die Ansicht, dass Menschen, die die Grammatik nicht vollständig beherrschen, keinen
Arbeitsplatz in seinen Firmen verdienen. Im Text rechtfertigt er seine extreme Haltung zur Sprache,
verurteilt grammatikalische Missstände von Bewerbern und appelliert an die Einhaltung der Regeln
der Sprache.
Die Aussage Wiens‘ ist unmissverständlich. Der Grammatik- Pedant, wie er sich selbst bezeichnet,
meint, dass es „Leute, die Schindluder mit der Grammatik treiben, verdienen, den Job nicht zu
kriegen“ (Z. 13ff.). Um zu gewährleisten, dass Menschen mit unzureichender Grammatik keinen Job
in einer seiner beiden Firmen, die Online- Anleitungen erstellen, bekommt, hat er einen
obligatorischen Grammatiktest für alle Bewerber installiert. Um seine Aussage zu stützen, führt er im
Wesentlichen drei Argumente an.
Sein Hauptargument für seine „Null- Toleranz- Einstellung“ (Z. 10, 12) ist, dass er Glaubwürdigkeit mit
guter Grammatik faktisch gleichsetzt („Gute Grammatik ist Glaubwürdigkeit“, Z. 27f.) und somit die
Sprache einer Person als eine Projektion ihrer Persönlichkeit betrachtet. Wer also die Grammatik der
Sprache nicht beherrscht, ist in Wiens‘ Augen auch in seiner Persönlichkeit nachlässig. Auch die sich
immer schneller entwickelnde Sprache sein kein Argument, Nachlässigkeiten zu dulden (vgl. Z. 26).
Die Position Wiens‘ wird auch in seinem eigenen Sprachgebrauch deutlich, indem er an einer Stelle
sogar Kriegsvokabular benutzt, indem er von einem „Präventivschlag gegen grässliche
Grammatikfehler“ (Z. 24f.) spricht. Wiens scheint in der Tat einen Feldzug gegen Grammatikfehler
führen – dabei geht er bei der Stützung seiner Hauptaussage sogar noch einen Schritt weiter.
Neben dem Rückschluss von schlechter Grammatik auf die Glaubwürdigkeit der Menschen behauptet
Wiens sogar, dass er daraus ebenfalls Rückschlüsse auf deren Intelligenz ziehen kann. Dieses
Argument leitet er durch ein Gegenargument sprachlich geschickt ein. Er wehrt sich gegen seine
Kritiker, die seine Einstellung ggf. als unfair bezeichnen könnten, weil Grammatik „nicht das geringste
mit der Arbeitsleistung, Kreativität oder Intelligenz zu tun habe“ (Z. 36f.). Wiens hingegen stellt klar:
wer nach seiner Schulzeit die einfachsten Grammatikregeln nicht beherrsche, sei grundsätzlich – in
keinem Bereich – nicht lernfähig und somit für seine Firmen, die offenbar von einem hohen
Leistungsprinzip geprägt sind, nicht tragfähig (Z.38-41). Es sei zu erwarten, dass die Bewerber, die im
Sprachtest Schwächen zeigen, auch in anderen Bereichen nicht leistungsfähig seien. GrammatikFehler, so Wiens, lassen Leute „dumm aussehen“ (Z. 11).
Nachdem Wiens seine Einstellungspraxis mit Rückschlüssen aus den Grammatiktests auf die
Persönlichkeit und die Intelligenz der Bewerber gerechtfertigt hat, weißt er abschließend darauf hin,
dass – ebenso wie in der guten Grammatik – in seinem gesamten Geschäftsmodell der Teufel im
Detail liege und er demnach nur solche Leute einstellt, die diese Details ebenfalls wichtig sind.
Bewerber, die korrektes Schreiben für unwichtig hielten, seien sehr wahrscheinlich auch der
Auffassung, dass andere wichtige Dinge eher unbedeutend seien. Von Bewerbern angegebene
Detailverliebtheit, so Wiens, müssen sie bei ihm erst beweisen.
Die Formulierungen im Text machen deutlich, wie Wiens seine eigene Stellung sieht. Durch die
direkte und fast drohende Leseransprache („Wenn Sie meinen, dass…“, Z. 4, 5, 6), die sich dreimal
wiederholt, durch die sarkastischen Bilder („Wenn Sie Kommata über den Satz verteilen mit der
Präzision einer Schrotflinte…“, Z. 6) und rhetorischen Fragen, die er obendrein noch klar und deutlich
beantwortet, verdeutlicht der Autor seine Machtposition. Somit wirkt sein Plädoyer weniger als eine
Rechtfertigung, sondern vielmehr als eine Anklage.
Der vorliegende Text beinhaltet eine klare Aussage, die zunächst sehr plakativ erscheint. Im
Textverlauf stützt der Autor diese sowohl durch drei Argumente, als auch durch die Entkräftung von
möglichen Gegenargumenten und die Verwendung von sprachlichen Mitteln, die einen sehr
selbstsicheren Eindruck vermitteln. Dadurch wirkt der Text sehr determinierend und die Meinung
Wiens‘ sehr determinierend. Die Position des Autors zum Verhältnis seiner Bewerber zur Sprache ist
unmissverständlich und rigoros, was auf eine klare dreischrittige Argumentationsstruktur
zurückzuführen ist.
Die Ansicht von Herrn Wiens erscheint mir persönlich als sehr klar und unmissverständlich. Die
Achtung und Umsetzung von sprachlichen Regeln halte auch ich für sehr wichtig und gerade in Zeiten
von vielem elektronisch- schriftlichen Verkehr, in dem Regeln mehr und mehr scheinen zu verachtet
werden, als unabdingbar. Jedoch teile ich auch die Sorgen von Kritikern an dieser Praxis, die
befürchten, dass kreative Köpfe durch das enge Raster fallen könnten, obwohl sie vielleicht dringend
gebraucht würden. Den Rückschluss von grammatischen Fehlern auf die Persönlichkeit und die
Intelligenz von Bewerbern halte ich zwar bedingt für legitim, jedoch für wissenschaftlich nicht
haltbar. Aus meiner Sicht könnte ein Mittelweg der Goldene sein, auf dem die Grammatik der
Sprache zwar geachtet wird, kleinere Fehler aber verziehen werden können.