Sexuelle Belästigung rechtfertigt fristlose Kündigung - TK-Lex

Sexuelle Belästigung rechtfertigt fristlose Kündigung – Christel Burger – TK-Lex – 7. März 2016
Sexuelle Belästigung rechtfertigt fristlose Kündigung
Sexuelle Belästigung ist ein wichtiger Grund für fristlose Kündigung. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber erst ein Jahr
später davon erfährt.
Zunächst ging es bei der Kündigung eines Abteilungsleiters nur um den Verzehr eines kleinen Stückchens Fleisch im Wert von
80 Cent - dann plötzlich um die sexuelle Belästigung einer Mitarbeiterin. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein wertete
den nach der Beweisaufnahme feststehenden sexuellen Übergriff – obwohl er lange zurücklag - als wichtigen, die fristlose
Kündigung begründenden Grund.
Ursprünglicher Kündigungsgrund: unerlaubter Fleischverzehr
Der Abteilungsleiter war seit 1993 bei seinem Arbeitgeber, einem Lebensmitteleinzelhandel beschäftigt. 2015 wurde ihm mit der
Begründung, er habe ein Fleischstück im Wert von 80 Cent gegessen, seitens seines Arbeitgebers fristlos gekündigt. Hiergegen
wehrt sich der Mann mit einer Kündigungsschutzklage. Es habe sich um eine erforderliche Probe gehandelt, rechtfertigte er
sich. Erst nachdem die Arbeitgeberin ihrem langjährigen Mitarbeiter wegen des unerlaubten Fleischverzehrs gekündigt hatte,
erfuhr sie von einem Vorfall, der sich ungefähr ein Jahr zuvor zugetragen hatte. Der betroffene Abteilungsleiter hatte eine
Mitarbeiterin in einem Raum umarmt und sexuell belästigt. Dies hatte die Mitarbeiterin bis dahin nur der Marktleiterin erzählt.
LAG wies Kündigungsschutzklage ab
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erachtete anders als noch das Arbeitsgericht Elmshorn (AG Elmshorn, Urteil v. 11.
Juni 2015, 3 Ca 120 a/15) die fristlose Kündigung als rechtmäßig und wies die Kündigungsschutzklage ab. Nach durchgeführter
Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass die Angabe des Abteilungsleiters, es handele sich um eine zulässige Probe,
eine Schutzbehauptung war und er ein Vermögensdelikt zulasten seines Arbeitgebers begangen hat. Dies hätte nach Ansicht
des Gerichts auch trotz langjährigen Arbeitsverhältnisses angesichts der Vorgesetztenstellung zumindest eine ordentliche
Kündigung gerechtfertigt.
Spätere Kenntnis eines sexuellen Übergriffs rechtfertigt fristlose Kündigung
Das Gericht sah es aber nach der Beweisaufnahme als ebenfalls erwiesen an, dass der Mann den sexuellen Übergriff auf die
Mitarbeiterin ein Jahr zuvor begangen hatte. Dies wertete das Gericht als wichtigen, die fristlose Kündigung rechtfertigenden
Grund. Wirksam ist eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich nur, wenn die Kündigung innerhalb der zweiwöchigen
Ausschlussfrist nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgt. Da der Arbeitgeber erst nach Ausspruch
der Kündigung davon erfuhr, musste er nicht die Zwei-Wochenfrist einhalten.
Wissen der Marktleiterin ist Arbeitgeber nicht zuzurechnen
Der Vorfall lag zwar lange zurück, konnte die Kündigung nach Ansicht des LAG aber dennoch begründen. Die Marktleiterin
hatte nicht die Erlaubnis des Opfers, den Vorfall an die Geschäftsführung weiterzumelden. Somit war das Wissen der
Marktleiterin dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen. Angesichts der Schwere des Vorfalls, befand das Gericht, war es dem
Arbeitgeber nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
Hinweis: LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 10. November 2015, 2 Sa 235/15